Wuppertal löst Vertrag mit Intendantin Abbrederis vorzeitig
Über die Wupper
Wuppertal, 5. Oktober 2016. Susanne Abbrederis' Vertrag als Intendantin des Schauspiel Wuppertal wird vorzeitig aufgelöst. Abbrederis wird nur noch bis zum 31. Juli 2017 verantwortlich sein und damit zwei Jahre kürzer als ursprünglich vorgesehen. Darauf verständigten sich beide Parteien im gegenseitigen Einvernehmen, besagt eine Pressemitteilung der Wuppertaler Bühnen.
Darin heißt es weiter: "Im Hinblick auf die Umsetzung der Erkenntnisse eines Gutachtens zur finanziellen Stabilisierung der Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH, erscheint eine Neubesetzung der Leitung des Wuppertaler Schauspiels ab der Spielzeit 2017/18 erforderlich."
Rheinische Post aus Düsseldorf geschrieben, wenn so weitergemacht würde wie bisher, seien 2019 alle Gelder verbraucht. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern sollten die Empfehlungen des Strategieberatungsunternehmens Actori umgesetzt werden. Diese sahen unter anderem vor, dass bei konstant bleibendem Etat mehr Vorstellungen gespielt werden sollten.
Das Theater in Wuppertal steckt seit Jahren in schweren finanziellen Schwierigkeiten. Weil das Schauspielhaus baufällig und seit drei Jahren geschlossen ist, war eine frühere Lagerhalle zu einer Ersatzbühne mit dem wohlklingenden Namen Theater am Engelsgarten und 150 Sitzplätzen umgebaut worden. Im vergangenen Juni hatte dieBereits 2014 hatte Wuppertals Kultudezernent Matthias Nocke eine zu geringe Anzahl an Produktionen, Vorstellungen und die ungenügende Auslastung kritisiert. Für Abbrederis und ihr Ensemble sei es "dringend notwendig, die Stadt zu erobern"; sollte die Intendantin "den Hebel" nicht auf "volle Fahrt voraus" umlegen, säße "die falsche Person auf dem Intendantensessel". Nach Informationen der Rheinischen Post hatte sich Abbrederis allerdings gegen eine Erhöhung der Zahl der Vorstellungen bei gleichbleibender Ensemblestärke und eingefrorenem Etat gewandt und sich geweigert, das Opernhaus häufiger mit Schauspielproduktionen zu bespielen.
Der Abgang von Abbrederis wäre "künstlerisch ein Verlust für Wuppertal", zitierte die Westdeutsche Zeitung (5.10.2016) den Aufsichtsrat Peter Vorsteher (Grüne) noch vor der Entscheidung. Nicht nur Vorsteher attestiere Abbrederis sehr gute Arbeit für das Schauspiel in Wuppertal. "Auch das Publikum überschüttete die ehemalige Chefdramaturgin des Wiener Volkstheaters mit Lob."
In einer "Analyse" schreibt die Wuppertaler Rundschau (9.10.2016) verteiefend, zur Entzweiung zwischen den Behörden und Abbrederis habe ihre Weigerung beigetragen, die Geschäftsführung des Schauspiels zusätzlich zur künstlerischen Verantwortung zu übernehmen. Auch ihre interessanteren Aufführungen seien nie unter einem marketingmäßigen Aspekt geplant worden. "Buddenbrooks" und "Die Wupper" hätten schlicht zu wenige Zuschauerinnen erreichen können. Der Spielplan sei "zu blass" gewesen, um "neue Zuschauer zu erobern", zudem habe die Verwaltung kein Verständnis gehabt für Abbrederis Weigerung, bei zu geringen Probezeiten, einem unterbesetzten Ensemble und ohne höhere finanzielle Zuwendungen Inszenierungen im großen Opernhaus zu produzieren.
(Wuppertaler Bühnen / Westdeutsche Zeitung / Rheinische Post / Wuppertaler Rundschau / miwo / jnm)
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Das ist doch das, was Ensemblenetzwerk, Art but fair, Journalisten und Kommentatoren auf dieser Seite beklagen. Die Theater produzieren immer mehr und spielen immer mehr mit immer weniger Geld. Die Schauspieler gehen auf dem Zahnfleisch.
