Eine Odyssee - Volksbühne Berlin
Unter Würstchen
von Christian Rakow
Berlin, 12. September 2019. Am Willen zur großen Tat mangelt es jedenfalls nicht. Allein das Bühnenbild von Daniel Angermayr: Einen fliegenden Elefanten gibt's zu blicken, einen rollenden Panzer, zig Kilo Kartonware voller Slogans. Und natürlich das herrlich abgerockte Floß des Odysseus, wie aus Kevin Costners "Waterworld" stibitzt. Überall hängen Texte und Banderolen im Raum, sogar Heiner Müllers geheimnisvolles Poem "Traumwald" (es ist die Berliner Volksbühne, da sind Müller-Zitate Pflicht!).
Der Bizeps ist gespannt
Und auf die Ohren gibt's. Live. Satte Bass-Drum mit hämmerndem Klavier. Es rammsteinelt, pinkfloydelt und gleitet mitunter in silberne Kopfstimmpassagen à la Antony hinüber. Derweil der Trockeneisnebel wabert und der Kriegsbericht vom Untergang Trojas gesprochen und gesungen wird. Aus vielen Kehlen, an Standmikros. Nicht immer gut verständlich, aber auch nicht schlimm, denn dass das ein ganz mieser Feldzug war mit Gräueln sondergleichen, kommt schon rüber. Und dazu beben und stampfen und grooven die bandagierten Spieler*innen, als habe Hofesh Shechter auf den Proben vorbeigeschaut (es war aber Laura Witzleben, die Thorleifur Örn Arnarsson choreographierend zur Seite stand).
Das alles geht eine Weile als theatrales Muskelspiel durch. Eines von der Sorte, wie man es vom Bodybuilding kennt: Der Bizeps ist ansehnlich angespannt, aber taugt doch nicht, einen Diskus hoch hinauszuschleudern. Geschweige denn einen Diskurs.
Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson hatte sich letzthin mit seiner Hannoveraner Edda den Ruf erworben, große Mythen in weiten Bögen fürs Theater aufspannen zu können (die Produktion lief auch an der Volksbühne und ist demnächst am Wiener Burgtheater zu sehen). Aber seine "Odyssee" jetzt zur Saisoneröffnung an der Volksbühne ist reinste Schrumpfung. Arnarsson hält sich lang und wiederkehrend bei den Ereignissen um Troja auf, um uns zu lehren, dass heldische Kriegserzählungen nicht mehr recht in diese Zeit (und in die Wirklichkeit des Krieges) passen. Odysseus (Daniel Nerlich) kommt allenfalls am Rande vor, sein Sohnemann Telemachos (Nils Strunk) darf am Vatermythos verzweifeln und sich von seiner Mutter Penelope (Johanna Bantzer) als Schwächling und "Arschfotze" beschimpfen lassen.
Konflikt ist nicht vorgesehen
Ans Ende der ersten Halbzeit setzt Arnarsson eine virtuell endlose Aufzählung der Kriege und millionenfachen Kriegsopfer von den Perserkriegen anno 490 vor Christus bis in die Gegenwart mit Ruanda, Afghanistan, Syrien… Ein Negativ der homerischen Schiffskataloge. Wieder trommelt es, wieder ist die Emphase maximal am Anschlag, um einzubläuen, dass die Mär vom Krieg, der alle Kriege endet, nun ja: eine Mär ist. Es flattern die Eulen nach Athen und weiter bis Berlin.
Nach der Pause ist's nur noch Durststrecke oder, nach Belieben, Irrfahrt auf seichter See. Unter den überlebensgroßen Konterfeis von Donald Trump, John F. Kennedy und Bill Clinton (alle nackt und mit erigierten Penissen) gibt's biographisch eingefärbte Erzählungen über den Einmarsch der Völker in Afghanistan (das Arnarsson und seinem Ko-Autor Mikael Torfason als modernes Troja gilt). Daniel Nerlich muss seinen Odysseus schnellstmöglich als platten Narzissten entlarven, wenn er im Langstreckenmonolog ein paar der einschlägigen Episoden seiner Irrfahrt bis hin zur Blendung des Kyklopen darreicht. Konflikt ist für den Mann nicht vorgesehen. Der Teil, der mit seinen großzügigen Deklamationen den ganzen Abend auf satte vier Stunden Spieldauer auswalzt, lässt den Ruf der Nymphe Kalypso mit jeder Faser nachempfinden: "Befreie mich aus dieser furchtbaren Zeitlosigkeit!"
