Judith - An der Berliner Volksbühne baut Frank Castorf mit prominenter Unterstützung aus Friedrich Hebbels Drama und viel Fremdgeraune einen Fünfstünder
Das Prinzip Mann
von Wolfgang Behrens
Berlin, 20. Januar 2016. Was war denn das jetzt? Nach den obligatorischen fünf Stunden – darunter macht's der Noch-Volksbühnen-Intendant nicht mehr – schüttelt man sich erst einmal einen Trip aus den Gliedern, dessen expressive Finsternis einem auch bei Frank Castorf nicht alle Tage begegnet. Diesmal hat man sich nicht – wie noch bei den Karamasows – in den Bert Neumann'schen Sitzsäcken gefläzt: Zum düster dräuenden Turm gestapelt, hinter dem Kunstnebel im Gegenlicht wallt, laden sie vielmehr zum Schauen ein. Eine Abraumhalde? Ein mythischer Berg? Ein rauchender Lavahaufen? Den Grundraum Neumanns jedenfalls erleben wir jetzt aus der umgedrehten Perspektive, auf der Bühne sitzend, während sich die Schauspieler*innen im Zuschauerraum so exaltiert wie inbrünstig auf und um diesem/n Sitzsack-Turm herum abrackern.
Von der radikalen Andersheit
Gegeben wird Friedrich Hebbels "Judith". Ein Stück, dessen alttestamentarisch kraftstrotzende, wenn nicht kraftmeiernde Gestalten schon den Spott eines Karl Kraus herausgefordert haben: Eine Parodie sei diese Tragödie, die den Nestroy'schen Hohn (Nestroy hatte Hebbels "Judith" neun Jahre nach der Uraufführung 1849 recht prominent veräppelt) schon in sich trage und die auf die Grimasse angewiesen sei. Und ja, sieht man Martin Wuttke anfangs neckisch über die Sitzsäcke hüpfen und klettern, breitbeinig watschelnd und aus federnden Knien staksend, mit kahlem Schädel und Pferdeschwanz, hört man ihn fisteln und krächzen, so scheint die Grimasse nicht fern: In diesem brutalen Baals-Jünger Holofernes steckt viel Arturo Ui, eine Rolle, die Wuttke seit nunmehr über 20 Jahren am nur zwei Kilometer entfernten Berliner Ensemble einzigartig komisch verkörpert.
Doch der parodistische Zungenschlag bleibt an diesem Abend Episode, nur ab und an kehrt er zurück, am kräftigsten wohl, wenn zur fröhlichen Wiederbelebung des langsam ermattenden Publikums in der fünften und letzten Stunde der Aufführung ein echtes Kamel die Bühne entert. Bis dahin aber hat sich Castorf von der angemaßten Wildheit der Hebbel'schen Figuren anstecken lassen, hat die Selbstermächtigungen und Unbedingtheiten einer Judith und eines Holofernes zum Anlass genommen, sich im wilden Denken zu üben. Denn jenseits des Hebbel-Textes wird viel Wildes und Wirres geraunt: Man hört von Riten und Kulten, von Heliogabal und vom Schisma des Irshu (wer, bitte, kann mir sagen, was das ist?), von der Scheidung des Geistes ins männliche und weibliche Prinzip, von der radikalen Andersheit und von der ursprünglichen Kraft des Hasses. Ausweislich des Programmblattes lauschen wir dabei Artaud und Baudrillard (ein paar unvermeidliche Heiner-Müller-Sätze fallen natürlich auch), doch da ist auch Anderes zu hören, der antike syrische Dichter Lukian etwa und wohl auch die eine oder andere esoterische Quelle.
Zwischen Mystik und Poststrukturalismus
Das alles wird mit geradezu flammendem Eifer vorgetragen, und wenn die Spieler*innen mal wieder in die grell orangefarbenen Plastikzelte zur Linken oder in orientalisch ausgestattete Gemächer im Rückraum entschwinden, dann agitieren sie auch gerne die Handkamera an. In der appellativen Übertreibung dieser wie gewohnt auf eine Leinwand übertragenen Ultragroßaufnahmen verharrt immerhin ein komisches Restmoment – ansonsten prasseln diese zwischen Mystik und Poststrukturalismus mäandernden Botschaften eher als recht humorfreie Gardinenpredigten auf uns ein.
Für die in der belagerten Stadt Bethulien spielenden Akte hat sich Castorf diesmal gar eines Chores versichert, der hemmungslos den von Einar Schleef erarbeiteten Mittelkanon plündert: Da wird nicht nur skandiert, da wird auch rhythmisch getrampelt, und einmal grölen die Männer die zweite Gralsszene aus "Parsifal", als gelte es Richard Wagner im Fußballstadion zu etablieren. Dazu wabern beständig dissonant basswummernde oder orientalisierende Klänge bedeutungsschwanger und Weniges bedeutend durch den Raum. Auf diffuse Weise ist so nahezu alles in dieser Inszenierung auf einen archaisierenden Expressionismus abgestellt.
Kraft des Kapriziösen
Es ist zum Weglaufen! Und es ist faszinierend! So gespreizt die Textauswahl (bei Hebbel angefangen) auch sein mag, so chaotisch das alles zusammengemantscht scheint, so irritierend bleibt es doch auch in seiner ungeschlachten Setzung. Und das Hauptpfund des Castorf-Theaters sind zuletzt eben doch seine Darsteller*innen, die den energetischen Druck aufbauen können, um eine solche Setzung fünf Stunden lang zu behaupten. An der Kraft des Kapriziösen etwa, die Birgit Minichmayr ihrer Judith verleiht, an ihrer immer wieder überschnappend ins Heisere kippenden Stimme mag man sich kaum sattsehen und -hören. Was man mit gleichem Recht von der messerscharfen Direktheit Jasna Fritzi Bauers als Judiths Magd Mirza sagen kann. Vom aasigen Wuttke ganz zu schweigen.
Und so goutiert man am Ende doch noch halbwegs wach die finale Pointe – Achtung, Spoiler! –, dass Judith den Gewaltmenschen Holofernes, das Prinzip Mann, den Imperialismus und das wilde Sein auch durch Köpfen nicht aus der Welt schaffen kann. Holofernes ist immer noch da und darf das Schlusswort sprechen, während Judith, den abgeschlagenen Kopf in Händen, verzweifelt davonwankt. Dann aber schüttelt man seine Glieder und fragt sich: Was war denn das jetzt?
Judith
von Friedrich Hebbel
Regie: Frank Castorf, Raum: Bert Neumann, Einrichtung Judith: Caroline Rössle Harper, Kostüme: Tabea Braun, Chorleitung: Christine Groß, Licht: Lothar Baumgarte, Videokonzeption und Kamera: Andreas Deinert, Ton: Christopher von Nathusius, Tonangel: William Minke, Dramaturgie: Sebastian Kaiser.
Mit: Birgit Minichmayr, Martin Wuttke, Jasna Fritzi Bauer, Mex Schlüpfer, Stefan Kolosko. Chor: Yasmin El Yassini, Judith Gailer, Ann Göbel, Anita Groschen, Leonie Jenning, Anke Marschall, MissVergnügen, Estefania Rodriguez, Nathalie Seiß, Johanna Skirecki, Julius Brauer, Jakob D'Aprile, Florian Denk, Niklas Dräger, Max Grosse Majench, Fritz Walter Huste, Henry Kotterba, Paul Rohlfs, Marcus Schinkel.
