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Hermann Sudermann Stiftung schreibt neuen Dramatikerpreis aus

Den Notleidenden

2. Oktober 2012. Die Berliner Hermann Sudermann Stiftung teilt mit, dass sie einen neuen Preis "für herausragende Leistungen im Bereich der deutschen Dramatik" auschreibt. In Kooperation mit dem Deutschen Theater Berlin solle der mit 5000 Euro dotierte Hermann-Sudermann-Preis alle zwei Jahre und erstmalig 2013 im Rahmen der Autorentheatertage des DT verliehen werden. Der Preisträger werde aus dem Kreis der Autoren ausgewählt, die zu dem Festival eingeladen seien.

"In dem Bemühen, dem Vermächtnis von Hermann Sudermann Rechnung zu tragen,
ist die Preisvergabe an eine Bedingung geknüpft: Der Preisträger muss sich zum Zeitpunkt
des Preisvergabe noch außerstande sehen, seinen Lebensunterhalt allein durch schriftstellerische Tätigkeit zu bestreiten", heißt es in der Pressemitteilung. Mit diesem Zusatz werde auf den Umstand reagiert, dass heute über 80 Prozent der Autoren nicht von ihrer schriftstellerischen Arbeit leben könnten.

Die 1929 gegründete Hermann Sudermann Stiftung pflegt einerseits das Andenken des Schriftststellers und Bühnenautors und unterstützt andererseits notleidende
Schriftsteller durch die Vergabe von Autorenspenden. Zu Jahresbeginn 2012 hat die Stiftung diese Zuwendungen eingestellt – Anlass für diese Entscheidung sei die geltende
Sozialgesetzgebung, der zufolge Zuwendungen von Stiftungen auf Sozialleistungen des Staates angerechnet würden. Damit aber erfolge eine Förderung des Staates und nicht der Bedürftigen. Letztere können sich fortan um den Dramatikerpreis bewerben, indem sie ihre Texte beim jeweiligen Alleinjuror der DT-Autorentheatertage einreichen – in diesem Jahr ist das Sigrid Löffler.

(Hermann Sudermann Stiftung / sd)

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Kommentare  
Hermann Sudermann-Preis: entwürdigend I-V
I.
Zur Würde des Autors ist zu notieren, dass sie abhanden gekommen ist. Genügte es bislang einen einschlägigen Studiengang besucht zu haben, ein entsprechendes Alter, eine Orientierung oder das passende Geschlecht vorzuweisen, ist es nunmehr notwendig, sein Unvermögen zum eigenen Existieren zu belegen. Wie dieser Nachweis zu erfolgen hat, bleibt zunächst unklar. Vielleicht genügt ein Wohnberechtigungsschein, eine Bestätigung des Arbeitsamtes, ein Gutachten, eine Verbürgung

II.
Ein vorangestelltes „zu“ bedeutet selten gutes: zu kompliziert, zu unverständlich, zu autofiktional. Zum einen belegen die Kritiken, dass es insbesondere der nachwachsenden Autorengeneration nicht gelingt „eine Signifikanz in den von ihnen verhandelten Themen“ herzustellen, zum anderen scheinen die von ihnen verwendeten Formen ganz und gar ungeeignet für das Bespielen einer Bühne. Die gesamte Misere kulminiert in der Bezeichnung „Textfläche“, die fremd wie nie beschrieben ohne Erklärung bleibt. Die Frage, ob wir es mit Prosa, mit inneren Monologen, mit einer der Lebensrealität geschuldeten Notwendigkeit oder doch nur mit einem Unvermögen zu tun haben, bleibt unbeantwortet

III.
Anders als einem Geigenbauer, dem zugestanden wird, einen Preis für das Ergebnis seiner Arbeit selber zu kalkulieren, wird dem Schreibenden erklärt, welcher Betrag für ihn völlig ausreichend ist. Die Kalkulation seines Einkommens wird durch den Kaufmann des Theaters bestellt, der kraft seiner kaufmännischen Ausbildung, seiner Berufserfahrung und seiner Liebe zur Kultur, von vornherein weiß, wie viel ein Schreibtischarbeiter zu erhalten hat. Es sei nur am Rande erwähnt, dass es einem Kaufmann natürlich am besten gefällt, wenn der Posten Autor in seiner Kalkulation gar nicht erst aufkommen muss

