Deutscher Bühnenverein greift Theaterpolitik der Stadt Hagen an
Haarsträubend und kurzsichtig
Köln, 1. April 2016. Der Deutsche Bühnenverein hat die Stadt Hagen aufgefordert, "zu einem sachgerechten Umgang mit dem dortigen Stadttheater zurückzukehren". Das geht aus einer Pressemitteilung des Bühnenvereins hervor. Der Bühnenverein reagiert damit auf die seit Anfang 2014 bekannten Vorgaben der Stadt für das Theater, nach denen bis 2018 1,5 Millionen Euro der ca. 15 Millionen Euro Zuschüsse einzusparen seien. Das Theater Hagen sucht derzeit nach einem neuen Intendanten. Nach Informationen der WAZ (22.3.2016) falle die Entscheidung zwischen einer Regisseurin, die "zuletzt in den Neuen Bundesländern tätig" gewesen sei, und dem offenbar favorisierten Jürgen Pottebaum, der bislang als Kommunikations- und Marketing-Leiter des Theaters fungiert.
Rolf Bolwin, Direktor und Vorstand des Deutschen Bühnenvereins, lässt sich folgendermaßen zitieren: "Was sich zurzeit in Hagen kulturpolitisch ereignet, ist haarsträubend und kurzsichtig." Die beschlossene Zuschusskürzung sei aus Sicht des Bühnenvereins unrealistisch, weil es die zukünftige Arbeit des Theaters gefährde. Die Einsparung bedeute den Abbau von bis zu 40 Stellen. Bei einem Betrieb mit rund 250 Beschäftigten sei dies ein Aderlass ohnegleichen. Dies gelte umso mehr, als der größte Teil des Personalabbaus im Bereich der Kunst realisiert werden müsse, was auf einen Verlust von mindestens einem Viertel des künstlerischen Personals hinausliefe. "Angesichts dessen einen neuen Intendanten mit der Auflage zu suchen, ein Konzept für eine solche Einsparung vorzulegen, grenzt an Zynismus. Dass Interna aus dem laufenden Verfahren nach außen dringen, erschwert den Prozess zusätzlich", so Bolwin. Ein Intendant sei dazu da, den Bürgern der Stadt ein interessantes künstlerisches Programm zu bieten, und müsse nicht als Vollstrecker von fragwürdigen Haushaltsbeschlüssen fungieren.
Der Bühnenverein hatte nach eigenen Angaben der Stadt Hagen in den letzten Monaten wiederholt seine Hilfe angeboten, um die Situation vor Ort zu lösen.
(Deutscher Bühnenverein / WAZ / wb)
Hagen, 6. April 2016. In einem Offenen Brief an alle Ratsmitglieder der Stadt drücken in Hagen geborene und aufgewachsene Künstler ihre Besorgnis über die Lage des Theaters aus. In dem Schreiben heißt es: "Schon seit Jahren ringen die dort Verantwortlichen darum, den realen oder behaupteten Einsparungsnotwendigkeiten Rechnung zu tragen und dennoch ein lebendiges, künstlerisch anspruchsvolles und gleichwohl bürgernahes Theater zu erhalten." Dass dem Theater als Ensemble- und Repertoirebetrieb nun vollends die finanzielle Basis entzogen werden solle und die Intendant*innensuche offenbar kaum noch nach künstlerischen Kriterien erfolge, sondern nach der Bereitschaft selbstmörderische Sparauflagen zu erfüllen, mache die Unterzeichner "fassungslos".
Sie unterstützen daher die Position des Deutschen Bühnenvereins und appellieren an die Verantwortlichen in der Hagener Politik, dessen Hilfsangebot anzunehmen.
Zu den Verfassern des Briefes gehören u.a. der Regisseur Jan Philipp Gloger, der Schauspieler Sabin Tambrea und der Bühnen- und Kostümbildner Bartholomäus Martin Kleppek.
(miwo)
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Sie haben ja recht, um das Theater Hagen muss gekämpft werden, wie um jedes andere Theater auch. Aber warum hören wir dann nichts vom Bühnenverein, wenn es um die Theater in Mecklenburg-Vorpommern (insbesondere Rostock), in Sachsen-Anhalt oder in Thüringen geht, wo wieder Kürzungen und Fusionen anstehen und wertvolle Substanz abgebaut wird? Bitte breiten Sie den Schutzschirm des Bühnenvereins auch über den Osten Deutschlands aus und mischen Sie sich auch dort mehr ein. Bei jedem Theater das gefährdet ist, Zuwendungen oder Stellen zu verlieren.
Wieso haben wir noch nichts von Ihnen gehört, über die fatalen Wendungen der Politik in Rostock, dort aus einem der ehemals wichtigsten ostdeutschen Mehrspartentheater nun ein Opernhaus zu machen? Es werden zwei Sparten, das Schauspiel und der Tanz, verloren gehen, das Theater wird 50 Stellen verlieren. Und das Argument, dass das Theater Rostock als Opernhaus eine größere Zukunft hat und gleichzeitig auf Dauer weniger kosten soll, wird doch auch Ihnen, als an den Haaren herbeigezogen, als hahnebüchen vorkommen?