Einmal an diesem Abend kommt die wie alle Akteure hier schmählich unterforderte Sarah Franke als Götteroberst Zeus in einer Art Rattenkostüm daher, greift sich ein Würstchen, tunkt es in Bautzener Senf, schwadroniert über die Dummheit der Menschheit, und beißt wieder ins Würstchen. Das Würstchenhafte, ja da liegt's. So hat die Inszenierung uns den Homer zubereitet: Kriegskerle vom Schlage des Odysseus und alle, die ihnen huldigen, sind kleine Würstchen. Aber Würstchen grillt man nicht in vier Stunden. Dafür hätten ein paar Minuten locker gereicht.
Eine Odyssee
nach Homer
neu erzählt von Thorleifur Örn Arnarsson und Mikael Torfason
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Bühne: Daniel Angermayr, Kostüme: Karen Briem, Musik: Gabriel Cazes, Choreografie: Laura Witzleben, Assistenz und Übersetzung: Damiàn Dlaboha, Video: Voxi Bärenklau, Nanna MBS, Licht: Kevin Sock, Dramaturgie: Degna Martens.
Mit: Sólveig Arnarsdóttir, Johanna Bantzer, Sarah Franke, Claudio Gatzke, Jella Haase, Robert Kuchenbuch, Daniel Nerlich, Silvia Rieger, Sarah Maria Sander, Nils Strunk, Theo Trebs und Gabriel Cazes (Musikalischer Leiter), Damiàn Dlaboha (Musiker), Sir Henry (Musiker), Laura Witzleben (Tänzerin).
Premiere am 12. September 2019
Dauer: 4 Stunden 10 Minuten, eine Pause
www.volksbuehne.berlin
Kritikenrundschau
"Der Abend will einerseits alles erzählen und andererseits jeden Mythos niederstrecken. Immer schön im Wechselrhythmus von Pathos und Ironie, von schwellender Opulenz und entseelter Distanziertheit," schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (13.9.2019. "Doch wie beliebig ist das Ganze zusammengesteckt! Wie schnell geht dem Gedanken die Puste aus! Wie klein und schwach sind im Getümmel die Schauspieler." Dieser Abend soll dem Eindruck des Kritikers zufolge unter anderem auch Vater Castorf demontieren, "und baut ihm einen Sockel." Mit großer Geste der Selbstermutigung und Selbstermächtigung der nächsten Generation sei das neue Volksbühnenteam, das zwei Spielzeiten bis zur Übernahme durch René Pollesch das Theater zur Verfügung hat, losgestürmt und gescheitert.
"Das Problem ist, dass bei dieser 'Odyssee' aber selbst die Bilder abgegriffen wirken. Auch, wenn der Regisseur die Bühnenmaschinerie exzessiv mit den Muskeln spielen lässt," schreibt Christine Wahl auf Spiegel online (13.9.2918.) "Da trampeln die Akteure anfangs über 45 Minuten eine Kriegschoreografie auf die Bretter, immerhin der Livesound des Musikertrios Gabriel Cazes, Damiàn Dlaboha und Sir Henry hält einen bei der Stange."
Von sattem, andeutungsreichen, bildstarken und lauten Überwältigungstheater spricht Fabian Wallmeier bei im Inforadio des RBB (13.9.2019). Thorleifur Örn Arnarsson wird aus Sicht dieses Kritikers seinen Platz am Rosa-Luxemburg-Platz weiter suchen, "und es spricht viel dafür, dass ein so überwältigungsbegabter Regisseur ihn auch finden wird: mit einer starken eigenen Bildsprache, in der intensiven Übertragung alter Stoffe in die Gegenwart, zwischen alter Castorf-Volksbühne und Prä-Pollesch-Interims-Volksbühne."
