Selbstoptimierung in Quarantäne

von Janis El-Bira

Berlin, 8. März 2020. Wie man selbst in Quarantäne eine gute Zeit haben kann, ist ja gerade heiß gehandeltes Wissen. Auch hier hält die Weltliteratur einen Tipp bereit. Erzählen könnte man sich mal wieder was – es müssen ja nicht gleich volle hundert Geschichten sein, wie sie die Pest-Flüchtlinge in Giovanni Boccaccios "Decamerone" erfinden. Zehn Tage lang immerhin bespaßen sie einander so auf ihrem Landsitz mit allerlei Obszönitäten und Grausamkeiten, bösen Parabeln auf die Florentiner Gesellschaft, den Klerus und die Herrschenden. Isolation als Kreativpause also, auf die wiederum der russische Regisseur Kirill Serebrennikov wohl gut verzichten könnte. Seit Jahren wird er von den Behörden seines Heimatlandes wie ein Infizierter behandelt, unter fadenscheinigen Gründen zum Hausarrest gezwungen oder, wie aktuell, mit einer Ausreisesperre im Zuge eines laufenden Gerichtsverfahrens belegt.

Bauch-Beine-Boccaccio

Trotzdem arbeitet er weiter, wovon nun auch die Premiere eben jenes "Decamerone" in Serebrennikovs Regie am Deutschen Theater Berlin Auskunft gibt. Dass sie nach etlichen Verzögerungen überhaupt noch zustande kam, liegt auch an einem immensen Kraftakt. Mit Sack und Pack war das Theater im Februar nach Moskau aufgebrochen, um dort mit Serebrennikov und dessen Ensemble am Gogol-Center zu proben: Deutsch-russische Theaterverständigung, bei der nur ein Zyniker Klimaschutz gegen Kunstfreiheit ausspielen würde.

Decamerone1 560 Arno Declair uDecameronische Hebefigur mit Fillipp Avdeev, Regine Zimmermann und Marcel Kohler © Ira Polyarnaya

Außergewöhnliche Umstände also für einen dann doch gar nicht so außergewöhnlichen Theaterabend. Zehn Geschichten hat Serebrennikov bei Boccaccio entlehnt, neu getextet und im Heute situiert. Die Zeichen stehen, klar, auf Theater-Parcours. Bild um Bild, Szene um Szene gibt es eine neue Story, neue Spiel- und Ensemblekonstellationen. Anstelle des Landhauses rahmt das Ganze nun die Kulisse einer Turnhalle, in der Almut Zilcher ein Grüppchen älterer Damen zwischen dem Boccaccio-Best-Of mit gewohnt edelrostigem Timbre beim Bauch-Beine-Po-Workout anleitet. Sport ist überhaupt eine Konstante. Was in der Vorlage die spöttisch bedachte Arbeit am sittlichen und damit gottgefälligen Leben, das ist in Serebrennikovs Aktualisierung die Optimierung des eigenen Selbst. Die Heiligen der Renaissance-Zeit kehren hier als knorpelige Power-Yogis zurück, wie Marcel Kohler in einer der Geschichten schmerzfrei bis zur Selbstkreuzigung vorführt. Seine Frau allerdings vergnügt sich unterdessen mit dem Personal Trainer.

Betrügen und Betrogenwerden

Die Ausnutzung individueller Eitelkeiten als Mittel zur Macht – das ist zumindest in der ersten Hälfte des Abends das nahe an Boccaccios satirischer Zeitdiagnostik siedelnde Programm. Hier gelingt Serebrennikov immerhin höherer Boulevard, wenn Regine Zimmermann Jeremy Mockridges Turnübungen als codiertes Liebesgeständnis dechiffriert und später Boccaccios Spiel um einen gehörnten Ehemann per Einsatz von VR-Brillen richtig rundgeht. Ein Spaß, ein harmloser.

