meldung

Tarifverhandlungen zur Arbeitszeit gescheitert

GDBA-Chefin Lisa Jopt (vorn) mit weiteren Gewerkschaftsvertreter*innen © BFFS/GDBA/VdO

28. Juni 2023. Die Tarifverhandlungen zu Arbeitszeitregelungen, die die Künstler*innen-Gewerkschaften GDBA, BFFS und VdO seit Oktober 2022 mit dem Deutschen Bühnenverein führen, sind gescheitert. Das teilen beide Seiten in getrennten Presseaussendungen mit.

"Das Ziel, Arbeitsbelastungen zu reduzieren und mehr Planbarkeit mit Hilfe eines Arbeitszeitrahmenmodells für die Künstler*innen zu vereinbaren, war mit dem Deutschen Bühnenverein nicht zu erreichen", erklären die drei Gewerkschaften in einem gemeinsamen Statement. Man habe "konkrete und umfassende Vorschläge zum Abbau bzw. Ausgleich von Spitzenbelastungen vorgelegt" und sei auf Bedenken des Deutschen Bühnenvereins "immer wieder mit weiterführenden Kompromissvorschlägen eingegangen", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Nach "anfänglichen Verhandlungsfortschritten" habe der Bühnenverein sich "jedoch von gemeinsam erarbeiteten Lösungsansätzen nach und nach wieder distanziert".

In seiner eigenen Presseaussendung betont der Deutsche Bühnenverein, das Scheitern der Verhandlungen mit den Gewerkschaften zu bedauern. "Die Gewerkschaften verweigern strikt jeglichen konstruktiven Diskurs zu Positionen der Arbeitgeberseite und versuchen weiter, ihre Agenda durchzusetzen, die auf eine Abschaffung von Ensemble- und Repertoiretheater an den deutschen Bühnen zielt", argumentiert der Verein in seiner Mitteilung und zitiert den Vorsitzenden des Tarifausschusses Dr. Armin Augat mit den Worten: "Ich habe in den Verhandlungen nicht den Eindruck gewonnen, dass die Gewerkschaften an zukunftsfähige Regelungen zur Arbeitszeit für die NV Bühne-Beschäftigten ernsthaft interessiert sind. Wir begegnen hier einer Position, mit der die Verhandlungspartner uns Themen diktieren wollen und zu Gesprächen und Konzessionen nicht bereit sind."

Auch zum Fortgang des Prozesses äußern sich beide Verhandlungsparteien unterschiedlich. Der Deutsche Bühnenverein unterstreicht in seiner Pressemitteilung, den Gewerkschaften einen gemeinsamen moderierten Workshop vorgeschlagen zu haben, um zu einer Annäherung zu gelangen. Unterdessen kündigt Lisa Jopt, die geschäftsführende Präsidentin der Künstler*innen-Gewerkschaft GDBA, an: "Überlastung und fehlende Planbarkeit plagen die Theaterschaffenden seit vielen Jahren. Wir werden nun neue Wege gehen, um diesen Zustand zu ändern."

(Deutscher Bühnenverein / GDBA / BFFS / VdO / cwa)

Mehr zum Thema:

mehr meldungen

Kommentare  
Tarifverhandlungen gescheitert: Betriebsräte
Sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen ist natürlich immer gut, es werden aber alle Theater über einen Kamm geschert. Die meisten haben schon sehr gute Bedingungen und Planbarkeit. Man muss also nicht alle reformieren, mit noch mehr Regeln und komplizierten praxisfernen Bestimmungen.
Alle wollen immer weniger Arbeiten, aber mehr Geld dafür bekommen. So sägt man den Ast ab, auf dem man sitzt. Inflationsausgleich, Tariferhöhungen und hohe Energiekosten belasten die Theater schon genug. Bald werden einfach welche geschlossen, dann können sich die Betriebsräte eine andere Arbeit suchen...
1 Tarifverhandlungen gescheitert: Neue Jobs?
@Peter Neumann

Warum werter Herr Neumann, muss ich mir einen neuen Job suchen?
Betriebsräte haben mit Tarifverhandlungen nichts zu tun.
Fragen Sie einen Betriebsrat Ihres Vertrauens nach seinen Tätigkeitsfeldern. Er wird sie Ihnen sicher gerne erläutern.
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: Fehlanzeige
Zur Sache:
Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 61/19
Luxemburg, den 14. Mai 2019
Urteil in der Rechtssache C-55/18
Die Mitgliedstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann

Hier die Begründung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Fall des Beschlusses vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21). Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 14. Mai 2019 (C-55/18 – CCOO) die Lawine zur allgemeinen Arbeitszeiterfassung losgetreten hatte und der Gesetzgeber sich in vornehmer Zurückhaltung hinsichtlich der Klärung notwendiger Fragen geübt hat, hat der 1. Senat nun Fakten geschaffen:

"Gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen."

