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Volksverhetzung? Offener Brief des Thalia-Intendanten Joachim Lux an DIE WELT

An einer Überdosis Sarrazin verschluckt?

21. September 2010. Der Intendant des Thalia Theater, Joachim Lux, hat sich in einem offenen Brief an die Chefredaktion der Tageszeitung DIE WELT gewandt, und dem Journalisten Alan Posener Volksverhetzung und Verunglimpfung anderer Religionen vorgeworfen. Lux reagiert damit auf Poseners vernichtende Kritik im WELT-Feuilleton zu Luk Percevals Hamlet-Inszenierung an diesem Wochenende.

Posener hatte Perceval darin eine Verflachung des radikalen Stoffes vorgeworfen, ein Ausweichen vor der Tatsache, dass Hamlet und Ophelia einer Verbindung von politischer und religiöser Gewalt zum Opfer fallen würden. An der Textfassung von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel kritisiert Posener, dass sie dem Original alles Widersprüchliche, Poetische und alle Tiefe ausgetrieben hätten.

Lux stört sich an der Wortwahl, mit der Posener seine Kritik formuliert. Der Shakespearebearbeiter Feridun Zaimoglu sei türkischstämmig, "also Moslem, also wahrscheinlich Islamist," also lasse er laut Posener den "'Muezzin jodeln' – Pointe: "Muezzin kommt nicht vor, weder gejodelt noch sonst wie. Dann: Zaimoglus Text verhält sich (wörtlich) 'zum Original wie der Koran zur Bibel. Er hat dem Urtext alles Widersprüchliche ausgetrieben. Der Rest ist Plattheit.' Der Koran als Verplattung der Bibel! Das macht wahrhaft sprachlos, unglaublich. - Pointe auch hier: Der Koran kommt an dem Abend nicht vor. Und nebenbei wird noch eine 'harmlose, buddhistische Weltsicht' in den Boden gestampft, weil der flämische Regisseur Luk Perceval sein Interesse für den Buddhismus bekundet." All dies erfüllt für Lux den Tatbestand der Islamophobie, Volksverhetzung und Verunglimpfung anderer Religionen.

In der Folge seines Briefes fordert Lux von der Chefredaktion der WELT Konsequenzen.

(sle)

 

Hier geht es zu Joachim Lux' Brief im Wortlaut.

Hier zur Kritik von Alan Posener.

Hier geht es zum Redaktionsblog, der den Fall kommentiert.

Am 28. September 2010 legt Posener in seinem Blog starke-meinungen.de diskursive hintergründe seiner Kritik offen.

 

 

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Kommentare  
Offener Brief von J. Lux: zutiefst mit Ressentiment beladen
Die Kritik von Herrn Posener vernichtet eher sich selbst als die gemeinte Inszenierung. Weltanschaulich überaus bedenklich, Stilistisch unterirdisch und offenbar zutiefst mit Resentiment beladen (als ob der Mann sich am Thalia als Dramaturg beworben hätte - glücklos!): Das ist zwar nicht wirklich ernst-, aber auch nicht hinzunehmen. Bravo Herr Lux! Als mitfühlender Teil des Kulturbetriebes, tut es mir weh, einen großen Schauspielerkollegen wie Josef Ostendorf als "fetten Alten" beschrieben zu sehen. Das ziehlte weder auf Maske noch Kostüm, der Ausdruck meinte explizit den Schauspieler, der die Rolle zu spielen hat. Und das ist nicht in Ordnung! Posener sollte keine Kritiken mehr schreiben!
Offener Brief von J. Lux: "Welt" ohne Kommentarfunktion
Unter der Kritik in der Welt:
"Liebe Leser, WELT ONLINE hat aus technischen Gründen die Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen. Wir bitten um Ihr Verständnis."

