Medienschau: Westdeutsche Allgemeine Zeitung – Kritik an Dortmunds Intendantin Julia Wissert

Riskante Personalie

9. Mai 2023. Dortmunds Schauspielintendantin Julia Wissert hatte mit schlechten Auslastungszahlen zu kämpfen. Dass die sich inzwischen erheblich verbessert hätten, glaubt die WAZ nicht.

Hat das Schauspiel Dortmund seine Auslastung auf 50 Prozent verbessern können? Lars von der Gönna zweifelt in einem Artikel in der WAZ nicht daran, er hinterfragt jedoch die Aussagekraft dieses Werts. "Die Zahl stimmt, sie stimmt, weil Statistik eben so geht und man ihr vertraut – solange man nicht ins Theater geht. Diese 50 Prozent gehen so: Ist das große Haus an einem Abend geschlossen, während oben im Studio mit gerade mal 95 Plätzen Büchners "Woyzeck" läuft (Abi-Stoff), hat das Haus: 100 Prozent. Der Abend "Ihr wollt tanzen" findet auf der Bühne statt. Platzzahl 30, ausverkauft: 100 Prozent. Im großen Haus schloss man für "Gott des Gemetzels" den Rang (Begründung des Theaters: "intimerer Rahmen"), nun tauchen dessen Plätze in der Statistik nicht mehr auf.“

Den Zahlen, die der WAZ-Redaktion vorlägen, zufolge, hätten im Zeitraum August 2022 bis Februar 2023 12.263 Zuschauer*innen 106 Vorstellungen besucht, "das sind keine 116 pro Abend".

Der Autor übt eine Generalkritik an Wissert: "Das Wegbrechen des Publikums, allzu wenige künstlerische Erfolge, Auflösungserscheinungen hinter den Kulissen (vom Anfangsteam der Dramaturgie wird nach unseren Recherchen zum Ende dieser Spielzeit kein Mensch mehr übrig sein, auch Schauspielerinnen gingen): Es finden sich wenig Gründe, Julia Wissert über ihren Fünfjahres-Vertrag hinaus im Amt zu halten."

In derselben Ausgabe der Zeitung befragt von der Gönna Dortmunds Kulturdezernenten Jörg Stüdemann, der Wissert gegen Kritik verteidigt.

Stüdemann könne sich sehr wohl vorstellen, den Vertrag zu verlängern. "Ich halte sie (Wissert; d.Red.) für eine intelligente, künstlerisch wichtige Person. Wir haben sie auch ausgewählt, zu fragen, in welchen Formaten sich Theater heute in der Stadtgesellschaft positioniert. Das ist eine Laborsituation, wo wir nicht genau wissen, was am Ende herauskommt."

Auf die Auslastung und die laut WAZ geringe künstlerische Strahlkraft angesprochen, entgegnet Stüdemann: "Ich habe nie verhehlt, dass mit dieser Personalie ein Risiko verbunden ist. Wen unsere Theater in Zukunft als Zuschauer haben, wissen wir alle nicht. Ob wir mit einem Bildungskanon des 18., 19. und 20. Jahrhunderts gut beraten sind, da bin ich mir nicht so sicher. Der Zuspruch ist ordentlich, aber nicht überragend. Wir sind auf gutem Weg. Grundsätzlich bin ich zufrieden. Wirtschaftlich gilt: Julia Wissert führt ihre Sparte wie eine schwäbische Hausfrau."

(WAZ / miwo)

Kommentare  
Medienschau Wissert: Treffend
"... Julia Wissert führt ihre Sparte wie eine schwäbische Hausfrau." ist wohl die treffendste Beschriebung des Leitungsstils und gleichwohl auch eine Aussage, die das Problem an Wisserts Arbeit hier in Dortmund im Kern erkennt...
Medienschau Wissert: Aus dem Kontext gerissen
hey dortmunderIn. Achtung! im Artikel steht:
>Wirtschaftlich gilt: Julia Wissert führt ihre Sparte wie eine schwäbische Hausfrau."< ein ohnehin schwieriges sprachliches Bild, aber es aus dem Kontext zu holen und es gegen sie zu verwenden, find ich problematisch.
Medienschau Wissert: Ruf der Hausfrau
Kleine Nachhilfe was Kontextualisierung betrifft:
Wissert ist Schwäbin- SchwäbInnen gelten als sehr sparsam (hat mit der Geschichte deutscher Kultur zu tun- und nein: ich bin nicht deutsch…) und die Hausfrau hat allgemein den Ruf alles zusammen zu halten…
Problematisch wäre das Bild bei einer Intendantin, die die Kunst mutig und liebevoll in den Mittelpunkt all ihrer Handlung stellt aber in speziell diesem Fall ist es weniger problematisch als unglaublich präzise..,
Medienschau Wissert: Maßstäbe
"Auflösungserscheinungen hinter den Kulissen (vom Anfangsteam der Dramaturgie wird nach unseren Recherchen zum Ende dieser Spielzeit kein Mensch mehr übrig sein, auch Schauspielerinnen gingen)", wird hier aus der WAZ zitiert.
Frau Wissert ist seit 2020 da, Dramaturg:innen wie Schauspieler:innen haben keine 5-Jahres-Verträge, sondern erhalten in der Regel Einstiegsverträge über zwei Jahre, und werden danach jährlich verlängert. Wenn dann also Leute das Team auf eigenen Wunsch oder auf Wunsch der Leitung verlassen, dann sind das nicht zwingend "Auflösungserscheinungen", sondern ganz normale Vorgänge in der Form, wie wir derzeit Stadt- und Staatstheater kennen. Diese Unterstellung finde ich tendenziös und verkürzt.
Kommentar schreiben