Dauer: 5 Stunden, eine Pause
www.volksbuehne-berlin.de
Castorfs "Judith" "vermag (...) auch das netteste Kamel nicht mehr zu retten", befindet Irene Bazinger in der FAZ (22.1.2016). Als besonders betrüblich empfindet Bazinger, "dass Birgit Minichmayr als souveräne, kokett abgründige Diva von einer Judith, Jasna Fritzi Bauer als deren schrill-schräge Magd Mirza und Martin Wuttke als getrieben-bösartiger landfremder Eindringling so selten auf der Bühne und so oft indirekt auf der Leinwand zu sehen sind." Sie sah in der Volksbühne eine "groteske Mischung aus Kino und Theater", die "mehr gedacht als gemacht habe".
Für Peter Laudenbach von der Süddeutschen Zeitung (22.1.2016) ist Castorfs neueste Inszenierung "natürlich eine Zumutung", die zugleich Spaß macht, so man denn eine "gewisse Neigung zum sadomasochistischen Theatergenuss" mitbringt – also: "ein abgefuckter, düsterer, großartiger Abend!". Birgit Minichmayr fand Laudenbach "gefährlich lasziv", Martin Wuttke wiederum "beneidenswert verspielt". Laudenbach empfand "Judith" als "moralfreie Kehrseite seiner letzten Arbeit, der erstaunlich klaren Auseinandersetzung mit Dostojewskis 'Brüdern Karamasow'".
"Kein schlechter Castorf, auch wenn das komisch klingt", findet Jan Küveler in der Welt (19.1.2016). Er empfand den Abend als "ehrlich gesagt ziemlich anstrengend. Relativ unwitzig, untypisch für ihn. (...) Beinahe scheint es, als wolle Castorf, der die Volksbühne ja schon mit Beton planiert hat, bevor demnächst Chris Dercon die Intendanz übernimmt, den letzten Zuschauer vergraulen." Wenn um Mitternacht alles vorbei ist, möchte Küveler dennoch "zum Erschöpfungsglauben" Castorfs übertreten.
Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (21.1.2016) meint: "ein vorbildlich quälender Volksbühnenabend". Zwar seien viele Zuschauer zwischendurch ausgestiegen, dennoch "bleiben (sie) bis zum Schluss", und "nach fünf zermürbenden Stunden gibt es einen erstaunlich kraftvollen Schlussapplaus."
"Alles an dieser Inszenierung ist ambitioniert, musikalisch untermalt wie in einem Historienfilm, mit Lagerfeuerflackern und Kunstnebel," schreibt Simone Kaempf in der taz (21.1.2016). Das Zusammenspiel von Birgith Minichmayr als Judith und Martin Wuttke als Holofernes sei intensiv. "Man staunt, was sie an Textmengen körperlich machen, wie sie dennoch aufdrehen, wenn sich im Finale alles mit Glamour auflädt", führt Kaempf aus.
Christine Wahl sah für Spiegel Online (21.01.2016) eine Mordszene, auf die "wohl selbst Quentin Tarantino neidisch" wäre. "Kurzum: Es ist großes philosophisches Trash-Kino, was sich gegen Ende der fünften Aufführungsstunde in der Berliner Volksbühne ereignet." Davor sah sie ein mäanderndes Stück, gemacht für "assoziative Anlagerungen", das sich allerdings vor allem kurz nach der Pause "in der multiplen Interpretation eines Volksbühnen-Chores gefühlt derart endlos und frontal in Richtung Publikum ergießt, dass man schon sehr ausgeruht sein muss, um daran ausschließlichen (intellektuellen) Genuss zu finden."
Rüdiger Schaper vom Tagesspiegel (21.01.2016) hat einen Tipp für das Castorf-Publikum: "Das Fiese bei diesem Castorf ist, nicht zum ersten Mal, dass es gegen Ende erst richtig losgeht." Das Finale sei nämlich tatsächlich eines mit "Kraft". Nichtsdestotrotz sah er in der Volksbühne eine Inszenierung, "die keinen Fokus hat, keinen Rhythmus und einen schlechten Sound".
"Eine monolithische Textgeschwulst wälzt sich über die Bühne, die selbst die endlich wiedervereinigten großartigen Schauspieler Birgit Minichmayr und Martin Wuttke (…) nicht bewältigen können", beobachtet Caspar Shaller in der Zeit (28.1.2016). Doch "wie so oft bei Castorf" werde man von der zweiten Hälfte für das Ertragen der ersten belohnt. Als nach der Pause "der brillante Chor" auftrete, nötige die Inszenierung einen zu der Erkenntnis: "Diesen Text muss lesen, wer begreifen will, was gerade in der Welt passiert."
Schön, dass Sie diesen Text gelesen haben
Unsere Kritiken sind für alle kostenlos. Aber Theaterkritik kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag, damit wir weiter für Sie schreiben können.
mehr nachtkritiken
neueste kommentare >
-
euro-scene Leipzig Arnas Kinder
-
euro-scene Leipzig Kuratorische Unwucht
-
euro-scene Leipzig Tendenziös
-
euro-scene Leipzig Versuch einer Antwort
-
euro-scene Leipzig Was übersehen wird
-
Kultursender 3sat bedroht Regionalprogramme einsparen
-
Neumarkt Zürich Klage Harte Strafen verhindern
-
euro-scene Leipzig Nachfrage
-
euro-scene Leipzig Alle oder keiner
-
Schiff der Träume, Berlin Immer wieder beeindruckend
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Es gibt keine Pseudometaebene. Und wenn, dann ist auch das gewollt - pseudo. Es braucht keinen Neuanfang an der Volksbühne. Es braucht keinen Manager. Es braucht jemand, der Castorf geniale Arbeit ehrt und weiterführt. Es kommen viele junge Leute frisch zu den Theatern, sie sollen sehen, was möglich ist. Mit diesem wahnsinns Regisseur und Intendanten. Mit seiner intelligenten Arbeit. Mit seinem Theater.
Und zurecht, dass sie denken, dass sie genial sind - weil sie es auch sind.
Der Kleinbürger spielt den Mann von Welt und zeigt uns mit großer Geste was er von Ihr schon alles begriffen hat.Wir stehen schweigend beeindruckt.
Berlin der grauen Mäuse? Schon mal im Gorki gewesen? Entschuldigung, aber auf solch eine platte Ansage, gibt's eine platte Gegenfrage. Der Abend war nicht sehr besonders auf CastorfS Niveau bezogen. Man wird es tatsächlich vermissen, die eigene und einzigartige Exaltiertheit dieses Hauses.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2652072/Regieberserker-Frank-Castorf#/beitrag/video/2652072/Regieberserker-Frank-Castorf
http://www.rbb-online.de/stilbruch/archiv/20160121_2215/judith-volksbuehne-berlin-frank-castorf.html
wenn sie denken, Cholerik sei ein alternativloser Regiestil und danach kämen nur noch salbungsvolle Worte, dann irren sie schwer und zeigen ihre ganze Ahnungslosigkeit. Es sind sicherlich weit aus mehr Inszenierung auf Grund von Passion und Liebe zu Stande gekommen, als auf Grund von Aggression. Ich kenne die Verhaltensweisen von Herrn Castorf nur allzu gut und habe sie häufig erlebt bei Regisseuren, die scheiterten und am Ende sind. Das Mäusehirn, dass Castorf seinen Darstellern unterstellt, und das sie mir nun nachsagen wollen, entspricht dem Zustand der eigenen Entleerung, die ein Regisseur im Scheitern erlebt, und meistens überträgt er nur eigenes Unvermögen, dass Reale zu fassen, auf seine Schauspieler. An dieser Stelle soll dann das Verausgaben über das Normale hinaus sinnstiftend sein, obwohl es nur die eigene Erschöpfung überdeckt, weiter nichts. Und diese Erschöpfung findet ihre Ursache in der sinnlosen Verausgabung, die Castorf als Kunst zelebriert. Aber am Ende bleibt alles hohl, weil das eigene Mäusehirn im Regisseur schon längst gesiegt hat. Und dann beginnt der ungezügelte Zorn auf alles, der in sinnlose häusliche Gewalt endet, in der man alles mit allem vermengt, Syrien mit Hebbel, Judith mit der Isis, Holofernes mit echter Männlichkeit, die Kette ließe sich endlos fortsetzen, beschreibt aber letztendlich nur den Zustand gänzlicher Zerrüttung, die immer in Gewalt endet.
