Interview Frauenquote & Spielplan - Streitgespräch zwischen Regisseurin und Pro-Quote-Vorständin Kerstin Steeb & Thalia-Intendant Joachim Lux
"Bitte macht was!"
8. Mai 2024. Auf die Präsentation der Spielzeit 2024/25 am Hamburger Thalia Theater folgten Protest und ein Boykott-Aufruf des Vereins Pro Quote Bühne. Die entsprechende Meldung wurde hier in den Kommentaren kontrovers diskutiert. Also baten wir Pro-Quote-Vorständin Kerstin Steeb und Thalia-Intendant Joachim Lux zum Streit-Gespräch.
Von Katrin Ullmann
8. Mai 2024. Joachim Lux habe es "geschafft", in seiner letzten Spielzeit am Thalia Theater nur eine einzige Frau in der Regieposition zu besetzen, hatte es in der Pressemitteilung von Pro Quote unter anderem geheißen. "Bei der Autorenschaft sieht es betreffend Geschlechtergerechtigkeit genau so schlecht aus, nur dass bei den Wiederaufnahmen gar kein Text einer weiblichen* Autorin enthalten ist". Pro Quote rief daher dazu auf, das Thalia Theater Hamburg zu boykottieren. Das von Katrin Ullmann geführte Gespräch mit Kerstin Steeb und Joachim Lux fand in einem Besprechungsraum des Hamburger Thalia Theaters statt.
Katrin Ullmann: Kerstin Steeb, Sie sind freie Musiktheater-Regisseurin und im Vorstand des Vereins Pro Quote Bühne aktiv. Im Vorfeld dieses Gesprächs haben Sie zu mir gesagt, dass Sie das Thalia Theater lieben. Warum nun dieser scharfe Boykott-Aufruf gegen das Theater?
Kerstin Steeb: Ich arbeite seit 2012 am Thalia im Rahmen von Thalia jung&mehr. Ich schätze das Programm, schätze die Arbeiten, schätze die Menschen, die hier arbeiten, und habe ganz erfüllende Projekte realisiert.
Aber?
Steeb: Das eine ist meine Perspektive als Künstlerin und Kollegin. Das andere ist die Perspektive, die mich zum Verein Pro Quote Bühne führte, wo ich ehrenamtlich aktivistisch arbeite, gegen eine Ungerechtigkeit, die wir wahrnehmen und die sich in Zahlen widerspiegelt.
Und was verspricht sich der Verein Pro Quote Bühne von diesem Boykott-Aufruf, den Sie kurz nach der Veröffentlichung der Pläne für die kommenden Thalia Spielzeit lanciert haben?
Steeb: Zum Beispiel dieses Gespräch, also eine Sichtbarkeit des Themas und eine rasantere Veränderung, als es sie an den Theaterinstitutionen in den letzten Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten gab.
Ist ein Boykott-Aufruf denn das richtige Mittel?
Steeb: Wir würden gerne andere wählen. Aber wir kommen immer wieder zu dem Punkt, dass wir sonst nicht gehört werden. Mich erinnert dieser Vorgang an meine Lieblings-Komponistin Ethel Smyth. Sie hat vor über 100 Jahren Steine geworfen, um das Frauenwahlrecht zu erlangen. Damals wurde auch darüber gestritten, ob deshalb Schaufenster kaputt gemacht werden müssen, aber offenbar brauchte es diese radikalen Methoden, um Veränderungen zu erreichen.
Also ist der Boykott-Aufruf eher Mittel zum Zweck als eine ernst gemeinte Kampagne?
Steeb: Ist Boykott nicht per Definition Mittel zum Zweck? Unsere Forderung nach der intersektionalen Quote ist ernst gemeint. Unsere Kampagne fordert zuallererst eine Auseinandersetzung mit dem Thema ein. In unserem Aufruf stand auch, dass mit den Füßen abgestimmt werden soll: Also geht in die Theater, es gibt geschlechtergerechtere Spielpläne.
"Es wird zu wenig miteinander gesprochen" haben Sie, Herr Lux, in einem anderen Interview gesagt. Danke, dass Sie zum Gespräch bereit sind. Wie fühlt es sich an, nach 15 Jahren erfolgreicher Thalia-Intendanz, in Ihrer letzten Spielzeit auf der Blacklist zu landen?
