Drei10 Outtakes - Im Ballhaus Ost setzt Oliver Schmaering seinen Amerika-Zyklus fort
Kunst kommt von Kämpfen
von Sophie Diesselhorst
Berlin, 1. Dezember 2011. Nun könne man von irrationaler Angst sprechen, was seine Angst vor Freitagen, wenn sie auf einen Dreizehnten fallen, betreffe. Sagt Drei10 alias Charles M. ins Publikum mit einem Blick, der die eher plumpe rhethorische Wendung, die dann folgt, schon vorwegnimmt: "Bitteschön wenn das jemand irrational findet. Ich zähle nochmal auf. Beinbrüche, erschlagene Verlobte, abgestürzter Halbbruder, verlorenes Vermögen, ersoffener Vater. Ich finde das nur bedingt irrational. Aber bitte."
Drei10 ist ein Verschwörungstheoretiker. Er ist alleine auf der Bühne, es gibt ein Publikum. Ideale Bedingungen also dafür, Indizien auszubreiten, Überzeugungsarbeit zu leisten und sich dabei immer weiter in ein Weltbild hineinzusteigern, das zwischen gut und böse, also normalen Tagen und Freitagen den 13., ganz klar unterscheidet.
Metamorphose
Wenn das Publikum eingelassen wird, ist Drei10, gespielt von Martin Molitor, schon dabei, Bänder abzuhören und kopierte Zeitungsartikel zu sortieren. Über dem Publikum, das an den Wänden rund um den kleinen Raum im Ballhaus Ost platziert wird, hängt an Wäscheleinen festgeklammert schon eine Menge solcher Blätter – Unglücksmeldungen von Freitagen den 13., natürlich. Es ist also eigentlich gar kein Platz mehr. Drei10 schleppt trotzdem immer noch weitere Umzugskartons voller Beweismaterial an.
Und erzählt und spielt zwischendurch, von Oliver Schmaering feinsäuberlich in Bruchstücke aufgeteilt, seine Geschichte – beziehungsweise seine Metamorphose. Von dem angstvollen Mann Charles M., der graue Anzüge und graue Schuhe trug und eine Frisur, zu dem Superman-Verschnitt Drei10, der keine Frisur, sondern eine Halbglatze trägt, außerdem einen blauglitzernden Bodysuit, darüber einen roten Schlüpfer und einen ebensoroten Superhelden-Umhang. Der, in anderen Worten, denkbar lächerlich aussieht.
Wie sieht er wohl in dem Film Drei10 aus, den wir uns vorzustellen haben? Wir sehen ja nur "Drei10 Outtakes" – also die Szenen, die es in diesen Film nicht geschafft haben. Man kann es sich nicht so recht vorstellen. Denn die Szenen, in denen Drei10 sich in wankelmütiger Selbsterkenntnis üben darf, sind rar. Sind die "Outtakes" im Stücktitel also ein Kunstgriff, der uns bedeuten soll: Hier seht ihr hinter die Kulissen eines Mythos? Hier seht ihr die Kollateralschäden der Superheldenproduktion?
Psychogramm
Vielleicht ist das so, aber ganz unmittelbar kommt man nicht darauf. Unmittelbar wirkt "Drei10 Outtakes" dann doch eher wie das gut, aber konventionell geschriebene Psychogramm eines Paranoiden, das leider etwas zu spät einsetzt. Mit der Welt ist Drei10 ja schon lange nicht mehr in Kontakt. Was ihn also derart verformt haben könnte, muss vom Zuschauer mitgedacht werden.
Die Zuschauerin, die diese Zeilen schreibt, hat sich dadurch ein bisschen arg in die Wohlfühl-Pflicht genommen gefühlt. "Drei10 Outtakes" gehört in Oliver Schmaerings Amerika-Zyklus (dessen erste beide Teile waren The Making of Der Untergang der Vereinigten Staaten von Amerika und Trailer für die nahe Zukunft), natürlich lässt sich da so einiges interpretieren. Aber so wie Drei10s hoffnungsloser Wahnsinn drängt sich einem im Laufe des einstündigen Kurztheaterabends immer weiter der Verdacht auf, dass hier lediglich Ressentiments bedient werden.
Das Theater weckt in diesem Fall nicht, sondern macht müde. Was bestimmt nicht Eike Hannemanns Regie und Martin Molitors Spiel anzulasten ist, die sich in dem kleinen Raum mit sparsamen Mitteln (vor allem mit Licht wird viel gespielt) einiges einfallen lassen, um Schmaerings pausenarmem Text etwas entgegenzusetzen. "Kunst kommt von Kämpfen", sagt Drei10 an einer Stelle. Da laufen Molitor schon die Schweißbäche übers Gesicht. Der Kampf ist anstrengend. Noch anstrengender, wenn er Selbstzweck ist.
Drei10 Outtakes (UA)
von Oliver Schmaering
Regie: Eike Hannemann, Bühne: Birgit Stoessel, Dramaturgie, Produktionsleitung: Katja Kettner, Technik: Oliver Szewc.
Mit: Martin Molitor.
Eine Produktion von Eike Hannemann in Kooperation mit dem Prinz Regent Theater Bochum und dem Ballhaus Ost
www.ballhausost.de
Mehr und anderes von Oliver Schmaering: Im Oktober 2007 inszenierte Albrecht Hirche Hermanns Schlacht bei den Kleistfesttagen in Frankfurt an der Oder. Im Dezember 2009 inszenierte Meret Matter The Making of ... in Jena und im April 2011 setzte sich Marie Bues mit dem Trailer für die nahe Zukunft in Plauen auseinander.
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