Ich kann nichts zur künstlerischen Qualität der Arbeit sagen, aber von der Stadt zwangsverordnete Ausbeutung ist schon sehr schockierend.
Der neue Opernintendant Berthold Schneider in Wuppertal hat soeben vorgemacht, wie man auch mit bescheidenen (finanziellen) Mitteln einen kräftigen und verheißungsvollen Spielplan und Spielzeitstart hinlegen kann. So etwas wäre dem Schauspiel mehr als zu wünschen. Denn die Fehler, die gemacht wurden, hatte der damalige Oberbürgermeister zu verantworten. Insofern besteht durchaus berechtigte Hoffnung, dass jetzt unter einem neuen OB neue Entscheidungen getroffen werden können, die gerade aufgrund der schwierigen Situation der Wuppertaler Bühnen auch dem Schauspiel einen echten Neustart bescheren können.
Der Vorschlag, mehr zu spielen, um eine Stadt zu erobern, ist im Prinzip nur dann haltbar, wenn die Ressourcen erhöht werden. Mit den vorhandenen Ressourcen in Wuppertal, das wurde mehrfach berechnet und ausprobiert, und mit den am Limit arbeitenden Bühnenkünstlern, ist das seriös nicht zu leisten. Möglich, dass man zwei, drei Spielzeiten damit durchhält, doch dann reisst man ein Loch in die Finanz- und in die Personaldecke.
Die Arbeitsproduktivität - das ist ein altes, unschlagbares Paradigma - kann in den Darstellenden Künsten nicht gesteigert werden - es sei denn man sägt an einem der wesentlichen Merkmale des Theaterbetriebes. Doch dann würde man die Kunst zerstören.
Dennoch bleibe ich der Meinung, dass sich die deutschen Theater nicht im strukturellen Status Quo verschanzen dürfen; ganz im Gegenteil, sie müssen sich strukturell dringend verändern, um fortbestehen zu können.
Dieses "Mehrspielen", das hier von den Kommunalpolitikern und dem Beratungsunternehmen gefordert wird, dieses: sich den Zuschauern andienen, ist eine Crux des deutschen Stadttheaters. Es wird, wie oben bereits gesagt, immer einen geben, der es macht, und immer auch Akteure, die für eine Mindestgage spielen - die im übrigen gerade dabei ist, unter den gesetzlichen Mindestlohn zu rutschen, geholfen ist dem Theatersystem im einzelnen und ganzen damit nicht.
Ich gebe hier zu bedenken, ob man nicht modellhaft in Wuppertal mit den Leitungsmitgliedern, Vertretern des Ensembles und den Aufsichtsräten in einem Workshop ein funktionsfähiges und machbares Übergangs-Modell erarbeitet, das nach drei bis fünf Jahren Laufzeit auf die Probe gestellt wird. Aus der Kommunikation heraus entsteht ein Austausch über das, was drückt und das, was läuft. Und damit könnte man das für die deutsche Theaterlandschaft wichtige Schauspiel Wuppertal fit machen für die Zukunft.
Sehr traurig waren diese Entscheidungen, da dieser Ex-OB ein sehr erfolgreiches Team (Christian von Treskow, Johannes Weigand) abgesetzt hatte - ohne Sachkenntnis, aber in alleinherrschender Manier.
Dass auch in Wuppertal mehr möglich ist, als Frau Abbrederis in ihrer nunmehr dritten Spielzeit zeigt, beweist seit wenigen Wochen der neue Intendant der Oper. Da kann man nur wünschen, dass die Wahl der Nachfolgerin oder des Nachfolgers dieses Mal bedachter und weniger eitel ausfallen sollte: gutes Gelingen!