Joachim Lux: Wenn man eine öffentliche Person ist, muss man mit dem, was auf einen zukommt, umgehen, ob man das nun mag oder nicht. Alles andere wäre selbstmitleidig und nicht zielführend. Ich habe aber mit diesem Boykottaufruf ein massives Problem. Wir leben in einer Zeit, die auf allen möglichen gesellschaftlichen Ebenen so eskalativ ist, dass uns das nicht gut tut. Aufrufe zu Boykott oder Streik sind für mich die Ultima Ratio. Davor muss es ein Gespräch geben. Ich kann nicht akzeptieren, wenn das Gespräch von vornherein gar nicht gesucht wird. Ich bin auch jemand, der in seiner Biografie bei den Anti-AKW-Demos vor Brokdorf gehangen hat – wenn auch ohne Steinewerfen – und der sich trotz der Drohungen des Senats bei der Besetzung des vom Abriss bedrohten Gängeviertels hier in Hamburg engagiert hat. Ich verstehe generell schon, dass man sagt: "So, jetzt reichts."
Steeb: Also sind Sie doch streikaffin?
Lux: Ja, weil ich das ein legitimes Mittel finde, aber erst wenn man merkt, die Gegenseite ist so verbohrt und hat überhaupt keine Argumente. Dann muss man loslegen. Ohne jeglichen Vorgang dieser Art finde ich das demokratiepolitisch ein Desaster. Und ein Scheitern. Und zwar nicht nur von uns, sondern auch von Ihnen, weil Sie gar nicht versucht haben, mit uns in Kontakt zu treten.
Steeb: 2017 haben wir vom Verein Pro Quote Bühne alle Theater angeschrieben und um ein Gespräch gebeten. Und keine Antwort erhalten.
Lux: Das weiß ich ehrlicherweise nicht. Wir haben alles durchsucht und nichts gefunden. Auch ist ein Rundbrief an 200 Theater ja keine direkte Kontaktaufnahme.
Steeb: Es war ein an Sie persönlich formulierter Brief. Und wir sind frustriert, dass es keine Antworten gab. Seit Jahren sind Sie im Verteiler und werden zu unseren Gesprächsformaten eingeladen, bei denen es genau um das Thema geht: Wer kommt vor und wer nicht? Daher akzeptiere ich Ihren Vorwurf nicht, es hätte keine Gesprächsanfrage gegeben.
Lux: Sie haben zu Jahresbeginn zu Gesprächsformaten nach Berlin eingeladen. Sie hätten einfach in mein Büro gehen und sagen können: "Ich möchte mit Ihnen reden, weil ich das Nicht-Vorkommen von weiblichen Regie-Positionen unmöglich finde."
Steeb: Dann müssen wir erstmal über den Schwellenabbau einer führenden Person gegenüber den Mitarbeiter*innen sprechen. Die Hürden sind für mich sehr groß, ich bin hier freiberuflich tätig.
Lux: Das ist verständlich. Deshalb gibt es ein Riesenportfolio an Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden. Sie arbeiten ja bei uns freiberuflich in theaterpädagogischen Vermittlungsprogrammen. Es wäre sehr leicht gewesen, sich über den entsprechenden Abteilungsleiter zu melden.
Steeb: Sie sind auch für andere groß. Wie zum Beispiel für eine Kollegin, die unseren Verein direkt nach der Pressekonferenz angeschrieben hat: "Diese Zahlen sind schlimm, bitte macht was!" Das kam hier aus dem Haus und auch diese Kollegin hat sich nicht in der Lage gesehen, direkt zu Ihnen zu gehen.
Lux: Auch den Boykottaufruf haben wir übrigens nicht bekommen.
Ullmann: Das liegt wohl in der Natur der Sache, eine Pressemitteilung geht üblicherweise an die Presse und nicht an die Theater …
Steeb: Wir haben mit unserem Boykott-Aufruf dem Frust darüber, dass zu wenige Frauen* bzw. FLINTA* Personen an Ihrem Haus inszenieren, Luft gemacht.
Lux: Ein Spielplan entsteht aus Prozessen.
Steeb: Aber Sie tragen doch die letzte Entscheidung, oder?
Lux: Ja, natürlich. Klar. Und?
Steeb: Und es liegt Ihnen etwas an Geschlechtergerechtigkeit?
Lux: Daran liegt mir auch etwas. Es ist aber nicht mein einziger Fokus.
Steeb: Das merkt man an den Zahlen. Es gibt an Ihrem Haus eine deutliche Geschlechterungerechtigkeit.