Decamerone4 560 Arno Declair uGeorgette Dee, Almut Zilcher, Statistinnen @ Ira Polyarnaya

Tiefenbohrung behauptet erst der zweite Teil. Dessen Ereignis steht gleich nach der Pause auf der Bühne: Georgette Dee, die große Berliner Chansonnière, unterbricht – wie zuvor schon mit Gedichten von Rilke, Hilde Domin oder Thomas Brasch – den Nummernfluss, spricht aber diesmal einen Text von Serebrennikov selbst. Es geht ums Betrügen und Betrogenwerden, um zwei untreu Liebende und einen Wolf, der durch ihre Träume streift.

Georgette Dee spricht und ihre Stimme wird eine Landschaft aus morschen Bäumen und welkem Fallobst. Ein kleiner Wahnsinn, dem man ewig zuhören könnte. Darf man aber nicht. Stattdessen weitere Boccaccio-Vignetten, diesmal aber – es ist im Bühnenbild mittlerweile Herbst und Winter geworden – mit Pathos am Anschlag. Klaviernebel, echter Nebel, Frauenhaare im Wind, nackte Männer an der Sprossenwand. Die russischen Ensemble-Mitglieder wie Oleg Gushchin und Georgiy Kudrenko bekommen vor allem hier ihre großen Auftritte, machen dabei insgesamt mehr mit dem Gesicht als ihre deutschen Kolleg*innen, aber auch nichts wesentlich anders.

Aus Isolation geboren

Man spürt vor allem in dieser zweiten Hälfte, dass noch Spaltreste eines anderen Projekts in "Decamerone" stecken. Eine Stückentwicklung mit den Geschichten alternder deutscher Schauspieler*innen hatte Serebrennikov vorgeschwebt; auf Boccaccio griff er erst wegen der Einschränkungen durch den Hausarrest zurück. Dass sich gerade von dieser Erfahrung augenscheinlich nichts in seine Inszenierung übertragen hat, aus all den möglichen Reflexionsangeboten zu Epidemien, Exil und Isolation so wenig gemacht wurde, verwundert zwar – stimmt aber womöglich gar nicht.

Denn vielleicht stößt Theater auch unweigerlich da an Grenzen, wo es zu weiten Teilen per Fernsteuerung entstehen muss, wo nur Skype die Endproben möglich macht. Vielleicht steckt das Eigentliche dieses Theaterabends also doch in seinen Umständen, wenn es sich auch nicht auf die Bühne übersetzt. Beim Schlussapplaus jedenfalls tragen alle Beteiligten bedruckte T-Shirts: "Free Kirill". Wie um dazu aufzufordern, das ganze Projekt vor allem so zu lesen: als Geste.

Decamerone
von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio
Regie / Bühne: Kirill Serebrennikov, Choreografie: Evgeny Kulagin, Kostüme: Tatyana Dolmatovskaya, Komposition / Musikalische Leitung: Daniel Freitag, Musiker*innen: Daniel Freitag, Isabelle Klemt, Maria Schneider, Video: Ilya Shagalov, Licht: Robert Grauel, Sergey Kucher, Pers. Mitarbeiterin des Regisseurs: Anna Shalashova, Dramaturgie: Birgit Lengers.
Mit: Filipp Avdeev, Georgette Dee, Yang Ge, Oleg Gushchin, Marcel Kohler, Georgiy Kudrenko, Jeremy Mockridge, Aleksandra Revenko, Almut Zilcher, Regine Zimmermann, Ursula Bischoff, Danuta Bodnar-Lazarowa, Bettina Haeseke, Monika Peters, Dr. Elfriede Poschodajew, Rose Marie Saalfeld Fecycz, Sophie Westphal.
Premiere am 8. März 2020
Dauer: 3 Stunden 30 Minuten, eine Pause

www.deutschestheater.de

 

Kritikenrundschau

"Ein reicher Abend, der bei allem ewigen Liebeskummer und trotz der skandalösen Hintergründe seines Zustandekommens gute Laune macht", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (9.3.2020). Serebrennikow gehe es "um das Zeitlose der Liebe, des Triebs, des Kummers und des mit allem einhergehenden Hasses". "Er sucht es im Heute, lässt die Figuren mit neuster Digitaltechnik hantieren, aber auch Ritter auftreten. Vorherrschend ist eine Ästhetik der frühen Neunziger, die besonders an den Fitnessblousons der formidablen Live-Combo festzumachen ist. Die Geschlechterklischees stammen auch so ungefähr aus jenen Jahren und erweisen sich, anders als die Liebe an sich, doch als alterungsanfällig."

