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Mülheimer Dramatikerpreis 2019 an Thomas Köck
Bilder der Gegenwart
2. Juni 2019. Thomas Köck hat mit seinem Stück "atlas" in der Uraufführungs-Inszenierung des Schauspiel Leipzig (Regie: Philipp Preuss) den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis 2019 gewonnen. Das hat die Preisjury am Samstag Abend in ihrer öffentlichen Abschlussdebatte abgestimmt. Auf Köck entfielen am Ende 4 von 5 Stimmen. Damit gewinnt er den renommierten Preis nach 2018 zum zweiten Mal in Folge.
Während die Jury die nominierten Stücke zunächst kontrovers besprach, verdichtete sich die Diskussion um die Texte von Elfriede Jelinek ("Schnee Weiss"), Enis Maci ("Mitwisser") und Thomas Köck, bis am Ende der gut zweistündigen Debatte vier Jurymitglieder für "atlas" stimmten. Die fünfte Stimme bekam Elfriede Jelinek.
Jurydebatte in Mülheim © Marie-Luise Eberhardt
Die Jury beschrieb "atlas" als ein vielstimmiges Stück, das mit großer Emotionalität von traumatischen Erlebnissen erzähle und auf menschliche Werte verweise, ohne zu moralisieren. Obwohl es thematisch in der Vergangenheit verortet sei, evoziere es Bilder der Gegenwart. Köcks Sprache zeichne sich durch eine hohe Musikalität aus und sei nie eindimensional. Sie erweitere Welten und setze die Fantasie des Publikums frei. Der Jury gehörten in diesem Jahr Edith Draxl, Patricia Nickel-Dönicke, Stephan Reuter, Falk Schreiber und Sandra Strunz an.
Der Publikumspreis der "Stücke 2019" geht ebenfalls an Thomas Köcks "atlas". Die Preisverleihung für Thomas Köck findet am Sonntag, dem 23. Juni 2019, in Mülheim statt. Gemeinsam mit ihm wird Kristo Šagor geehrt, der für sein Stück "Ich lieb dich" den mit 10.000 Euro dotierten Mülheimer KinderStückePreis 2019 erhielt.
(Mülheimer Stücke / sd)
Der Suhrkamp-Verlag hat unter dem Titel "shakespeare sein schädel und das publikum" die Rede von Thomas Köck online gestellt, die der Autor anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2019 verfasste. Auf logbuch-suhrkamp.de.
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Natürlich gibt es Menschen, die diese Geschichte künstlerisch verarbeiten. Und wo sind sie? Sie sind in der freien Szene, in anderem Kunstdisziplin oder können nur im Ausland diese Erfahrung verarbeiten.
Mag sein, dass Köck wunderbar schreibt und das Stück tadellos funktioniert. Dieser Prize sagt jedoch noch mal, als Migrant*in, du solltest lieber schweigen und andere deine Geschichte erzählen lassen, da sie dann doch endlich gehört wird.
Bullshit, right?
wie kommen Sie darauf, dass die vietnamesische Community die größte in Deutschland sei? In Wahrheit gehört sie zu den kleineren.
Dass Texte, in denen zeitnah Leben von VietnamesInnen als MigrantInnen in Deutschland von einem weißen Österreicher, der in Deutschland lebt, veröffentlicht und dem Theater angeboten werden, ist ebenfalls nicht dem Autor anzulasten, sondern allenfalls dem deutschsprachigen Literatur- und Theaterbetrieb.
Es gibt Recherche-Theatertexte, die vielleicht genauer und aus eigenem Erleben die Geschichte beschreiben, die ebenfalls aufgeführt werden können und trotzdem keine Dramatik sind.
Der Mülheimer Dramatikerpreis ist aber ein Dramatik-Preis und kein Inszenierungspreis.
Literarisch, also künstlerisch, schreiben ist nicht identisch mit "Erfahrungen verarbeiten". Dass dabei a u c h persönliche Erfahrungen verarbeitet werden, ist nur EIN Aspekt des literarischen Schreibens. (ME der für die Kunst dabei am wenigstens Ausschlag gebende.)
In "Danke Deutschland – Cảm ơn nước Đức", das am 4.4. 2019 an der Schaubühne Premiere hatte, stehen Deutsch-Vietnames*innen der ersten und zweiten Generation auf der Bühne und haben das Stück zusammen mit dem Team der Schaubühne entwickelt.nk: bit.ly/2ETv8wh
Die ehemalige Vertragsarbeiter in Mai-Phuong Kollath steht auch in
"Atlas des Kommunismus" von Lola Arias am Gorki Theater auf der Bühne (gorki.de/de/atlas-des-kommunismus)und spricht auch da über ihre eigene Geschichte. nk: bit.ly/2ZebBP7
Wieso fällt es uns Theatermacher*innen, die doch von sich behaupten, jeden verdammten Abend Fragen nach Gesellschaft, Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu stellen, so verflucht schwer, die Kritik an unserem Schaffenswandel aus privilegierten Positionen in einem ausgrenzenden System, einfach mal a n z u n e h m e n. Einfach mal zu sagen: "Scheiße, diese Menschen könnten recht haben. Hören wir ihnen doch mal zu." statt als aller-aller erstes immer sofort zu rufen: "Ihr seid unfair! Ihr habt unrecht!" Oder (der Gipfel der Hirnverdrehung) "Ihr seid doch die Rassisten (sic!)!".
Auch an dieser Stelle wieder eine aufrichtige Empfehlung:
Der auch ansonsten sehr lohnenswert Podcast "Rice and Shine" der beiden Vietdeutschen Minh Thu Tran und Vanessa Vu behandelt das Thema in einer Folge:
riceandshine.podigee.io/14-yellowfacing
Vielleicht hilft das der Erweiterung des Blickwinkels.
Wieso fällt es uns Theatermacher*innen, die doch von sich behaupten, jeden verdammten Abend Fragen nach Gesellschaft, Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu stellen, so verflucht schwer, die Kritik an unserem Schaffenswandel aus privilegierten Positionen in einem ausgrenzenden System, einfach mal a n z u n e h m e n.
Weil ihre Meinung, in ihrer Schlichtheit, so nicht richtig ist. Weil nirgendwo geschrieben steht, dass man es nicht auch anders machen darf. Weil ihre Meinung und ihre ungeschriebenen Regeln nicht verbindlich sind. Und weil ihre Meinung und Haltung juristisch keinerlei Relevanz hat und die Kunst frei ist.
Jeder darf durch Recherche, Intuition und Talent alles in der Kunst ausdrücken, ohne auf Ansprüche Dritter Rücksichten nehmen zu müssen.
Jeder darf die Bühne als reinen Kunstraum betrachten und muss keinem Anspruch nach Repräsentanz nachkommen.
Oder anders herum gesagt: Käme morgen Fabian Hinrichs und würde sich von mir wünschen auf der Volksbühne einen Elefanten, eine Frau, einen Schwarzen oder Casanova spielen zu wollen, dann würde ich ihn liebend gerne einfach mal machen lassen, weil er hochbegabt, aufregend und nicht dumm ist, die Debatte und den Diskurs kennt und sich sicher etwas dabei gedacht hat, was er nun wie darstellen möchte.