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AG für Geschlechtergerechtigkeit beim Bühnenverein
Diskussion ja, Schnellschüsse nein
Köln, 15. Februar 2018. Der Deutsche Bühnenverein nimmt in einem Offenen Brief an nachtkritik.de Stellung zur Diskussion um Machtmissbrauch am Theater und vermeldet die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Januar 2018, in der es "um grundlegende Fragen der Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung an Theatern und Orchestern" gehe. Unter anderem sollen Verhaltensrichtlinien in Anlehnung an die Selbstverpflichtungserklärung des Royal Court Theatres vom November 2017 erarbeitet werden.
Der Bühnenverein nehme "seine Verantwortung angesichts der #MeToo-Debatte sehr ernst", schreiben Ulrich Khuon und Marc Grandmontagne, Präsident und Geschäftsführender Direktor des Arbeitgeberverbands. "Gerade deshalb glauben wir, dass diese Diskussion (…) mit den Mitgliedstheatern und -orchestern und innerhalb dieser geführt werden muss und öffentliche Schnellschüsse durch Präsidium oder Geschäftsführung (…) weder zielführend noch nachhaltig wirksam wären."
Damit reagieren Khuon und Grandmontagne auf die Kritik, die nachtkritik.de-Redakteur Dirk Pilz am Bühnenverein und "seiner männerdominierten Hinterzimmerpolitik" geübt hatte. Es müsse "endlich eingestanden werden, dass da wirklich grundlegende und umfassende Machtmissbrauchsprobleme sind", so Pilz. Er hatte unter anderem auf die kaum paritätisch besetzten Bühnenvereins-Instanzen Präsidium (sieben Männer, eine Frau) und Intendantengruppe (sechs Männer, zwei Frauen) verwiesen und anstelle der gewohnten Praxis, "unter sich und seines Gleichen Probleme lösen zu wollen, für die man mitverantwortlich ist", eine öffentliche Diskussion gefordert, über Mitbestimmungsmodelle, Berufungsmechanismen für Leitungspositionen, sinnvolle Quotenregelungen und eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene.
Der Bühnenverein betont nun, die "Stärkung demokratischer Verantwortung und Prozesse" bereits auf seiner Jahreshauptversammlung 2017 zum Schwerpunkt-Thema der nächsten Jahre gemacht zu haben, ebenso wie die Themen "Geschlechtergerechtigkeit" und "Stärkung von Frauen in Führungspositionen". Schon jetzt arbeite der Bühnenverein mit am Runden Tisch "Frauen in Kultur und Medien" der Kulturstaatsministerin und sei im Gespräch mit dem Bund wegen einer Beteiligung an einer übergeordneten Anlaufstelle für Missbrauchsopfer.
Update, 22. Februar 2018. Auf Nachfrage von nachtkritik.de teilt Marc Grandmontagne, der Geschäftsführende Direktor beim Bühnenverein mit, dass der Bühnenverein "im Zuge der #MeToo-Debatte" im November 2017 alle seine Mitglieder angeschrieben und um Erfahrungsaustauch und Lösungsansätze gebeten habe; ein Resultat sei die Gründung der Arbeitsgruppe gewesen. "Für die Mitarbeit in dieser Gruppe haben sich ca. 25 Personen (IntendantInnen, VertreterInnen der Politik, VerwaltungsdirektorInnen) gemeldet, von denen die meisten weiblich sind." Genauere Angaben zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe hat der Bühnenverein trotz Nachfrage nicht gemacht, auch zur Frage, wer sie leiten wird, wurde keine Auskunft erteilt. Erstmalig wird die Arbeitsgruppe im kommenden März zusammentreffen.
(Bühnenverein / ape / dip)
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1. Ein Offener Brief ist ein Brief, der zur Kenntnisnahme durch Öffentlichkeit in einem mehr oder weniger großen Rahmen (Reichweite) dieser bekannt gegeben wurde. Trotzdem ist ein Brief ein Brief. Er ist an jemanden bestimmten oder an eine Körperschaft gerichtet. Und als solcher muss er korrekt eine Anrede und auch eine abschließende Grußformel enthalten. Enthält er nicht, ist er kein Brief, sondern eine öffentliche Bekanntmachung oder ein veröffentlichter Artikel.
Das ist in Zeiten der digitalisierten Kommunikation in alle unseren heutigen Lebens- und Arbeitsbereichen ein erheblicher Unterschied, der jedoch schnell übersehen wird. Wird er übersehen, IST man für Verständigungsprobleme die in Sachb- und Fachbereichen aufkommen mitverantwortlich. Der oben Offener Brief genannte offene Brief ist also kein Offener Brief, sondern eine Erklärung.
2. Ein Erklärung kann aus freien Stücken oder auf öffentlichen Druck hin erfolgen. Wenn in einer Erklärung vom Februar 2018 erklärt wird, dass man "bereits" im Sommer 2017 intern alle benannten Probleme debattiert habe, ist das hinzunehmen. Aber trotzdem kein guter Stil.
Es ist kein guter Stil, weil die erklärenden es nicht über sich bringen,
a) ihren Kritiker*innen entsprechend respektvoll zu danken für die Arbeit der Kritik an Vereinen und Verbänden, die ihnen ermöglicht, über ihre eigenen Schwachstellen nachzudenken und diese eigenverantwortlich zu beheben
b) jeder, der das liest, den Schluss ziehen kann, dass hier eine Änderung der Umgangsformen und eingeschliffenen administrativen Verhaltensweisen nur auf einen zu hoch gewordenen Druck der zunehmenden Kritik von außen, aber leider nicht von selbst und innen heraus erfolgte, dass die eigene Verspätung aus vielleicht Schamgefühlen heraus oder aus Schuldgefühlen heraus, vertuscht werden soll - das ist nicht souverän. Nicht für eine Körperschaft. Man kann auch als Körperschaft mitteilen durch seine Vertreter: "Entschuldigung, wir haben irgendwie die Zeit an der Stelle "verpennt" und sind froh, jetzt aufgewacht zu sein, bevor Hopfen und Malz in der Sache verloren ist" -
Wer sitzt jetzt in der Arbeitsgruppe? Die meisten sind weiblich. Nun ja. Ich würde ja immer noch behaupten wollen, dass die grundlegenden Probleme an den Theatern durch die Macht des Geldes entstehen. Wie auch in der Politik. Es geht um die Verteilung von Geldern. Und nur dadurch kommen zwischenmenschlich ekelhafte Dinge vor bzw. werden stillschweigend akzeptiert, weil keiner seine persönliche und soziale Verantwortung wirklich ernst nimmt. Diese Probleme werden aber "von oben" planvoll geschürt. Und so werden z.B. auch an den Theatern beschäftigte Berufsgruppen bzw. Menschen gegeneinander aufgehetzt. Und diese tun sich dann nicht zusammen gegen eine verfehlte Geldpolitik, sondern kämpfen stattdessen gegeneinander. Mit widerlichen Mitteln. Super. Herzlichen Glückwunsch.
Im Übrigen finde ich sollte auch nicht nur die #metoo Debatte dabei Inhalt sein, sondern der Machtmissbrauch in allen Konstellationen am Theater. Das gibt es ja nicht nur in der Konstellation Mann-Frau, sondern auch Frau-Frau...Ich bin ja der Meinung, dass man vielmehr vor Ort fähige Ansprechpartner braucht..!