Der Dramaturg Alexander Kerlin denkt über gegenwärtige Bedrohungen für die Freiheit der Kunst nach
Reservate der Unabhängigkeit
von Alexander Kerlin
Dortmund, 1. März 2017. Dieser Essay ist lang geworden. Das war nicht geplant. Ich konnte nicht aufhören. Oder sagen wir so: Es hörte nicht auf, mich anzugehen. Ich nehme das als Indiz: Wir werden es länger mit diesen Angriffen zu tun haben. Länger, als wir annahmen, und länger, als uns lieb sein wird.
I.
Ausgangspunkt zu meinen Überlegungen war ein Kurzaufenthalt in Belarus (= Weißrussland) im vergangenen Herbst. Ob ich nicht einen kleinen Reisebericht veröffentlichen dürfte? Nachtkritik so: "Gern. Wie wäre es, dem Ganzen einen thematischen Spin Richtung Kunstfreiheit zu geben?" Damit war die Büchse der Pandora geöffnet, und ich habe sie nicht wieder geschlossen bekommen. Die folgenden Beobachtungen führen von den USA über Ungarn, Polen und Israel in die Türkei, verharren lange in Belarus – und versuchen immer wieder Rückschlüsse auf die Situation in Deutschland zu ziehen. Es sind unsystematische Stippvisiten in ultrarechte und autokratische Kulturdiskurse und -politiken, auf der Suche nach Berührungspunkten zwischen Donald Trump, der PiS-Regierung in Polen, Viktór Orbán (Ungarn), Aljaksandr Lukaschenka (Belarus) und der AfD.
Podcast - Zur Stücke-Auswahl der Mülheimer Theatertage
Und die Nachspielbarkeit?
22. Februar 2017. Heute wurde die Auswahl der sieben Stücke bekannt gegeben, die für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert sind. Schon die Summe von 15.000 Euro, mit denen der Preis dotiert sind, machen ihn zu einem der wichtigsten Stückepreise des deutschsprachigen Gebiets. Aber auch die Aufmerksamkeit, die den Stücken und ihren Inszenierungen in Mülheim zuteil wird. Über die Auswahl, Stückentwicklungen, Nachspielbarkeit sowie das, was fehlt, spricht Georg Kasch in der neuesten Folge unseres Podcasts mit nachtkritik.de-Autorin und Jury-Sprecherin Cornelia Fiedler.
Debatte um die Zukunft des Stadttheaters - Christian Rakow widerspricht Dieter Haselbachs Forderung nach einem Ende des Stadttheatersystems
Heimvorteil
von Christian Rakow
9. Februar 2017. Das also soll die Generalmobilmachung des Theaters werden: Schluss mit den stationären Ensembletheatern, Schluss mit dem kostenintensiven Repertoiresystem mit wenigen Aufführungen pro Produktion. Schluss also mit dem traditionsreichen, luxuriösen Stadttheatermodell in deutschsprachigen Landen. Stattdessen Gastspieltheater, tourende Compagnien in Häusern mit einem Minimum an technischem Personal; weniger Produktionsstätten, mehr Aufführungen je Produktion, landauf, landab. So lauten im Kern die Verbesserungsvorschläge, die Dieter Haselbach auf nachtkritik.de mit dem ganzen Stolz des Reißbrett-Strategen der Kulturpolitik unterbreitet. Ein fröhliches back to the roots wäre das: zurück zu den vorshakespeareschen Zeiten der lustigen Wanderbühnen. Und heute drohen nicht einmal die Wegelagerer. Es droht einzig der tagelange Leerstand von Immobilien, wenn die Gaukler weitergezogen sind.
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