Raubbau, Entsetzen, Todesurteil

14. Juni 2013. "Schock", "hinterrücks getroffen", "Erstaunen, Enttäuschung, Entsetzen", "Raubbau an der Stadtseele", "Todesurteil" – die durch Reduzierung der Landeszuschüsse erzwungene Verkleinerung der Theater- und Orchesterlandschaft von Sachsen-Anhalt regt die Menschen auf. Wenigstens wenn man den Berichten der Mitteldeutschen Zeitung aus dem kulturpolitischen Krisengebiet Glauben schenken will.

So schreiben Andreas Montag und Christian Eger (14.6.2013, 12:57 Uhr): Groß sei das Entsetzen in Eisleben, wo der vollkommene Entzug der Landesmittel den sofortigen Tod des Theaters zur Folge hätte. Kommunalpolitiker wie Theaterleute fühlten sich sonderlich deshalb an der Nase herumgeführt, weil die ganze Zeit Fusionsverhandlungen mit dem Nordharzer Städtebundtheater geführt worden seien, die das Kultusministerium "stets freundlich begleitet" habe, so der Eislebener Intendant Ulrich Fischer. Warum haben wir denn die Fusionsverhandlungen so weit geführt, frage sich die Oberbürgermeisterin der Lutherstadt Eisleben Jutta Fischer.

Auch Schließung von drei Sparten würde nicht ausreichen

Die Kommunalpolitiker verlangten Verhandlungen mit dem Land, zumal, so der Oberbürgermeister von Dessau, Klemens Koschig, völlig unklar sei, wie die um rund drei Millionen Euro (von 8,3 Millionen Euro) gesenkte Landeszuwendung eigentlich praktisch umzusetzen sei, ohne das Theater zu zerstören: "Sogar, wenn wir drei Sparten schließen, kriegen wir das nicht heraus."

Die Enttäuschung in Dessau sei besonders groß, so die MZ, weil man dort eigens einen Gutachter beauftragt habe, mit dessen Ergebnissen man in Verhandlungen mit dem Ministerium hatten gehen wollen. Besonders wütend reagiert offenbar der Generalintendant des Anhaltischen Theaters, André Bücker [klar, ihn treffen auch die härtesten Kürzungen]. Er wolle die Kürzungen "nicht mittragen". Bücker: "Ich bin nicht ansatzweise bereit, das zu akzeptieren." Die Pläne des Landes seien völlig wirklichkeitsfern. Das sei "wüstes Rumgeholze in der Kulturlandschaft ohne jeglichen Sinn und Verstand".

Proteste in Dessau

Auch zu Protestaktionen sei es in Dessau bereits gekommen. Allerdings hatten wohl nicht mehr als 200 Menschen, so Carla Hanus in der MZ (13.6.2013, 21:57 Uhr), an der Demonstration anlässlich der Spielplanpräsentation für die kommende Saison, teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit habe André Bücker mit Blick auf 247 Jahre Orchestertätigkeit in Dessau und 219 Jahre Theaterbetrieb gesagt: "Es hat, verdammt noch mal, schon schlechtere Zeiten gegeben als jetzt", und dann folgen in der MZ die sattsam bekannten Argumente, es werde mit Menschen umgegangen, die mit ihren Familien ihren Lebensmittelpunkt nach Dessau verlegt hätten; nicht nur die Arbeitsplätze der Theaterleute würden in Frage gestellt, auch die Zukunft der Stadt: "Kulturabbau ist Raubbau an der Seele der Stadt", so der Gewerkschaftssekretär; Verlust an Lebensqualität, als Folge: weniger Zuzügler; ja sogar für das Gymnasium sei die Existenz eines Theaters ein entscheidender Standortfaktor.

(jnm)

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