Im Anbetracht der Ereignisse sehr Empfehlenswert die Reprotage im Süddeutsche Magazin vom vorigen Jahr:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/43191/UEber-die-Wupper
und auch dieser Bericht:
http://www.wuppertaler-rundschau.de/lokales/die-sorge-ist-sehr-gross-aid-1.5235064
Wer soll sich denn diesen Laden antun, ohne sein Gesicht zu verlieren? (Ja ich weiß, zahlreiche scharren schon mit den Füßen)
@Friedrich Engels An Frau Abbrederis ist sicher einiges zu kritisieren (und wird ja auch aus allen Richtungen) - Aber was genau stört Sie denn an der Frau? Und was soll der Hinweis auf ihren Background als Dramaturgin? Was gehört Ihrer Meinung denn mehr dazu? Besseres Personalmanagement? Visionärere Kunst? Stärkere Vernetzung? Betriebswirtschaftlicheres Handeln? Größere Offenheit? Mehr Gefälligkeit? Und wo bitte lässt sich die Eierlegende Wollmilchintendanz, die es in Wuppertal scheinbar braucht denn finden?
An der Frau stört mich nichts. Sie ist offensichtlich eine gute Dramaturgin, so wie Kamioka ein hervorragende Dirigent ist. Zur Leitung eines Theaters gehört aber eine ganze Menge mehr dazu. Ja, besseres Personalmanagement. Ja, stärkere Vernetzung. Ja, betriebswirtschaftlicheres Handeln. Ja, größere Offenheit. Führungskompetenz, Kommunikationskompetenz und so weiter. Stattdessen zieht sich Frau Abbrederis zurück in ihren Engelsgarten und bespielt nur die kleine und weitere allerkleinste externe Spielstätten. Macht einen Minimal-Spielplan, der nicht nur Geldzwängen geschuldet ist.
Dass es in Wuppertal auch mit bescheidenen Mitteln besser geht, haben von Treskow und Weigand lange gezeigt und zeigt Berthold in der Oper ganz aktuell. Frau Abbrederis war aber von Anfang an die Provinzlösung eines provinziellen Oberbürgermeisters.
Ich bin sehr sicher, dass es kompetente Theaterleute gibt, die diese Aufgabe gerne und gut annehmen können, wenn die Auswahl fachlich und nicht nach persönlichen Eitelkeiten erfolgt. Und dass das möglich ist, dafür gibt es ja einen neuen OB an Stelle des alten selbstherrlichen Sonnengottes!
Man reibt sich die Augen und glaubt es kaum: Schon wieder wird eine Schauspielintendanz, die die Wuppertaler Theaterszene bereichert, beglückt und Highlights setzt, rüde vor die Tür gesetzt. Bemerkenswert war schon, mit welcher Schnodderigkeit die erfolgreichen Intendant Christian von Treskow und Johannes Weigand abserviert wurden – letzterem folgte das Kamioka-Debakel, bei dem in Windeseile langjährige Strukturen im Opernhaus zerschlagen wurden. Jetzt scheint dort ein Neuanfang möglich, gleichzeitig kommt das Aus für Susanne Abbrederis in ihrer dritten Spielzeit. Das geschieht, während zum Beispiel eine Inszenierung der Buddenbrooks auf Wochen ausverkauft ist. Auch sonst habe ich fast immer ein volles Theater erlebt. Man denke nur an die grandiose Tartuffe-Inszenierung im Opernhaus, Else Lasker-Schülers Wupper in einer vorhergehenden Spielzeit, die vielen künstlerisch hochkarätigen Solostücke. Beide Intendanzen haben – trotz Sparauflagen, die wirklich an die Schmerzgrenze gingen - die Zitrone zweimal ausgepresst, Netzwerke in der Stadt geschaffen, politische Standpunkte verhandelt, so etwa eine Menschenkette zum Erhalt des Schauspielhauses initiiert (von Treskow).
Anscheinend zahlt die Stadt lieber eine Abfindung, als ihrem Schauspiel den Schutzraum zu gewährend, den es braucht und verdient. Dass es dazu nur dürre Erklärungen gibt und die wolkige Unterstellung, die Intendantin könne „nicht mit Geld umgehen“ komplettiert das desolate Bild, Warum schließt man die Sparte nicht gleich ganz? Das wäre doch nur konsequent und würde diesen Trauerspielen ein Ende setzen. Aber das wäre traurig für Wuppertal.