Lux: Ja, aber es gibt viele, ganz viele Ungerechtigkeiten.
Steeb: Das ist Whataboutismus. Es ist ja kein Argument, nur, weil es andere Probleme gibt, sich nicht um das Thema der Geschlechtergerechtigkeit zu kümmern.
Lux: Das sage ich auch nicht. Aber man muss ehrlich sein und sein eigenes Gelingen und Misslingen reflektieren. Der Gender Pay Gap liegt hier im Haus bei den Schauspieler*innen bei nur 6 Prozent, zum Beispiel. Also da würde ich sagen, das ist geglückt.
Steeb: Ist doch toll. Check. Finde ich richtig gut, dass Sie das machen. Und daran sollten sich viele ein Beispiel nehmen.
Lux: Und auch die Geschlechter-Ausgewogenheit im Ensemble ist uns so gut wie gelungen. Es gibt derzeit 17 Männer, 16 Damen im Festengagement.
Steeb: Ebenfalls, Check, Haken drunter.
Ullmann: Herr Lux, der Anlass für dieses Gespräch ist ein anderer…
Lux: In dem Boykottaufruf schreibt Pro Quote, es sei am Thalia explizit inklusive Wiederaufnahmen "gar kein Text einer weiblichen Autorin enthalten". Richtig ist, dass in der kommenden Spielzeit im Großen Haus 9 Autorinnen vertreten sind und in der Gaußstraße 5. Das sind insgesamt 14. Es ist irritierend, dass Sie das nicht bemerken.
Steeb: Wir beziehen uns auf Wiederaufnahme-Premieren. Aber schauen wir auf die Premieren, gibt es in der nächsten Spielzeit auf der großen Bühne eine weibliche Autorin bei 7 Premieren und bei Premieren insgesamt sind es lediglich 15 Prozent. Es gibt außerdem deutlich zu wenige weibliche Regiepositionen, darum ging es uns primär.
Lux: Sie haben aber gesagt, es gäbe keine Autorinnen. Und zu den Regisseurinnen: Da gibt es im Großen Haus 8 weibliche Positionen, und in der Gaußstraße 9, insgesamt also 17 im Repertoire. Das Bild, das Sie zeigen, ist: Da ist ein patriarchaler Mann, der auf allen Ebenen seine Männlichkeit durchsetzt.
Steeb: Das sind jetzt Ihre Worte. Weder das eine noch das andere haben wir gesagt oder geschrieben.
Lux: Nein, das schreiben Sie in ihrem Boykottaufruf. Was die Regiepositionen angeht, also aufs Ganze gesehen, haben Sie dennoch völlig Recht: In der kommenden Spielzeit gibt es nur 3 weibliche Regiepositionen. Aber Sie können sich nicht nur einen Aspekt rauspicken, das akzeptiere ich nicht.
Steeb: Ja, das merke ich. Deshalb sind wir auch so wütend. Das ständige Verweisen auf die Gaußstraße frustriert. Wir sprechen außerdem über neu vergebene Aufträge. Und Sie zitieren uns falsch.
Lux: Ich würde nie selbstgerecht behaupten, dass alles in Ordnung ist. Wir hatten schon Spielzeiten, die ausgewogener waren. Man muss zwei Sachen bedenken: Als ich hier 2009 angefangen habe, ging es nicht darum, ein gerechtes Geschlechterverhältnis herzustellen. Das war damals nicht das Thema, sondern ist – Gott sei Dank! – im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden. Der zweite Punkt: Diese letzte Spielzeit ist ein Ergebnis aus Ensemblewünschen und künstlerischen Kontinuitäten, die uns wichtig waren und sind.
In diesen Kontinuitäten kommen, was die Neuinszenierungen betrifft, tatsächlich erschreckend wenige Regisseurinnen vor. Gerade einmal 3 von insgesamt 14 Arbeiten werden von Frauen auf die Bühne gebracht. Diesem "Zerrbild" – wie Sie es selbst bezeichnet haben –, das die letzte Spielzeit Ihrer Intendanz zeichnet, hätten Sie ja entgegenwirken können.
Lux: Nicht alle Vorgänge und Entscheidungen sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Kurz: Manchmal gibt es künstlerische Gründe, aus denen eine Zusammenarbeit nicht fortgesetzt wird, manchmal familiäre. Wenn eine Regisseurin ein Kind bekommt, zum Beispiel. Aber das will ich jetzt nicht als Argument ins Feld führen.
