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Künstler*innen-Initiative für Erhalt des Zürcher Pfauen
"Ein goldenes Gefäß schmeißt man nicht weg!"
Zürich, 3. Dezember 2020. Eine prominente Riege von Theatermacher*innen und Kulturschaffenden setzt sich in Zürich für den Erhalt des Pfauen-Saals in der Innenstadt-Spielstätte des Schauspielhauses ein. "Wir nehmen mit Entsetzen zur Kenntnis, dass der Zürcher Stadtrat im Sinne hat, den Theatersaal am Pfauen dem Abbruch preiszugeben und durch einen Neubau zu ersetzen. Wir wehren uns entschieden gegen diesen Totalabriss, der künstlerisch nicht zu vertreten ist und der einem unwiderruflichen Akt der Barbarei gleichkäme", heißt es in dem Protest, der in einem Plakat vorgetragen wird.
Der Pfauen sei seit seiner Errichtung 1926 bis in die Gegenwart hinein ein "Schauplatz hervorragender Theaterarbeit" gewesen. Mit dieser These wenden sich die Initiator*innen des Protests gegen die in Teilen der Theaterszene wie in der Kulturpolitik verbreitete Ansicht, die bühnentechnisch veraltete Spielstätte sei für zeitgenössische Theaterkunst unbrauchbar.
Zu den Unterzeichnenden gehören unter anderen die Ex-Intendanten Achim Benning, Jürgen Flimm, Gerd Leo Kuck, Gerd Heinz, Sven-Eric Bechtolf und Dominique Mentha, die Regisseurin Katharina Thalbach, die Schriftsteller Charles Lewinsky und Thomas Hürlimann sowie die Schauspieler*innen André Jung, Burghart Klaussner, Carolin Conrad und Felix von Manteuffel.
Der Regisseur, Ex-Intendant des Zürcher Neumarkt-Theaters und bis 2020 Studiengangsleiter für Regie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Stephan Müller lässt sich auf dem Plakat mit den Worten zitieren: "Ich bin voll und ganz für den Erhalt des Pfauen-Theater-Raums. Darin war immer wieder die Avantgarde tätig, und es bedarf keines anderen Raumes, um diese Tradition fortzusetzen. Ein goldenes Gefäss schmeisst man nicht weg."
Die Initiative verbindet sich mit dem Denkmalschutz-Verein "Zürcher Heimatchutz ZVH".
(chr)
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(Anm. Red. Eine ins persönliche lappende Wendung gegen die Unterzeichnenden wurde gestrichen.)
Sie sprechen von einer "seit Jahrzehnten problematischen Bühne". Was bedeutet das?
Der Pfauensaal ist ursprünglich als Varieté genutzt worden, die Bühne ist darum 20 Zentimenter höher als im Wiener Akademietheater. Und unter dem Balkon ist die Akustik ohne Verstärkung nicht perfekt. Mit alledem ist das treue Publikum des Schauspielhauses jahrzehntelang klar gekommen, die Künstler*innen übrigens auch.
Es ist nicht falsch, darauf hinzuweisen, dass das Schauspielhaus in Zürich nicht nur bis zum Kriegsende von Teilen der Bürgerschaft als "links" und "jüdisch" - mithin als "antifaschistisch" - wahrgenommen wurde, was per se keine positive Konnotation war. Bis heute existiert ein Stammpublikum, dass sich von der Nähe zu den linken Juden ebenso wenig abschrecken ließ, wie von der anspruchsvollen Akustik unter dem Balkon des Pfauen.
Unter diesen Zuschauer*innen gibt es eine Anhänglichkeit an den geschichtsträchtigen Saal, die von einigen der jüngeren Mitarbeiter*innen und Politiker*innen nicht geteilt wird.
Das von Letzteren ins Feld geführte Argument, der Pfauen sei mit seiner Guckkastenbühne nicht mehr zeitgemäß, scheint insofern fragwürdig, als die Schauspielhaus Zürich AG daneben mit Schiffbau und Schiffbau/Box jeden Abend über nahezu 700 zusätzliche Sitzplätze in völlig frei benutzbaren Multifunktionsräumen verfügt.