Bei TVöD-Beschäftigten wird bereits seit März 2023 die Arbeitszeit elektronisch erfasst.

Auf Nachfrage zur gesetzlichen Pflicht des Arbeitgebers einer elektronischen Arbeitszeiterfassung der NV-Bühne Beschäftigten bei einem Personal-und Organisationsamt eines städtischen Trägers offenbart sich deren nackte Ratlosigkeit.

Dabei gibt es bereits günstige, digitale Lösungen zur Erfassung der Arbeitszeit per App:
https://www.business-punk.com/2023/01/frederik-neuhaus-die-meisten-leute-haben-keinen-ueberblick-darueber-wie-viel-sie-arbeiten/

Möglicherweise will das der Deutsche Bühnenverein gerade in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften verhindern: Es könnte sich herausstellen, dass NV-Bühne Beschäftigte nachweisbar bis zu 80 Wochenstunden arbeiten!

Wer soll das bezahlen?
Ich empfehle den Betroffenen für das Rechnungsjahr 2023 penibelste Buchführung zur geleisteten Arbeit.

Jetzt haben wir aber den Salat.
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: Spannend
@Stephan Ullrich: was man so hört sind es gerade die Gewerkschaften, die nicht (!) penibel, also stundenweise, die Arbeitszeit erfassen möchten. Das würde dann die Vermutung nahelegen, dass die Betroffenen weit weniger arbeiten als gedacht, die Gewerkschaften dies wissen und nun einen ganz eigenen Salat haben... Es bleibt spannend.
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: Recht
@Ulf Sbrunner
Die Gewerkschaften können sich der Pflicht der Arbeitszeiterfassung nicht verweigern. Das ist europäisches und nun auch deutsches Recht. Kein Tarifvertrag kann das umgehen.
Auch hier informiert gerne der örtliche Betriebsrat des Vertrauens
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: Arbeitszeiterfassung
Im NV Bühne gibt es keine Festlegung von Arbeitszeit/-Stunden, sondern von Ruhezeit. Die Apps können die aber sicher auch erfassen :-)
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: bürokratisch
#3
Was kommt als nächstes, dass wir alle uns beim Betreten unseres Theaters einstempeln müssen, und später wieder ausstempeln? Oder eben per App?

Zugespitztes Szenario, ich weiß. Aber bringt ein "Durchbürokratisieren" des Theaters (wie auch immer es dann praktisch aussehen würde) wirklich so viel, wie es das bei anderen Arbeitsfeldern vielleicht tut?

