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Schauspielhaus Zürich: Intendanz-Duo hört 2024 auf
3. Februar 2023. Wie der Zürcher Tages-Anzeiger heute berichtet, werden Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg ihre Intendanz am Schauspielhaus Zürich nicht über die Spielzeit 2023/24 hinaus verlängern. Laut Tages-Anzeiger sei mit diesem Resultat eine Sitzung am Dienstag zu Ende gegangen, "an der die Intendanten und der Ausschuss (des Verwaltungsrates, Anm.d.Red.) teilgenommen haben".
Der Tages-Anzeiger beruft sich in seiner Berichterstattung auf "drei informierte Quellen". Eine offizielle Mitteilung habe das Zürcher Schauspielhaus auf Anfrage des Tages-Anzeigers für kommende Woche in Aussicht gestellt; bis dahin wolle man die Veröffentlichungen allerdings nicht kommentieren. Für eine Nachfrage von nachtkritik.de war die Pressestelle des Schauspielhauses am Abend telefonisch zunächst nicht zu erreichen.
Dem Bericht zufolge seien die Verhandlungen über die Verlängerung der Doppelspitze am Geld gescheitert. Demnach habe Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch nicht nur eine Erhöhung der städtischen Subventionen um 1,9 Millionen Franken ab 2024 abgelehnt. Vielmehr sei das Haus zusätzlich zu Einsparungen aufgefordert worden, "wie mehrere Quellen übereinstimmend sagen". Dies sei damit begründet worden, dass "die Ticketeinnahmen unter den Erwartungen liegen".
Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg hatten ihre Intendanz mit der Spielzeit 2019 / 20 begonnen. Das Schauspielhaus Zürich steht seit Monaten im Zentrum einer intensiv geführten Debatte, bei der es neben den Auslastungszahlen auch um die inhaltliche und ästhetische Ausrichtung des Hauses geht. Zuletzt hatten die Intendanten zum Gespräch im Rahmen eines "Publikumsgipfels" geladen.
(Der Tages-Anzeiger / jeb)
Medienschau
Für Alexandra Kedves vom Tages-Anzeiger (4.2.2023) wäre der erwartete Abschied von Stemann/von Blomberg aus dem Zürcher Schauspielhaus "kein Anlass zum Jammern". Aus Sicht der Kritikerin habe das Duo "Pech gehabt", die Corona-Pandemie habe das Haus in der "Kennenlernphase" erwischt. Doch hätte das Duo "bei allem Bemühen, auch ein wenig verkannt, was man in Zürich servieren muss und wie. Viele haben schon über die vorherige Intendantin Barbara Frey geschnödet, doch sie sprach mit ihrem Mix aus klassischen Ensemblestücken und experimentierfreudigeren Projekten ein breites Publikum an – ganz ohne eigene Tanzgruppe, komplizierte Strukturen, hehre Ansagen."
"Das bürgerliche Publikum konnte sich mit dem progressiven Programm von Stemann und Blomberg nicht anfreunden. Das ist sein gutes Recht. Die Intendanten wiesen jede Kritik von sich. Denn natürlich gibt’s auch Lob für das Schauspielhaus. Von der Presse, von der Theater-Community, manche Vorstellungen sind tatsächlich gut besucht. Von jungen Besucherinnen und Besuchern, die dem Schauspielhaus bisher eher fernblieben." So resümiert Thomas Ribi in der Neuen Zürcher Zeitung (3.02.2023) die Lage.
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Dabei hat die Intendanz nur konsequent den Auftrag umgesetzt ein jüngeres, diverseres Publikum ins Haus zu holen. Und ich habe auch nicht den Eindruck bei meinen Besuchen in Zürich,dass das ältere Publikum besonders abgeschreckt gewesen wäre. Eine Veränderung bei einem Leitungswechsel ist doch normal und das nach Corona etwas zögerlich ins Theater gegangen wird, ist auch überall sichtbar. Aber ein Teil der Züricher will vielleicht nur zur Verdauung ins Theater und hat in der Presse seine Stimmungsmacher. Das Ganze erinnert auch an den Abgang von Matthias Lilienthal in München. Auch hier wurde eine künstlerische Entwicklung abgewürgt, statt Ihr Zeit zu geben.