Steeb: Aber das ist ein wichtiges Thema. Es gibt eine vielschichtige strukturelle Chancenungleichheit für Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nur eines von vielen Themen! Seit Mitte der 1990er Jahre sind über 50 Prozent der Regieabschlüsse von weiblichen Personen. Wo tauchen die in den Spielplänen auf? Aber das Thema gibt es natürlich nicht erst, seit Sie Intendant sind. Der Feminismus ist uralt und muss sich immer wieder neu aufrollen. Das ist wahnsinnig frustrierend. Und Ihre Argumentation war ja, dass es 2009 noch kein Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit gab. So habe ich Sie verstanden.
Lux: Seit wann gibt es denn den Verein Pro Quote Bühne?
Steeb: Seit 2017.
Lux: Also gab es ihn 2009 noch nicht …
Steeb: Was soll das im Umkehrschluss heißen? Wir sind ja nicht die erste Gruppe, die für Gleichberechtigung kämpft. Die Komponistin Ethel Smyth hoffte schon vor hundert Jahren, es werde schon bald Positionen geben, die mit Frauen besetzt sind. Im Dirigat, in der Leitung. Smyth drehte sich jetzt im Grabe um, wenn sie die Zahlen – die übrigens im Musiktheater noch viel schlimmer sind – sähe. Kennen Sie Ihre Quote?
Lux: Meinen Sie die der Regisseurinnen, die auf der großen Bühne inszenieren?
Steeb: Und zwar über alle Spielzeiten während Ihrer Intendanz? Sie liegt bei circa 24 Prozent.
Lux: Ja, das kann sein. Das können Sie mir vorwerfen und ich bedaure es, nur kann ich es nachträglich nicht mehr ändern.
Steeb: Wir möchten Ihnen gar nicht den massivsten Vorwurf machen. Was wir möchten, ist, dass sich ein anderes Tempo einstellt, und dass Menschen, die die Macht und Verantwortung haben, Entscheidungen zu treffen, den Punkt der Geschlechtergerechtigkeit mitberücksichtigen.
Lux: Ich widerspreche Ihnen überhaupt nicht.
Ullmann: Herr Lux, die Thalia- Pressesprecherin Sabine Seisenbacher merkte an, dass der Boykott-Aufruf von Teilen des Publikums nicht verstanden wurde und dass Pro Quote Bühne wenig Bezug zu den Zuschauer*innen habe. Was sagen Sie dazu, Frau Steeb?
Steeb: Das zeigt, dass es immer noch zu wenig Sensibilisierung für das Thema gibt. Die Zahlen Ihres Hauses sind auffällig. In den 15 Jahren Ihrer Intendanz haben hier gerade mal ein Dutzend Frauen inszeniert.
Lux: Aber weniger sind es nicht! Da muss ich mich mal einen Tag hinsetzen und durchzählen.
Steeb: Einen ganzen Tag brauchen Sie dafür, glaube ich, nicht.
Lux: Das ist jetzt Polemik!
Steeb: Wir als Verein wenden uns an die Häuser, an Geldgeber*innen, an Förderinstitutionen. Uns erreichen regelmäßig viele Danksagungen von Kolleg*innen, die uns schreiben: "Ihr steht da für etwas ein, was für uns alle ein Thema ist, und wir trauen uns allein nicht, das zu formulieren." Und die Anzahl der Frauen, die an Ihrem Haus inszenieren und inszeniert haben, ist einfach sehr gering, im Gegensatz zu der der Männer.
Ullmann: Sabine Seisenbacher möchte außerdem betonen, dass von den 375 Mitarbeitenden des Thalia Theaters 183 Frauen* sind, die gesehen werden wollen. Es ist ja allen hier am Tisch klar, dass eine Inszenierung keine Einzelleistung ist …
Lux: Aber Regie- und Autorenpositionen sind entscheidend. Da stimme ich Kerstin Steeb komplett zu. Hier kann man am deutlichsten die eigene Perspektive auf die Welt formulieren. Und als Leitung sollte man möglichst viele verschiedene Perspektiven zulassen. Wenn das nicht gelingt, dann ist das ein Scheitern. Ich würde es nur erweitern und sagen: eben nicht lediglich die der Frauen. Ich nehme Folgendes für mich in Anspruch und das müssen Sie bitte respektieren: Es gibt in meiner Biografie an diesem Theater einen Ansatz, der mit interkultureller Arbeit und internationalen Regisseur*innen zu tun hat. Natürlich kann man auch hier sagen: Reicht alles nicht aus, auch das Ensemble ist zu wenig divers. Stimmt! Manches schafft man, manches nicht.
