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Intendanzende Schauspielhaus Zürich
6. Februar 2023. Der fünfjährige Vertrag mit den Intendanten des Schauspielhaus Zürich, Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, läuft per Mitte 2024 aus und wird nicht verlängert. Das hat der Verwaltungsrat des Schauspielhaus Zürich heute bekanntgegeben.
Das Schauspielhaus zitiert in seiner Pressemitteilung Markus Bachofen, Präsident des Verwaltungsrates: "Leider konnten wir uns trotz grossem Bemühen auf allen Seiten angesichts der finanziellen Herausforderungen, gerade auch in der schwierigen Zeit nach Corona, nicht auf eine gemeinsame betriebswirtschaftlich strategische Ausrichtung des Schauspielhauses verständigen." Der Verwaltungsrat bedauere dies sehr und danke den beiden Intendanten "für ihre grosse Leistung, trotz der widrigen Umstände wichtige institutionelle Veränderungen umgesetzt und ein künstlerisch hervorragendes Programm auf die Bühne gebracht zu haben, das auch international grosse Anerkennung erfahren hat und mehrfach ausgezeichnet wurde." Der Intendanz sei es gelungen, jüngere und diversere Publikumskreise anzusprechen, erstklassige Regisseur*innen und Akteur*innen auf der Bühne ans Haus zu holen und wichtige gesellschaftliche Themen aufzugreifen.
Auch die Co-Intendanz des Schauspielhaus Zürich bedauert die Entwicklung, in der Pressemitteilung heißt es: "Wir sind stolz auf das, was wir in den letzten dreieinhalb Jahren erreicht haben. Wir hätten das Projekt gerne weitergeführt, mit allen Erfolgen, Kritiken und Debatten, denen wir uns weiterhin mit Hingabe gestellt hätten. Entsprechend haben wir bis zum letzten Moment für dieses Projekt gekämpft, in das viele Menschen viel investiert haben», sagt Nicolas Stemann, Co-Intendant des Schauspielhauses. Und Benjamin von Blomberg: "Die Öffnung des Theaters rund um die Themen Diversität und Inklusion, Nachhaltigkeit sowie die Erweiterung eines entschieden künstlerischen Theaterbegriffs sind in unseren Augen alternativlos. Wir sind interessiert daran, dass diese Bestrebungen auch nach unserer Zeit weitergehen."
Über das Ende der Intendanz Stemann / von Blomberg hatte die Zürcher Zeitung Tagesanzeiger bereits vergangene Woche berichtet. Damals hatten Verwaltunsrat und Theater aber noch nicht offiziell Stellung genommen.
Das Schauspielhaus wird seiner Pressemitteilung zufolge die Suche nach einer neuen Intendanz in den nächsten Wochen in die Wege leiten.
(Schauspielhaus Zürich / sd)
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Man könnte ja Martin Kusej fragen, der hätte dann genauso viel Zeit wie S. Bachmann.
38 Mio. Franken sind sehr viel Geld. Aber grösstenteils geht dieses Geld am Theater für die festen Gehälter der Angestellten weg. Wie schon gesagt wurde, es gibt einen massiven Unterschied in den Mindestgehältern für Künstler:innen und Techniker:innen, Verwaltung. Auf der Seite der Kunst CHF 4200, auf der anderen 6200 – in einer der teuersten Städte der Welt. Dafür waren die finanziellen Forderungen vor allem gedacht. Es sollte im Interesse der Stadt und ihrer Politik sein, die Angestellten in einer der grössten städtischen Institutionen fair und gerecht zu bezahlen. Funktioniert ja auch in anderen Bereichen. Am Theater seit Jahren nicht. Liegt auch an der bisherigen unsäglichen Arbeit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, z.B. "Deutscher Bühnenverein". Wieso die Schweizer dessen Normen für Tarifverträge grösstenteils einfach übernommen haben bleibt das andere Rätsel. Vielleicht weil so viele Deutsche Intendanten hier arbeiten und die Häuser in der Deutschschweiz als Aussenposten des gleichen Theatersystems sehen – ist ja leider auch so.