Allerdings geht mir dieser Gestus der Unverstandenen auf die Nerven, auch das ist eine lange Zürcher Tradition: Immer ist die Stadt Schuld, wenn es nicht klappt, das Zürcher Publikum, die Medien, die Trägerschaft.
Dass eine Erhöhung der Zuschüsse angesichts schwindender Zuschauerzahlen politisch schwer durchzusetzen ist, das ist doch logisch! Da darf man doch auch ein bisschen Verständnis auf der Seite der Macher erwarten! Corona hin oder her: Eine Theaterleitung MUSS sich doch auch am Erfolg beim Publikum messen lassen.
Dass so ein Theater auch ein Unternehmen ist, das gemanaged werden muss, damit die Ausgaben und die Einnahmen in Einklang stehen und die Löhne bezahlt werden können, dass hat die beiden nie interessiert. Wenn man die Hauptbühne tagelang leer stehen lässt, ohne zu spielen, dann ist das symptomatisch für eine lange Liste von Verfehlungen. Letztlich waren die beiden mit dem Riesenhaus überfordert, was verständlich ist, denn es war ihre erste Leitung. Und letztlich ist es deshalb auch ein eklatantes Politikversagen eines völlig ignoranten Verwaltungsrats, der über Jahre nicht begriffen hat, was da passiert bis die Schieflage so groß war, dass nichts mehr zu reparieren war. Das Schauspielhaus Zürich ist ein fantastisches Theater, aber man muss es zu führen wissen.
Visionär? Für mein Empfinden ist es elitär, stadtfremd und zerstörerisch. Sehr weit weg von den Menschen der Stadt. Für wen ist diese Art Einladung gedacht? An wen richten sie sich? Nach einer gefühlten Ewigkeit nun mit Stadtteilgesprächen beginnen, nachdem das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. Ist doch Wahnsinn. Waren die Herren Intendanten jemals an den Orten in der Stadt, wo die Menschen leben, welche niemals auf die Idee kommen würden, ins Theater zu gehen? Und zwar aus dem Grund, da Ihnen die Privilegien dazu fehlen? Fast alle festen Regiemenschen sind nicht mehr vor Ort. Das wurde aber Pressetechnisch super gelenkt, dass es eine gute Erklärung dafür gibt. Das tolle, überzeugende Konzept der Intendanz hat keinen Bestand mehr. Böhm weg. Giersche weg. Ross weg. Rüpping weg. Ein Schauspielensemble gibt es nicht mehr. Es gibt nun 2 Tanzkompanien. Was ist die Verbindung und Verbindlichkeit zu dieser Stadt? Mit dieser Stadt? Diese Intendanz künstlerisch mit Marthaler zu vergleichen halte ich für vermessen. Theater für junge Menschen. Wen genau soll das meinen?
Hippe Zürcher Nachtmenschen? Kinder? Kindertheater? Junges Theater? Fehlanzeige. Jetzt reden wir wieder nur über Geld. Nicht aber über den Auftrag. Über den Ist-Zustand innerhalb des Hauses.
Das sollte nicht verpasst werden
(Anm. Redaktion: Der Kommentar konnte nicht veröffentlicht werden, weil er unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen enthielt. Zum Kommentarkodex auf nachtkritik.de. https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=41#kommentarkodex)
Leider wurden kaum Schweizer Kunstschaffende involviert und beschäftigt. Schade!
(Anm. Redaktion: Zwei polemische Spitzeen sind aus diesem Kommentar entfernt worden.)
Lieber Samuel Schwarz
Wie viele Mitarbeitende haben Sie nach Ihrer physischen und mentalen Gesundheit unter der Intendanz gefragt?
(...)