"Als Einstieg an der Volksbühne, die während Frank Castorfs Intendanz von markanten Regiehandschriften und handwerklichem Können geprägt war, ist die 'Odyssee' gekentert", urteilt Elena Philipp in der Sendung "Fazit" auf Deutschlandfunk Kultur (12.9.2019). Arnarsson "entfesselt mit dem neuen Ensemble enorme Kräfte. Allerdings gelingt es nicht, die Dynamik auch in den Zuschauerraum zu übertragen. Die chorischen Passagen sind unpräzise gearbeitet, und der Text ist über weite Strecken akustisch kaum zu verstehen", heißt es über den Beginn. Danach wirken die Schauspieler*innen "in den oft länglichen Nacherzählungen des antiken Stoffes verloren".
"Brutal epigonal" beginne "Eine Odyssee", schreibt Rüdiger Schaper im Tagesspiegel (13.9.2019) – mit 45 Minuten "Einar Schleef reloaded". Man könnte meinen, es sei "ein Team berühmter Regisseure, toter wie lebendiger, an der Arbeit, um diese Tortur über die Bühne zu bringen", so der Rezensent und nennt Castorf, Stemann, Meese als Reminiszenzen. Die Schauspieler leisteten Schwerstarbeit, ohne wirklich in Rollen oder Haltungen hineinzukommen. Heftig gehe es ans Material, mit "Blutsuppe, Nebelwerfer, Spruchbänder(n)", einem Panzer mit Konfettikanone oder einer Wand aus Pappkartons. "Solch scheinbar radikales Protz-Theater driftet leicht ins Unpolitische, Unverbindliche ab", so Schaper. "Klar, wer ist nicht gegen Krieg?"
Leerlaufendes Überwältigungstheater, ein "über gut vier Stunden dröhnenden Nichts", hat Peter Laudenbach von der Süddeutschen Zeitung (14.9.2019) gesehen. Weder fehle es an Lautstärke noch an starken Zeichen oder martialischen Vokabeln, so Laudenbach, "nur wissen all diese Signale von Kampf und Krieg und Heftigkeit in keinem Moment, wohin sie wollen". Durchweg überfordert und bedauernswert ausstrahlungsarm wirke das mal tapfer brüllende, mal hilflos piepsende Schauspielensemble. Und wie die Konfettikanonade aus dem Panzerrohr funktioniere die gesamte Inszenierung: "Es soll ordentlich knallen, doch all der Aufwand verpufft mit einem kleinen Plop."
"Thorleifur Örn Arnarsson ist sich wahrlich für keinen Knalleffekt zu schade" in dieser Eröffnungsinszenierung seiner Schauspieldirektion, die leider nicht mit der "Kraft" seiner "Edda" mithalten könne, berichtet Barbara Behrendt in der taz (17.9.2019). Odysseus tauche nur "am Rande als einer von vielen Kriegsverbrechern der Menschheitsgeschichte auf", heißt es. "Es muss hierzulande allerdings kaum ein Mensch überzeugt werden, wie böse Kriege sind. Über diesen Befund kommt der lange Abend aber nicht hinaus. Die bombastischen Bilder bleiben leer."
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Auch der Mittelteil (die zweite Stunde) hat noch starke Bilder und beeindruckende Soli von Nils Strunk zu bieten, aber neben vielen Höhen auch schon einige Tiefen.
Wir sind uns einig, dass dem Abend nach der Pause die Luft ausgeht. Die Inszenierung wird zu platt, symptomatisch stehen dafür der Würstchen-Slapstick und die US-Präsidenten-Phallus-Pappkameraden.
Ich habe mich gewundert, dass Jella Haase in der Nachtkritik bei ihrem Theaterdebüt gar nicht erwähnt wird. Ein Coup von Klaus Dörr, die junge Schauspielerin, die für ihre rotzige Kreuzberger Street-Credibility bekannt ist und mit den „Fack ju Göthe“-Komödien ein Millionenpublikum erreichte, ins Ensemble der Volksbühne zu engagieren.
