Ein Sommernachtstraum – In Basel entschlackt Markus Heinzelmann Shakespeare
Traumloses Vakuum
von Julia Stephan
Basel, 3. April 2014. Am Anfang war das Träumen noch erlaubt: Der Münchner Szene-DJ Viktor Marek stand im Military Look auf glitzernden Pumps balancierend am barock verschnörkelten DJ-Pult und drehte erstmal den Clubsound hoch. Sofort war man elektrisiert und überzeugt: Auf der Basler Schauspielhaus-Bühne würde man es an diesem Abend mit einer abgefuckten, überstimulierten Party-Crowd zu tun bekommen, deren heftiger Drogenkonsum dem einen oder anderen die Gefühls-Synapsen umpolen wird. Genauso wie das den Verliebten in William Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum" passiert, in der ein aphrodisierender Blumennektar zu neuen Paarbildungen anregt.
Bloß kein Dreck!
Fehlanzeige. Regisseur Markus Heinzelmann hat aus seinem "Sommernachtstraum" so ziemlich alles rausgekippt, was Rausch und Leidenschaft verspricht. Nachdem er letztes Jahr mit einer "Sommernachtstraum"-Szene für das Freiluftspektakel "Vaudeville. Open Air!" in Basel eine erste Duftnote gesetzt hatte, hat er das Stück nun in voller Länge ausgewalzt. Sein Diktum: "Bloß kein Dreck!" Alles, was Shakespeares Stück aufregend macht – die erotische Spannung und die Machtspiele zwischen den Geschlechtern, das Magische der Feenwelt, das Traumwandeln, die Selbstberauschung an der Liebe – sind seiner chemischen Reinigung zum Opfer gefallen.
Das fängt mit dem Bühnenbild (Gregor Wickert) an, das statt des athenischen Waldes nackte Wände zeigt, das geht weiter mit dem Personal: In den Wald hat sich Hermia (Carina Braunschmidt) mit ihrem Geliebten Lysander (Martin Hug) geflüchtet, weil ihr Vater Egeus (Lorenz Nufer) sie mit dem liebestollen Demetrius (Dirk Glodde) verheiraten will. In den hat sich aber bereits Helena (Ariane Andereggen) verguckt, und so hecheln die vier ihren jeweiligen Objekten der Begierde hinterher, unter den Augen des zerstrittenen Elfen-Königspaars Titania und Oberon und einer grenzdebilen Laienschauspielgruppe (Judith Strössenreuter, Vincent Leittersdorf, Lorenz Nufer, Joanna Kapsch, Mareike Sedl, Zoe Hutmacher), die zu Ehren der Hochzeit des Herrschers Theseus (Gunnar Titzmann) die Tragödie "Pyramus und Thisbe" aufführen will.
Weder verrückt noch vernünftig
Sündhaft ist an diesem Shakespeare höchstens die Mode. Demetrius im knallgelben Hemd und Freizeithose und die von ihm verschmähte Helena, der die stumpfen Haare ins Gesicht hängen, machen keine gute Figur. Erotisches Knistern sucht man auch beim feuchten Händedruck zwischen dem als Jahrmarkt-Cowboy verkleideten Lysander und seiner Hermia vergeblich. Als hätte das nicht gereicht, um dem Zuschauer die Verblendung der Liebenden vorzuexerzieren, hat Heinzelmann seine Figuren mit riesigen Ohrmuscheln und Knollnasen ausstaffiert. Auch das Feenpersonal, ein glatzköpfiger, androgyner Haufen Klone, der zu Mareks dröhnenden Elektro-Beats halbnackt in den Verrenkungen von Nachtclub-Tänzerinnen auf glitzernden High Heels herumstöckelt, setzt wenig erotische Akzente.
Shakespeares "Sommernachtstraum" ist ein verrücktes, überschäumendes Sinnen-Gewitter, nach dessen Entladung wieder die Vernunft einkehrt. Heinzelmann Inszenierung hingegen ist weder verrückt noch vernünftig, und das ist das Problem. Mag sein, dass der Regisseur sich mit seiner Gefühls-Neutralisierung, die seine Figuren in ein traumloses Vakuum versetzt, von den vielen sexualisierten Vorgänger-Inszenierungen abgrenzen wollte. Doch das Ergebnis ist ein anstrengender, humorloser, furchtbar braver Abend ohne Polarisierung, bei dem der Soundtrack des Zeremonienmeisters Viktor Marek, der fast alle Dialoge lautstark orchestriert, stärker nachwirkt als die vielen gewitzten Shakespeare-Dialoge.
Ein Sommernachtstraum
von William Shakespeare, übersetzt von Wilhelm Schlegel, bearbeitet von Saskia Taeger
Regie: Markus Heinzelmann, Bühne: Gregor Wickert, Kostüme: Christoph Ernst, Musik: Viktor Marek, Dramaturgie: Bettina Ehrlich, Licht: Anton Hoedl.
Mit: Gunnar Titzmann, Zoe Hutmacher, Lorenz Nufer, Martin Hug, Carina Braunschmidt, Ariane Andereggen, Zoe Hutmacher, Joanna Kapsch, Lorenz Nufer, Mareike Sedl, Judith Strössenreuter.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause
www.theater-basel.ch
"Regisseur Markus Heinzelmann entscheidet sich souverän für die Komplexitätsreduktion: Alle sind sie hier drollige Trolle, mit überdimensionierten Knollennasen und Riesenohren. Welch eine Gaudi mit den Knuddelmonstern", schreibt Alfred Schlienger in der Neuen Zürcher Zeitung (5.4.2014). Was das Ensemble aber spielerisch draufhabe und welche Abgründe sich in einem "Sommernachtstraum" auftun könnten, geht hier im witzelnden Verfremdungszwang weitgehend unter.
Selten gab es so wenig zu lachen bei Shakespeares "Sommernachtstraum", findet Dominique Spirgi auf Tageswoche.ch (4.4.2014). "Die sich Liebenden lassen in ihrer Fahrigkeit und Unterspanntheit jegliche amouröse oder erotische Spannung vermissen." Und die Feenwelt mit Oberon, Titania, Puck und den restlichen Elfen ist zu einer wabernden und oftmals in Nebel gehüllten Gruppe zusammengefasst, deren Handlungen sich bis zur praktischen Unkenntlichkeit verzetteln. Fazit: Man könnte das Stück auf den Kopf stellen, es verdrehen, aktualisieren, beschleunigen, verlangsamen und vieles mehr. "Nur so unkonzentriert und hölzern, wie es auf der Schauspielhausbühne zu erleben war, sollte es nicht sein."
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