Mein Beruf ist nicht vorbei, wenn ich das Theatergebäude verlasse. Teile meines Berufes finden zu Hause, oder im Park, statt (Textarbeit usw). Und Teile meines Privatlebens im Theatergebäude (z.B. Gespräche mit Kolleg*innen, die nicht Dienstliches betreffen).
Tarifverhandlungen Arbeitszeit: So einfach ist das alles nicht
Der fragliche Entwurf der Gesetzgebung aus dem Bundesarbeitsministerium lässt Tarifvertragsparteien mutmaßlich sehr viel Spielraum zur Frage der Umsetzung der Arbeitszeiterfassung.
Es geht beim aktuellen Konflikt nach meinem Wissensstand auch gar nicht darum, OB die Arbeitszeit (elektronisch) zu erfassen ist, sondern wie überhaupt im Bereich Solo Arbeitszeit bewertet also systematisiert wird, wie Ausgleichszeiträume sind usw.
Denn: Im NV Bühne SR Technik gibt es Arbeitszeitregelungen und hier findet doch wohl in der Regel auch eine Erfassung statt.
Im NV Bühne SR Tanz und im NV Bühne SR Chor gibt es so weitreichende Beschränkungen der Länge der einzelnen Proben, dass hier ziemlich sicher davon ausgegangen werden kann, dass rein in Stunden keine irgendwie "kritischen Bereiche" jenseits von 38 oder 40 Stunden im Durchschnitt erreicht werden (wenn überhaupt).
Im Bereich Solo in Bezug auf die nicht überwiegend in Vorstellungen beschäftigten Mitglieder (und Regie-Assistent:innen, vielleicht auch Inspizient:innen) gibt es nach unserem Wissen schon seit fast einem Jahr die Annäherung der Tarifvertragsparteien, dass grundsätzlich so zu verfahren sei, wie im NV Bühne SR Technik.
Es bleibt "nur" der Bereich "darstellendes" Solo (und da vermutlich vor allem Schauspiel) bei dem die Lage natürlich unübersichtlich und sehr ungleich an den Theatern ist.
Warum offenbar die Künstlergewerkschaften eine Einigung in diesem Bereich blockieren und Forderungen aufstellen, die mir als Betriebsrat aus dem Bereich TVöD es zunehmend schwer machen, bei den Kolleg:innen aus dem TVöD für Verständnis für diese Positionen zu werben, darüber kann natürlich fleißig spekuliert werden. Vor allem weil es ja zahlreich sehr gut funktionierende Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu diesem Thema gibt.
Natürlich ist es immer einfach auf "die Arbeitgeber" zu schimpfen. Meine Praxiserfahrung aus jahrelanger Betriebsratsarbeit sagt aber: So einfach ist es nicht.
Tarifverhandlungen gescheitert: Gut unterwegs
Es geht nicht um das durchbürokratisieren des Theaters, es geht meines Erachtens um die Rechte von NV-Solo Beschäftigten als eigenständigen, auf Augenhöhe agierenden Künstler der nicht nur ein Anweisungsbefolger ist und bei Bedarf ausgetauscht werden kann. Der für die nächsten Monate seine Aufgaben kennt, der Anspruch auf Planbarkeit hat. Das ist unkompliziert im NV-Bühne zu lösen.(zum Beispiel klare Stückanzahl- was, wann, wo für die ganze Spielzeit)
Auch sollte das Mitspracherecht des bestehenden Ensembles bei neuer Intendantenfindung einbezogen werden. Es kann nicht sein, dass ein Ensemble welches sich Jahrelang für eine Stadt und deren kulturelle Entwicklung eingesetzt so mir nichts Dir nichts ausgetauscht werden kann. Der neuen Leitung sollte es nicht zu einfach gemacht werden...Es handelt sich schließlich um Menschen.(Lösungsvorschlag: höhere Abfindungen mit der man dann auch eine längere Zeit überbrücken kann) Auch gegen Nichtverlängerung ist nichts einzuwenden, wenn sie auf einer nachvollziehbaren, breiteren Basis erfolgt und nicht nur der Wunsch einer Einzelnen/eines Einzelnen ist, bei der vielleicht auch der Betriebsrat eine Stimme hat und nicht nur der künstlerische Leiter. Das kann man alles tariflich regeln und es würde trotzdem kein Bürokratiemonster entstehen.
Und das Gespenst "Arbeitszeiterfassung" wird von der Arbeitgeberseite ins Feld geführt.
Kein NV-Solomitarbeiter braucht Angst haben Arbeitszeit mit einer "Stempelkarte" nachzuweisen.
Mut zu Veränderungen, ich finde die GDBA ist da sehr gut unterwegs.
Tarifverhandlungen gescheitert: 10-to-10-Job
Geht es in den Verhandlungen eigentlich auch um den geteilten Dienst? Dieser Irrsinn ist es doch, der Privatleben- und Familienfeindlich ist. Wenn man täglich um 10 anfangen muss und erst um 22 Uhr aufhören darf, nützt auch die Ruhezeit in der Tagesmitte nichts.
Tarifverhandlungen gescheitert: Darum Teilzeit
#4
Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass ein Großteil der NV-Bühne Beschäftigten im Jahresausgleich sehr weit von einer Vollbeschäftigung entfernt ist. Natürlich sträuben sich die Gewerkschaften darum gegen eine Arbeitszeiterfassung, da das zu Teilzeitverträgen mit entsprechend reduzierten Gagen führen würde und die Festanstellung unattraktiver macht.
Tarífverhandlungen gescheitert: Warum Ensembles?
Mir ist mittlerweile schleierhaft, warum in Deutschland immer noch am Ensembletheater festgehalten wird. Wenn nun nicht einmal mehr Ensembleveränderungen durch Nichtverlängerungen möglich werden sollen, dann spricht doch nun endgültig alles für staggione-Betrieb mit jeweils punktgenau für die jeweiligen Produktionen besetzten Gästen - Künstlerisch sicher ein Gewinn, finanziell sowieso und diese ganze theaterbelastende Ausbeutungsdebatte hätte ein Ende
Tarifverhandlungen gescheitert: Die wilden 20er nachspielen
Der Geteilte Dienst hat seine Logik aus dem Repertoire-Betrieb. Es soll eben Ruhezeiten geben vor den Abendvorstellungen. Außerdem ist das Theaterspielen doch eine Abendveranstaltung, also sollte es auch das Proben sein. Ich bin mal zum Theater gegangen, weil ich nicht wie die Spießer um 19h mein Abendbrot essen wollte, danach Tagesschau und dann wegdämmern. Die gleichen schauspielernden Menschen, die jetzt die Familienzeiten zur Grundlage von Probenzeiten machen wollen, bewerben sich dann für Babylon Berlin und wollen die wilden zwanziger Jahre nachspielen.
Tarifverhandlungen gescheitert: Was sind Ruhezeiten?
Arbeitszeit ist Lebenszeit. Das gilt schließlich für alle Berufe.