Vielleicht sollten sich aber die Schweizer Verwaltungs- und Stiftungsräte fragen, wieso zahlreiche der namhaften Schweizer Künstler:innen keine Theater in der Schweiz übernehmen. Die jetzige Situation mit Zürich zeigt es mal wieder. Man gibt den Leuten keine Zeit, man argumentiert mit zu wenig Abos, nach eine der grössten Krisen fürs Veranstaltungsgeschäft, die es je gab, um eine Intendanz, die gestaltet und fordert loszuwerden. Geschichte wiederholt sich...
Stefan Bachmann geht nach Wien, Milo Rau auch, vorher Gent, Aviel Cahn geht nach Berlin, usw.
Die Häuser in der Schweiz sind überdimensioniert und haben planlose Verwaltungsräte, die nur den nächsten geilen Shit wollen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie man das zahlt, gestaltet und ob das denn das Richtige für die jeweilige Stadt wäre. Kämpft doch mal um eure eigenen Künstler:innen anstatt wieder die nächsten Deutschen Karrierist:innen irgendwo mit ihren einfachen Labels zu platzieren.
Zudem wird immer behauptet das Problem sei das das Schauspielhaus zu Woke, zu divers, zu queer ist. Ich glaube nicht das hier das Problem liegt. Es ist eher in der Qualität der Stücke die leider sehr zu wünschen übrig lässt , zu suchen.
Nur weil man alle Themen in ein einziges Stück packt, wird es nicht gut (Tell: Inklusion, racial profiling, Feminismus, Bipoc, Queerness, Verding Kinder, Flüchtlingspolitik uvm.)
Oder Pinocchio: fantastische Bilder, aber leer und seelenlos.
Oder Bullestress: Thema gut, Umsetzung polemisch, oberflächlich und aktivistisch...
Die Liste lässt sich weiter führen. Klar, es wurden Preise vergeben, aber waren das Publikumspreise? Eher nicht.
Wo ist das Theater das emotional berührt, zum nachdenken anregt, das irgendetwas mit dem Zuschauer macht und ihn nicht nur ratlos zurück lässt? Eine buntere Mischung wäre Wünschenswert. Eine Ausnahme bildeten die Stücke von Leonie Böhm. Leider hat sie das Haus längst wieder verlassen...
Schade, der Anfang der Intendanz klang vielversprechend. Leider ist es gescheitert.
Trotzdem neugierig auf die Zukunft blickend,
Esmeralda
(die letzten Zeilen, die finde ich blöd, Deutschen-Bashing ist nicht förderlich). Du erwähnst aber viel wichtiges: 40 Mio hört sich nach extrem viel an, fliesst aber zu grossen Teil in Löhne - und die Lohnungleichheit ist seit Jahren ein Thema und man muss dem VR als auch den Intendanten danken, dass sie sich dafür eingesetzt haben, dass diese verschwinden soll.
Erfolglos. Aber sie haben es versucht.
Was du, lieber Arbeiter, hier aber auch einbringst, ist das wichtige Thema der Bühnen-Verbände/Vereine. Ein sehr wichtiges Thema. Aber auch hier ist nicht die böse deutsche Bühnenverein schuld, sondern wir haben einen eigenen konservativen SBV-Verband (Schweizer Bühnenverband), dessen Vorstand aus sechs Männern und einer Frau besteht, der seit Jahren jeglichen Versuch unterbindet gegen sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch vorzugehen. Man kann sich gut vorstellen, was die sechs Männer und die eine Frau dann auch über soziale Fairness und Lohngleichheit denken. Leider unterwirft sich die sozialdemokratische Stadtpräsidentin und andere sozialdemokratische Politiker:innen diesem Macht-Denken in den Tagen der Kantons-Wahlen. Es ist wirklich grässlich. Das alles. Viel schlimmer als die meisten meinen.