hehe…
Offener Brief von J. Lux: ziemlich boshaft
Mit seiner Tatü-Tadaa!-Brandrede hat Posener natürlich weit übers Ziel hinaus geschossen. Da wird sogar Gerhard Stadelmaier blass, der Shakespeare selbst schon Scharteken vorgeworfen hat. Zumindest eine Entschuldigung bei Josef Ostendorf wäre fällig, der kann nämlich nichts für den „Regieeinfall“. Alle anderen schwachsinnigen Assoziationen dieser „Kritik“ sind ebenfalls ziemlich boshaft, auch wenn sich scheinbar für Posener so schön eins ins andere fügt. Joachim Lux stellt sich hier mit Recht vor sein Team, tut aber nicht gut daran Volksverhetzung zu rufen, da wird er wohl den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Dafür gibt es andere Stellen, das zu klären. Posener sollte mal bei seinem Kollegen Manuel Brug nachfragen, wie man einen schönen Verriss mit Spott tarnt, aber wahrscheinlich wollte er eben einfach nur willentlich verletzen.
Offener Brief von J. Lux: verstrahlte Hirne
Es wird mal wieder Zeit, Jan Delays "ich möchte nicht, dass ihr meine lieder singt!" zu zitieren:

"ich möchte mich nicht in köpfen befinden, zusammen mit gedanken, die unter einfluß vom axel springer-verlag entstanden!
in den ganzen verstrahlten hirnen, wär ich gern abhanden! [...]
oh mann genau darum,
möchte ich nicht, daß du meine lieder singst!
denn wegen leuten wie dir, tu ich die machen
leute, die mich wegen irgendner scheiße vollabern,
ohne den inhalt der texte zu raffen..."
Offener Brief von J. Lux: Bewegt sich auf der Ebene der Kritik
Das ist schon ein übler Veriss, der mich wirklich nachdenklich gemacht hat, was da wohl los war. Ich liebe Josef Ostendorf sehr als Schauspieler, aber ich werde mir die Aufführung nicht anschauen. Ich mag die Art nicht wie Herr Lux sich vor sein Team stellt. Das bewegt sich irgendwie zu sehr auf der Ebene der Kritik selbst. Gibt es da nicht mehr zu der Produktion zu sagen, zu den Schauspielern als Intendant? - Ich möchte eigentlich keine Abende mehr besuchen, die sich irgendwie in einem Skandal begründen.

Ist da denn wirklich ein Schlussmonolog für Hamlet hinzugeschreiben worden? Das ist schon sehr kühn, vielleicht sogar etwas größenwahnsinnig. Und das nicht jedem eine solch eine Verteilung der Hamletfigur auf zwei Darsteller gefällt, war doch sicher vom ersten Moment an klar. Warum also soviel Wind Herr Lux? Die Redaktion der Welt wird ihr Haus ganz sicher nicht anstecken. Das ist doch konstruiert und lächerlich. Der Grundton des Briefes sowie der Kritik sind Beleg genug dafür, dass mit dem Abend etwas nicht stimmig ist.
Offener Brief von J. Lux: Kraft beim Aushalten
Sehr geehrter Herr Lux,
das Sie diesem Mann seinen Text nicht durchgehen lassen, findet, wie wir sehen, nicht nur meinen Beifall. Nur leider ist dieser Spo(r)t(t) mit rassistischen oder sonstwie xenophoben Ober- oder Untertönen in Deutschland nicht neu. Und Herrn Perceval hat es da auch schon mehrfach getroffen: Herr Laudenbach durfte vor ein paar Jahren im "tip" unbeschadet schreiben, daß Herr Perceval sich als Belgier! mit Kinderschändung! ja bestens auskenne (Liebe nachtkritik-Redaktion: Sie können das recherchieren - es stimmt)