Ist dieses Rumgebrülle wirklich packend? Was will man damit kommunizieren? Gilt das als intensiv? Mag ja sein, daß es für die Schauspieler kreislauffördernd ist,aber wozu?
Leider wirkt der Orientklischeekitsch sehr provinziell. Wie von einem all-inclusive Robinsonreisekatalog entnommen. Aber gut, vielleicht wirkt es erst in seiner vollen Länge.
Wer nur sieht, was er/sie sieht, wird natürlich keine Erkenntnisse oder Gedanken haben. Die eigene Denkleistung des Zuschauers forderte schon Brecht, in dem er meinte, das Theater solle sich nicht auf das Niveau des Zuschauers herab begeben, einen Anlass zum Denken geben.
Berührt hat mich ein Monolog von Martin Wuttke in den mit Puppen besetzten Sitzreihen unter der russischen Cola-Leuchtwerbung: ein Requiem auf die Volksbühne und auf den scheidenden Intendanten, der „vor der Zeit geköpft“ wird. Schon vorher spielt Wuttke mit seinem abgeschlagenen Kopf des Holofernes, aber er bleibt, ob geköpft oder nicht! Und auf das Stück bezogen: auch der Hass und das Böse bleibt in der Welt, wir hatten es nur verdrängt.
Denkende Menschen sind in der Reflektion von Verhältnissen nicht zimperlich. Theater lebt vom „als-ob“, deshalb muss es brachial sein um nicht nur in der Realität zu bleiben.
Aber wenn das letzte intelligente, den Zuschauer fordernde Theater kommerzialisiert ist, werdet/n Ihr/wir merken, dass nun nicht nur die Clubszene, sondern auch die aufklärerische und anspruchsvolle Theaterkultur mindestens aus (dem nun zum Dorf werdenden) Berlin-Mitte weg gentrifiziert wurde!
Jubel den Kleingeistern aus der Provinz, die Berlin immer noch ficken bis nichts mehr von der substanziell-künstlerisch prosperierenden Stadt übrig ist!
ob mäusehirn oder nicht,
schreiben sie ein schönes buch,
vieleicht möchte es jemand lesen,
vieleicht auch nicht,
die wortwahl haben sie ja, um gegen jegliche gewalt anzukämpfen.
glauben sie denn wirklich,die schauspieler die sich mit castorf einlassen sind nur dämliche opfer?
das muß (!) von denen keiner.
schlafen sie ruhig weiter.
ps.
ich fand judith übrigens auch flach.
mfg
der gute
Sie schreiben: „Denkende Menschen sind in der Reflektion von Verhältnissen nicht zimperlich. Theater lebt vom „als-ob“, deshalb muss es brachial sein um nicht nur in der Realität zu bleiben.“
Dennoch ist es so, dass die Regieanweisungen eines Regisseurs nicht in die Gnade des „als ob“ fallen. Sie sind reale Vorgänge in einem realen Arbeitsverhältnis, und nicht zu verwechseln mit der Rolle, die ein Schauspieler spielt. Der Bühnenvorgang befindet sich im Zustand des „als ob“, nicht aber die Art und Weise, wie er produziert wird. Die Produktion und Arbeitsweise spiegelt den Geist eines Hauses wieder. Und hierbei ist Brachialgewalt nicht alternativlos und kein „muss“ für das Theater, schon gar nicht als Arbeitsweise. Wie sie auf den Gedanken kommen, das nur Brachialität zum Denken führt, bleibt mir verschlossen. Das Gegenteil ist der Fall.
Zudem, wenn sie nur ein wenig von Probenabläufen verstehen würden, würden sie leicht erkennen, dass es empfindlich unprofessionell ist, seine Schauspieler bei einem ersten Durchlauf auf der Bühne, der auch zugleich die Generalprobe darstellen soll, vor laufender Kamera, derart zusammenzufalten.
Und mein lieber „guter“, das Buch, dass sie sich von mir wünschen, müssen sie sich wohl selber schreiben, denn ich stehe dafür nicht zur Verfügung.
Da hat also der scheidende Intendant ein neues Schimpfwort für seine Herrentoilette ausgegeben und seine Gemeinde niemand es dankbar an: Das Mäusehirn.
Fein. Dann weiterhin viel Spaß beim Wortgeklimpere.
Castorf kämpft für seine Gedanken, Zusammenhänge, die er findet, die er logischer Weise als extrovertierter Regisseur der Welt mitteilen möchte.
Ach, die "süßen" Kleingeister kapieren es doch nicht! Vergeben die Mühe der Erklärung!
Und wer hier "wortklimpert", ist die Frage!
Axel Rose und Iggy Pop, sind Sänger, keine Regisseure, Ausnahmetalente, ebenso wie Martin Wuttke und Birgit Minichmayr. Sie brauchen keinen Einpeitscher, wie auf einer römischen Galeere. Sie schöpfen ihre Kraft aus sich selbst heraus, Solokünstler eben, bei denen sie davon ausgehen dürfen, dass sich keiner von ihnen öffentlich auch nur drei Sekunden so behandeln ließe, wie wir es in diesem Beitrag des ZDF sehen können.
Und liebe „DieHuupspitanz“, nichts kann die Verhaltensweisen vor laufender Kamera von Herrn Castorf rechtfertigen, keine Probenmethodik, noch irgendeine Spielweise, die dazu führen soll, dass sich Schauspieler ihr Hirn aus dem Kopf spielen. Und selbstverständlich werden unter Stress niedrige Instinkte geweckt, die sich dann an den Latrinen ausleben lassen, aber intuitiver, instinktiver oder reaktiver wird das Spiel durch öffentliche Demütigen und Beschimpfungen nicht.
Natürlich gibt es Probenweisen, in denen man als Regisseur mit den Schauspielern mitgeht, und so versucht sie von außen weiter anzuspornen, zu Höchstleistungen zu motivieren. Aber hier handelt es eindeutig um eine öffentliche, völlig fruchtlose und sinnfreie Demütigung, wie man sie von Despoten einer Kleinfamilie kennt. Es ist ein Offenbarungseid des Regisseurs Castorf. Und es versteht sich von selbst, dass bei einem solchen Grad von Despotie, die gedemütigten Mitarbeiter, und das sind nicht nur die Schauspieler, ihre Frustration in der Herrentoilette an Fremden, sich außerhalb des Hauses Befindlichen, ausleben, um ihre eigene Erniedrigung zu kompensieren. So funktioniert der Kleingeist in einer Diktatur, Herr I.K., und selbstverständlich fühlt sich jeder, in solchen kleinbürgerlichen, provinziellen Arbeitsstrukturen, dann ebenso ermächtigt vermeintliche Feinde zum Brötchen, zum Hospitanten zu machen. Sie übernehmen die Attitüde des Herrn, der sie leitet.