Der Beruf des Schauspielers:

Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens.
Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Verkörperns.
Arbeit des Schauspielers an der Rolle.

Was also sind, zum Henker, "Ruhezeiten"?

Der Schauspieler "à la recherche du temps perdu".

Wie kann man nun diese schöpferische Arbeit endlich angemessen und wertschätzend entlohnen?
Die üblichen Arbeitszeiterfassungsmodelle greifen hier nämlich nicht.
Tarifverhandlungen gescheitert: Motivierte Produktionsteams
Strukturen auflösen, nur noch einzelne, motivierte Produktionsteams an die Theater für einzelne Projekte/ Produktionen. Ist ökonomisch zukunftsfähiger und macht auch bessere Stimmung. Denn der/ die dort mitarbeiten, wollen es, weil sie sich für diese Projekte entschieden haben. Wer keinen Bock hat und nur auf Ruhezeiten und Gewerkschaftsschnarchen schielt, muss ja nicht dabei sein. Die Gesellschaft braucht genug Arbeitskräfte in vielen Branchen. Dort gibt es "arbeitnehmerfreundlichere Arbeitszeiten", mehr Geld und Sicherheit und alles, was man zu Beginn des Schauspielstudios so doof fand.
Tarifverhandlungen gescheitert: Angestellt versus freischaffend
Meiner Erfahrung nach ist Produktionsprozess mit freischaffenden Künstlern, aus denen für eine Produktion ein Team entsteht ohnehin viel produktiver, angenehmer und kreativer, da alle Lust auf das Projekt und aufeinander haben und nicht den Frust, der sich zwischen Ensemblemitgliedern über Jahre aufgebaut hat und durch Dauerüberlastung vor sich hertragen.
Freischaffende sind in der Regel deutlich motivierter, belastbarer und gesünder.
Tarifverhandlungen gescheitert: Verallgemeinerung bringt nichts
das ist doch Quatsch. Auch in freischaffenden Gruppen ist es nicht immer so das alle immer auf alles tierisch Lust haben, auch da werden immer mal Dinge zugesagt, weil man einfach grade mal wieder einen Job und Geld braucht und in einem festen Ensemble sind nicht alle arbeitsfaul und lustlos. Hab beides gemacht und beides hat seine Vor- und Nachteile. Genauso wie es Theater gibt an denen eh bereits auf Belastung der Mitarbeiter*innen geachtet wird und auch mal Freirunden eingeplant werden und andere in denen es normal ist von einer Produktion in die nächste zu stolpern ohne Vorbereitungszeiten und sich am Ende mit 6 und mehr Premieren in die Sommerpause schleppt. Diese Verallgemeinerungen bringen gar nichts. Ich halte das Arbeitsrahmenmodell der GDBA nicht für vollends ausgereift und an allen Punkten gut, aber ich finde richtig, dass auch Regieassistent*innen, Solist*innen und Mitarbeiter*innen in der Soufflage zB davor geschützt werden sollten auch 60Wochenarbeitsstunden ohne zeitnahen Ausgleich zu verrichten. Niemand möchte das in Endproben punkt 14 Uhr alles stehen und liegen gelassen wird. Ich hoffe die Gewerkschaften und der Bühnenverein gehen in den Workshop und finden eine Lösung. Muss ja irgendwie auch irgendwann, steht ja oben bereits EU-Gesetz und so
Tarifverhandlungen gescheitert: Bessere Arbeitsbereiche?
wer grundsätzlich keinen zweigeteilten Dienst machen will sollte sich jedoch tatsächlich überlegen ob es vielleicht bessere Arbeitsbereiche gibt, denn den will auch die GDBA nicht abschaffen.
Tarifverhandlungen gescheitert: 14-Stunden-Tage
Neben Schauspieler*innen, freien Künstler*innen und auch Gewerken, gibt's ja auch die klassischen Theaterberufe wie Dramaturgie oder KBB, die also sowohl Büroarbeit, Meetings und Planung machen, als auch bei Abendveranstaltungen oder Proben involviert sind.
Geteilte Proben in Endproben sahen für mich so aus: morgens um neun Dramasitzung, Morgenprobe, direkt um 14 Uhr ins Büro, Meetings, Mails, Lesen, wenn man Glück hat, schnell zum Bäcker und dann 18 Abendprobe. Nach der Probe Feedbackgespräche, ab und an Krisensitzung mit dem Regieteam und um 24 Uhr nach Hause laufen, in der Hoffnung, schnell einzuschlafen, weil um neun das nächste Treffen ist.