Sie trat als die schöne Helena auf, die menschliche Trophäe, die bekanntlich Auslöser des Trojanischen Krieges war. Bei der Premiere fällt ihr die Umstellung von den Film-Großaufnahmen auf den ganz anderen, schon durch seine schieren Ausmaße einschüchternden Theaterraum noch sichtlich schwer. Ihr fehlt noch die Präsenz, die es braucht, um auf einer der am schwierigsten zu bespielenden, gewaltigsten Bühnen des Landes bestehen zu können. Hier lohnt sich ein zweiter Blick nach mehreren Vorstellungen, ob sie sich freispielen kann und den Sprung vom Film zum Theater schafft.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2019/09/13/eine-odyssee-volksbuhne-berlin-kritik/
es gibt wirkungsstarke bilder, die aber nicht ausreichen.
edda war ähnlich.
strukturell interessiert mich, warm männer diese riesenbühnen bekommen und sich da austoben? arnarsson, rasche .... eine masche. grosse luftnummern.
Die ersten 50min billigster Goth-Pop á la Evanescence & Apocalyptica waren schwer zu ertragen.
Danach folgte eitles und blasiertes Regie-Theater das vor allem eins war: hohl und unendlich langweilig.
"NISCHT"war's, peinlich, diese ganzen Afgahnistan, Russland, Trump "Andeutungen" einfach peinlich, langweilig.
erste Stunde unverständlich,
wozu überhaupt Text?
Danach Erklärtheater.
Ich mache jetzt das. Nochmal sagen. Dann machen. - Cool...
Egal, konformes, pseudopolitkritsiches Theater ist in, also Theatertreffen, noch mehr Preise (...)
Der Kritiker sieht all dies nicht wirklich. Und auch nicht wirklich erkennt er die Qualität der Szene zwischen Calypso und Zeus. Er sieht nur den Witz mit dem Würstchen und nicht den Abgrund dahinter, wie zerquält der weibliche Zeus über seine Schöpfung der Menschen ist. Nicht erwähnt wird die schmerzliche Kopfgeburt und innerliche Verwahrlosung dieser Götterfigur. Und schon gar nicht langt dieser Kritiker an bei dem großartigen Moment zwischen Odysseus und Telemachus in welcher der Sohn den Vater auffordert einfach nach Hause zu kommen und nicht mehr von seinen Abenteuern zu quatschen, seiner männlichen Sicht der Dinge.
(...)
Mikael Torfason beschreibt in dem kleinen Text im beigelegten Heft eindringlich seinen Bruder, der im Irak und Afghanistan als Soldat kämpfte und den er nun im Gefängnis besucht. Vielleicht ein Schlüsseltext zum Verständnis dieses Abends. Der Bruder, der nach dem Krieg zu neun Jahren Haft in England verurteilt wurde, weil man ihn mit einem ganzen Waffenarsenal im Kofferraum erwischte. An ihm erklärt sich das Narrativ ohne Zentrum, ohne inneren Zusammenhalt, die postabsurde Apokalypse, die Kriegsburleske, die wir dort auf der Bühne beobachten können, in einer Welt, welche die zivile Ordnung durch willkürliches Chaos ersetzt, in der masturbierende amerikanische Präsidenten ihr Unwesen treiben und tote Elefanten am Himmel hängen und ein paar Worte von Heiner Müller. Der Kritiker versagt vor diesem dröhnenden Chaos, das zwar auch inszenatorische Schwächen aufweist und zieht sich zurück in seine Kränkung, Schwächen, die aber nicht über gelungene Momente hinwegsehen lassen, die mehr als erwähnenswert sind. Zu schnell ist Rakow mit all dem fertig, der verwöhnte Kritiker, der am Ende des Tages nur schnell ein Würstchen gegrillt bekommen will, wo es darum geht eine ganze Welt zu verstehen und wie ein Autor und sein Regisseur sie sieht, auch wenn diese Sichtweise dem Kritiker nicht gleich in den Schoß fällt. Es ist eben Krieg. Und der herrscht nicht nur zwischen der Regie und dem Kritiker, sondern auch in der Welt.