Axel Rose und Iggy Pop wüssten sich zu wehren. Niemals würden sie zulassen, dass ihr Ruf öffentlich derart beschädigt würde. Über die hier vorgeführten Schauspieler muss wohl der nächst höhere Dienstherr seine schützende Hand legen, denn sie selber zeigten keinerlei Gegenwehr mehr. Eine wirklich tragischer Moment.
Sie haben ja so Recht. Stoppt die häusliche Gewalt an den Theatern! Die eine Hälfte der VolksbühnenschauspielerInnen muss bereits mit Krücken auf der Bühne erscheinen, die andere Hälfte schafft es erst gar nicht zur Arbeit. Das muss sofort aufhören. Herr Baucks, rufen Sie den höheren Dienstherrn und Regierenden Bürgermeister Michael Müller an. Oder besser noch, gründen Sie eine Selbsthilfegruppe für TheatermitarbeiterInnen, die unter der häuslichen Gewalt ihrer Intendanten und Regisseure leiden. Tun Sie was für den Weltfrieden und den häuslichen Frieden auf deutschen Bühnen. Amnesty International, Greenpeace und die Albert Schweizer Stiftung werden es Ihnen danken. Dagegen nimmt sich dann der fragwürdige Preis der Akademie der Künste Berlin für den dilettantischen „Mäusehirn“-Quäler Frank Castorf tatsächlich wie ein Trostpreis für sein seit Jahren gescheitertes Herumgekleckse aus. Picasso rotiert bestimmt schon im Grabe.
Und warum sollte I.K. ein Mann sein? Vielleicht traut er einer Frau diese Worte und Gedanken nicht zu?! Ach, Castorf hat so recht mit der PROVINZSCHEISSE!
(Liebe Diskutant*innen, die Kommentare balancieren langsam an der Grenze, an der sie ins Beleidigende kippen. Bei einer weiteren Verschärfung des Tons werden wir die Diskussion abbrechen müssen. Es grüßt wb für die Red.)
egal welchen Geschlechts sie auch seien, zu Menschen wie ihnen muss man einfach ganz besonders lieb sein, damit sie nicht noch mehr Schaden an ihrem Idol nehmen. Nur leider ist es einfach so, dass sie blind sind für denjenigen, den sie verehren, und in ihrer Blindwütigkeit, schlagen sie um sich, ebenso wie ihr Vorbild. Eigentlich Schade (…)
Mit einem kosmopolitischen Gruss
Ihr
Martín Baucks
F.-P. S.: Jaja, aber Sie werden doch zugeben, dass die Hauptstadtscheiße naturgemäß im Großen und Ganzen größer ist. So mengenmäßig...
Man kann ja auch mit Humor oder Leidenschaft etwas erklären.
So ein Quatsch, und diese Überhöhung des eigenen (bzw. von Diskutanten hier: fremden) Verhaltens unerträglich.
Sollte irgendwo sonst in einem deutschen Unternehmen der Vorgesetzte seine Mitarbeiter in dieser Form ansprechen, und das auch noch öffentlich und im Fernsehen, wäre das ein Fall für die Gerichte und sowieso das öffentliche Strafgericht der Moral... so sind sie, die Investmentbanker, die Kapitalisten, die Neoliberalen. Hier aber: klar, geht ja gar nicht anders.
Am entlarvensten für mich aber die Larmoyanz des 'Meisters':
Wuttke: Das ist schwer!
Castorf: Was soll ich sagen, meine Intendanz endet 2017...
Heul' doch, bzw. spuck doch drauf... albern.
Aber nicht mehr lange.
Zugegeben keine Deutschen: Orson Welles und Martin Scorsese!
Berühmt dafür, eine äusserst entspannte, offene Arbeitsatmosphäre, zu schaffen, in der sich Darsteller aufgehoben und geborgen fühlen und bereit sind sich tatsächlich preiszugeben! Und zwar, weil sie es SELBER wollen und nicht, weil ein Puppetmaster sie dahin brüllt. (Auch wenn sich der Brüller, dabei selber sehr lebendig und potent fühlt).
Wäre es nicht tatsächlich bemerkenswert, derart dicke, pelzige, lebendige Eier zu haben, von einer monströs-perversen Welt zu erzählen zu können, ohne sich wie Kim Jong Il aufzuführen?
Der war berühmt für seine Brüllorgien auf Proben. Eines schönen Tages hatte er sich endgültig heiser gebrüllt. Er ließ sich dann eine Trillerpfeife aus der Requisite bringen: ein Pfiff hieß: "Text!" Zwei Pfiffe: "Pause!" Es wurde dann andauernd gepfiffen.
Es gibt offenbar nichts Neues unter der Sonne.
geht kunst aber mit s.o.staatlicher hierachie? also führung?
Was bewegt bloß alle, die seine Methode des Druckausübens als die einzige Möglichkeit betrachten, Kunst zu produzieren? Ist ihnen klar, dass sie einem uralten romantischen Prinzip huldigen, welches besagt, nur Kampf und Leid sind die Quellen "wahrer" Kunst?
Druck erzeugt Gegendruck und zumeist Verkrampfung. Aber es kommt darauf an, eine Atmosphäre zu schaffen, die das Freisetzen aller Fähigkeiten ermöglicht. Natürlich gibt es immer Spannungen, die sich entladen müssen, doch das sollten keine wüsten Beschimpfungen sein. Ganz allgemein gesagt, kann sich Kunst nur in einem Raum der Freiheit wirklich entfalten.
Regisseure sind wie Dirigenten Anreger und Wegweiser, doch sie realisieren selbst keine Kunst, das machen diejenigen, die Abend für Abend auf der Bühnen stehen und den Kopf dafür hinhalten, was sich die Herren oder Damen in der siebten Reihe so ausgedacht haben.
Überhaupt Künstler? Sind wir Theatermenschen nicht eher Interpreten, Kunsthandwerker und sollten entsprechend bescheidener auftreten? Ich weiß, das ist ein Gedanke, der jedes der "Theatergenies" erschaudern lässt.
Dies mit Hochachtung, stets der
&cet
„Unverschämtheit!“ schallt es, und verhallt auch zugleich. Wer nicht fliegen will, ist für Castorf renitent. Und Renitenz gegen die „sadomasochistische Grundbeziehung“ zwischen Schauspieler und Regisseur ist dem „Herrn“ unerträglich. Eine Renitenz, die zur Demokratie führen könne, eine zu große Gefährdung für Castorf. Er betrachtet unter demokratischen Verhältnissen die Kunst als verunmöglicht. Für ihn ist es undenkbar, den emotionalen Zustand einer Figur zu vermitteln. „Ich kann nicht sagen, dass musst du so oder so machen.“, dies wäre für Castorf als Regieanweisung unzumutbar. Er meint, in dieser gewalttätigen Methodik liege etwas „Besonderes“ und sie befördere und finde „besondere“ Menschen. Sicherlich sind Masochisten eventuell besondere Menschen.
Genaugenommen sind aber genau sie der gesellschaftliche Normalfall, und eben die ganz normalen Erfüllungsgehilfen des Normalen, die Castorf vorgibt zu verachten. Masochisten sind diejenigen, die diese Gesellschaftszusammenhänge tragen und fortsetzen. Und unfähige Führungskräfte sind ihre Despoten.
Und wo, in welcher historischen Schule meint Castorf diese Grundbeziehung erlernt zu haben? In der ehemaligen DDR. Dort hat er seinen Sadismus einstudiert, und nun spuckt er bis zum seinem Tode weiter auf alles. Nicht pathetisch, wie er meint, sondern kleinkariert sadistisch. Ein Fall für die Laubenpieper.