Das einfach zwei Wochen am Stück, an den Wochenenden Proben, Vorstellungen sehen und drei Stücke für die nächste Sitzung lesen. Nebenbei dutzende E-Mails, Absprachen, Vorbereitungen mit dem nächsten Regieteam oder Spielzeitplanung.
14 Stundentage sind häufiger die Realität als man denkt.
Tarifverhandlungen gescheitert: Es könnte so einfach sein
@ #19: Das kann ich aus meiner Erfahrung nur bestätigen. Der Spruch "Wenn du einen spießigen 9-5 Job haben willst, hättest du was anderes machen sollen" ist nichts als Theaterfolkore. Auch Theatermitarbeiter:innen, egal ob auf oder abseits der Bühne, wollen mitunter mal ein Privatleben haben und das ist zwischen 14 und 18 Uhr nicht so leicht, zumal dieser Zeitraum ja häufig gar nicht frei ist. In größeren Städten pendelt man zudem gerne mal 30-60 Minuten nach Hause. Und wenn dann noch Familie ins Spiel kommt und man mal Kinder ins Bett bringen will oder dergleichen...
Was spricht gegen das Modell "Ihr habt die Probebühne von 10 bis 18 Uhr mit einer Stunde Mittagspause"? Wer abends Vorstellung hat kann früher gehen. Einige Häuser und auch einige Regisseur:innen praktizieren das längst. Es könnte so einfach sein.
Tarifverhandlungen gescheitert: Längst geregelt
@Theatereule: Ja, das ist üblich so, aber es ist ineffizient. Am von Ihnen beschriebenen Tagesablauf: welcher Gewinn entspringt für die künstlerische Arbeit aus zwei Probenbesuchen am Tag durch die Dramaturgie? Keiner. Die Dramaturgie fühlt sich nur wichtig und unersetzlich, wird aber durch die Dauerpräsenz sowieso betriebsblind. (Ich kenne Ausnahmen, bei denen die Dramaturgie wie eine Koregie arbeitet. Zwei. Nach 30 Berufsjahren). Also: Problem gelöst. ihr Nachmittagsprogramm auf den Vormittag gelegt, der Nachmittag ist frei, und abends die vorgeschriebene Ruhezeit einhalten - bei Sitzung 9 Uhr und davorliegender Ruhezeit von 11 Stunden ist 22 Uhr Schluss. Das ist alles längst geregelt.
Tarifverhandlungen gescheitert: Weniger produzieren!
@mustafa/#20
Ich bin ganz bei Ihnen, dass die momentane Arbeitsbelastung für die Spieler:innen v.a. an mittleren und kleineren Häusern deutlich zu hoch ist. Allerdings ist das Problem bei dem von Ihnen vorgeschlagenen 10-18h Tagesablauf meiner Meinung und Erfahrung nach, dass die allermeisten Schauspieler:innen in meiner Erfahrung meistens nach ca. 3-3,5h Proben (mit kurzer Pause nach 1,5h) am Stück erschöpft sind, körperlich und geistig, und die Konzentration sowie die Probenqualität bei Ensemble und Regie massiv nachlassen. Und dass auch eine Stunde Mittagspause nicht ausreicht, um wieder mit völlig frischem Kopf und frischen Ideen in die zweite Probenhälfte zu starten. Effektiv läuft ihr Vorschlag in der Praxis also auf eine Probeneinheit pro Tag raus. Was natürlich in Ordnung wäre, wenn man die gesamte Probendauer einer Produktion von in der Praxis oft 5 Wochen auf 8-10 Wochen verlängern würde. Realistisch gesehen fürchte ich aber, dass das aus Kostengründen und dem von der Politik geforderten Produktionsdruck nicht passieren wird und Ihr Vorschlag somit einfach nur eine weitere Reduzierung der effektiven Probenzeit bedeutet, mit dem damit verbundenen zusätzlichen Stress und Zeitdruck für alle Beteiligten.
Ich denke eine massive Reduzierung von Produktionen pro Spielzeit wäre eine deutlich sinnvollere Lösung für das Belastungsproblem als eine Restruzkturierung des Tagesablaufs. Weniger Produktionen, mit deutlich längerer Probenzeit (8-10 Wochen), Wochenende komplett probenfrei, 3 Tage pro Woche Vormittags- und Abendprobe, 2 Tage pro Woche nur Vormittagsprobe, für jede Spieler:in eine zugesicherte Freirunde pro Spielzeit wäre z.B. eine in meinen Augen bessere Lösung als einfach alles wie gehabt beizubehalten und nur zu ändernl, dass von 10-18h jeden Tag geprobt wird.