(Teilweise gekürzt. Bitte diskutieren Sie sachlich. Schöne Grüße aus der Redaktion / jeb)
(Eine ins Persönliche reichende Wendung wurde gestrichen. Mit besten Grüßen, die Redaktion)
Ohne jeden Zweifel verfolgt die Mutter des Odysseus Antikleia in dieser Inszenierung den Wunsch ihren Sohn als Helden zu sehen. Sie erträgt es nicht, dass er eine zynische Kriegsführung einer heroischen des offenen Zweikampfes, wie Achill und Hektor ihn vollziehen, vorzieht und bespuckt ihn noch im Totenreich mit Blut für diese Schande. Sie sagt ihm direkt, wie er es wagen kann nicht als Held und König heimzukehren. Sie fordert von ihm die klassischen und archaischen Tugenden der Mannhaftigkeit im Krieg. Da ist, ebenso wie bei Penelope, nicht die Spur eines pazifistischen Ansatzes in ihr oder gar eine Haltung ihn vom Krieg abzuhalten. Diese Männer haben in ihren Augen die Ehre zu verteidigen und das ihr Sohn das Ende des heroischen Zeitalters einleitet, ist ihr genauso unerträglich, wie Penelope die Homosexualität ihres Sohnes nicht ertragen kann und ihn deshalb als „nutzlose Arschfotze“ bezeichnet. Diese Männer sollten sich demnach von dieser Rollenzuweisung der Mütter emanzipieren, die sie in die Wehrpflicht hineinzwingen. Einzig und alleine Kassandra drängt als Frau auf die kampflose Herausgabe Helenas. Sie vertritt als Seherin ein modernes Menschenbild. Die Mütter von Odysseus und Telemachus treten als die klassischen Frauenfiguren auf, die unehrenhaftes Verhalten ihrer Söhne als eine persönliche Beleidigung empfinden, die man ihnen nicht antun darf. Dergestalt ist der Abend diesbezüglich zweifelsohne und wohl begründet angelegt.
https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/keine-angst-vor-der-apokalypse-0?fbclid=IwAR3qGGX5uPi256Kmc0VQGKTvVsFaWNzd8XO7FK2YFAS2rnzmaCjXkSWpKp4
Ich vermisse jegliche Form von Sachlichkeit bei diesem Post.
Immer wieder sucht der Abend Anschluss an die Gegenwart, am ärgerlichsten direkt nach der Pause, wenn Silvia Rieger sich vergeblich müht, aus einem Soldatenbericht aus Afghanistan irgendeine Form theatralen under erzählerischen Mehrwerts zu schlagen. Das Land am Hindukusch wird immer wieder erwähnt, Soldatenkörper werden mit Öl beschmiert – die Vergegenwärtigung stellt eine Hilflosigkeit aus, die betroffen macht. Zumal Arnarsson irgendwann aufgibt, Theater machen zu wollen. Klotzt er vor der Pause auf zuweilen effekthascherische Weise, mutiert der zweite Teil zur statischen Nummernrevue, bei der fast ausnahmslos Textmonstren von der Rampe deklamiert werden. Die Botschaft ist da längst im nach dem Intervall nicht einmal mehr halbvollen Saal angekommen, Mehrwert geriert dieser Teil keinen mehr. Sarah Frankes Auftritt als zynisch verspielter Weltenbrand-Entfacher und -Durchblicker Zeus – im Rattenkostum und Würstchen essend – lässt wenigstens kurz noch die komödiantischen Funken fliegen, während das Ölfässer-bewehrte Floß des Odysseus (Bühne: Daniel Angermayer) nicht nur den Helden, sondern auch die theatrale Kraft der Inszenierung in die Unterwelt führt. So geht der And den umgekehrte Weg der Edda: Er beginnt beim Universalen, nimmt sich eines der großen Menschheitsthemen und -traumata und verzwergt es, bis am Ende nichts mehr übrig ist als die Erleichterung, dass es – endlich – vorbei ist.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2019/09/22/menschen-ratten-gotter/
Ich mag den Elefanten Mary, wie er da so traurig und sinnlos im Theaterhimmel hängt. Die Idee, Gericht zu halten über ein Tier, ist so ein wundersames Bild für die Sinnlosigkeit von Kriegen an sich, so wie auch der gesamte Abend ätzende und scheiternde Zirkusnummern zeigt. Das mag zynisch und sarkastisch sein, aber die zermürbende Aneinanderreihung dieser Bilder trifft das Wesen des Krieges im Kern. Da ist kein Nutzen, kein Sinn, kein emotionaler Zugewinn, kein Genuss möglich. Eine solche Haltung finde ich angemessen.
