Presseschau vom 17. Februar 2015 – Christine Wahl über "Artivism" und reales Eingreifen
Sobal keiner mehr im Mittelmeer ertrinkt
Sobal keiner mehr im Mittelmeer ertrinkt
17. Februar 2015. Im Tagesspiegel widmet sich Christine Wahl in einem Essay der Wirkung(slosigkeit) ästhetischer, symbolischer Akte auf die Realität.
Produktionsetat spenden
So dürfe sich kaum jemand "ernsthaft der Illusion hingeben, dass es über bloße moralische Selbstbestätigung hinausgeht, wenn weltoffene Schauspieler ebensolchen Theatergängern auf Anti-Pegida-Lesungen die Ringparabel aus 'Nathan der Weise' vortragen." Oder wenn "Je suis Charlie" auf die Website geschrieben werde.
Laut Wahl habe die Dramaturgin einer Inszenierung über Bürgerkriegsflüchtlinge am Theater Bremen vor Kurzem wie folgt geäußert: "Einfacher wäre es vielleicht gewesen, den gesamten Produktionsetat zu spenden und ein Pappschild auf die leere Bühne zu stellen, mit der Aufforderung, sich Gedanken über das eigene Verhältnis zum Thema zu machen." In letzter Zeit rege sich aber der Wille, reale Defizite nicht nur darzustellen, "sondern abzustellen". Theater "rafft sich auf von der darstellenden zur Eingreif-Kunst".
Widersprüche in Menschenwürde
Eine dieser Eingreif-Aktionen war der Europäische Mauerfall des Zentrums für Politische Schönheit. Ruch sei es dabei kaum darum gegangen, wie von vielen Kritiker angeführt, NVA-Trupppe mit Frontex gleichzusetzen. Vielmehr habe er eine Situation zur Veröffentlichung unserer Widersprüche geschaffen. "Wer, wie in der Reaktion auf den 'Ersten Europäischen Mauerfall' vielfach geschehen, beklagt, dass die 'Würde der Mauertoten' 'mit Füßen getreten' werde, provoziert automatisch die Frage, wie es um die Menschenwürde an Europas Grenzen steht."
Fazit zum "Artivism": "Sobald niemand mehr im Mittelmeer ertrinkt, können wir uns also getrost auf die Wiedererhöhung des 'Art'-Faktors stürzen. Dann nehmen Künstler gern auch wieder feinmotorischere Werkzeuge in die Hand."
(mw)
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