"Mit seinen dreieinhalb Stunden ist der vielgestalte, konfuse Abend deutlich zu lang", schreibt Fabian Wallmeier bei rbb 24 (9.3.2020). "Es herrscht der Klamauk." In der "schlichtesten und mit Abstand besten Szene des Abends" brauche es nicht mehr als das Vortragstalent von Georgette Dee. "Doch um aus 'Decamerone' noch wirklich eindringliches Theater zu machen, ist es da schon zu spät."

Serebrennikows Regie unterscheide sich deutlich von dem, was wir im deutschsprachigen Theater gewöhnt sind, sagt André Mumot im Deutschlandfunk Kultur Fazit (8.3.2020): "Bei aller szenischen Verspieltheit, bei allem (zum Teil durchaus dick aufgetragenen) Humor strahlt die gesamte Inszenierung eine ungeheure Achtung vor ihrem Material aus, vor ihren Themen, Geschichten, Bezügen. Statt ironischer Abgeklärtheit und demonstrativer Distanz dominiert hier interpretatorische wie darstellerische Innigkeit." Das "hinreißende" Ensemble schaffe "flirrende, zärtliche, komische und schmerzhafte Begegnungen, die schutzlos zu Ende gespielt werden. Regine Zimmermanns Beschreibung ihres toten Geliebten (ebenfalls fantastisch: Filipp Avdeew) gegen Ende des Abends ist von so stiller, fein gestalteter Intensität, dass einem tatsächlich das Herz zu brechen droht." Zimmermann sei "ohnehin die Sensation des Abends, eine sprudelnde, kontrollierte, würdevolle Figurenschöpferin, deren Liebesbeschwörungen auch das Publikum vollkommen entwaffnen".

Peter Laudenbach von der Süddeutschen Zeitung (9.3.2020) bedauert, "dass die Szenen und Einfälle bei aller Liebe zu plakativer Deutlichkeit so unbarmherzig zäh und lange ausgewalzt werden, bis alle Spielfreude und Esprit wie zuverlässig disziplinierte Pflichterfüllung aussehen". Die Inszenierung finde für die zehn verwendeten Novellen clevere Übersetzungen in die Gegenwart. Jedoch: "Dem ziellosen Szenenreigen in der Turnhalle fehlt entschieden die Rahmenerzählung, die Boccaccios Novellensammlung zusammenhält." Laudenbach schließt: "Für Vaudeville und Volkstheaterfehden werden diese Ehebruchsmanöver, erotischen Fallen, kleinen Intrigen und tragischen Abenteuer entschieden zu schwerfällig serviert, für kompliziertere Gedankengänge sind sie ein wenig zu banal."

"Se­re­bren­ni­kow, der ein äu­ßerst kör­per­be­ton­tes Thea­ter macht, ver­an­schau­licht die Macht der Lie­be phy­sio­lo­gisch-mu­si­ka­lisch“, schreibt Kers­tin Holm in der FAZ (10.3.2020). „Die Thea­ter­spra­che ist da­bei ähn­lich ex­pli­zit und keusch zu­gleich wie die Pro­sa von Boc­cac­cio."

"Von Liebe und Sex zu erzählen ist bei Serebrennikov wirklich Erzählkunst. Nicht die Bilder drängen ins Explizite, Pornografische, aber der ekstatische Rhythmus der Sprache findet sehr wohl seine Höhepunkte“, schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (10.3.2020). "Man ist auch bezaubert vom Charme der russischen und deutschen Schauspieler:innen, das Liebeswerben in ihren Rollen erwärmt auch das Zuschauerherz." Suche man nach einer politischen Botschaft, so liege diese wohl vor allem im Zustandekommen des Stücks selbst, "dem Mut, sich von allem Druck und Drohgebärden nicht unterkriegen zu lassen".

