Christoph Kolumbus - Oliver Vorwerk entdeckt in Konstanz ein Amerika-Entdeckungs-Stück von Walter Hasenclever und Kurt Tucholsky wieder
Bruchlandung auf dem Mond
von Thomas Rothschild
Konstanz, 27. März 2015. Ein Scherzlied, das Jugendliche auf Klassenfahrten gerne singen, wenn die kollektive Hochstimmung über jeden intellektuellen Anspruch gesiegt hat, berichtet von einem "Mann, der sich Kolumbus nannt". Da heißt es unter anderem: "Das Volk am Land stand stumm und zag,/ Da sagt Kolumbus: Guten Tag!/ Ist hier vielleicht Amerika?/ Da schrien all Wilden: Ja!" Was man jetzt in der Spiegelhalle, der anmutig schäbigen Nebenspielstätte des Konstanzer Theaters, bestaunen kann, geht kaum über dieses Kinderlied hinaus.
Dabei tragen seine Autoren stolze Namen: Walter Hasenclever und Kurt Tucholsky. In Konstanz hat man ihre Komödie "Christoph Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas" ausgegraben. Entstanden ist das Stück 1932, und der ganz große Wurf ist es nicht. Hasenclever und Tucholsky begaben sich in die Vergangenheit von 1492, um etwas über ihre Zeit auszusagen. Das Stück belehrt uns über Amerika und zugleich über das Ende der Weimarer Republik, das kennen sollte, wer Pegida, zum Beispiel, in ihrem Kontext verstehen will. Aber es tut das leider ziemlich flach und klischeehaft. Auch dass die Fahrten des Kolumbus etwas mit Gold zu tun hatten, ist eine wenig überraschende Erkenntnis.
Pose gegen Grimasse
Die Komik entsteht in erster Linie durch Trivialisierung und Anachronismus. Wie Egon Friedell und Alfred Polgar 14 Jahre zuvor in ihrem "Goethe", so lassen Hasenclever und Tucholsky ihre gemeinhin überhöhten historischen Figuren in einem zeitgenössischen Alltagsjargon sprechen und ganz und gar unheroisch handeln: Verkleinerung als Karikatur. Den Anachronismus unterstreicht Oliver Vorwerk, indem er die Herrschaften gleich zu Beginn in heutige Anzüge steckt. Kolumbus hingegen trägt ein Wams und eine Melonenhose. Diesen Kontrast verstärkt die Inszenierung, indem sie Kolumbus meist statisch, mit starrem Blick frontal zum nur einen Meter entfernten Publikum sprechen lässt, während vor allem der Kanzler (Andreas Haase) und der Schatzmeister (Jürgen Bierfreund) in boulevardesker Manier grimassieren. Später wird eine kreisende Galerie mit weißen Vorhängen zum Schiff, die Besatzung trägt Plastikregenmäntel, auch ein Stahlhelm als Kopfbedeckung sorgt für Zeitlosigkeit. Und wenn Amerika schließlich entdeckt wird, erinnert eine Zuspielung an die Mondlandung.
Den Kolumbus hat Vorwerk mit einer Frau (Natalie Hüning) besetzt, die Königin Isabella von Castilien im Gegenzug mit einem Mann (Philip Heimke). Der Indianerhäuptling wiederum wird von einer glatzköpfigen Frau (Gabi Geist) verkörpert. Das liefert jenen Futter, die es komisch oder sinnlich finden, wenn ein als Frau verkleideter Mann senkrechte Stangen mit Armen und Beinen umfasst, aber es bringt nichts für das Verständnis des Stücks. Einen Moment immerhin gibt es, der ahnen lässt, was sich mit etwas mehr Mühe aus dem dürftigen Material hätte machen lassen. Kolumbus begegnet dem Indianermädchen Anaconda (Jana Alexia Rödiger). Da treffen zwei Kulturen auf einander, zwei Codes. Und da decken sie sich tatsächlich – die Vergangenheit von 1492, die jüngere Vergangenheit von Hasenclever und Tucholsky und unsere Gegenwart.
Christoph Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas
von Walter Hasenclever und Kurt Tucholsky
Regie: Oliver Vorwerk, Bühne und Kostüme: David König, Dramaturgie: Adrian Herrmann.
Mit: Natalie Hünig, Jana Alexia Rödiger, Gabi Geist, Diana Wolf, Jürgen Bierfreund, Thomas Ecke, Andreas Haase, Philip Heimke, Arlen Konietz, Matthias Rott.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.theaterkonstanz.de
"Applaus für frischen Wind in der Spiegelhalle" vermeldet Brigitte Elsner-Heller im Südkurier (31.3.2015). Das Stück sei "satirisch-heiter" belassen worden. Die Schauspieler würden sich in mehreren Rollen "beweisen", auf einer Drehbühne. "Während hier die Arbeit von David König, der für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, schön zur Geltung kommt, geht die Handlung doch nicht so recht voran."
"Das Gelbe vom Ei des Kolumbus" sei das von Tucholsky selbst als "etwas dünn" eingeschätzte Werk auch in Konstanz nicht geworden, berichtet Martin Halter für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.4.2015). Regisseur Oliver Vorwerk habe "zwar die gröbsten Kalauer, Unterhosen- und Herrenwitze (und leider auch die Songs) gestrichen und dafür ein bisschen 'Galilei'-Ernst und Bilder der Mondlandung hinzugefügt, aber zum politischen Kabarett oder gar zur Tragödie reicht es nicht: Die Gegensätze zwischen dekadenter Zivilisation und natürlicher Unschuld, Kolumbus' heroischem Idealismus und dem schäbigen Materialismus von Staat, Kirche und Kapital sind zu schematisch."
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