Presseschau vom 27. November 2017 – Deutschlandfunk-Interview mit dem Oberhausener Intendanten Florian Fiedler, der sich zugunsten seiner Mitarbeiter das eigene Gehalt gekürzt hat
Angstfreier arbeiten
Angstfreier arbeiten
27. November 2017. Susanne Burkhardt von Deutschlandfunk Kultur hat für die Sendung "Rang 1" (25.11.2017) mit Florian Fiedler gesprochen, seit dieser Spielzeit Intendant in Oberhausen. Er arbeitet mit dem Ensemble-Netzwerk zusammen und gehört zu den Unterstützern der Initiative "Pro Quote Bühne", hat sich das eigene Gehalt gekürzt, "um den Mitarbeitern ihre mageren Einstiegsgehälter zu erhöhen, auch Frauen und Männer gleich zu bezahlen", wie Burkhardt zusammenfasst und dies als "vorbildlichen, wegweisenden Schritt" lobt. Die Reaktionen der Intendantenkollegen seien, so Fiedler, sehr gemischt gewesen. Diejenigen, die "Angst um ihre eigenen Pfründe haben oder dass sie jetzt auch was abgeben müssten – die melden sich jetzt natürlich nicht. Ich bin aber auch noch nicht so ganz in diesen Intendanten-Netzwerken drin."
Laut Burkhardt hat Fiedler immer schon den "Gruppengedanken hochgehalten" und sich entsprechend auch "als Team" in Oberhausen beworben. Klar müsse sich an den verkrusteten Theaterstrukturen sehr viel ändern, so Fiedler: "Wir habe eine Utopie oder eine Vision, von dem, wie wir uns Zusammenarbeiten und Theatermachen vorstellen. Und das hat wirklich was damit zu tun, dass das Abschaffen hierarchischer und patriarchaler Strukturen dazu führen kann, dass die Leute angstfreier arbeiten, dass wir miteinander arbeiten, dass man sich in die Augen gucken kann. Und ich glaube, dass das im Ergebnis und in der Arbeit zu sehr viel schöneren Früchten führen wird."
Auch die Hierarchien zwischen Bürgerbühne und Profi-Theater hat Fiedler abgeflacht, indem Laien und Schauspiel-Profis in der Theater-Faktorei zusammenkommen, ebenso wie die zwischen Erwachsenen- sowie Kinder- und Jugendtheater. Gerade, wenn man sich viele Jugendclubs und Laientheater angucke, sei es "gar nicht so selten, dass da auch Aufführungen bei rauskommen, die interessanter und spannender sind als manches professionelle Theater."
(ape)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 27. April 2024 Theater Rudolstadt wird umbenannt
- 26. April 2024 Toshiki Okada übernimmt Leitungspositionen in Tokio
- 26. April 2024 Pro Quote Hamburg kritisiert Thalia Theater Hamburg
- 25. April 2024 Staatsoperette Dresden: Matthias Reichwald wird Leitender Regisseur
- 24. April 2024 Deutscher Tanzpreis 2024 für Sasha Waltz
- 24. April 2024 O.E.-Hasse-Preis 2024 an Antonia Siems
- 23. April 2024 Darmstadt: Neuer Leiter für Schauspielsparte
- 22. April 2024 Weimar: Intendanz-Trio leitet ab 2025 das Nationaltheater
neueste kommentare >
-
Kritik an Thalia Theater Hamburg Machtpositionen
-
Woyzeck, Leipzig Perfektes Gesamtkunstwerk
-
Kritik an Thalia Theater Hamburg Differenzierungen
-
Pygmalion, Berlin Beseelte Leiber
-
Kritik an Thalia Theater Hamburg Realität
-
RCE, Berlin Mehr als überzeugend
-
RCE, Berlin Geglückt
-
Pygmalion, DT Berlin Augenhöhe
-
Neue Leitung Darmstadt Fest oder frei?