@Effizienz/#21:
Völlige Zustimmung! Eine Dramaturgie, die auf jeder (!) Probe in den letzten 2 Wochen anwesend ist, verliert meiner Meinung und Erfahrung nach den für die künstlerische Qualität einer Produktion so unglaublich wichtigen Außenblick und wird genauso betriebsblind wie die Regie. 2 bis maximal 3 Durchläufe (bei Problemen in der Produktion) pro Woche anschauen ist für die Dramaturgie nicht nur völlig ausreichend, sondern in meiner Erfahrung sogar deutlich hilfreicher und besser für die Produktion. Damit blieben, auch in den stressigen Endproben, selbst mit weiteren Zusatzaufgaben am Abend, Abenddienst etc. ca. 3 freie Abende pro Woche. Was den ja mit wirklich vielen verschiedenen und zeitaufwändigen Aufgabenfeldern belasteten Dramaturg:innen mehr als gegönnt wäre!
Tarifverhandlungen gescheitert: Theaterromantik
@22: Dann erklären Sie das mal allen frei Beschäftigten an einer Produktion. Schon der inzwischen eine probenfreie Tag an den meisten Häusern hat dazu geführt, dass Regie, Bühne, Kostüm usw. nun sieben statt sechs Wochen zu den Proben kommen müssen, natürlich ohne dafür eine Woche mehr bezahlt zu werden. Stattdessen: Noch mehr tote Zeit vor Ort, noch weniger Zeit zu Hause/bei der Familie, noch mehr pendeln, höhere Ausgaben für Fahren und Wohnen und doppelte Haushaltsführung, weniger Zeit zur Rekreation, weniger Zeit für Vorbereitungen. Da bei den freien Mitarbeiter*innen seit 30 Jahren traditionell eingespart wird, was das Zeug hält (neben den Produktionsetats der einzige Sparposten), wird die Belastung immer höher: Wo früher vier Produktionen zum Leben gereicht haben, müssen es heute fünf sein. Diese als Pragmatismus getarnte Theaterromantik funktioniert nur, wenn Sie alle Bereiche mit bedenken. Wenn die Spirale so weitergeht, bedeutet weniger bald leer.
Tarifverhandlungen gescheitert: Antwort
@23
Ich bin selber frei Beschäftigt. In meiner Erfahrung hat der probenfreie Samstag allerdings eben gerade nicht zu einer Verlängerung der Probenzeit auf sieben Wochen geführt. Leider. Sondern einfach dazu, dass es bei einer gleichbleibenden Produktionszeit von sechs Wochen (zum Teil, sind es sowieso eher 5 Wochen, vor allem an mittleren und kleineren Häusern) jetzt effektiv 2,5 - 3 Probentage fehlen. Aber natürlich verstehe ich, dass er für die Festangestellten eine Entlastung gebracht hat. Genau mein Punkt: Oft werden die Bedingungen nicht angepasst, eben weil die Gesamtzahl der Produktionen nicht reduziert wird, sondern sogar noch gesteigert, um die Verkaufsstatistik zu verbessern, trotz sich verändernder Gegebenheiten. Was auch die finanziellen Bedingungen für frei Beschäftigte noch weiter verschlechtert. Und zu Lasten aller Produktionsbeteiligten geht.
Aber natürlich haben Sie recht, dass eine geringere Produktionszahl mit längerer Produktionszeit pro Produktion nicht bei gleichbleibender Bezahlung für frei Beschäftigte funktionieren kann. Aber genau das ist ja mein Punkt, dass der Trend der letzten Jahre, den Sie in meinen Augen völlig richtig beschreiben, eben immer, immer mehr Produktionen für immer, immer weniger Geld und immer, immer mehr Stress zu produzieren auf die Dauer nicht tragbar ist.