Zum Thema Schweizer Bühnenverband und dessen Haltung zu Machtmissbrauch an Theatern:
ein Podcast zu Theater nach #metoo: Minute 41- 50:
https://open.spotify.com/episode/5etLEmC6pppMXxvu4evlBJ?si=PgKzWBOsTqG0IFqqUJYrzg
Keine Identitätspolitik (das haben die Mächtigen gefordert, Stichwort – ich möchte es gar nicht wiederholen – „woker Idealismus“ als Vorwurf) bedeutet Identitätspolitik für die Mächtigen und Privilegierten, für die Dominanzgesellschaft. Die natürlich wollen, dass es so bleibt wie es ist, denn dann müssen sie keine Privilegien abgegeben. Dann können sie weiterhin ins Theater gehen und sich gemeint fühlen und sich ihrer eigenen weißen Dominanz-Hochkultur versichern.
Denn: Es ist nicht so als, hätte es kein Sprech- oder Literaturtheater am Schauspielhaus Zürich gegeben. Necati Öziri hat eine großartige Überschreibung von „Der Ring des Nibelungen“ geschrieben. Es ist von! (nicht nach) Necati Öziri.
Es ist nicht so als hätte es keine Klassiker mit Namen gegeben. Trajal Harrell hat „The Köln Concert” mit Musik von Keith Jarrett und Joni Mitchell inszeniert. Eine großartige Inszenierung von! (nicht nach) Trajal Harrell.
Und an alle die „Bullestress“ von Suna Gürler als oberflächlich und aktivistisch diffamieren, sollten vllt. kurz innehalten und sich fragen aus welcher Perspektive gerade diffamiert wird. @Esmerlada (oder Tom, Lea, Nils, Markus) wie oft wurdet ihr schon mal angehalten und demütigend kontrolliert, aufgrund eures Aussehens? Wie oft musstet ihr existenzielle Angst vor der Polizei haben (anstatt sie als eure Beschützer:innen betrachten zu können)?
Ich könnte die Liste ewig weiterführen: Danke Wu Tsang, für deine großartigen Arbeiten, die sich mir immer wieder entziehen, die sich nicht festschreiben lassen wollen – und mir darin Hoffnung geben. Danke Leonie Böhm für deine bedingungslos ehrlichen Arbeiten, die in die Scham reingehen, statt (männliche) Härte und Perfektionismus zu performen. Danke Christopher Rüping, dass du mich und meine Eltern mit „Einfach das Ende der Welt“ tief berührt hast. Der Abend hat meinen Vater für einen Moment sprechfähig gemacht, er konnte über seinen Schmerz in der Familie sprechen. Danke .... und danke... und danke....
Und nein – Diversifizierungsprozesse sind kein Sozialexperiment. Es geht um Existenzen die, wie ihr Mächtigen und Privilegierten seit je her, das Recht geltend machen schlicht – vorzukommen. Und das verändert das künstlerische Arbeiten. Und das künstlerische Arbeiten beeinflusst das Erscheinen.
Wenn das Programm sich verändert und neues Publikum (und Personal) generiert wird, bedeutet das, das altes Publikum (und Personal) erst mal nicht mehr das bekommt, was es gewohnt ist. Wenn es dann wegbleibt (altes Publikum und Personal) ist das sehr schade (warum lässt es sich nicht ein bisschen mehr ein; schaut einfach mal hin und hört zu???) aber (leider) auch normal. Transformationsprozesse brauchen Zeit!!! Es macht mich traurig und sehr wütend, dass dieser wichtige Transformationsprozess (den ich an keinem anderen deutschsprachigen Theater in dieser Konsequenz und Aufrichtigkeit erlebe) frühzeitig beendet wird. Es ist ein politischer und künstlerischer gefährlicher Skandal.