Ungarischer Kritikerverband befürchtet wachsende staatliche Medien- und Kunstkontrolle
Pornografisch, obszön, antiungarisch
4. Dezember 2010. Das amerikanische NGO-Kommunikationsnetz tmuny.org hat einen Brandbrief veröffentlicht, in dem der Verband der Theaterkritiker Ungarns Befürchtungen vor wachsenden staatlichen Repressionen äußert und vor Versuchen der Einflußnahme auf Medien und Theater in Ungarn warnt.
Hintergrund der Befürchtungen ist u.a. ein umstrittenes neues Mediengesetz in Ungarn (mehr hier und hier, das staatlichen Behörden die weitgehende Kontrolle der Medienlandschaft einräumt. Im kommenden Frühjahr stehe die Verabschiedung eines neuen Theatergesetzes bevor, das für das Gros der freien Theater Ungarns vermutlich das Aus bedeute.
Auch die Angriffe offizieller Organe auf das Ungarische Nationaltheater und seinen künstlerischen Leiter Róbert Alföldi geben dem Kritikerverband Anlaß zu großer Sorge um die Freiheit der Kunst. Mitglieder des Parlaments hätten das Theater als pornografisch, obszön und anti-ungarisch diffamiert, im Stillen werde die Ablösung des Intendanten betrieben, dessen Vertrag noch bis 2013 laufe. Am 1. Dezember habe die rechtsextreme Jobbik-Partei ("Bewegung für ein besseres Ungarn") eine Demonstration organisiert, und ebenfalls die Absetzung Aföldis gefordert. Der 1967 geborene Aföldi, der sowohl Schauspieler und Regisseur als auch bildender Künstler und Pianist ist, gehört zu den vielseitigsten und international angesehensten Künster des Landes.
Am 1. Januar 2011 übernehmen Ungarn und sein rechtspopulistischer Präsident Victor Orbán die Ratspräsidendschaft der EU.
(sle)
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soll das ein Witz sein? Haben Sie tatsächlich über 2 Jahre für diese Erkenntnis gebraucht? Wie war das noch gleich mit dem Kind, das bereits im Brunnen liegt?
Und was muss eigentlich noch in Russland passieren, dass bei Ihnen das Denken einsetzt.
was nützt es sich frühzeitig aufzuregen? Weil mal die Papiere von Milo Rau geprüft werden? Das mag ungewöhnlich sein für einen schweizer Regisseur. Aber hier bei uns ist das Alltag für viele Russen, Rumänen, Ungarn, Sinti und Roma,...da fahren hier in Berlin Mitte bis zu drei Dutzend Zollbeamte und Polizisten auf und untersuchen Baustellen und und und...da verlier ich auch nicht jedesmal den Glauben an der Demokratie.
Ich verliere den Glauben, wenn Grundsätze gebrochen werden, Grundsätze, wie die Gewaltenteilung.
Zum ersten Mal reagiert die europäische Union nicht auf der monitären Ebene, als gedachte Fiskalunion. Sie reagieren als eine eventuell "moralische" Union, wenn sie ins Auge fassen Ungarn das Stimmrecht im EU Parlament zu entziehen. Das finde ich wichtig.
(...)
Ich interessiere mich für historische Momente, in denen einer ganzen Bevölkerung die Möglichkeit genommen wird ihre Verfassung souverän zu bestimmen.
Und gleichzeitig frage ich mich: Kann die Europäische Union in einem solchen Moment bestehen?
Ich hoffe sehr darauf.
Hier geht es nicht um Ausweiskontrollen bei Schweizer Künstlern. Aber Gewaltenteilung ist ja genau auch in Russland das Problem. Denn was haben Pussy Riot mit ihrer Aktion in der Kirche denn anderes kritisiert?
@ Thomas Wieck
"in ihrem eigenen Haus" verstehe ich nicht ganz. Gehört Ungarn etwa nicht dazu? Warum wird berechtigte Kritik gegenüber Russland und Ungarn immer gleich mit Gegenkritik gekontert. Es ist sicher richtig, dass Deutschland in Sachen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik auch restriktiv vorgeht und oft wirtschaftliche vor demokratische Interessen gestellt werden. Aber welches europäische Land tut das nicht? Das ist sicher kritikwürdig. Aber wenn man beginnt als Regierung das eigene Verfassungsgericht zu beschneiden, kann man auch gleich die Verfassung aufheben. Da ist es kein weiter Weg mehr hin. Also bitte keine Ersatzdebatten eröffnen. So kommt sicher keine richtige Diskussion in Gang.
http://www.eurozine.com/articles/2010-07-07-kornitzer-de.html
ich denke eben häufig, dass die parlamentarische Demokratie die Symptome der Krise besser in sich verbergen kann, gerade in dem sie häufig fremde Länder problematisiert, in denen die Symptome offen zu Tage treten, und hierbei vornehmlich osteuropäische Länder, bei denen es schon eine Vorgeschichte der tradierten Vorurteile gibt, auf die man leicht zurückgreifen kann. Das hat nichts mit Verharmlosung zu tun.
Anders gesagt, Anti-Ziganismus heißt bei uns neuerdings Verhinderung von Armutszuwanderung. So wortreich muss man sich erst einmal neu erfinden, wie es den parlamentarischen Demokratien gelingt alte Vorurteile demokratisch aufzubereiten.
Da ist mir manche offene Auseinandersetzung lieber, da ich annehme, dass bei den Möglichkeiten der neuen Medien, gemessen an den Revolutionen in Tunsesien und anderorts, auch trotz einschränkender Mediengesetze sehr viel möglich ist.
Ich traue einem bestimmten Teil der Russen und Ungarn eben mehr zu als man von ihren Regierungen her an ihnen ablesen möchte. Zugleich denke ich, dass unsere scheinbare Liberalität mehr zu als aufdeckt, die Symptome sozusagen einschläfert.