(Hier zur Information. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mary_(Elefant))
Telemachus legt im ersten Teil auch so einen schäbigen, missratenen Selbstmordversuch als stümperhafte Zirkusnummer hin. Ich finde diese konsequente Verweigerung einer Bühnenästhetik des Krieges richtig und gut. Eine nicht kommensurable Odyssee. In der Erinnerung des Abends ein wirklich konsequenter Weg, den der Regisseur dort geht. Mich amüsiert der Verdruss der Berliner Kritiker ein wenig. Da hat einer die Zuschauer nicht mit bürgerlichem Repräsentanztheater gefüttert, er hat sie geschliffen. Mich auch. Im Nachhinein finde ich das korrekt. Castorf hätte man das auf jeden Fall durchgehen lassen, inklusive der masturbierenden Präsidenten.
Der Krieg als ein dressierter Elefant, der öffentlich bestraft und erhängt wird. Eigentlich ein tolles Bild, das bei mir hängen blieb. Es erinnerte mich auch an folgende, herrlich sinnlose Geschichte: Vor vier Jahren musste ich die Bestrafung eines verspielten Babyelefanten in der alten Königsstadt Ayutthaya miterleben. Der kleine Dickhäuter hatte einen Eimer mit Bananen umgeworfen. Daraufhin kletterte einer der Mahouts auf den Rücken des Elefanten und schlug mit einem Vorschlaghammer dutzende Male auf die Stirn des Jungtieres. An das dumpfe Geräusch beim Aufprall auf der Stirn und die darauf folgenden Schreie erinnere ich mich bis heute. Elefantenreiten wollte direkt nach dieser Tat fast niemand mehr.
Nachzulesen unter https://www.funkloch.me/elefantenreiten-thailand-alternative/.
Die Bilder sind krass, dumpf, unerträglich und somit angemessen. Wie sonst sollte man die Sinnlosigkeit von Krieg aufbereiten? Etwa mit sinnfälligen Bildern und Figuren, die uns die Gewalt erträglich machen. Afghanistan und der dort seit Ewigkeiten vorherrschende Moment der Grausamkeit ist komplett sinnlos. Man kann ihn nur deshalb nicht beenden, weil das Machtvakuum, das man dort hinterließe zu gefährlich ist für das Land. Nach einer solange kriegerischen Auseinandersetzung scheint es unmöglich dieses Land jemals wieder befrieden zu können. Aus einem ehemals schönem Land mit einer modernen Zukunft wurde eine Gruft für Grausamkeit gemacht. Der Blick in diese Inszenierung ist für mich wie ein Blick in diese trashige und sinnlose Gruft. Platt und völlig sinnbefreit. Nur so kann man modernen Krieg heute abbilden.
Und die Sinnlosigkeit des Krieges ist eine sehr kurze Analyse, wenn wir Menschen doch unablässig Kriege führen. Vielleicht gäb es darüber ja doch etwas mehr zu sagen und zu denken, als die etwas kindische Beschwörung "Krieg ist Sinnlos".
Leider gibt es ja auch Menschen und Staaten die an Kriegen gewinnen.
Vor dem Einmarsch der Sowjetunion gab es tatsächlich ein Frauenwahlrecht in Afghanistan! Und ich bitte Sie: Krieg sinnlos zu finden, ist keine kindische Haltung, sondern die weltweit verbreitetste Meinung überhaupt.
Aber wenn Sie mir den Sinn des Krieges in Afghanistan erklären können, nur zu.
Ich halte ihn für ungefähr so sinnvoll oder sinnlos, wie den Panzer als Konfettikanone. Auch so ein wundervolles Bild, im Nachhinein betrachtet. Diese kranke Helena oben auf, die nur jammert und klagt und sinnfrei Gerechtigkeit fordert. Das ist zurecht ätzend.