 

 

 

Kommentare  
Decamerone, Berlin: Miniaturen-Collage
In den ersten beiden Stunden überwiegt die Komik. Dies gilt auch gleich schon für die erste Szene, als Almut Zilcher im Turnhallen-Setting, das Serebrennikow für seinen Liebes-Reigen gewählt hat, die älteren Damen, die als Statistinnen gewonnen wurden, zu kleinen Turnübungen anleitet. Anders als Beatrice Cordua als strenge Drill-Instructorin bei Florentina Holzingers „Tanz“ hat Zilcher jedoch sehr damit zu kämpfen, die Aufmerksamkeit der Turnerinnen zu bekommen. Sie interessieren sich mehr für den attraktiven Jeremy Mockridge, der sich halbnackt neben ihnen dehnt und streckt.

Vor allem Regine Zimmermann spielt sich in den Szenen immer wieder in den Vordergrund. Sie ist es, die oft die Fäden zieht in den Liebes-Dreiecken, sich nimmt, was sie will oder ihren Ehemann mit kleinen Tricks in die Irre führt.

Melancholischer und düsterer wird die letzte Stunde nach der Pause, wenn der Szenen-Reigen im Herbst und Winter ankommt. Die spielerischen und neckischen Momente, die fast jede der ersten Paar-Konstellationen prägte, sind einem ernsteren Ton gewichen. Übergriffe, Drohungen, Verzweiflung und Ausweglosigkeit sind die Themen der letzten Geschichten dieses langen Abends.

Georgette Dee, die zwischen den Miniaturen immer wieder mit Liedtexten, z.B. von Else Lasker-Schüler oder Thomas Brasch, auftritt, bekommt im letzten Drittel noch mehr Raum für ihre sehnsuchstvoll-rätselhaft-melancholischen Soli und darf die neunte Geschichte des Abends vom Wolf allein vortragen.

Die große Stärke von Serebrennikow, Tanz und Theater virtuos zu verbinden, blitzt diesmal nur selten auf. Sprechtheater steht diesmal im Mittelpunkt seines „Decamerone“, das eine Collage hübscher Miniaturen ist.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2020/03/09/decamerone-kirill-serebrennikow-deutsches-theater-berlin-kritik/
Decamerone, Berlin: Trauer
Ein wenig „ziellos“ wirkt die Veranstaltung auf den ersten Blick schon und auf Georgette Dee (in Zusammenhang mit diesem Stück) und die kleinen Geschichten der fünf Damen am Schluss hätten wir verzichten können. Dennoch sind die Geschichten um Treue und Liebe, Begehren und Lüge keine Sekunde uninteressant oder langweilig und sicherlich hat die Episode vom „Selbstmord“ des Soldaten eine andere Wirkung in Moskau als in Berlin. Das Entscheidende an diesem Abend: nicht ein “Einfall“ reiht sich nach dem anderen, sondern Schauspieler erzählen und spielen Geschichten. Ist das naiv? Schlicht? Sind die Videowände nur Blendflächen? Glaube ich nicht. Es ist eine Trauer da. Ich kann damit was anfangen.
Decamerone, Berlin: problematisches Frauenbild
(...)Doch findet sich dieser Tonfall zu selten, finden das Satirisch-Eulenspiegelhafte und das Ersthafte nur in wenigen Momenten zusammen. Angedeutet in der Geschichte um den Stallburschen, der sich ein Rendezvous mit der Königin erschleicht und damit davonkommt, am ehesten in der ansonsten zu grell-plakativen Episode, in der eine hochmütige Frau den Verehrer zunächst brüsk ablehnt, er sie durch eine bildmächtige Horrorshow dann aber gefügig macht. Was zum nächsten Problem führt: dem problematischen Frauenbild des Abends, umso schwieriger, als er seine Premiere ausgerechnet am Weltfrauentag feiert. Freuen sind hier – mit Ausnahme der besagten Vater-Tochter-Geschichte – meist Intrigantinnen und Manipulatorinnen, gern auch Objekte, aber auch eher weniger intelligente Spielbälle, die sich – im Kontext meist als verdient dargestellt – übers Ohr hauen lassen. Wieder mit besagter Ausnahme sind es die Männer, die ehrlich und unter Einsatz ihres Lebens an der Liebe leiden, diese ersehenen und immer wieder (oft an den Frauen) scheitern, exemplifiziert durch das Schlussbild des nackten Georgiy Kudrenko, der sich durch eine viel zu niedrige Fenstergalerie hindurchwindet. Hier wird reichlich unironisch mit Geschlechterklischees gearbeitet (etwa auch in der Episode „Heiliger“, in welcher der mann für das vergeistigt Idealistische, die Frau für das körperlich Lustvolle steht, auch wenn hier die Bewertung weniger schwarz-weiß erscheint), die eher reproduziert als hinterfragt werden.