(Anm. Redaktion. Die finale Behauptung zur Fluktuation am Haus haben wir gestrichen, weil sich deren Maß und Signifikanz an diesem Punkt nicht klären lassen.)
ich denke nicht, dass man an dem Abgang der Regietalente abmessen kann, ob dieses Team nun erfolgreich war oder nicht. Diese Regisseur:innen haben gute Arbeiten abgeliefert, und sind gegangen, vielleicht ermüdet oder mit Lust auf was Neues etc. Was ich bei ihrer Einschätzung vermisse, sind die wichtigen neuen Arbeitsmodelle, die eingeführt wurden, und inbesondere die viel grössere Sichtbarkeit von Communities, die seit langem die Gesellschaft mitprägen. Nein, die Kosten, die das Aufstellen eines neuen Teams erfordern, u..a auch die soziale Frage (Entlassungen etc) sind nicht gerechtfertigt. Ganz sicher nicht nach der Corona-Pandemie. Wenn man das, was die beiden anbieten, nicht will, hätte man das schon 2019 wissen wollen - und auch dann fällt es auf die Stadtpräsidentin zurück, jene, die die beiden gewählt haben. Diese Entscheidung der Stadtpräsidentin ist leider irrational und unvernünftig.
--
Lieber "Exilschweizer";
ihnen ist schon bewusst, dass dieser Artikel aus "Inside Paradeplatz" billigste Polemik ist, die u.a. Argumente eines Intendanten aus den 90er Jahren hochkocht, der mit Anti-Woke Rhetorik an der VV auftrump(f)te. Wenn sie diese Meinung teilen, dann ist das natürlich ist gutes Recht. Aber man muss dann diese Meinung auch klar politisch verorten, was ich hiermit getan hätte.
Alleine das Männer wie Frauen aussehen und umgekehrt reicht nicht aus. Der Konflikt fehlt und es bleibt an der eitlen Oberfläche kleben. Es hinkte alles hinterher... hoffen wir auf neuen Wind.
Niemand bestreitet, dass die letzten drei Jahre (auch am Schauspielhaus Zürich) eine extrem enervierende Zeit war mit sehr vielen Widersprüchen, einer Pandemie, einem elenden Krieg in Europa, der nach Ende der Pandemie ausgebrochen ist - und dass viele - sicher auch viele Leute am Schauspielhaus Zürich - gelitten haben unter diesen Widersprüchen. Wir sind zudem alle drei Jahre älter geworden. Aber ganz sicher kann man nicht abstreiten, dass über diese Widersprüche nachgedacht wurde und mit neuen Arbeitsmodellen versucht wurde, die an einem Theater bestehenden Missbrauchs-Gefahren zu reflektieren und mit neuen Berufsprofilen anzugehen. Vor einem halben Jahr kochten viele schlechte Gefühle auf, aber diese wurden öffentlich reflektiert. Mit anderen Krisen, wie u.a. jenen am Burgtheater - sind diese Probleme aber nicht zu vergleichen. Die sozialdemokratisch geprägte Kulturpolitik muss nun aber öffentlich hinstehen und sagen: Mitarbeiter:innen-Schutz kostet. Nun zu sagen: Spart mal, Leute - ist verantwortungslos.
Ich bin gleicher Meinung, wie es Ihrem Kommentar entspricht.
Gerade junge Leute (und das waren definitiv mehr als bei den vorigen Intendanten) haben nach der Vorstellung jeweils rege diskutiert. Die Inszenierungen von Leonie Böhm waren und sind ein Must.
Krieg in Europa, Pandemie….
Darüber rede ich in keineswegs. Sondern über innerbetriebliche Strukturen.
Genug der Alibis! Genug die Pandemie als Ausrede für unbespielte Säle und leere Reihen.
Ich hoffe, die Zürcher Politik lernt daraus. So muss es ganz klare Leistungsvereinbarungen geben. Das wäre professionelles Vorgehen. Die Stadt muss sagen, was sie sich erwartet (und zwar präzise und nicht in schwammigen Floskeln), und die sich bewerbenden Personen legen ebenso konkret dar, was sie wollen und können.
Rückblickend betrachtet erweist es sich übrigens als Segen, dass der Umbau des Schauspielhauses abgelehnt wurde. Man befände sich sonst in einer extrem unangenehmen Situation. Leider konnte dadurch schon der Eindruck entstehen, dass die Intendanten an einem Theater(gebäude) tätig sind, das sie so eigentlich nicht wollen bzw. das ihren Ansprüchen nicht genügt und das trotz aller weltberühmten Historie komplett entkernt werden kann. Das war ein sehr unglücklicher Move, der mit mehr Erfahrung hätte vermieden werden können.