Wie würde ein Rechenschaftsbericht der Geschäftsführung und des Vorstandes an die Mitglieder des Deutschen Bühnenvereins aussehen, wenn Sie über Ihre Erfolge des letzten Jahres und der letzten Jahre berichten müssten? Was ist verhindert, was ist erreicht worden durch den Bühnenverein, der sich immerhin und im Wesentlichen aus unser aller Steuergelder – Umlagen der steuerfinanzierten öffentlichen Theater – finanziert?
Mehr Gerechtigkeit bitte, und mehr Transparenz, selbst um den Preis, dass Sie sich, dass sich der Bühnenverein als Sprecher der Theater - nicht der Politik! - das eine oder andere Mal mit den Gesellschaftern, der Politik, verkanten muss. Es wirkt alles so betulich, so beschaulich, so geheimniskrämerisch. Mehr Transparenz bitte!
Was sage ich meinen Kindern, wofür der Bühnenverein steht? Welche Richtlinien der Transparenz und Compliance der Verein und seine Mitglieder sich gegeben haben?
Der Bühnenverein darf nicht nur als Wellnessveranstaltung für Intendanten und Gesellschafter, und als Organisationsstadl des Faust-Preises in Erinnerung bleiben.
Und bitte kämpfen Sie um mehr Gerechtigkeit innerhalb der Theater. Noch immer verdienen Musiker im Schnitt 50% mehr Gage als ihre Kollegen in den anderen künstlerischen Berufen. Frieren Sie endlich die Tariferhöhungen für Musiker ein und legen Sie diese auf den NV-Bühne um. Ich weiß, das ist juristisch alles nicht möglich. Dann machen Sie es eben möglich!
Noch immer verdienen junge Schauspieler und Schauspielerinnen, vor allem letztere, deutlich weniger, als AnfängerInnen in der Administration oder der Technik. Auch das geht nicht.
Tun Sie etwas, bitte!
Auf bald!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Piscator
Ich finde es wichtig, sich damit auseinander zu setzen.
Und ich weiß nicht ob der Faust Abend wirklich wichtig ist für das Image der deutschen Theater ist. Niemand außerhalb der Theaterwelt kennt ihn, und niemand interessiert sich dafür.
Ich frage deshalb, weil ich mir manchmal die Henne-Ei-Frage stelle. Woran liegt es, dass im Osten die Theater, vor allem in den kleineren Städten, kaputt gespart werden? Daran, dass das Theater dort einfach schlecht (geworden) ist, weil es sich anbiedert/anbiedern muss an den Massengeschmack, wie noch zu Zeiten des real existierenden Sozialismus? Oder daran, dass keine/r (mehr) Lust hat, ins Theater zu gehen, weil Kultur ja angeblich gegenüber allem anderen (Bildung und Soziales) nicht so wichtig sei? Es gibt natürlich auch das Stichwort "kulturelle Bildung" oder besser (Selbst-)Bildung über Kunst und Theater, nur mal so als Vorschlag zur Güte.
Wo Strukturen also (politisch gewollt?) unattraktiv werden, hat das Theater leider keine Chance mehr? Das ist tatsächlich schade. Und deswegen werden diese Regionen für viele dann noch unattraktiver. Keine schöne Entwicklung. Hier kommt es entscheidend auf die Bewusstseinsbildung der Menschen drauf an, gerade hier, wo Pegida und AfD als Auffangbecken der Erniedrigten und Beleidigten agieren. Der sogenannte "antifaschistische Schutzwall" hat ja nicht verhindern können, dass sich bestimmte Nazi-Haltungen auch im Osten teilweise fortgesetzt haben. Bis heute und vermischt mit den genannten neu-nazistischen Bewegungen.
Es geht um beides, Ost-West-Fragen und die allgemeine Ungerechtigkeit an Theatern, insbesondere der Gagen, angefangen bei den bis zu 10 mal höheren Intendantengehältern im Vergleich zu den Schauspielergagen. Zu den Unterschieden in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen am Theater, und in der finanziellen Behandlung von Theatern im Osten und im Westen.
Der Bühnenverein hat hier versagt. Als Korrektiv wäre es seine Aufgabe gewesen, so hohe Differenzierungen nicht zuzulassen und zu sanktionieren.
Zum Osten:
Die Theater hätten nach der Wende finanziell stärker unterstützt werden müssen. Aber eine Ausdünnung ist politisch gewollt gewesen. Mit Hilfe des Bühnenvereins, sind Überlegungen angestellt und teilweise sogar Studien erstellt worden, um Theater zu fusionieren und damit in der Fläche auszudünnen:
Zwickau -Plauen
Gera - Altenburg
Meiningen - Eisenach
diverse in Brandenburg und Mecklenburg-Vp.
in Arbeit: Weimar Erfurt.
Dass der Bühnenverein zu sehr mit der Politik küngelt und somit nicht wirklich unabhängig ist, brauchen Sie mir auch nicht zu erklären. Das ist sowieso klar.