-
Essay Berliner Theaterlandschaft Radikal künstlerisch
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
@Johanna: Als Oberhauserin, die die Subventionen für das Theater mit Steuern finanziert will ich sie fragen: was sind denn faire Löhne? Ich bin 51, habe einen Studienabschluß und arbeite seit 26 Jahren im sozialen Bereich. Ich hatte nie eine sichere Stelle bei der Stadt in einem subventionierten Betrieb und auch wie die Theaterleute nie einen 9-5 Job. Ich verdiene heute 3200 Euro brutto. Oberhausen ist eine Stadt wo man günstig wohnen und leben kann. Ich finde es nicht „unfair”, wenn junge SchauspielerInnen mit 22, 23 Jahren in ihrem ersten Berufsjahr in dieser Stadt 2000 Euro brutto verdienen. Ein bisschen mehr Bescheidenheit in einem subventionierten Betrieb wäre angebracht. Ich überlege jetzt, mein Abo zu kündigen. Ich habe keine Lust mehr, verwöhnten jungen Leuten zuzugucken die behaupten sich mit der Stadt zu beschäftigen. Heißt das, wir sind alle Neonazis wie in den Schimmelmanns oder Würstchen grillende Deppen wie in Männer die denken? Die sitzen in ihrem subventionierten Laden und haben keine Ahnung von der Realität in der Stadt.
@Bürgerin sicher sind die Stellen an einem Theater nicht. Auch scheinen Sie wenig Ahnung von der Arbeit an einem Theater zu haben. Die Akteure proben und spielen jeden Tag, auch Sonntags. Da kommt man leicht auf eine 50 Stunden Woche. Zudem haben die Schauspieler und Schauspielerinnen alle ein Diplom, also einen akademischen Grad, und da sind 2300 € sogar eher wenig. Das im sozialen Bereich zu wenig Geld gezahlt wird ist eine Schande und muss sich dringend ändern, da stimme ich Ihnen zu. Nur ist das gegenseitige Ausspielen von Kultur und des Sozialen Bereichs gefährlich und gedanklich verfehlt. Außerdem Florian Fiedler ist auch kein Anfänger (Leitung in Frankfurt und Hannover), wie Sie seiner Vita entnehmen können. Ich gebe dem neuen Team erstmal etwas Zeit, bevor ich losschreie.
Im Übrigen, tatsächlich wirken die Auskünfte der neuen Theaterleitung etwas dürftig - wie sehen denn nun die veränderten Gehaltsstrukturen aus? Bekommt ein Berufsanfänger in der Kunst einfach nur 100, 200 Euro mehr, oder gibt es eine Gehaltsangleichung durch alle Gewerke hinweg, wobei die Spitzen gestutzt und die Geringverdiener aufgewertet werden?
Diese Informationen wären schon wünschenswert, um das Ganze seriös diskutieren zu können. Ich frage mich z.B., ob es nicht gerechtfertigt ist, wenn ein Publikumsliebling jenseits der 40, der ggf. auch eine Familie zu ernähren hat, das Doppelte eines Anfängers mit Mitte 20 verdient?
Wie ich es verstanden habe, hat er auch die Gagen der weiblichen an die männlichen Ensemblemitglieder angeglichen.
Aber "die Kunst" und der Kulturbetrieb haben da wohl ein anderes Verständnis..
(Entschuldigung, aber hier scheint sich ein Missverständnis zu verfestigen. Florian Fiedler hat in der WAZ im Mai gesagt, dass er "als Anfänger deutlich weniger verdiene" als Peter Carp. Siehe: https://www.waz.de/staedte/oberhausen/hoehere-gagen-hoehere-schlagzahl-am-theater-oberhausen-id210503275.html Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Na, wenn er da bei dem von Ihnen geLINKten Artikel so nett rumlümmelt und hier die Debatte mit Gagen anzettelt soll er doch bitte auch sagen, was er verdient. Das sehe ich genau wie Karin Lieneweg.
https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=14641:debatte-um-die-zukunft-des-stadttheaters-xxxv&catid=101&Itemid=84
Florian Fiedler hat von 2006 bis 2009 die Experimentierspielstätte „schmidtstrasse12“ des Schauspiels Frankfurt und von 2011 bis 2017 das Junge Schauspiel Hannover.