IV.
Es ist unrichtig zu behaupten, der Staat als Urheber allen Übels statte seine Theater unzureichend mit finanziellen Mitteln aus. Richtig hingegen ist, dass diese Mittel asymmetrisch verteilt werden, die Intendantengehälter überproportional steigen, und natürlich auch die Gehälter der Kaufleute, gleichzeitig „am künstlerischen Etat gespart werden müsse“, die Tarifanpassung der Gewerkschaft „unser Haus in eine instabile Situation bringe“, der Betrieb der Studiobühne „bedauerlicherweise eingestellt werden müsse, um die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kollegen zu retten“. Ebenfalls richtig ist, dass nach wie vor eine schier unglaubliche Verfressung und Verschwendung in Bereichen des Theaters als Alltagskultur gelebt wird, selbstverständlich der Wagen samt Fahrer vorgehalten wird, die Büros der Angestellten durch Designerlampen illuminiert werden, der Intendant, die Intendanz bei voller Besoldung am eigenen Haus anderswo inszeniert, der Kaufmann bei voller Kaufmannstätigkeit ausreichend Zeit findet, eine ordentliche Professur zu füllen

V.
Mit dem vorgeblichen Ziel, der Gemeinschaft zu dienen, entstehen neue Formen der Entlohnung, die, wie sich bei genauerer Betrachtung zeigt, doch nicht so neu sind. Schaue ich mir beispielsweise das so genannte Weimarer Modell an, dann sehe ich, dass ein allgemeingültiger und entsprechend transparenter Tarifvertrag gegen einen Haustarifvertrag getauscht wurde, der nichts anderes ist, als ein außertariflicher Vertrag, bei dem - ganz dem demokratischen Vorbild folgend - die einen über die anderen entscheiden. Die anderen sind in diesem Fall die Arbeiter des Hauses, die Mehrheit aller Angestellten, die sich von einer Minorität erklären lässt, was für sie gut ist. Dass diese Minorität ihr Einkommen weder offen legt, noch dem eigenen Modell anpasst, noch festschreibt, zeigt die tatsächlichen Verhältnisse auf. Anders als den Arbeitern des Theaters, ist es dem freien Autor unmöglich eine Mehrheit herzustellen. Die Mittel der Verweigerung stehen ihm nur im begrenzten Maße zur Verfügung. Sein Unbehagen muss sich auf andere Art ausdrücken
Hermann Sudermann-Preis: entwürdigend VI-X
VI.
Die Freiheit ist die Arbeitsgrundlage des Autors. Er verliert sich, indem er sich den Anweisungen und Unmöglichkeiten des Theaterbetriebes unterordnet. Er darf sich weder den Intendanten noch den Kaufleuten andienen, gleichzeitig ist er auf beide angewiesen. Genau an dieser Stelle enden die Freiheiten, die Freiheit des Autors, wie auch die Freiheit des Theaters. Ein Autor, der erpressbar wird, der für nichts anderes zu gebrauchen ist, als für das Zustandekommen einer Statistik, wird unbrauchbar. Der Erfolg eines Theaters lässt sich nicht mit betriebswirtschaftlichen Kennziffern ermitteln, er drückt sich nicht über die Anzahl der verkauften Schlafplätze aus, sondern über die Bereitstellung von Unruhe, Verunsicherung und Verwirrung

VII.
Das Theater braucht den Autor nicht. Der Umgang mit Texten ist nichts als Last, Befremdung und Aufenthalt. Ab sofort schreiben die Kollegen ihr Leben selbst. Nachmittags sprechen wir miteinander, abends trinken wir, dann kommt die Nacht und am nächsten Morgen wird inszeniert. Das Publikum wird in seiner Lebensrealität abgeholt, unsere Stadt, das Leben vor unseren Türen, wird im Mittelpunkt unserer Inszenierungen stehen. Unsere phantastischen Stoffe, Göthe & Schleyer, werden wieder und wieder belebt, Schrittmacher sein für eine ganz neue Theatergeneration. Die Dramaturgen werden nunmehr mit den Fragen des Marketings befasst sein. Der gesamte Betrieb des Theaters beschäftigt sich ausschließlich mit den Kenngrößen des Erfolges. Die Länge eines Schlussapplauses ist ab sofort der einzig relevante Maßstab für das Gelingen der Arbeit