Auf die unsägliche Interpretation Hegemanns das Stück „Judith“ betreffend, muss man erst gar nicht eingehen. Sie ist Erfüllungswerkzeug des sadistischen Meisters.
Frau Schortmann von der Kulturzeit möchte zunächst noch die Schauspieler konsultieren, bevor sie zu einem Urteil kommt. Was für ein Armutszeugnis angesichts der Probenaufzeichnungen, die ihr vorliegen. Der Domplatz von Köln liegt direkt auf dem Asphalt, mit dem Volksbühne gerade von innen planiert wurde.
Und wenn Castorf meint, e könne einen solchen Kommetar subsummieren, in was auch immer, irrt er gewaltig
Laut einem Interview im "esquire", braucht er selber am Set vor allem Spass und eine gelöste Athmosphäre.
Aber er ist natürlich auch nicht Deutscher.
Wo hier gerade im Vergleich zu Castorf der Altmeister des guten Film-Trashs zitiert wird: "Are you gonna bark all day, little doggy, or are you gonna bite?" (Michael Madsen zu Harvey Keitel in Quentin Tarantinos "Reservoir Dogs")
Und, wo sortieren sie sich so ein? Wenn sie mich schon eher bei den Hunden und Schlappschwänzen sehen? Sind sie auch so ein Berserker?! So ein anderes Kaliber?!
Tut mir leid, wenn ich nicht ihren „pornographischen“ Neigungen entsprechen kann. Aber im Zusammenhang mit den Erklärungen unter der Rubrik „Den Westen ficken.“ sind Castorf´s Ausführungen eindeutig sexuell konnotiert; eben sexistisch, übergriffig.
Ein Intendant, der seine Position gegenüber seinen Mitarbeitern öffentlich missbraucht, und das Ganze in einen erotischen Zusammenhang setzt, den er bestimmt, und in dem er keinen Widerspruch, keine Renitenz duldet, und der sein Verhältnis zu seinen Mitarbeitern wie folgt, als eine ausschließlich sadomasochistische Beziehung auf Grund einer Despotie definiert.
Möge das bellenden und beißenden Hunden gefallen, für andere ist es ein Vertrauensbruch, der zur sofortigen Aufkündigung des Dienstverhältnisses führen müsste.
Welches Theater wollen Sie?
mensch baucks,
"den westen ficken" ist das eine,
seien sie doch mal so kulant,wie sie gerne sein möchten,
und nicht neidisch auf einen kulturdampfer,der seit einem vierteljahrhundert in der mitte von der hauptstadt steht,
und sie waren nicht dabei.
die volksbühne ist und war schon immer mehr als nur f.c.
herzlichst
tom
was Herr Matthes und Frau Becker entscheiden, ist ihre Sache. Man muss ihrem Urteil nicht folgen. Jedoch eines ist völlig klar, an dem Interview von Herrn Castorf gibt es so gut wie nichts, dass man nicht verstehen könnte. Es ist in seiner herzlosen Eindeutigkeit so simpel, dass wohl der Inhalt auch Herrn Matthes nicht verschlossen bleiben dürfte, von dem ich solange annehme, dass er nicht öffentlich gedemütigt werden möchte, bis er persönlich das Gegenteil verlautbaren lässt.
Und mögen sie auch die Dynamik der Reitpeitsche noch so lieben, Herr Olaf, sie können und dürfen Sadismus nicht zur Grundlage eines Arbeitsverhältnisses erheben. Was sie privat befriedigt geht keinen etwas an. Ich weiß nicht, was sie dazu bringt, zu meinen, dass öffentliche Demütigungen lediglich eine Frage seien, wie dynamisch man damit die Theaterwelt spaltet. Das ist etwas, dass man nicht verstehen muss. Verstehen sollte man aber, dass solche Demütigungen nicht geduldet werden dürfen, selbst wenn die Betroffenen sie anscheinend in Kadavergehorsam hinnehmen.
Und nun kommen wir zu ihnen, lieber Tom. Kulanz! Sie fordern also Kulanz! Und argumentieren mit Neid. Man solle also Herrn Castorf in seiner Triebbefriedigung kulant entgegen kommen. Warum sich nicht mal vom Chef so richtig fertig machen lassen?! Wahrscheinlich soll man die Übergriffe des „Meisters“ auch noch genießen, nicht wahr?! Leben und arbeiten sie in solchen Verhältnissen? Haben sie schon ihren „Kulturdampfer“ mit den idealen Arbeitsbedingungen gefunden, wo sie turnusmäßig vor laufender Kamera zerlegt werden? Nein?! Nicht?! Dann bewerben sie sich doch beim Dschungelcamp. Dort sind solche „Tugenden“, eine solche Art von „Kulanz“ und „Entgegenkommen“ geradezu erwünscht. Vielleicht ist dort ihr idealer Platz.
An den Theatern gelten andere Regeln, die ihnen offensichtlich nicht vertraut sind.
Ich finde es gut, wie kim jong un nord- und südkorea spaltet und damit eine dynamik in die geopolitische situation bringt. der rest wäre uneträgliche langeweile. möge uns kim jong uns nicht verloren gehen.
(merken sie, wie doof ihr argument ist. mal abgesehen davon, dass sie nicht einmal richtige bezüge setzen: möge uns diese nicht verloren gehen, schreiben sie, und beziehen sich damit eindeutig auf unerträgliche langeweile. hahaha.)
herzlich kju
Mal zur VB-Judith aus dramaturgischer Sicht: - ach nein, ein andermal-
(Den Wunsch, die "Judith" wieder ins Zentrum der Diskussion zu rücken, gern auch "aus dramaturgischer Sicht", teilt die Redaktion und bittet die Diskutant*innen mithin, sich vom hinlänglich erörterten Sadismus-Vorwurf ab- und der Inszenierung zuzuwenden. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow)
(Werte Diskutant*innen, bitte sehen Sie uns nach, wenn dies die letzte Veröffentlichung zum Thema "Probe und Sadismus" ist. Offen ist weiter die Frage zum Schisma des Irshu. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
wenn ich mich gegen ein T-Shirt aus Bangladesch entscheide, dann nicht wegen der schlecht gezogenen Nähte, sondern, weil es unter unmenschlichen Bedingungen produziert wurde. - Und sie, Herr Kranzler, können mir gerne ein Pornoheft zusenden. Überlassen sie das bitte nicht den Redakteuren. Ich möchte zu gerne wissen, was sie für mich auswählen.
Ich schicke ihnen dann im Gegenzug den Text des Dramas „Judith“ von Hebbel. Dort können sie im zweiten Akt folgenden Satz der Figur der Judith lesen: „Sieh, keine vierzehn Jahr war ich alt, da ward ich dem Manasses zugeführt.“ Heute würde man wohl eher von einer Zwangsheirat sprechen. Im folgenden beschreibt sie den Verlauf ihrer Ehe. Dort steht nichts davon, dass ihr Mann ein „Schlappschwanz“ war. Im Gegenteil. Er erkannte in ihr eine Heilige und aus diesem Grund vollzog er nicht die Ehe an ihr, sondern verstarb. Man muss Hebbel natürlich in dieser so angelegten Biographie nicht folgen. Aber aus der Figur von diesem Punkt ausgehend eine sexuell frustrierte junge Frau zu machen, die sich aus Ermangelung echter Kerle, dem Holofernes in die Arme wirft, ist eine reine Männerphantasie.