Theater ohne Publikum ist übrigens kein Theater. Der korrekte Begriff dafür lautet: Probe.
Das was Leo schreibt, sehe ich auch so. Das Schauspielhaus hat in die Zukunft investiert und Leute für Theater interessiert, die vorher jahrzehntelang ausgeschlossen waren. Wer 'Bullestress' oder Pinochio gesehen hat, weiss auch wie begeisternd der diverse Ansatz für ein Mainstream-Publikum war. Auch Milo Raus Tell war ein Blockbuster. Ebenso die alte Dame von Stemann. Das mit den leeren Reihen ist eine gezielt gesetzte Lüge und eine Schamlosigkeit nach der Pandemie. Das Schauspielhaus hat am Publikumsgipfel zudem gesagt, wie es sich um die älteren Zuschauer bemühen will. Dass die Stadtpräsidentin kurz vor den Wahlen ein solches Zeichen gegen Inkusion und Diversität setzt, ist - aus meiner persönlichen Sicht (ich bin, wie die Stadtpräsidentin ein SP Mitglied) leider ein wahltaktisches Manöver, um weisse und ältere SP-Wutbürger anzusprechen, die sich von der Diversität am Schauspielhaus bedroht fühlen. Das ist traurig. So wie Frau Mauch sonst bedacht ist, wie sie der Öffentlichkeit vorkommt, ist das leider kein Zufall, wenn sie so dezidiert drauf schaut, dass auch der auferlegte Spardruck nun nach aussen kommunziert wird. Was vorher empowert wurde - Diversität und Inklusion und BiPoC-Community – wird nun gezielt entpowert, aus wahltaktischen Gründen. Ein harter Schlag. Rein ökonomisch ist das ganze übrigens albern und irrational. Findungskommission, Entlassungen, neue Corporate Identity, Aufbau neues Team, kostet viel mehr, als nun gespart werden könnte.
Aus der Diskussion hier bekomme ich aber den Eindruck, dass es nicht darum geht, sondern um Politik und ästhetische Geschmäcker. Hätte der Spielplan dichter sein sollen? Vielleicht. Hätte er mehr in die Breite gehen sollen, bis alles unverbindlicher Brei wird (Wer vieles bringt, wird manchen etwas bringen)? Nein. Elitär ist der Spielplan bestimmt nicht. Ich denke an Schneewittchen, an die Corona Passionsspiele und wohl auch Pinocchio. Hinzu kommen moderate Eintrittspreise an bestimmten Tagen. Einseitig ästhetisch? Aber gar nicht: Ross, Rüping, Böhm, Stemann, Haral, Giesche, Rau. Zürich als multikulturelle Weltstadt? Naja. Die ist im Theater spürbar mehr vertreten als unter der Vorgängerin? Schauspielerinnen und Schauspieler der Extraklasse erst kürzlich wieder prämiert. Was denn noch?
Wirft hier eine elitäre, (moderat ausgedrückt) konservative Besucher?-Gruppe den Theaterschaffenden vor, deren Theater sei elitär, um ungestört unter sich zu bleiben?
ich bin jedesmal wirklich neugierig, was mich erwartet. nichts hier ist klar oder gesichert – und das ist doch das, was theater ausmacht.
was für grossartige schauspieler_innen hier spielen, welch unterschiedliche handschriften man kennenlernt. wollen wir (zürcher_innen) diesen tollen versuch wirklich auf halber strecke abbrechen, alle ziehen lassen?
in dieser aufgebrochenen zeit MUSS theater sich auf’s glatteis begeben, um relevant zu sein. ein hochsubventioniertes, wie das schauspielhaus zürich, erst recht. niemand hat gesagt, dass das leicht sei.
weitermachen – weiterstreiten – darum, was theater ist, soll und kann.
das fände ich gut.
