Presseschau vom 10. Dezember 2012 – Die Schauspielerin Jutta Wachowiak in der Berliner Zeitung über ihre Rückkehr ans Deutsche Theater
Die neue Lust, dabei zu sein
Die neue Lust, dabei zu sein
Berlin, 10. Dezember 2012. Die große Film- und Bühnenschauspielerin Jutta Wachowiak (geb. 1940 in Berlin und in der ehemaligen DDR zu einer der namhaftesten Theaterkünstlerinnen geworden) kehrt nach sechs Jahren Arbeit im Ruhrgebiet zurück ans Deutsche Theater Berlin, in die "Coriolanus"-Inszenierung von Rafael Sanchez (Premiere: 13.12.2012). Aus diesem Anlass gab sie Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (8./9.12.2012) ein Interview in ihrem Potsdamer Häuschen.
Wachowiak spricht über ihren Wechsel ans damals jugendlich positionierte Essener Schauspiel zu Anselm Weber 2005: "Ich wollte nicht zu denen gehören, die sich abkoppeln, denen es zu anstrengend ist, dahinter zu kommen, warum die Künstler heute zu ganz anderen Bildern kommen bei Problemen, die ja immer ähnliche bleiben." Gleichwohl sei es auch "echt schmerzhaft" gewesen, plötzlich ohne die "Anerkennung" dazustehen, die ihr dort, "wo früher die DDR war", entgegengebracht wurde.
Zum Weggang vom DT sagt sie: "Ich konnte ja nicht mehr spielen. Ich war nicht mehr ich." Das Selbstbewusstsein sei nach der Wende "am Boden" gewesen. Sie habe sich gefragt: "Habe ich den Staat gestützt durch meine Kunst? Haben wir wirklich nur Sklavensprache gesprochen?"
Zudem kamen die institutionellen Transformationsprozesse: "Thomas Langhoff hatte das riesige Schiff DT durch stürmische Zeiten zu steuern", so Wachowiak. "Die Stasi-Aufarbeitung, die Eigentumsfrage, die Betriebswirtschaft. Das wackelte alles in den Grundfesten. Wie soll man da noch Kunst machen? Jedenfalls nicht, wenn man einigermaßen sensibel ist." Im Ensemble sei es über die Zeit bis in die Intendanz von Bernd Wilms hinein "unüblich geworden, dass man sich erkundigte, wie es dem anderen geht. Die Verwerfungen waren gigantisch, entsprechend gigantisch war die Ratlosigkeit."
Zu ihrer heutigen Arbeit mit jungen Theatermachern (wie Rafael Sanchez) befragt, sagt Wachowiak: "Ich hatte ja nach der Wende oft den Verdacht, dass die Regisseure nur nach dem Spektakulären suchen, nach Auffälligem, nach Nochniedagewesenem, oder nach etwas, das wirklich gar kein Mensch verstehen kann. Daran wollte ich mich nicht beteiligen. Heute habe ich wieder Lust, dabei zu sein und das, was ich so habe und kann, beizusteuern. Jetzt weiß ich wieder besser, wofür."
(Berliner Zeitung / chr)
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