Steeb: Es ist bemerkenswert und toll, dass es so viele Perspektiven gibt, die Sie schon mit beachten. Intersektionale Quoten sind ebenfalls etwas, was unser Verein fordert. Dennoch frage ich mich, warum es so schwer ist, die Hälfte der Chancen Frauen oder weiblich gelesenen Personen zu geben? Wenn man wie Sie die Notwendigkeit dieser Forderung sieht: Was hindert Sie daran, das umzusetzen? In manchen Ihrer Spielzeiten waren auf der großen Bühne des Thalia Theaters gerade mal 10 Prozent Frauen vertreten. Ich finde, das passt nicht zu dem, was Sie sagen.
Lux: Ich kann mich nur wiederholen. Ich finde eine Frauenquote nicht ausreichend. Mein Fokus ist ein anderer. Aber der interessiert Sie offenbar nicht.
Steeb: Das stimmt nicht.
Lux: Aber Sie sagen dann immer: "Und die Frauen? "
Ausgangspunkt für dieses Gespräch sind ja die wenigen weiblichen Regiepositionen bei den Premieren der kommenden Spielzeit. Das, was Sie, Herr Lux, jetzt als Desinteresse werten, ist lediglich der Versuch, bei diesem Thema zu bleiben. Würden Sie sich denn als Feministen bezeichnen, Herr Lux?
Lux: Wahrscheinlich nicht. Ich habe, je älter ich werde, immer mehr Probleme mit ideologischen Ausrichtungen. Ich bin durchaus radikal in meinem Handeln, aber ich habe Schwierigkeiten mit Ideologien.
Setzen Sie eher auf die Kunst als auf die Quote?
Lux: Das Beste wäre, das eine mit dem anderen zu verknüpfen. Am Ende machen wir Kunst und nicht Statistik.
Gab es zu dem Spielplan eigentlich gar keine kritische Rückmeldung aus dem Haus? Vor oder nach dessen Veröffentlichung?
Lux: Nein, weder noch.
Denken Sie rückblickend, Sie hätten den kommenden Spielplan, was die Premieren betrifft, vielleicht ein bisschen ausgewogener gestalten sollen?
Lux: Ich hätte es aus verschiedenen Gründen tatsächlich nicht machen können. Wenn ich jetzt Bilanz ziehe, dann muss ich auch die eigenen Defizite befragen. Da gibt es Einiges, auf das ich stolz bin und es gibt andere Dinge, bei denen ich sage, es gibt Luft nach oben.
Finden Sie beide abschließend einen gemeinsamen Nenner?
Steeb: Ich finde es toll, dass dieses Gespräch stattgefunden hat und dass Sie, was die Quote betrifft, sagen, da gibt es noch Luft nach oben.
Lux: Das ist auch meine Meinung.
Steeb: Und ich wünsche mir sehr, dass alle aufs Gaspedal drücken, was die Geschlechtergerechtigkeit betrifft.
Joachim Lux, 1957 in Münster geboren, studierte 1976 bis 1982 Germanistik und Geschichte in Münster. Danach war er am Schauspiel Köln, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Bremer Theater als Dramaturg, Chefdramaturg und Regisseur tätig. Von 1999 bis 2009 gehörte er zehn Jahre lang der künstlerischen Direktion des Wiener Burgtheaters an, zunächst als Dramaturg, ab 2006 als Chefdramaturg. Seit 2009 ist Joachim Lux Intendant des Thalia Theaters in Hamburg. Seit 2012 ist er darüber hinaus Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (Bensheim) und seit 2015 Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg. Von 2014 bis 2021 war er Präsident des deutschen Zentrums des Internationalen Theaterinstituts (ITI).
Kerstin Steeb, 1982 in Giessen geboren, ist Musiktheaterregisseurin und dekonstruiert die strenge Form von Oper oft durch eigene Bearbeitungen und Fassungen. Sie inszenierte u.a. an der Staatsoper Hamburg, dem Theater Hagen und der Deutschen Oper am Rhein. Das Ringen um gendersensibles Verhalten war von Beginn an prägend für ihre Arbeiten und verfestigt sich insbesondere in ihren freien Projekten. Sie ist Dozentin an der Universität Hamburg und an der HfMT Hamburg und ist seit 12 Jahren freie Mitarbeiterin im Thalia Theater Jung&mehr. Kerstin Steeb ist Mutter zweier Kinder und lebt in Hamburg. Bei Pro Quote Bühne ist sie seit 2018 aktiv dabei und nun im dritten Jahr im Vorstand.
