Presseschau vom 26. Februar 2013 – Der Zürcher Tages Anzeiger spricht über Applausmessung in Winterthur
"Das Publikum ist nicht blöd"
"Das Publikum ist nicht blöd"
26. Februar 2013. Im Schweizer Tagesanzeiger hat sich Lukas Meyer-Marsilius (25.2.2013, 17:31 Uhr) mit dem Leiter des Winterthurer Theaters Marc Baumann über die neu eingeführte Applausmessung unterhalten.
Der "Tagi" schreibt: Das Theater Winterthur ist ein Gastspielhaus mit rund 50 Vorführungen pro Saison in den Sparten Musiktheater, Schauspiel, Tanz und Kinder-/Jugendtheater. Marc Baumann ist seit Juni 2009 Gesamtleiter des Theaters Winterthur. Davor war er als kaufmännischer Direktor des Schauspielhauses Zürich tätig.
Applauskoeffizient
Zwei Jahre lang, führt Baumann aus, seien die Reaktionen des Publikums mit Abstimmungskarten gemessen worden. Als die Beteiligung nachgelassen habe, sei die Messung eingeführt worden. "Wir messen bei jeder Veranstaltung am Schluss einerseits mit einem Mikrofon die Lautstärke des Applauses und andererseits die Länge. Das setzen wir ins Verhältnis zur Besucherzahl und berechnen mit einer Formel diesen Applauskoeffizienten." Die Zuschauer wüssten im Vorhinein von diesen Messungen, die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht (Messungen des Monats Februar).
Reaktionen
Die Künstler nähmen diese Ergebnisse sehr gelassen, schließlich seien sie an mitunter sehr harte Kritik gewöhnt. "Meist finden sie es interessant." Das "Klatschverhalten" werde durch die Messungen nicht verändert. Viel größeren Einfluss darauf hätte etwa die Applausordnung.
Aus den einzelnen Messungen könne man keine Schlüsse ziehen. Interessant sei es, wenn eine Produktion an einzelnen Tagen verschiedene Reaktionen erhalte, daraus ließe sich auf die Publikums-Erwartungen schließen. Das Ganze diene ja dazu, "mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen".
Erwartungen
Wenn man ein berühmtes Stück wie etwa "Die Physiker" aufführe, kämen die Leute "meist mit einer gewissen Erwartung". Wenn die Aufführung davon abweiche, seien sie "vielleicht unzufrieden". Das passiere in allen Theatern. Man könne zwar versuchen, die Zuschauer dazu zu bringen, ein Stück "mal ganz anders anzuschauen", aber das könne auch misslingen. "Damit Neues entstehen kann, muss die Möglichkeit des Scheiterns eingerechnet werden". Der kulturelle Auftrag verlange nicht nur "gute Unterhaltung", sondern auch "Auseinandersetzung mit neuen Fragen".
Prinzipiell sei klar: Es sei etwas Schwieriges, Kunst zu bewerten. "Wir wollen zeigen, dass wir an den künstlerischen Geschmack des Publikums glauben. Das Publikum ist nicht blöd, es hat aber manchmal andere Erwartungen."
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