Alain Platel weist Plagiatsvorwürfe gegen "Tauberbach" zurück
Protest auf tönernen Füßen
Berlin, 14. Mai 2014. Auf dem Theatertreffen-Blog nimmt Alain Platel Stellung zu den am Sonntag (11.5.2014) in einer Intervention auf dem Theatertreffen vorgebrachten Plagiatsvorwürfen gegen seine Inszenierung Tauberbach.
Auf den Vorwurf, Platel und Ricardo de Paula, Regisseur der Inszenierung "Sight" von der Gruppe Oito am Berliner Ballhaus Naunynstraße, hätten sich vor Beginn der Arbeit an "Tauberbach" getroffen und über den Stoff ausgetauscht, woraufhin Platel danach besonders das Bühnenbild von "Sight" in "Tauberbach" kopiert habe, entgegnet Platel: Anders als von den Protestierenden behauptet, habe er Ricardo de Paula vor seiner Arbeit an "Tauberbach" persönlich nie getroffen. Er habe ihn überhaupt erst auf dem Theatertreffen kennengelernt. De Paula selbst habe ihm dies in einer E-Mail bestätigt und dabei angegeben, dass er seinerseits in diesem Punkt von Dr. Azadeh Sharifi (Mitorganisatorin der Intervention gegen "Tauberbach") "falsch zitiert" worden sei.
Wie Hannah Wiemer vom Theatertreffen-Blog in einem redaktionellen Kommentar zu der Stellungnahme Platels anfügt, wurde die ursprüngliche Behauptung des persönlichen Kontakts zwischen Platel und De Paula, die auf einem Handzettel während der Intervention sowie auf der Website mindthetrap.de nachzulesen war, von dieser Website mindthetrap.de inzwischen entfernt.
Zu den am Sonntag ebenfalls erhobenen Kolonialismus-Vorwürfen schreibt Platel: Er bedauert, dass eine eingehende politische Diskussion um die "Fetischisierung des schwarzen weiblichen Körpers", um "postkolonialistische Kontexte" und "Hierarchie im Kunstmarkt" nicht zustande kam. "Die Atmosphäre während des Publikumsgesprächs war dafür zu angespannt und aufgeheizt".
(www.theatertreffen-blog.de / chr)
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Posted on May 15, 2014
Vergangenen Sonntag, 11.05.2014, hat das Bündnis kritischer Kulturpraktiker_innen eine Intervention beim diesjährigen Theatertreffen in Berlin durchgeführt. Im Zentrum der Kritik stehen die beiden Stücke „Sight“ (eine Produktion von Grupo Oito in Koproduktion mit Kultursprünge im Ballhaus Naunynstraße gemeinnützige GmbH unter der Choreografie von Ricardo de Paula) und „Tauberbach“ (eine Produktion der Münchner Kammerspiele von Alain Platel), denn in der Gegenüberstellung ihrer Entstehung, Bearbeitung der gleichen Geschichte und Rezeption wird ein koloniales Verhältnis fortgeschrieben, das Schwarze Stimmen erneut marginalisiert.
Im Vorfeld hatten die Grupo Oito und Unterstützer_innen Kontakt zu Azadeh Sharifi gesucht, da die promovierte Theaterwissenschaftlerin als Expertin zum Postmigrantischen Theater und rassistischen Praktiken im Theater gilt. Im Zuge ihrer aktuellen Forschung zu „Artists of Color in European Theatre” hat Sharifi schließlich mit Ricardo de Paula ein Interview geführt. Hierbei stellte de Paula eine koloniale Perspektive und Erzählweise bei „Tauberbach“ an vielen Stellen heraus. Zum anderen berichtete er aber auch über Platels Aneignung mit „Tauberbach“ einer Geschichte, die de Paula zuvor für „Sight“ reflektiert und bearbeitet hatte.
Im Anschluss an das Gespräch entschied das Bündnis kritischer Kulturpraktiker_innen, das Interview-Transkript für seine Intervention zu nutzen, da Ricardo de Paula während der Gesprächsaufnahme sehr klar einen Kolonialismusvorwurf gegenüber Platels „Tauberbach“ formulierte und starke Ähnlichkeiten zu seiner eigenen Inszenierung herausstellte. Zwischenzeitlich hat sich Ricardo de Paula von einem Plagiatsvorwurf gegenüber Alain Platel ausdrücklich distanziert. Seinem Wunsch nach Streichung einer missverständlichen Interviewpassage sind sämtliche Beteiligte nachgekommen. Von „wrongly quoted“ kann dementsprechend nicht die Rede sein.
Als ein Bündnis von kritischen Kulturpraktiker_innen, das die oben genannte Intervention geplant und durchgeführt hat, möchten wir festhalten, dass unser Ausgangspunkt für die Aktion war, dass sich die Grupo Oito mit dem Regisseur Ricardo de Paula in einer Position sieht, die im west-europäischen Theaterbetrieb mehrfach marginalisiert wurde. Auf Basis und Zuspruch aller beteiligten Personen und von vielen weiteren Kulturpraktiker_innen und Wissenschaflter_innen haben wir gehandelt, um aufzuzeigen, dass gerade im Theaterfeld Kolonialismus nach wie vor praktiziert wird. Nach wie vor haben wir alle es mit diesen Realitäten zu tun; so steht auch das Herausheben einzelner Personen aus unserer kollektiven Aktion in einer Linie mit der kolonialen Strategie, ungleiche Sprecher_innenschaften herzustellen und kritische Positionen zu delegitimieren.
http://www.theatertreffen-blog.de/tt14/stellungnahme-des-buendnisses-kritischer-kulturparktiker_innen/
hm.
ich werde das unangenehme Gefühl nicht los, daß eine klassische aktivistische Praxis bemüht wird. Mit einem konstruierten Plagiatsvorwurf aggressiv Stimmung machen und Aufmerksamkeit generieren- dann durch die Hintertür die Kolonialismuskeule schwingen - irgendwas bleibt schon hängen. Wer gegen das unsaubere Vorgehen protestiert wird sogleich präventiv als kolonialer Strateg/in diffamiert. Dann den rufschädigenden Vorwurf als "Missverständnis" markieren. Liebe Kulturpraktiker_innen: der Plagiatsvorwurf ist die zerstörerischste Unterstellung für eine/n Künstler/in. Solltet ihr als "Kulturpraktker_innen" eigentlich wissen. Ist aber auch egal, der Platel ist ja sowieso Kolonialist.
Seriöser Journalismus (falls der im Zuge der Recherche von Frau Sharifi ein Mittel darstellen sollte) wäre: genau nachfragen und präzise festhalten, ob es nun ein Plagiatsvorwurf ist oder nicht - ins Besondere wenn ihr das Transskript für eine aktivistische Aktion benutzt. So bleibt: mieser Stil, sich mittels Diffamierung Gehör zu verschaffen. Die Kartoffeln mal im Kreis springen lassen - Tanzt, kleine linksliberale Weissbrote.
Diffamierung als legitimes Kampfmittel des Aktivismus, epic fail.
http://www.livekritik.de/kultura-extra/theater/spezial/THEATERTREFFEN2014_tauberbach_sight_vergleich.php