*---
Lieber Bunuel,
eine Korrektur: Iris Laufenberg war nie Chefdramaturgin am Schauspielhaus Zürich.
Herzliche Grüße aus der Redaktion!
«Rein ökonomisch ist das ganze übrigens albern und irrational.»
Mitnichten. Im Gegenteil.
Rein ökonomisch wirft niemand dem schlechten Geld gutes Geld nach. Also: Der Flurschaden ist angerichtet. Höchste Zeit für einen Übungsabbruch und Neubeginn.
Ab in die Mottenkiste: Die zum Fremdschämen peinlichen velwechserten Anfangsbuchstaben S und Z sowie die Bahnpolizei-Leuchtfarbe im Erscheinungsbild. Out of fashion, symbolisiert heisse Luft.
Daneben kann getrost auch die poemische Nebelmaschine für drei Jahre in der Asservatenkammer versenkt werden, zusammen mit dem Stroboskop-Apparat und den LED-Taschenlampenscheinwerfern, die statt auf die Bühne auf die Netzhäute des Publikums zielen.
Unter der neuen Intendanz, die im deutschen Sprachraum doch wohl zu finden sein wird, freut sich das Publikum auf Theater, das die ausgetretenen Pfade des zeitgeistig en vogue wabbernden Regietheaters verlässt und ab der ersten Spielzeit Kante zeigt:
- Spielplan ohne eine einzige Theaterisierung von Literatur.
- Kein Theaterstück nach ... sondern von ...
- Regiepersonal mit Glaube und Vertrauen in das Können von Schauspieler*innen und
Autor*innen
- Durchsetzung des Grundsatzes: 1 Schauspieler*in pro Hauptrolle
- Versprechen an das Schauspielpersonal: Kein Einsatz von Handys auf der Bühne, zwecks
gegenseitigem Abfilmen bis zum Abwinken (inklusive Grossprojektion im Hintergrund).
Hier lohnt es sich in den Neun-Stunden-Podcast reinzuhören mit Hadija Haruna-Oelker (der längsten "Alles Gesagt"-Folgen aller Zeiten). Drei Minuten reichen aber.
Zitat: "Der Begriff Diversität ist noch nicht so besetzt. Deshalb nutze ich Diversität, für mich dieser Punkt "Haltung zu Diversität" ein wesentlicher. du wirst keine Veränderungen in einem Unternehmen haben, auch nicht wenn die Leute nicht verstanden haben, dass sie das nicht nur ökonomisch brauchen, weil es beispielsweise schön ist. das wäre nun eine sehr idealistische Haltung, weil weil für sie selbstverständlich wird. Dazu gehört zu einer gleichberechtigten Arbeitsweise, weil es einfach die Normalität ist, die sie haben wollen."
Minute 1:20:30 - ca 1:23:00
DIVERSITY ODER DIVERSITÄT
https://open.spotify.com/episode/53nEEQ7dw3WA00HveB9Ycs?si=keiug4OwSwC6up_c9FpMJQ
Darüber hinaus sind Dramaturgie, Regie, künstlerische Leitung und Führung & Management eines großen Theaterbetriebs vier verschiedene Kompetenzherausforderungen. Selten kann eine/r alle vier Felder kompetent abdecken.
Kurzum: Das ist unlogisch. Und als Teil des Wahlkalküls von Corine Mauch (in einer Woche sind kantonale Wahlen), auch etwas unappetitlich. Denn damit bedient Corine Mauch leider die Affekte der verunsicherten älteren (linken) Wählerschaft, die sich haben manipulieren lassen von der Anti-Woke Kampagne der rechten SVP. Es ist wirklich sehr unangenehme Situation für die beiden Intendanten. Aber sich so von oben herab behandeln zu lassen, und das sehr willkürlich - geht den beiden vielleicht dann doch zu weit? Wir werden sehen, was die Statements der beiden sind - und hoffentlich meldet sich auch das Team zu Wort! Denn gerade um dieses ist es ja auch so schade.