Wenn man in der Konzeption schon mit solch kruden Frauenbildern arbeitet, ist es nicht verwunderlich, dass der Regisseur seine Hauptdarstellerin niederbrüllt. Das kann mannigfaltige Gründe haben. Wahrscheinlich stellt er im Moment der Brüllerei fest, dass seine Konzeption nicht aufgehen mag. Oder aber er selber liegt mit seiner Männerphantasie über die Figur „Judith“ so sehr daneben, dass er auch in seiner Darstellerin nichts anderes als ein „Mäusehirn“ erkennen kann. Eben eine Frauenfigur, die er auf Grund seiner Konzeption auf ihre sexuelle Frustration reduziert hat.
Diese Konzeption aber Hebbel zuzuschreiben, wenn man schreibt: „Judith, die apokryph biblische Heldin in Hebbels Tragödie, will begehrt und geliebt werden, aber es findet sich im frommen Bethulien kein Mann, der ihr gewachsen ist. Alles nur Feiglinge und Schlappschwänze.“ ist arg fahrlässig. Denn wenn sie dann das Stück wirklich einmal lesen, lieber Herr Kranzler, dann werden sie feststellen, dass die Figur „Judith“ ganz anders grundiert ist. Wie gesagt, in der Volksbühnenversion eine reine machohafte Männerphantasie.
Und da sind wir wieder beim entscheidenden Punkt, die Redaktion möchte zur Tagesordnung übergehen. Man möchte lieber die Qualität der Naht diskutieren, und nicht das ganze Paket, wie das T-Shirt aus Bangladesch produziert wurde.
Aber hierbei dreht man sich nur im Kreis, denn nach kürzester Zeit, wenn man die Nähten abgetastet hat, ist man schon wieder zwangsläufig beim Ganzen. Und für das gilt offensichtlich:
Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Es ist ein wenig so, wie in dem Stück „Eine Frage der Ehre.“ Zwar ist der General überführt, aber man ist sich nicht so ganz sicher, ob man ihn nun auch festnehmen sollte.
Wo sie dabei mein Zittern entdeckt haben wollen, Herr Kranzler, ist mir unklar. Wie machen sie das, meine physischen Regungen durch das Internet wahrzunehmen?
Wie dem auch immer sei, auch eine dramaturgische Untersuchung der Arbeit von Herrn Castorf, kann zu keinem anderem Ergebnis kommen.
(Der Punkt, werter Martin Baucks, ist hinreichend klar geworden. Alles Weitere nimmt sich als beharrliches Insistieren aus, das die Diskussion in die Endlosschleife bindet bzw. einnäht. Mit besten Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
https://www.google.de/search?q=Schisma+des+IShu&ie=utf-8&oe=utf-8&gws_rd=cr&ei=zmKrVrCUL8qLsgG0yKnICw#q=%22Schisma+de+irshu%22&tbm=bks
Tja … !?
Lieber Herr Baucks, das verrate ich Ihnen nicht, wie ich das mache! Und ich tausche Pornos nicht gegen Hebbel, wären sie so freundlich, sich das zu merken? Ich würde Ihnen gegen ein Programmheft (analoge Version) einen Porno, unbesehen aus einer Grabbelkiste gezogen wie ein Los, schicken und gegen das Hebbel-Stück in der ältesten zu bekommenen Druckfassung (analog) meine eigene Judith-Analyse, könnte aber sein, dass das fast ein Roman wäre... Gilt der Handel?
https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=Reflexos+linguistic+del+schisma+de+Irshu+(Jonas+Negalha)
Heliogabel beginnt wie folgt, ich lese es ihnen gerne aus meiner reichhaltigen Bibliothek vor:
Kapitel I
Die Spermawiege
„Pulsiert um den Leichnam Heliogabels, der ohne Grab endete, abgeschlachtet von seiner Polizei in den Latrinen seines Palastes, ein mächtiger Strom von Blut und Exkrementen, so pulsiert um seine Wiege ein mächtiger Strom von Sperma. Heliogabal wird in einer Zeit geboren, wo jeder mit jedem schlief; und man wird nie erfahren, wo und von wem seine Mutter wirklich geschwängert worden ist. Für ihn als syrischen Fürsten gibt die Abkunft mütterlicherseits den Ausschlag, - ...“
Ich will ja nicht zimperlich sein, aber schon wieder sitzen wir in der Pornofalle. Sie haben anscheinend ein Talent für solche Exkurse. Aber nur weil das Wort „syrisch“ vorkommt, ist da noch kein besonderer Bezug zum Heute, noch zu „Judith“.
Und nun dürfen sie wieder übernehmen. Selbstverständlich muss sich Castorf dem Text nicht unterordnen. Aber man darf ebenso selbstverständlich kritisch untersuchen, was für Texte er so aufwirft und wie er sich als Person dazu verhält.
Aber dies tat ich ja schon.
Lieber Kranzler, meine älteste Hebbel Ausgabe "Judith" ist von 1910 und wurde in Berlin gedruckt. Wenn sie ihnen hilft, überlasse ich sie ihnen für eine Kurzfassung ihrer Interpretation, falls sie sinnfällig ist und nicht mit einer "Spermawiege" beginnt.
Es ist auf jeden Fall was Orientalisches. Jesus ist eine Figur die ja auch im Koran eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
Eine weitere Quelle wäre Antoine Fabre d` Olivet aus dem Text „De l`Etat soziale de l`homme ou Vues philosopiques sur L´Histoire du genre humain.“ (1822)
Und teilen sie uns doch dann bitte ihre Erkenntnisse hier mit, in welchem Zusammenhang das „Schisma des Irshu“ zu der Inszenierung von Herrn Castorf steht.
"Judith" mordet bei Hebbel aus Entsetzen über sich selbst: was sie für ihre Liebe zu Volk und Gott gehalten hat,erkennt sie entsetzt als ungestilltes sexuelles Verlangen. (Auch wenn der Gedanke Herrn Baucks Anstandsgefühl verletzt- er ist da nicht allein! Das Stück war schon 1850, lange vor Freud!, ein Schocker). Judith ist bereit als letzte Rettung für ihr Volk den feindlichen Anführer Holofernes zu verführen und zu enthaupten. Soweit die Bibel. Nun Hebbel: weil Judiths Mann Menasses die Ehe mit ihr niemals vollzogen hat ("Ich kann ja nicht! rief er, ich kann nicht!") - warum, das eben weiß Judith nicht und es quält sie, sie hält sich deshalb für wertlos, wird Judith in ihrer ersten Nacht mit Holofernes von sexueller Lust überwältigt. Ihr eigener Körper läuft zum Feind über- und Holofernes bemerkt das. Sie tötet ihn, nicht aus Patriotismus, sondern weil sie es nicht ertragen könnte, den Zeuge ihrer Demütigung am Leben zu lassen.
Dass dieses Thema hochaktuell ist, ist offensichtlich: es ist eine von vielen Geschichten aus der Bibel, in denen vom archaischen Zusammenhang von Sex, Gewalt und auserwähltem Volk erzählt wird. Das Bild eines hochgehaltenen, noch blutenden abgeschlagenen Kopfes kommt noch dazu- Gemälde der nackten Judith mit dem Kopf des Holofernes waren durch die Jahrhunderte in Abertausenden Schlafzimmern zu sehen. Judith ist eine Heldin unserer jüdisch-christlichen Bilderwelt- und eine Ikone feministischer Mädchen- und an die Ähnlichkeit der Bilder erinnert zu werden ist schockierend.
"Heliogabal" schließt in vieler Hinsicht an Judith an. Ein ganz naiver Märchenanschluss ist der, dass Judith am Ende von Hebbels Stück möglicher Weise von Holofernes schwanger ist. Heliogabal wiederum kam aus Syrien und wird in verschiedenen Texten als Sohn einer Hure beschrieben. Ungefähr dieselbe Zeit, derselbe Ort- man denkt: könnte dieser wilde anarchistische Mensch auf dem römischen Kaiserthron vielleicht der Sohn aus dieser entsetzlichen Begegnung zwischen Judith und Holofernes gewesen sein?
