Postskript zum Theaterbrief 4 – Marianna Salzmann über das Teatro Valle nach der Räumung
Das Problem ist auf dem Berg und nicht im Tal
von Marianna Salzmann
Rom, 11. August 2014. Il problema è a monte, non al valle. Das Problem ist auf dem Berg und nicht im Tal. So steht es auf den gelben SOS-Plakaten des Teatro Valle. Valle heißt auf Italienisch auch Tal. Heute war der Auszug.
Scusa, nicht der Auszug, denn Valle ist keine Besetzung, sondern eine Bewegung. Die kann nicht umziehen, aber sie kann sich transformieren. Das hat heute begonnen.
So hieß es auf der Pressekonferenz im Foyer des historischen Theaters am Vormittag. Eine symbolische Schlüsselübergabe wurde für den Abend angekündigt, an drei Parteien: die Stadt, das Stadttheater Teatro di Roma und die Fondazione Teatro Valle Bene Comunque – die juristisch immer noch nicht anerkannte Stiftung der Künstler*innen des besetzten Theaters. Die Fondazione erklärte, das Theater freiwillig zu verlassen, um eine Inspektion zu ermöglichen, aber selbstverständlich nicht wegzubleiben und die angekündigten Renovierungsarbeiten mitzuverfolgen, um schnellst möglich zurückzukehren und die Arbeit wieder aufzunehmen.
Ab heute untersteht das Gebäude Valle dem Teatro di Roma. Sein künstlerischer Leiter Marino Sinibaldi kam, um die Erklärung abzugeben, er werde mit den Künstler*innen des Teatro Valle Occupato in transparentem Austausch bleiben und sie so schnell es geht in das Foyer des Theaters einziehen lassen, um dort gemeinsame Projekte zu entwickeln. Über die Zukunft des Konzeptes Valle als eigenständig wirkendes Organ innerhalb des Teatro di Roma werde man verhandeln.
Nach mehreren durchgearbeiteten Nächten haben die comunardi einen gemeinsamen Standpunkt erarbeitet und sich als ernstzunehmende Gesprächspartner bewiesen. Der heutige Tag, der das Ende der Ära des Teatro Valle Occupato als eigenständig funktionierendes, selbstverwaltetes Theater einläutete, hätte schlechter nicht beginnen können: Am Morgen stellte die Stadt ohne Vorwarnung Strom und Wasser ab. Ein Rückschritt für das Vertrauensverhältnis – das Theater sollte zu Renovierungszwecken der Stadt abgegeben werden, dafür gehe man ohne Widerstand raus. Doch welche Bauarbeiten gehen ohne Strom und Wasser? Die Befürchtung, dass es sich um einen Vorwand handelt, um die Besetzer*innen herauszulocken, schien sich zu bewahrheiten. Die Angst um eine Schließung des Theaters hing nach wie vor über den "Aufräumarbeiten" der Besetzer*innen. Nach heftigem Protest, wurde beides jedoch innerhalb von Stunden wieder angestellt und auch die Stadt kam nicht in Form von Carabinieri in Vollmontur, sondern eines schmalschultrigen Regierungsvertreters, der die Besetzer*innen bat, die Türen des Theaters zu schließen – das wäre das offizielle Zeichen dafür, dass das Theater in die Obhut des Teatro di Roma überginge.
Bis sie wieder in das Gebäude reindürfen, haben die comunardi ein Gerüst an der Fassade des Theaters angebracht – als Bühne. Ab jetzt sollen dort Performances, Open Mics, Happenings und Interventionen stattfinden, zu denen die Fondazione alle Künstler*innen (international) einlädt. Nicht nur, um Solidarität zu zeigen, sondern um sich weiter zu vernetzen und Kollaborationen zu entwickeln. Wie das für jeden Theaterbetrieb selbstverständlich ist.
Marianna Salzmann ist Hausautorin des Maxim Gorki Theaters Berlin und künstlerische Leiterin des Studio Я. Sie besuchte das Teatro Valle Occupato im Juli und August 2014 für mehr als drei Wochen und schrieb bereits einen Text über die letzten Tage des Teatro Valle Occupato, die keine letzten Tage sind: Weil eine Bewegung nicht geräumt werden kann.
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