Zumal die Inszenierung auch ihre Grundidee aus den Augen verliert. So aufwendig ist das Bilder- und Körpertheater mit seinen Tableaux, Projektionen und Choreografien, so sehr setzt es auf den sexuellen Aspekt der Liebe, dass die Gegenüberstellung mit Tod und Altern irgendwann aus dem Fokus gerät. Die Liebe ist nicht länger Gegenmittel als Selbstzweck oder Machtinstrument, was womöglich ehrlicher ist, aber den rahmen etwas obsolet erscheinen lässt. Dass gegen Ende die Statist*innen mit Fragmenten ihrer eigenen Geschichten zu wort kommen, ist ein eigentlich sinniger moment, der hier leider Fremdkörper bleibt. Zu sehr berauscht sich der Abend an seinen assoziativen Bildern, den gern entblößten (Jung-)Männerkörpern und so mancher schauspielerischen Glanzleistung, die zweifellos die Inszenierung aufwerten. Allein die Entdeckung Regine Zimmermanns und Filip Avdeevs als Theater-Traumpaar ist einen Blick wert an diesem Abend, der zu uneinheitlich ist, um zu überzeugen, der Schaueffekte einer stringenten Linie, einem klar definierten Tonfall, einer deutlichen Haltung zur Wirklichkeit vorzieht, der Klischees reproduziert und sich am ende selbst verliert. Ein Abend auch mit starken, im Gedächtnis bleibenden und den Gedärmen wühlenden Momenten, mit satirischer Schärfe und viel Spiellust. Vielleicht auch einer, der an der teilweisen Abwesenheit seines Regisseurs leidet, zu sehr Stückwerk bleibt und mit dreieinhalb Stunden auch viel zu lang ist.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2020/03/09/liebe-als-flickwerk/
Decamerone, Berlin: wo
Wo ist denn die grossangekündigte Angela Winkler abgeblieben?
Decamerone, Berlin: reiches Panorama
Interessant, dass dieser Abend die Kritikerzunft so spalten kann, im Publikum war davon gestern nichts zu vermerken: an einen so begeisterten Premierenapplaus im DT kann ich mich nicht erinnern. Ich fand es ebenfalls besonders: abwechslungsreich, überaus genau, witzig, tragisch, klug und albern.
Besonders herauszustellen ist die Musik, sowohl was die allgemeine Atmosphäre, aber auch einzelne Lieder angeht: Georgette Dee glänzt besonders im zweiten Teil, aber auch Jeremy Mockridge hat einen hinreißenden Musicalauftritt.
Zugegeben, man braucht ein bisschen, um rein zu kommen. Der leichte Unglaube - die machen das jetzt wirklich so, Geschichte um Geschichte hintereinander weg - weicht dann aber schnell der Faszination, diesem reichhaltigen Panorama beim Entfalten zuzusehen. Ich finde ja an sich, dass Theaterabende möglichst unter zwei Stunden bleiben sollten, dieses Schauspiel aber ist ein sehr kurzweiliges Vergnügen. Lediglich am Schluss wird's vielleicht etwas holzhammer-elegisch, aber herrjeh... das ist dann schon eine Klage auf allerhöchstem Niveau. Großartig.
Decamerone, Berlin: Winkler&Grashof
Christian Grashof sollte auch mitmachen- vielleicht wegen der größtenteils in Russland stattgefundenen Proben ausgestiegen?
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