Entlassungen am türkischen Staatstheater
Gesinnungsprüfung nicht bestanden?
8. Januar 2019. Kurzfristig und ohne Angaben von Gründen wurden zum Jahreswechsel mindestens 150 Mitarbeiter*innen der staatlichen türkischen Bühnen gekündigt. Das berichtet heute der Tagesspiegel.
Nach Gewerkschaftsangaben sollen einige der Entlassenen informell erfahren haben dass sie eine "Sicherheitsüberprüfung" nicht bestanden hätten. Befürchtet wird von Mitarbeiter*innen des Staatstheaters offenbar eine Säuberungswelle: Die Entlassungen könnten ihnen zufolge Ergebnis einer Gesinnungsüberprüfung in den sozialen Medien sein, so der Tagesspiegel. In türkischen Theaterkreisen werde vermutet, dass es um eine Beteiligung an den Gezi-Protesten gegen die Regierung vor sechseinhalb Jahren geht.
Folgenloses Versprechen?
Im Dezember 2019 hatte der türkische Kulturminister Nuri Ersoy noch angekündigt, freie Beschäftigungsverhältnisse am Staatstheater und der Staatsoper in Festanstellungen umzuwandeln. Damit begegnete die Regierung einer langjährigen Forderung von Theaterschaffenden, die den Rückstau bei Festanstellungen an den staatlichen Bühnen anmahnten. Im jüngsten Jahresbericht hatte das Staatstheater 1215 freie Planstellen gegenüber 2743 besetzten Stellen angegeben. Für die Produktionen des Staatstheaters, das landesweit 40 Bühnen unterhält, davon 17 in Istanbul und Ankara, waren dem Tagesspiegel zufolge hunderte freie Schauspieler, Regisseure und Bühnenarbeiter verpflichtet worden.
Kündigung statt Festanstellung
Bekannt wurde nun, dass nicht nur die angekündigten Festanstellungen bislang unterblieben sind, sondern dass nach Angaben der Gewerkschaft für Kultur und Kunst mindestens 90 Mitarbeiter*innen des Staatstheaters und 57 der Staatsoper nicht weiter beschäftigt werden – von Hauptdarsteller*innen bis zu Kostümschneider*innen.
Bis Ende 2019 hatten freischaffende Theatermitarbeiter*innen ihre Anträge auf Festanstellung eingereicht. Doch statt eines Arbeitsvertrags erhielten dem Tagesspiegel zufolge viele von ihnen zu Jahresbeginn ein Ablehnungsschreiben. Zugleich sei den Theatern verboten worden, sie weiter zu beschäftigen: Eine entsprechende Namensliste sei den Abteilungsleitern zugestellt worden, berichtete die Zeitung Sözcü. Das Staatstheater bestätigte in einer Stellungnahme, dass die Weiterbeschäftigung freier Theaterschaffender seit 1. Januar 2020 an "bestimmte Kriterien" geknüpft sei, erklärte diese aber nicht näher, so der Tagesspiegel.
(Tagesspiegel / Stuttgarter Zeitung / eph)
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