Medienschau: Berliner Zeitung – Thomas Oberender über AfD und Kulturkampf

Bunt zu bleiben, reicht nicht mehr

Bunt zu bleiben, reicht nicht mehr

3. September 2024. In einem Essay in der Berliner Zeitung zeichnet der Dramaturg und Ex-Intendant Thomas Oberender Parallelen zwischen der "Deutschland zuerst"-Propaganda der AfD und der Politik der "Zeitenwende". Die Kultur bekomme diese nun in Form von Kürzungen als Erste zu spüren. 

"Angesichts der neuen Haushaltsentwürfe kann ich mir vorstellen, dass die AfD 'bravo' haucht", so Oberender in seinem Beitrag, der anhand zahlreicher Beispiele aufzeigen will, wie der Glaube an das "sozialwirtschaftliche Kontinuum" – laut Oberender einst prägend für eine ganze Generation westdeutscher Politiker – zunehmend einer neuen Realität weiche. Hier trügen nun die alten Mittel nicht mehr: "Dafür, dass sich nichts verändert und jede Krise mit Geld gelöst wird, war die Bundesrepublik lange reich genug. Doch das Geld ist weg."

In diese Lücke schlage nun die AfD, die zwar "noch gar nicht an der Macht" sei, aber "schon mächtig durch den Druck in Richtung national- und identitätsorientierter kulturpolitischer Entscheidungen". Und nun treffe die "angedrohte Kürzung der Bundeskulturfonds" ausgerechnet jene "Orte in unserer Kulturlandschaft, die temporär in Form von Festivals und Innovationsinitiativen unsere nationale Kulturszene mit alternativen Sichtweisen beatmet, vernetzt und herausfordert und einer diffusen 'Nationalkultur', wie sie die AfD fördern will, entgegensteht". 

Für Oberender zeige sich etwa in Ungarn, Polen, den Niederlanden oder der Slowakei, "was uns bevorsteht, wenn (...) Förderstrukturen freier Kulturproduzenten abgebaut und eine neue Identitätspolitik, die sich an Herkunft, Sprache, Nation und Religion orientiert, etabliert wird". 

In dieser Situation reiche der "tapfere Frohsinn, bunt zu bleiben" allein nicht mehr aus. Vielmehr gelte es, sich daran zu orientieren, dass noch immer die Mehrheit der Menschen in den neuen Bundesländern "demokratische Parteien gewählt" habe.

(Berliner Zeitung / jeb)

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