Kolumne Queer Royal: Georg Kasch auf den Spuren von James Dean und Stanley Kowalski
Gender Performance
von Georg Kasch
Berlin, 22. September 2015. Neulich kam mir ja der Gedanke, eine Diversity-Agentur zu gründen. Weil ich damit wahrscheinlich genug zu tun haben werde, verschenke ich hier nun meine nächste Geschäftsidee. Dabei verspricht gerade die, für freiberuflich arbeitende Schauspieler*innen eine wahre Goldgrube zu werden: In schwulen Dating-Portalen gibt es nämlich ein neues Zauberwort, mit dem man wahlweise sich oder den potentiellen Partner, meist aber beide charakterisiert: straight-acting. Soll heißen: Benimm dich wie ein echter Kerl, dann hast du auch eine Chance, bei mir zu landen.
Wem das nicht in die Wiege gelegt wurde, hat ein Problem. Und hier werden jetzt Experten gebraucht! Und zwar solche, die sich noch oldschool mit Stanislawski auseinandergesetzt haben. Mit Brecht kommt man nämlich nicht weiter, mit dem Performance-Einmaleins schon überhaupt nicht. Aber Stanislawski und Lee Strasberg, das funktioniert! Method Acting hat schon aus James Dean einen ganzen Kerl gemacht.
Wie spielt man einen Stanley Kowalski, so dass auch die hinterste Abo-Reihe mitkriegt, was das für ein Typ ist? Eben! Wie prügelt man sich, ohne sich zu prügeln? Wie schwitzt man, ohne zu schwitzen? Wie greift man sich in den Schritt statt ans Collier? Dass da einige Privatstunden zusammenkommen, ist beim Umfang des Trainings klar.
Aber das ist erst der Anfang. Schließlich herrscht auf dem Gebiet der gender performance gerade eine grundsätzliche Verunsicherung, die sollte man nutzen. Wir alle spielen, wer das weiß, ist klug, das wusste schon Arthur Schnitzler, und der war in Sachen Verführung nun wirklich ein ausgewiesener Experte.
Rettung ist also nah: Meldet euch bei Parship, Tinder und Gayromeo ab und beim Schauspielkurs an! Aus Mauerblümchen werden Flirtwunder, aus ungehobelten Klötzen Don Juans. Auch im Business-Bereich bieten sich zahlreiche Fortbildugsangebote an: Frauen, die nach oben wollen, könnte man Verdrängungsworkshops anbieten, wo man Kniffe wie kumpelndes Auf-die-Schulter-Hauen und den John-Wayne-Gang beigebracht bekommt. Vorstandsvorsitzenden mit Quotendrohung ließe sich nahebringen, wie man mit Frauen kommuniziert, ohne ihnen gleich an den Hintern zu fassen. Ach, die Möglichkeiten sind unendlich!
Straight heißt im Englischen übrigens soviel wie gerade, offen, ehrlich, einfach und pur. Dass gerade das Einfache so schwer zu machen ist, gehört auch zu den Dingen, die man am Theater besonders eindrücklich lernen kann. Und hier ist Brecht dann ausnahmweise doch zu gebrauchen.
Georg Kasch, Jahrgang 1979, ist Redakteur von nachtkritik.de.
Er studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Kulturjournalismus in Berlin und München. In seiner Kolumne "Queer Royal" versucht er, jenseits heteronormativer Grenzen auf Theater und Welt zu blicken.
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Es sollte unter anderem dienen, daß ein Schauspieler nicht immer nur sich selbst in jeder Rolle spielt.Hier und da ein paar effektheischende Manierismen über die Figur stülpt, um zu variieren.
Es verlangt enorme Konzentration und Disziplin. Aber vor allem Demut sich von einer Figur leiten zu lassen, und sie nicht für die eigene Eitelkeit zu mißbrauchen.Es ist auch keine Psychotherapie, sondern harte Arbeit.Es steht auch nicht die Emotionalität im Vordergrund.
Es geht darum als die Figur wahr,einfach und ehrlich zu sein. Nicht als man selbst.
zu klara: am besten finde ich Method Acting, wenn es mit Epic Acting gemixt, also davon sinnvoll unterbrochen wird, weil es dann besser auffällt. Als schwer zu machende Kunst, und nicht einfach als achgottjadiesesgrandioseeinfühlungsvermögenunddieseszuckenmitderfünftenwimpervonlinks genommen wird.
Und nein, es nicht das, was einige Schauspieler mal für 3 Wochen in einem meist schlechten Kurs gemacht haben.