Das Kernthema ain Sachen Monatseinkommen Theater sind NV-Solo Verträge, lieber Christoph. Städtische Angestellte in den Theater-Gewerken oder der Verwaltung haben ganz andere Verträge, nämlich gemäßg TVÖD - wobei Menschen in Theaterverwaltungen sogar verbeamtet sein können (nicht unüblich). Diese Nicht-NV-Solo Verträge werden nicht jeweils im Oktober um ein Jahr verlängert, und schon das monatliche Einstiegs-Einkommen ist viel solider als das eines jungen Schauspielers - dafür haben Gewerkschaften und Personalräte über viele Jahrzehnte gekämpft.
Deshalb von mir: Nein, es ist aus meiner Sicht völlig okay, über NV-Solo Gagen separat zu sprechen, ohne die TVÖD Verträge der Gewerke miteinbeziehen zu müssen. Ich vereinfache jetzt einmal grob und sage: Wenn SchauspielerInnen am Theater so bezahlt würden wie MitarbeiterInnen aus Gewerken oder OrchestermusikerInnen (die auch seine sehr starke Gewerkschaft haben), würden wir hier vermutlich über Gagenstrukturen gar nicht diskutieren.
Keine Ahnung ob es so ist aber nur so als Gedanke.
Was wirklich nervt sind die Unterstellungen und Totschlagargumente. Nummer 9 hat es ja geschrieben und ich würde das sogar sagen: meinen ersten Satz zu 9-5 konnte man vielleicht falsch verstehen, bei dem abends spielen geht das aber wirklich nicht. Man kann gut mit solchen Behauptungen jemand als blöd hinstellen, damit seine Argumente unglaubwürdig werden. sehr durchschaubar. Das Wort Neid und Neiddebatte gehört auch dazu. Ist wohl jedem klar, dass nicht andere Leute mehr oder weniger kriegen weil Schauspieler mehr oder weniger kriegen. Ich wundere mich nur, dass getan wird als seien Schauspieler geknechtete unterbezahlte Sklaven, die vom der Gesellschaft ausgebeutet und von Fiedler gerettet werden. Ich kann sagen dass ich meinen Beruf gern mache, von meinem Gehalt leben kann und froh bin in einem Land zu leben, wo es ein halbwegs funktionierendes Sozialsystem gibt, in dem man für diese Arbeit bezahlt wird. Sowas würde ich mir von Schauspielern auch wünschen, denn in anderen Ländern gibt es gar keine subventionierten Theater. Ach so, Herr oder Frau P.W., da ist es auch nicht so, dass ich irgendwas nicht verstehe, mir ist es herzlich egal ob man das Subventionierung oder Finanzierung oder Förderung nennt. Der wichtige Unterschied zu den Schulen ist dass die Schulfinanzierung die ganze Bevölkerung betrifft und nicht nur einen winzigen Teil. Außerdem ist Kultur eine freiwillige Leistung, Schulen nicht. Mit Krankenhäusern geht es ganz anders, die haben duale Finanzierung von Ländern und Krankenkassen, das kann man gar nicht vergleichen. Ich verstehe also allerhand, Herr oder Frau P.W.. Außerdem habe ich etwas Neues auf Wikipedia über das Theater Oberhausen rausgefunden: es ist das Theater in Deutschland, das im Verhältnis zu den Einnahmen die meisten Zuschüsse bekommt! Das finde ich schlimm, denn das heißt ja dass es entweder besonders teuer ist oder besonders wenig Leute Eintrittskarten kaufen. In ganz Deutschland ist ausgerechnet das arme Oberhausen die Stadt, wo die Steuerzahler am meisten zu den Karten der wenigen Leute die hingehen dazu zahlen. Jetzt könnt ihr euch wieder aufregen, aber das finde ich ärgerlich, auch wenn ich selbst Abonnentin bin. Da läuft was schief.