VIII.
Unbekannte Themen werden einfach generiert. Die Qualifikationen dazu werden an den entsprechenden Institutionen der kulturellen Bildung vermittelt. Empathisches Empfinden, das Greifbarmachen des Begriffs Solidarität und ein Verständnis dafür, was es heißt „bis zum Hals in der Scheiße zu stehen“, werden Teil der Lehre. Kontrolliert wird all das durch die absolut unabhängigen und qualifizierten Institutionen, deren Vertreter gleichzeitig die so genannten Preise, Stipendien und Auszeichnungen übergeben, so dass die hohe Qualität der Theaterarbeit dauerhaft gesichert ist

IX.
Das Theater bildet seine Schreiber zukünftig selber aus. Die Söhne und Töchter, als Erben entsprechend ausgestattet, werden die Themen des Theaters bedienen. Das Preisgeld wird nicht mehr benötigt, um einen Unterhalt zu sichern. Seinem Sinn entsprechend wird es nunmehr verhurt, verkokst und versoffen. Ein Preis wird eine Auszeichnung sein. Im Übrigen werden auch die Busfahrer, der Friseur und die Fabrikarbeiterin erkennen, dass die Entlohnung der Tuerei in Wirklichkeit eine Würdigung ist, dass das Tun nichts anderes ist als ein Geschenk

X.
Der Schreiber erfährt nun seine tatsächliche Bestimmung: der Öffentlichkeit wie ein Idiot vorgeführt, dient er dem Erzeugen von Angst. An ihm wird gezeigt, was passieren kann, wenn man nicht dazu gehört
Hermann Sudermann-Preis: weg mit dem Besitzstandsdenken!
@ Gast: Göthe & Schleyer? Wie ist das zu verstehen? Meinen Sie Götze & Schleyer? Meinen Sie die (absichtlich?) missverstandene Aussage Mephistos als "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft"? Was denn nun und für wen eigentlich ist das Gute, möchte ich da zunächst einmal fragen. Sind zum Beispiel Hexenverbrennungen gut? Oder handelt es sich dabei nicht vielmehr um eine Obsession der sogenannten "Guten", welche mittels der Hexenverbrennungen ihre eigenen "bösen" Triebe, projizierend auf das Andere, verbrennen? Das sogenannte "Gute" ist oftmals offenbar auch nur die Fortführung des Bösen unter anderen Vorzeichen. Zitat Daniel Bensaid:

"Die Erfahrung der 'traurigen Wahrheiten' der Revolution 'hat mich', schreibt Saint-Just in diesem testamentarischen Text [mit dem Titel "Institutions républicaines"], 'die Idee, das Verbrechen mit Institutionen in Ketten zu legen, begreifen lassen'. 'Institutionen dienen dazu, alle gesellschaftlichen und individuellen Garantien zu gewähren, um Zwietracht und Gewalt zu vermeiden und den Einfluß der Menschen durch den Einfluß der Sitten zu ersetzen.' Man muß, so betont er, als ob er eine letzte Nachricht überbringen wolle, bevor er sich in die Stille seiner letzten Nacht zurückzieht, 'die Macht und das unbeugsame Recht von Gesetzen, die auf persönlichen Einfluß [sic!] zurückgehen, durch Institutionen ersetzen; dann wäre die Revolution gesichert.'"

Fazit: Weg mit dem Besitzstandsdenken, auch und vor allem innerhalb der Theaterschlösser selbst!
Hermann Sudermann-Preis: der Lohn der Arbeit
und der Regisseur, der das mit 5000 belohnte Stück des Armen Poeten am DT inszeniert, kriegt 20000. prekär.
Hermann Sudermann Preis: Hungerleid?
"Für Notleidende", ist in der Überschrift des Artikels zu lesen. Wie dieses Notleid aussehen soll, bleibt offen. (...) Ist es ein reines Hungerleid, ein Mitgefühlsleid, ein Nichtdazugehörigkeitsleid oder doch eher etwas pathologisches? Zumal selbst der, der schreiben muss, nicht für das Theater schreiben muss!
Hermann Sudermann-Preis: wie kommen Sie darauf?
@ Maus: Wie kommen Sie darauf, dass das "etwas Pathologisches" sein muss? Tja, wenn Probleme individualisiert werden, dann spricht man/frau gern von "etwas Pathologischem". Stimmt's?
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