Presseschau vom 26. Mai 2011 – Die Zeit porträtiert Herbert Fritsch
Man muss den Sturz wollen
Man muss den Sturz wollen
Hamburg, 26. Mai 2011. In der Wochenzeitung Die Zeit (26.5.2011) porträtiert Peter Kümmel, anlässlich der Schweriner Premiere von Der Diener zweier Herren (und im Zuge diverser Würdigungen in diesen Tagen), den Schauspieler und Regisseur Herbert Fritsch: "ein heiterer, sensibler, hellwacher Herr auf der Höhe seines Erfolges".
Kümmel preist nicht nur im Vorübergehen Fritschs tollkühne Umsetzung des Goldoni-Stücks ("Fritsch hat aus den Schwerinern ein Ensemble der tollen Kaskadeure geformt"), sondern hat dem Maestro beim Interview auch einige unvergessliche Aussagen über sein Theater entlockt. Kostprobe: "Ich hab mich gern und oft ausgezogen; immer wenn mir nichts einfiel, zog ich mich aus. Meine Schauspiellehrer sagten zu mir: Hör mal, Theater hat nix mit Exhibitionismus zu tun. Und ich antwortete: Wäre ich dann zum Theater gegangen?"
Fritsch spricht über richtiges Raumgefühl und erinnert sich an einen Unfall am Bungeeseil, den er einst am Hamburger Schauspielhaus erlitt, samt Lehrsatz: "Man muss den Sturz wollen." Darin stecke, so Kümmel, das Lebensmotto dieses Künstlers. Über Fritschs Weggang von der Berliner Volksbühne erfahren wir, "ein knurriger Castorf habe dort seine Spieler immer weitergetrieben, die Verwandlung des Schauspielers zum Kunstkampfhund sei erwünscht gewesen." Entsprechend sei es "ein furchtbarer, liebloser Abschied" aus dem Ensemble gewesen, mit der Einsicht: "Was nütze die einwandfreie politische Haltung auf der Bühne, wenn hinter der Bühne die Spieler wie Dreck behandelt würden?"
Und dann bricht noch einmal der Schauspieler in Fritsch durch, der einen Mangel an "Instinktsicherheit, das Spiel, die Aufschneiderei, der Größenwahn" in der gegenwärtigen, von den Schauspielschulen verbildeten Generation ausmacht. Da herrsche zu viel "Guttenberg-Theater", sprich: ein Zelebrieren von "Aufrichtigkeit und Anständigkeit". Es gebe "lauter jugendliche Helden, ein bisschen pfäffisch und streberhaft. Ich will das nicht. Ich will das Theater artistisch, wild, lügnerisch."
(Die Zeit / chr)
Mehr zum Herbert-Fritsch-Theater im nachtkritik-Lexikon.
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