Die Frage nach der zeitlichen Belastung an den Häusern und die Frage nach der immer schlechter werdenden Bezahlung für frei Beschäftigte hängen meiner Meinung nach beide mit dem immer höheren Produktionsdruck der Häuser zusammen. Beides wichtige Themen, da haben Sie absolut recht. Aber auch für die frei Beschäftigten könnte eine Reduzierung der Produktionen pro Spielzeit eher zu einer auch wieder finanziellen Besserung führen. Die Budgets an vielen Theatern sind natürlich auch deshalb in den letzten Jahren enger geworden, weil die Etats von politischer Seite nicht oder nur in geringem Umfang erhöht wurden (oder sogar oft noch gekürzt wurden!), die Zahl der Produktionen aber im gleichen Zeitraum auf Druck der Politik, die permanent nur auf Verkaufszahlen schielt, bzw. in vorauseilendem Gehorsam der Intendanzen darauf, massiv zugenommen hat. Das Geld, mit dem früher z.B. 10 Produktionen pro Spielzeit bestritten wurden, muss heute oft für 20+ Produktionen und diverse Zusatzreihen etc. reichen. Das kann auf Dauer in meinen Augen nicht so weitergehen.
Die zeitliche Belastung vor allem für die freischaffende Regie wäre natürlich bei einem anderen Modell als es jetzt praktiziert wird größer, keine Frage, und müsste durch wieder besser werdende Bezahlung wie oben ausgeführt zumindest etwas kompensiert werden. Für Bühne, Kostüm, freie Dramaturgie etc. würde sich nicht allzu viel ändern, da in diesem Bereich die meiste Arbeit in meiner Erfahrung in der ersten und den letzten beiden Wochen anfällt und sie oft auch nicht durchgängig vor Ort sind. Wenn die Produktion wieder besser bezahlt wird, würden dann vielleicht wieder 3 längere, statt 5 kürzere Produktionen ausreichen.
Mein Eindruck ist einfach, dass die Situation der letzten Jahre mit einem ständig zunehmenden Produktionsdruck die Beschäftigten im Theaterbereich an ihre Belastungsgrenzen geführt hat, und auf Dauer so nicht tragbar ist. Und folglich also meiner Meinung nach ein "weiter so" nicht funktioniert, sich also etwas ändern muss. Und ein 10-18 Tagesablauf bei ansonsten unveränderten Bedingungen in meinen Augen aus den in meinem ersten Beitrag genannten Gründen keine gute Lösung wäre, sondern eher eine Reduzierung der Produktionszahl, um den zeitlichen, kreativen und auch finanziellen Druck für die einzelne Produktion zu verbessern. Ich sehe nur, dass ein einfaches weiter so auf Dauer nicht funktionieren kann, ohne die Beschäftigten völlig zu verschleißen. Was wäre denn Ihr Veränderungsvorschlag? Nicht zynisch oder aggressiv gemeint, sondern ein Frage mit echtem Interesse.
Tarifverhandlungen gescheitert: Auslaufmodell?
Die Lösung kann nur darin bestehen, die Anzahl der Produktionen an den stehenden Häusern zu senken, was natürlich zu weniger Vorstellungen führt und somit zu weniger Einnahmen der Häuser und somit zu sinkenden Etats (im Schnitt nehmen die stehenden Häuser knapp 20% des Finanzbedarfes selbst ein). Und es bedarf natürlich Mindestgagen, bei Werkverträgen zeitunabhängig. Es lässt sich an nur zwei Fingern ausrechnen, dass das finanziell nicht funktionieren wird. Dieses Problem zu lösen obliegt aber den Trägern, nicht den Theatern. Vielleicht - schauen wir dem ins Auge - ist das Stadttheatermodell ein Auslaufmodell und wird abgelöst werden müssen durch zum Beispiel durch die Produktionsgruppen, die dann durch das Land Touren wie in den Niederlanden oder Frankreich.
Tarifverhandlungen gescheitert: Einig
@24 Huch, den Nickname gab es schon...