Zwischen der Entstehung der beiden Texte liegen 80 Jahre, der langsame Tod Gottes, der erste Weltkrieg. Beide beschäftigen sich mit Glaubenskriegen und bei beiden erweist sich der Kampf der Geschlechter als eigentlicher Ursprung des Krieges. Aber was bei Hebbel noch Entlarven von Lüge und Scheinheiligkeit ist, das enthält bei Artaud auch den Kern der surrealistischen Erlösungshoffnung: dass nämlich Sexkampf, mit allen Mitteln geführt und furchtlos durch alle Gräuel hindurch, schließlich zur Versöhnung in zukünftigen androgynen Wesen führen könne- hier Heliogabal selbst.
Für Castorf/sein Team und alle Altlinken waren und sind das ebenfalls zwei wichtige Theorieblöcke, die einander oft widersprechen:(siehe nächster Kommentar)
Die eine Theorie: die Lust, Feinde zu töten, und Sex seien ein und diesselbe Lust (Inzwischen neurochemisch bestätigt: nach befriedigendem Sex wird Oxytocin ausgeschüttet- das bewirkt: Zärtlichkeit, Bindungsbereitschaft, Mitgefühl mit den Armen- und erhöht gleichzeitig die Fremdenfeindlichkeit und die Aggression gegen Feinde).
Der zweite Block: die Hoffnung auf die subversive Kraft sexueller Befreiung. Make Sex not war! Den Westen ficken brächte, radikal genug betrieben, nicht den Tod sondern den Frieden.
Die Schauspieler diskutieren also zwei Arten der möglichen Selbsterkenntnis über Sex und Krieg: als Judithfiguren :"du glaubst, du kämpfst für das Gute/die Befreiung/gegen Willkür und Unterdrückung- und dann erkennst du: tief im Inneren folgst du nur deiner eigenen Gier. Alles andere hast du dir nur vorgelogen." Artaud/Surrealismus: "Alle Kämpfe, die mit Sex und Gier und allen denkbaren Perversionen zu tun haben, müssen ausgetragen werden, wenigstens symbolisch- das wird zur Befreiung führen und zum Ende von Krieg und Gewalt."
Als Schauspiel funktioniert dieses Gegeneinanderstellen der beiden Theorieblöcke leider schlecht. Früher ging dieses Zusammenwerfen von kontroversen Texten inmitten eines Stückskeletts bei Castorf oft gut, es entstand dann soetwas wie ein großer Körper, dessen Organe die Suchbewegungen der Schauspieler zu sein schienen, und dieser Körper hatte eine eigene Psychologie, handelte nach einer eigenen Logik, und schien dem dringenden Bedürfnis zu folgen, etwas auszudrücken, das sich nicht besser ausdrücken ließ, als durch das, was sie die Schauspieler gerade taten. Bei "Karamasow" ist das wieder so. Hier bei Judith nicht. Die Zusammenstellung der Texte ist sehr klar und trotzdem wirkt es so, als seien sie nicht das Problem der Menschen auf der Bühne. (Und das macht einen Ausraster des Regisseurs auf der Generalprobe nochmal "normaler": da war es Matthei am Letzten und es funktioniert nicht. )
Was fehlt, ist die Verzweiflung. Denn wer kann das noch glauben mit der subversiven Kraft des Sex, die ganz allein den Krieg beenden soll? Artaud war völlig verrückt, als er den Text schrieb, er bezieht seine Überzeugung aus der Chemie des Irrsinns, dem kann nur folgen,wenn man sich in ebenfalls irgendeiner Ekstasepraxis bedient (da wollte Castorf von den Schauspielern, dass sie "fliegen") -Aber nach dem Faschismus kann man nicht mehr wirklich glauben, dass ein bloßes Offenlegen der Abgründe, und sei es auch nur symbolisch, wirklich friedensstiftend sein könnte. - und im Stück kommt dann auch der Baudrillardtext. Der ist wirklich schwarz, hoffnungslos- und, Herr Baucks: da ist auch Schluss mit dem altmodischen Sex und Sperma. Die Mitglieder des Chors sprechen in dieser Phase der Aufführung so, als sei es ihr Eigenes, da werden die Gedanken endlich "bühnenwirksam".
Aber dann wird es Castorf (dem Dramaturgen)zu unerträglich nihilistisch- (es ist auch hart!). Und es kommt ein Ende, damit die Kinder schlafen können: der böse Holofernes zieht sich nach dem Beischlaf mit Judith noch einen üblen Porno rein. Und die Dienerin Mirza ist so angewidert von diesem Machoschweinsein, dass sie in einer Heiner Müller Text ausbrechen kann: "wer sagt dass Sklaven keine Heimat haben?"- und nun hat sie doch wieder eine: die Revolution! Wäre Holofernes/Castorf nicht so böse gewesen... Aber das ist ein zu billiger Trick. (Und da wo unbedingt animalische Anziehung sein sollte, tritt ein Kamel auf- das ist natürlich lustig, und das Kamel IST animalisch anziehend- aber insgesamt ist das alles besser gedacht als umgesetzt. Und das, was gedacht ist, lässt wenig Spielraum für Hoffnung- was vielleicht wiederum der Grund ist, warum die Schauspieler so einen leeren Überdruck produzieren müssen: weil es kein gemeinsames Ziel mehr gibt, nicht einmal mehr einen gemeinsamen Feind.
(...)
Judith ist, folgt man Hebbel, gerade einmal siebzehn oder achtzehn Jahre alt und Witwe und Jungfrau, wenn sie das Zelt des Holofernes betritt. Und ihre Motivlage zur Ermordung ist tatsächlich eine andere, wenn sie das Zelt betritt, als zu dem Zeitpunkt, wenn sie es wieder verlässt. Sie erlebt, wie sie eben doch nicht kalt und emotional unbeteiligt bleibt. Das ist wahr. Ich meinte lediglich, dass man sie nicht auf das schlichte Maß der sexuellen Frustration reduzieren sollte, nicht, dass es dieses Motiv überhaupt nicht gibt. Ich sage einfach nur, der Vorgang ist etwas komplexer, die Motivlage vielschichtiger. Das ist alles.
Sehr schön beschreiben sie, wie es möglich wurde, dass die Konzeption im Vorgang der Realisation scheiterte. Sein persönliches Versagen, dann öffentlich an die Darsteller weiterzureichen, ist mehr als unschön.
Wissen sie, es ist nicht so schwer Themenblöcke zu erfinden, sagen wir mal D´Annunzio mit der Salome zu verschneiden. Es kommt auf die Umsetzung an.
Und haben sie sich schon einmal gefragt, ob solche Überforderungen wirklich noch gebraucht werden? Stellen sie auch einmal solch eine Art von fragwürdigen Höchstleistungen in Frage?
Und müsste man eine solche Tat von Judith nicht auch einmal kritisch würdigen?
Wenn hier schon Kritiker das Problem haben das Schisma des Irshu, was immer noch nicht geschehen ist, richtig einzuordnen, wie sieht es dann wohl bei dem gesamten Konglomerat aus?
Und letztendlich geht es immer noch darum, einen öffentlich Übergriff anzuerkennen und sich einzugestehen, dass so etwas nicht folgenlos bleiben darf. Danach kann man dann immer noch über das Schisma debattieren. Aber auch da wird wenig Erfreuliches bei herauskommen, da es sich um einen Prinzipienstreit handelte, der blutig ausgetragen wurde. Ein Streit darum, verkürzt gesagt, ob das Männliche oder das Weibliche Prinzip vorherrschen soll. Das Männliche soll gesiegt haben. Wie das bei Castorf aussieht, konnten wir besichtigen.
