Presseschau vom 4. Juli 2012 – Die SZ über die Berufung Enrico Lübbes Leipziger Intendanten-Berufung
Kein Radikalinski
Kein Radikalinski
4. Juli 2012. In der Süddeutschen Zeitung referiert Peter Laudenbach ausführlich die Berufung Enrico Lübbes zum Nachfolger Sebastian Hartmanns am Leipziger Schauspiel (Centraltheater): So sehr habe es bei der Neuberufung eines Theaterintendanten lange nicht geknirscht. Dass sich Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) für Lübbe entschieden hat, sei "einerseits sein gutes Recht". Andererseits sei es verständlich, "dass sich zumindest einige der Experten desavouiert fühlen: Weshalb zieht man sie überhaupt zu Rate, wenn man Ihre Vorschläge dann ignoriert?"
Als "ein klares Foulspiel" bezeichnet es Laudenbach, "dass die nicht immer sehr geschickten Leipziger Politiker den Eindruck zu erwecken versuchten, Lübbe sei auch die Wahl der Experten" (vgl. auch die Meldung hier) und zitiert dazu Dresdens Intendanten Wilfried Schulz (der "den Vorgang schwierig" finde), Carl Hegemann, Dramaturgie-Professor an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy ("Die Experten wurden als Feigenblatt missbraucht. Die Leipziger Kulturpolitik wirkt kleinmütig und schlecht informiert.") und Alexander von Maravic, von 2005 bis 2011 geschäftsführender Direktor und kommissarischer Intendant der Oper Leipzig ("Die Leipziger Politiker behandeln Theater und Oper nur als Kostenfaktor. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung gibt es nur eine Finanzdiskussion. Es fehlt an Wertschätzung für die Kunst.")
Ausführlich geht Laudenbach auf "die Retourkutsche der Lösch-Fans" ein, etwa die Veröffentlichung von "Lübbes internes, nie zur Veröffentlichung gedachtes Bewerbungsschreiben" im Falter (gemeint ist hier sicher der Kreuzer, vgl. auch die Meldung hier). Dagegen bringt der Autor Lübbes Chemnitzer Erfolge in Stellung: "Tristes Anbieder-Theater sieht anders aus."
Leipzigs Oberbürgermeister wünsche sich nach fünf Hartmann-Jahren, "dass Enrico Lübbe das junge Publikum halten und dazu das Bildungsbürger-Publikum zurückgewinnen kann. Mit dem Vorschlag der Experten wären wir in ein Wagnis gelaufen, das in der jetzigen Situation ziemlich sicher nicht aufgegangen wäre." Lübbe selbst mache bei allem "einen ausgesprochen aufgeräumten, uneitlen, grundsympathischen Eindruck. Der Regisseur sagt lauter Sätze, gegen die man nichts haben kann: 'Was mich stört, ist die Unterstellung, ein gut besuchtes Theater sei automatisch anbiedernd. Ich kann nur sagen, ich freue mich, wenn der Saal voll ist.'" Hier spreche ein solider Theater-Handwerker, "kein sich an sich selbst berauschender Radikalinski". Laudenbachs Fazit: "Für Leipzig ist das nach den Hartmann-Jahren wahrscheinlich nicht das schlechteste."
(geka)
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