Wir sind uns einig:

Produktionen runter auf 50%.
Freie Künstler*innen besser bezahlen (alle!).
Für die Festangestellten mehr Zeit zur Recherche, zum Experiment, zur Fort- und Weiterentwicklung.
Diese Vorgänge transparent gestalten, für Kolleg*innen, Publikum und die (kultur-)politischen Förderinstitutionen und deren Akteur*innen.

Dazu braucht es viel Überzeugungskraft und einen langen Atem.
Tarifverhandlungen gescheitert: Was tun?
@24: Bin da ganz bei Ihnen. Was man tun kann? Sich ehrlich machen und zwar auf beiden Seiten.
Die Leitungen der Häuser müssten zunächst einmal einen Ist-Zustand ihres Theaters erfassen: Wie viele große Produktionen machen wir? Wie viele kleinere? Wie viele Festivals? Wie viele Lesungen, Sparte 5-6-7-8-Projekte, Sonderkonzerte mit dem Damenchor etc. Nur dann hat man überhaupt die Möglichkeit zu beziffern, was „weniger produzieren“ heißt. Wenn dann eine neue Spielzeit geplant wird, kann genau abgewogen werden, ob man ein Open-Air-Spektakel mehr macht und dafür vielleicht eine Oper weniger – anhand verlässlicher Zahlen. Momentan planen die meisten Häuser allerdings nicht nach Fakten und Leistungsfähigkeit, sondern nach Löchern in der Dispo. („Da könnten wir doch noch!“.) Der Belastungsstress, der dabei entsteht, ist somit oft hausgemacht und in den allerseltensten Fällen auf die Träger zurückzuführen. Die sagen nämlich wirklich nicht oft: „Dieses Diskurstheater-Projekt im Altenheim brauchen wir noch gaaaanz dringend!“
Und auf der anderen Seite müssen wir aufhören ständig von der Überbelastung der Ensembles/Mitarbeiter*innen im Allgemeinen zu sprechen. Das nicht künstlerische Personal hat idR festgeschriebene Arbeitsstunden. Diese können nur in Ausnahmefällen überzogen werden und werden falls später ausgeglichen. Bei den Ensembles dagegen schwankt die Belastung von Person zu Person und von Haus zu Haus. Wer die Polina in der Möwe spielt, taucht vermutlich nicht 7 Wochen lang auf jeder Probe auf, die Spielerin der Arkadina vielleicht aber schon.
Hier sollten die Leitungen individuelle Ausblicke je Spielzeit für die Spielerinnen und Spieler aufstellen und darauf achten, dass sich größere und kleinere Rollen abwechseln. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen – versteht sich. Das macht so ein Jahr nicht nur organisatorisch für die Theater sondern auch privat für die Künstler*innen besser planbar. Das entstresst ungemein. Eine Wohltat für Körper, Geist und Krankenstand.
(Und was die Probenzeit der Produktionen angeht: Hier sind es nicht selten, die Menschen in der Regie, welche diese bei den Häusern drücken wollen. Sei es, weil sie dadurch mehr Projekte im Jahr machen können, sie private Gründe haben oder ihnen die Bezahlung schlicht zu gering ist. Hier wäre es vielleicht auch einmal sinnvoll über Wochengagen nachzudenken.)
Tarifverhandlungen gescheitert: Dispo gibt es schon
Also man denkt wirklich mehr und mehr, dass die meisten hier keine Ahnung vom Theateralltag haben?! Was hier gefaselt wird von man müsste man sollte etc. Jedes Haus hat einen Betriebsdirektor oder Disponenten der die ganze Spielzeit kennt und genau weiß, wann wer wieviel probt und spielt! Das wird nicht gewürfelt! An Opernhäusern singen die meisten nicht mehr als 30-40 Vorstellungen pro ganze Spielzeit, was bedeutet, dass man auch mal wochenlang probenfrei hat! Und die Pause zwischen zwei Proben ist wichtig, um die Stimme und den Körper zu entlasten - auch das zeigt wieder wie wenige Ahnung hier die Kommentatoren haben! Zudem sollte man mal abends seine Partie/Rolle gespielt haben bis teils 23 Uhr, um zu spüren wie die Energie und Ausdauer ist. Davon haben hier die meisten aber keine Ahnung! Und weniger spielen heißt weniger Geld und Förderung bzw. Attraktivität, dann wird automatisch gekürzt und verkleinert. Da braucht es den bösen Intendant gar nicht! Wie schon geschrieben geht es 80-90% der Beschäftigten schon besser bzw gut. Die restlichen Prozent brauchen keine Theaterreform, sondern eine ordentliche Leitung und Struktur! Diese kommt aber ganz sicher nicht von der GDBA!
Kommentar schreiben