(...)
Am Wochenende sah ich eine schöne Aufführung im Renaissance Theater, die ihre Berechtigung hat und deren Hauptdarstellerin Anika Mauer mich zum Ende hin wirklich berühren konnte. Natürlich traf sich dort das alte Insel-Publikum aus Westberlin und es gab standing ovations zum Schluss. Ich habe mich davon mitnehmen lassen. Es war ein wenig, wie eine Zeitreise.
Ganz anders war es bei „Fear“ von Falk Richter. Aber auch da habe ich mich über lange Strecken an die Hand nehmen lassen. Die Dekade Castorf geht zu Ende. Und dafür gibt es Gründe. Er spuckt auf alles. Das hat er in der DDR gelernt. Und er will sich bis zu seinem Tod nicht weiter entwickeln. So etwas gibt er offen zu. Keine Weiterentwicklung meinerseits, sagt Frank Castorf. Da versteht es sich von selbst, dass auch er irgendwann gehen muss, wie all die anderen Spielweisen auf der Bühne, die er meinte Verunmöglichen zu müssen.
Für jeden kommt bei Zeiten der „Payday“. Da zahlt man dann für seine Verfehlungen, für eine Haltung, die meint, an ihr scheiden sich alle. Auch das Schisma des Frank Castorf findet sein Ende und neu Formen werden folgen, wenn sie nicht schon längst andernorts lebendig sind.
Mich interessiert diese Haltung "Keine Weiterentwicklung" sehr, wenn sie derart strahlkräftig ist wie die von Castorf/Neumann/Haus. Es ist eine Frage der Relativbewegung: Keine Weiterentwicklung kann die stärkste Weiterentwicklung sein. Dialektik ist nicht jedermanns Sache, Mehrdeutigkeit auch nicht. Sperma mit Porno kurzzuschließen ist schon bedenklich flach gedacht. Hopfen und Malz ...
zwei Dinge gehen überhaupt nicht zusammen, Dialekt und künstlerische Stagnation. Letzteres ist bei Castorf der Fall. Baudrillard stellt zu recht die Frage: Was tun nach der Orgie? Und er antwortet darauf: Heute können wir die Orgie und die Befreiung nurmehr simulieren, so tun, als bewegten wir uns weiterhin immer schneller in diese Richtung, während wir in Wirklichkeit leer durchdrehen...
Dieses „leer durchdehen“ führt zu Stagnation und Nihilismus. Zu einem Nihilismus, den Castorf in „einer gewissen schicksalhaften Gleichgültigkeit weiterproduzieren muss“, um nochmals Baudrillard aufzugreifen.
Welche Dialektik erkennen sie in einem solchen Zustand?!
jetzt kann man sich natürlich die Frage stellen: Endet die Debatte hier oder fängt sie gerade erst an?
Gretel Walfisch meint Heliogabal könnte das Kind der Judith sein. Mal abgesehen davon, dass circa dreihundert Jahre zwischen ihnen liegen, ist dies unwahrscheinlich und Artaud wäre wahrscheinlich der erste der Frau Walfisch widerspräche, denn er stellt gleich eingangs fest, dass der Vater des Heliogabal nicht genannt werden kann, da er zu einer Zeit gezeugte wurde, wo jeder mit jedem schlief.
Ob Heliogabal als Nachfahre des Holofernes im übertragenen Sinne geeignet wäre, bleibt zweifelhaft, denn Holofernes hätte sicherlich seinen „Prätorianern“ niemals einen homosexuellen Tänzer vorausgeschickt, der vor ihnen hertänzelt. Geht man allerdings davon aus, dass das Böse in den Genen liegt, könnte eine solche Erbfolge sinnbildlich wahrscheinlich sein.
Was spricht jedoch dagegen, dass Judith ihr Kind in Bethulien aufzieht und er dort zu einem anständigen Menschen heranwächst? Castorf will einen stets zum Selbstzweck auf den Weg des schlimmsten anzunehmenden Falls lenken.
Nun denn. Ebenso ist es natürlich so, dass man sagen könnte, Judith schlüpft in die Rolle des Moses und rettet das jüdische Volk vor den Assyrern. Ob sie dabei im Moment des Mordes tatsächlich dachte, „Oh, mein Körper läuft zum Feind über und dies ist eine narzisstische Verletzung die ich nicht hinnehmen kann, deshalb töte ich ihn jetzt.“, wer vermag es zu sagen, wer hielt das Licht dabei. Sicherlich durchlebte ihre Motivation eine Metamorphose. Ob die allerdings eine feministische Ausrichtung hatte, darüber möchte ich nicht entscheiden.
Transponiert ins heute ist natürlich viel denkbar. Eines will mir jedoch nicht in den Kopf. Wenn eine Jüdin in einer aussichtslosen Lage ca. 100 Jahre vor Christi ihre Festung, ihr Massada verlässt, um denn Kopf der Feinde, der Assyrer zu töten, wie wird sie dann in einer heutigen Interprätation zu einer Art Isiskämpferin, die den Westen „fickt“?
Ist Wuttke, mit seinem seltsamen Pferdeschwanz, denn nun tatsächlich das Abbild des Westens? Oder wie habe ich mir das vorzustellen? Beide solidarisieren sich miteinander und ziehen gemeinsam gen Westen, um dort Gucci zu kopulieren?
Rätsel über Rätsel.
in meiner schulzeit,in den 70/80'er,im westdeutschland,wäre er genau so gesehen worden,wie teilweise hier.
ein mensch der immer noch was gegensetzten möchte und kann!!!
doch verfangen als einzelkämpfer in der eigenen auslegung.
von den lehrern hochgelobt,von den mitschülern bestenfalls ignoriert.
er ist zu klug für diese welt,
er muss sich seine eigene erfinden.
fremde gefühle haben bei ihm kein platz.
es kann nur einen geben. ;-)
liebe/r x ,
haben sie herrn castorf oder herrn baucks gemeint?
Allerdings hätte Frank Castorf diesmal gut daran getan, nach zweieinhalb Stunden Schluss zu machen. Die zweite Hälfte gerät zum Offenbarungseid des Castorfschen Theaters. Da wimmelt es nur von Versatzstücken. Ein Schleef-artiger Chor tritt auf und zerfällt doch gleich wieder, wenn er in einer ausufernden Partyszene unendlich lang über Hass und Krieg und was auch immer debattiert. Wollte jemand Castorfs Theater parodieren, er müsste nur diese Szene übernehmen. Judith und Holofernes kommen erst spät dazu, sie haben längst ihr Pulver verschossen und ergehen sich über weite Strecken in grotesk-surrealer Farce. Im Rang sitzen Henry-Hübchen-Puppen (Selbstreferenzialität darf natürlich nicht fehlen), ein echtes Kamel tritt auf und doch ist das wenig mehr als zweistündiges Zeitschinden, da hilft auch die gelungene Schlussszene wenig. Wo Castorf vor der Pause eine durchaus gelungene Essenz seines Theaters schafft, es zu ungeahnter atmosphärischer Dichte konzentriert, da löst es sich in der zweiten Hälfte in seine Bestandteile auf. Behauptet es zunächst seine Relevanz, macht es sich später obsolet. Das ist der vielleicht spannendste Dualismus dieses Abends.
Komplette Kritik: https://stagescreen.wordpress.com/2016/03/05/die-zweiheit-der-theater-welt/