als Mensch, die in Zürich lebt und die ich das hier verfolge, kann ich sagen, dass ein Problem für das Pfauentheater in den letzten Monaten war und weiterhin ist, dass zwischen der linken Stadt und dem rechtskonservativen Kanton ein Kulturkampf tobt. Und das noch dazu in Wahlkampfzeiten, die gerade vorüber gegangen ist. Das Theater hier ist da mittenrein geraten, es ist zum Spielball, zur Projektionsfläche, auch zum Katalysator geworden: zunächst monatelang von der NZZ und der FDP und SVP beschossen, dann von der Linken fallengelassen - indem die Stadt den Versuch, das Theater zu öffnen und gegen die Nach Corona Wehen anzukommen, nicht weiter gestützt hat. Die Stadtpräsidentin Corinne Mauch hat noch Ende Oktober im Tagesanzeiger gesagt:
Frage: Aber die Erneuerungsrate bei den Abonnementen sinkt.
CM: Bei jedem Wechsel der Intendanz kann es Einbrüche geben. Das ist normal. Gerade auch, wenn es deutlich in eine neue Richtung geht. Einige klassische Theatergängerinnen und Theatergänger fühlen sich durch die jetzige Form des Theaters weniger angesprochen. Das führt zu Reaktionen. Aber eben auch zu neuem Publikum.
Machen Ihnen die sinkenden Abozahlen keine Sorgen?
Ich bedaure sie. Aber sie sind nicht das ganze Bild. Viele junge Menschen kaufen sowieso kein Abo. Sie entscheiden spontan. Das Ziel ist es, mit dem neuen Theater möglichst breite Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Alle Menschen, die in Zürich wohnen, sollen kommen.
Gelingt das denn?
Das lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen.
Die FDP sagt: im Gegenteil. Der «woke Einheitsbrei» schrecke viele ab und wirke ausschliessend statt inklusiv.
Das sind Kampfbegriffe. Die Thematik wird politisch wie medial hochgekocht. Mich überzeugt die Arbeit der neuen Intendanz auch künstlerisch.
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Das Team am Schauspielhaus ist zwischen den Fronten zerrieben worden. Dabei haben die aktiv versucht, die Debatte aufzugreifen und für die Stadt zu führen und damit zum Beispiel unterschiedliche Menschen im Publikum aufeinandertreffen zu lassen und ins Gespräch zu bringen. Und sie haben darum gerungen, dass es weiter vor allem um die Kunst geht. Auch Ihr Beitrag, lieber Konstantin Kisin, ist jetzt wieder so einer, der das politische Oberflächenthema aufgreift. Schauen Sie doch einmal unvoreingenommen eine Inszenierung und schreiben Sie hier einen Bericht, was sie gesehen haben ohne gleich in diesen politischem Rastern zu werten. Das wäre schön.
Wir hier in Zürich kommen noch nicht zur Ruhe und sind noch sehr beschäftigt mit allem, was da passiert ist und jetzt zuende gehen soll. Es muss am Ende ums Geld gegangen sein - und davon gibt es hier so viel! - und die prinzipielle Skepsis gegenüber subventionierter Kunst. Wenn es dann für ein entschiedenes Zukunftsvorhaben in wackligen Krisenzeiten auch noch mehr Geld braucht anstatt dass das Theater stolz verkündet: wir haben 23 Abos mehr verkauft - ist es scheinbar schnell vorbei mit dem Rückhalt, zumal, wenn so viel politischer Druck aufgebaut wird. Das ist doch eine Schande und einfach respektlos gegenüber dem angestossenen Prozess und der konkreten Arbeit.
Hier noch ein Beitrag auf Kulturzeit zu einer Inszenierung von Suna Gürler, die gerade Premiere hatte. Da kommt auch Sebastian Rudolph vor, den Sie zu schätzen scheinen? Ab Minute 11, ungefähr:
https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/hundekot-attacke-kritikerin-wiebke-huester-im-studio-sendung-vom-14-02-2023-100.html
Ich war auch bei der Premiere. Standing Ovations.
Sonja
Ganz ehrlich, ich muss meine Ansichten revidieren. Das Aus kam zu früh! Dieses Team hätte mehr Zeit verdient. Es fängt doch grade erst richtig an!
Und auch hier: Standing Ovations.