nachtkritik-Theatertreffen 2021: das Ergebnis
Die Auserwählten 2021
3. Februar 2021. Das virtuelle nachtkritik-Theatertreffen 2021 ist entschieden! Die Leser*innen von nachtkritik.de haben aus den 40 Vorschlägen, die ihnen die nachtkritik-Autor*innen und -Redakteur*innen vorgelegt hatten, ein Tableau aus 10 Inszenierungen gewählt. Insgesamt stimmten 6721 Wähler*innen ab (im Vorjahr 6296, im Jahr 2019 waren es 5693) und vergaben 10.286 Stimmen (im Vorjahr 9.894 Stimmen, im Jahr 2019 insgesamt 10.026).
Wie im vergangenen Jahr war es nicht möglich, mehrfach aus demselben Netzwerk abzustimmen. Es kamen auch dieses Mal wieder Hinweise, dass Rechner vom System blockiert wurden, warum genau, ließ sich im Einzelfall nicht immer bestimmen.
Das diesjährige nachtkritik-Theatertreffen war das vierzehnte und ein besonderes: Durch die pandemiebedingten Theater-Schließungen kamen mehrere Inszenierungen auf die Nominierungsliste, die einem überregionalen Publikum bereits durch Streaming-Angebote der Theater bekannt gemacht werden konnten. Und erstmals in der Geschichte des nachtkritik-Theatertreffens hat es eine reine Netztheaterproduktion in die finalen Publikums-Top10 geschafft: "werther.live" von einer Gruppe junger Theatermacher*innen um die Regisseurin Cosmea Spelleken. Sie ist aktuell noch in Online-Aufführungen verfügbar (Termine stehen in unserem Digitalen Spielplan). Viele der anderen hier erwählten Produktionen hatten bisher nur wenige Bühnen-Aufführungen vor Pubikum (live und analog). Sie werden wieder zu sehen sein, soabld die Theaterhäuser öffnen.
Das Ergebnis sind die folgenden zehn Inszenierungen in alphabetischer Reihenfolge (mit den Begründungen unserer Autor*innen für ihre Nominierung zur Leser*innen-Wahl).
Antifaust. Ein Faust-Kommentar Bildgewaltiges Theater wie bei Jo Fabians letzter Premiere in Cottbus gab's selten irgendwo. Das ist totales Raumtheater, dabei wie frei improvisiert über den Goethe- und "Faust"-Diskurs hinaus: als Blick auf die letzten Tage der Menschheit,
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von Frauen und Fiktion, Regie: Anja Kerschkewicz, Eva Kessler, Felina Levits, Paula Reissig, Lichthof Theater Hamburg in Kooperation mit dem Theaterdiscounter Berlin Im Corona-Jahr wurde Care-Arbeit plötzlich systemrelevant. Das Kollektiv Frauen und Fiktion hat eine beeindruckende Arbeit zu diesem Komplex entwickelt, ironisch, bunt, queer, politisch scharfsinnig. (Falk Schreiber)
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Frauen verprügeln sich mit B-Movie-Kong-Fu, knallen immer und immer wieder gegen Schaumstoffmatten, später auf die Kühlerhaube eines alten Opels. Bootcamp für den weiblichen Bühnentod. Nackt, schweißtriefend, kunstblutig und erbarmungslos iterativ. Ein intensives Workout für das Zuschauer*innenhirn. (Maximilian Sippenauer)
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GAIA-Projekt – eine Cyborg-Oper Nicht nur, dass Regisseurin Mirjam Schmuck Filme, Live-Videokonferenzen, grandiose animierte Gothic-Novel- Zeichnungen, Tanz und Theater in dramaturgisch kluger, pathetisch-fröhlicher Weise zusammenbringt, sie zeigt auch, wie Frauen sich solidarisieren: Sechs Künstlerinnen erschaffen gemeinsam einen Abend über die Kondition und Kraft von Frauen. (Dorothea Marcus)
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Eine mitreißende Revue, eine Rückschau auf 50 Jahre Geschichte und Theatergeschichte, voller lustiger und berührender Momente, exzellent gespielt, getanzt. Magisch. Dann fiel der Vorhang (… so round about für ein Jahr). Wir haben uns doch nicht verrechnet? (Martin Krumbholz)
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Reineke Fuchs Regisseurin Mina Salehpour hat exemplarisch herausgeschält, wie sich ein Populist ohne Skrupel stets nach Bedarf seine alternativen Fakten zusammendreht. Insofern hat Goethe, selbst Karrierist von Gnaden, die Trumps, Orbans und Erdogans dieser Welt hübsch vorgedacht. Das wurde gut auf den Punkt gebracht und ziemlich gut gespielt. (Reinhard Kriechbaum)
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Searching for Macbeth Eine Shakespeare-Show, ein dramatisches Konzert im Wald Birnam, ein eigenes Genre, exakt auf der Schnittstelle zwischen Ernst und Unterhaltung. Eine dreidimensionale, multimediale Illustration, getragen von Musik und Donner, Licht und Projektionen und großartig trotzenden Schauspielern. Robert Wilson meets Coldplay. (Matthias Schmidt)
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Überleben Unmittelbar bevor dem ehemaligen Krankenpfleger und Serienmörder Niels Högel der Prozess gemacht wurde, hatte die Werkgruppe2 angekündigt, das Verfahren mit Schauspieler*innen zu begleiten. Ihre über Oldenburg hinaus skandalisierte Produktion "Überleben" hat eine beispiellose Gratwanderung zwischen dokumentarischem Theater, politischer Diskursentfaltung und praktischer Gedenkarbeit vollbracht. (Jan-Paul Koopmann)
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Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden Sebastian Nübling destilliert die Komik aus Sibylle Bergs traurig-böser Suada über ein miss(ge)lingendes Dasein und findet mit den Spieler*innen einfache und wirkmächtige Inszenierungsideen. Streamtauglich frontal auf der Vorderbühne inszeniert, transportiert sich auch über den Bildschirm der Spielwitz dieses ungebremsten komatösen Rants. (Elena Philipp)
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werther.live Die Produktion schafft es, die "Leiden des jungen Werthers" vom Staub des Ewiggestrigen zu befreien. In live performten WhatsApp-Konversationen, Instagram-Posts und Zoom-Dates werden Werther & Co. äußerst lebendig – und mit ihnen das junge Genre des Netztheaters, dem diese Arbeit neue Wege weist. (Sophie Diesselhorst)
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Hier die Nominierungen, aus denen in diesem Jahr gewählt werden konnte, inklusive ausführlicher Nominierungsbegründungen.
Mehr zu den Gewinnern der vergangenen Jahre: Ergebnis 2020, Ergebnis 2019, Ergebnis 2018, Ergebnis 2017, Ergebnis 2016, Ergebnis 2015, Ergebnis 2014, Ergebnis 2013, Ergebnis 2012, Ergebnis 2011, Ergebnis 2010 und Ergebnis 2009.
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(Hinweis der nachtkritik-Redaktion: Die Berliner Festspiele geben die Auswahl am 9. Februar bekannt. Am Dienstagabend werden drei der Juror*innen in einer Online-Talkrunde bei uns zu Gast sein: Petra Paterno (Wien), Andreas Klaeui (Zürich) und Franz Wille (Berlin).)