Katrin Ullmann, geboren 1971 in Heidelberg, studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Hamburg. Seit 1998 arbeitet sie als freie Journalistin und Kritikerin unter anderem für Theater heute, Tagesspiegel, taz, tanz, Deutschlandfunk Kultur, Die Zeit und nachtkritik.de. 2011–2015 sowie 2021–2024 Jurymitglied der Behörde für Kultur und Medien Hamburg, 2018–2023 Jurymitglied des NPN (Förderbereich Tanz) und für die Ausgaben 2022 bis 2025 in der Jury des Berliner Theatertreffens. Co-Herausgeberin – gemeinsam mit Sabine Leucht und Petra Paterno – der Publikation Status Quote – Theater im Umbruch: Regisseurinnen im Gespräch, erschienen 2023 im Henschel Verlag Leipzig.
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Als Intendant eines Kulturbetriebs hält er eine Führungsposition inne, die mit öffentlichen Mitteln arbeitet, da kann man nicht Künstlerinnen derart außen außen vor lassen. (...)
Die Quote abzulehnen und dann mit Beispielen kommen, die nicht repräsentativ sind ist leider gewohnte Praxis. So verklärt man sich die Welt in dem Gedanken ‚dass eh schon so viele Frauen inszenieren oder gespielt werden‘ und schreit das ins Internet raus ohne sich mit der Realität auseinanderzusetzen, weil die würde zeigen dass der selbstgebastelte Sachverhallt reine Empfindung ist.
Übrigens nur mal so als Gedankenspiel: eine Spielzeit mit nur Männern in xy steht in einer geschichtlichen Tradition der letzten Jahrhunderte, eine Spielzeit mit nur Frauen in xy steht gegen eine Tradition der letzten Jahrhunderte. Es hat inhaltlich, gesellschaftspolitisch und programmatisch eine andere Bedeutung, weil Frauen systematisch benachteiligt wurden und wie wir gerade sehen immer noch benachteiligt werden.
In Zürich wird kein männlicher Autor benachteiligt, da in Gänze immernoch mehr Autoren auf den Spielplänen stehen.
Joachim Lux sagt in diesem Interview explizit, er sei kein Feminist. Er sagt damit also, er sei nicht für die Beseitigung der Benachteiligung von Frauen.
Also, wenn die Frauen ( und ihre nichtbinären Verbündeten) dieses Theaters nach einer solchen Aussage nicht in den Streik gehen, dann weiß ich auch nicht weiter. (...)
Quote da auch?
Lux: Nein, weder noch."
Unfassbar!
Einfach nur traurig liebe Dramaturg*innen und Mitarbeitende des Thalia.
wenn kostümbild gleich bezahlt wird, wie bühnenbild, dann brauchts dafür auch keine quote
Da inszenieren auf der großen Bühne auch nur männliche Regisseure (von denen der Großteil, die Hausregisseure (alles Männer sind).
Da sagt aber niemand was.
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Anmerkung der Redaktion: Der Kommentar wurde um Passagen gekürzt, die nicht dem Kommentarkodex entsprechen
Angestellte von Damen- und Herren-Schneidereien.
Quote?
Licht- und Ton.
Quote?
Maske.
Quote?
Bühnentechnik.
Quote da auch?
Ja, das wäre doch toll und ein Abbild unserer Gesellschaft wenn das überall 50/50 wäre !!!
Nun geht es hier aber leider nicht nur darum, dass wir den Mythos von ‚typischen Frauen- und Männerberufen‘ abbauen müssen. Sondern sind Positionen wie Intendanz, Regie und auch Autorenschaft sind die Prestigeberufe am Theater, wo auch (auf jeden Fall bei Regie und Intendanz ) das meiste Geld fließt. Diese Berufe bedeuten Geld und Macht.
Die Regie ist im Theater das größte Aushängeschild. Und dieses Geld und diese Macht bekommen immer noch mehr Männer als Frauen! Da wir anscheinend (siehe Thalia ) immer noch nicht aus freien Stücken bereit sind Frauen gleichermaßen von dieser Macht und dem Geld teilhaben zu lassen, brauchen wir wohl eine Quote als Korrektur um so fair diese Güter zu verteilen.