Also, viel Kraft beim Aushalten derartiger Angriffsversuche und beim Nicht-Überhören derartiger Unverschämtheiten - egal wie dämlich sie sind.
Offener Brief von J. Lux: Vorsicht!
Ich will Alan Poseners Kritik nicht verteidigen: Da schreibt einer, der offensichtlich das zeitgenössische Theater nicht kennt, und er schreibt offensichtlich Unsinn. Der Koran-Bibel-Vergleich ist wirklich heftig, sehr heftig sogar.
Aber Vorsicht: Die Formulierung "Feridun Zaimoglu ist türkischstämmig, also Moslem, also wahrscheinlich Islamist" stammt karikierend von Lux, nicht von Posener; Posener erwähnt die Herkunft Zaimoglus gar nicht. Dass der Muezzin jodle, ist vermutlich eine Zutat der "Welt"-Redaktion, denn das steht nur in der Überschrift; im Text heißt es bei Posener, der Musiker Jens Thomas bringe eine "Mischung aus mongolischem Obertongesang, Muezzin-Ruf und Jodeln" hervor. In dieser Formulierung kann man Ressentiments ahnen, aber sie ist nicht islamophob.
Auch Joachim Lux sollte in seiner Gegen-Kritik präzise sein, ansonsten passiert das, was immer passiert: Im unsachlichen Streit regieren nur noch die hässlichsten Emotionen. Das aber hilft keinem.
Offener Brief J. Lux: Kritik abwertend, aber nicht volksverhetzend
Ich habe noch nie eine solch abwertende Kritik gelesen, bei der Nadelstich auf Nadelstich folgt. Wer dermaßen mit dem Holzhammer hantiert und ein derartiges Vokabular verwendet, diskreditiert sich selbst.
Allerdings verwundert mich die überzogene Reaktion von Herrn Lux. Einige geschmacklose Stellen über, vom christlichen Standpunkt aus betrachtet: andere Religionen reichen noch lange nicht dazu aus, Posener Volksverhetzung und Verunglimpfung anderer Religionen vorzuwerfen. Dafür sind die wenigen, auf Religion bezogenen Passagen zu harmlos und außerdem sollte ein Autor auch die Meinung vertreten dürfen, dass er vom Koran nicht viel hält. Ebenso können Autoren auch behaupten, dass sie sich mit Abscheu von der Bibel abwenden und lieber buddhistische Texte lesen. Wenn das nicht mehr möglich ist, muss man unter Rücksichtnahme auf die Überempfindlichen alle Religionen mit Samthandschuhen anfassen.
Ich kann die Verärgerung von Herrn Lux verstehen. Nicht zu verstehen sind allerdings seine letztlich haltlosen Vorwürfe, die er wohl inmitten einer Woge des Verdrusses erhoben hat, um irgendeine Invektive gegen den im Zermalmen entfesselten Autor zu schleudern.
Offener Brief J. Lux: zu viel Sarrazindebatte zu sich genommen?
Mir scheint Herr Lux ein paar Schluck zu viel Sarrazindebatte beim Verfassen der Replik zu sich genommen zu haben. Wie sich in der Debatte jeder sich SEINEN Sarrazin zusammebastelt und dann je nach Pappkamerad, den er dann hat, kritisiert, vernichtet oder schlachtet, bastelt er sich seinen Posener, welcher an verschiedenen Stellen - nebenbei - Sarrazin kritisiert hat. Islamophobie - ein Unsinnswort allemal, den die Islamofaschisten gegen die Frauen, die sich weigern Kopftuch zu tragen, erfunden hatten - vorzuwerfen, ist noch blödsinniger, zumal in der ganzen Kritik das nicht vorkommt, dafür eine Kritik an einer buddhistischen Weltsicht und an stilistischen Mitteln, die fehl am Platze sind und Shakespeare die Radikalität nehmen.

Also mal wieder much ado about nothing.
Offener Brief von J. Lux: Memento John Cleese
Frei nach Fawlty Towers "don't mention the Koran"
Offener Brief von J. Lux: der historische Kontext ist entscheidend
zu meiner Bemerkung unter Punkt 4.: Diese erscheint mir im Nachhinein zu undifferenziert. Und ich möchte es Lux nicht gleich tun. Insofern korrigiere ich mich: "Die Welt" ist nicht gleich die "BILD" oder die "B.Z.". Vor allem kommt es auf den Autor drauf an. Meines Erachtens hat Posener sich in seiner nun veröffentlichten Forderung an Lux so umfassend zum diskursiven Hintergrund seiner Kritik geäussert, dass letztlich tatsächlich eher Lux als derjenige da steht, welcher hier intellektuell "versagt" hat. Entscheidend ist: Es kommt tatsächlich auf den (historischen) Kontext drauf an. Oder anders: BUT - don't compare.
Offener Brief J. Lux: Frage
Wo hat Posener sich denn geäußert? Hier bei Nachtkritik?

(Werte/r Sugar, er hat sich auch hier auf nachtkritik.de geäußert, aber Sie beziehen sich wohl auf Kommentar Nr.11, der sich wiederum auf den Blog-Eintrag von Alan Posener bezieht, auf den wir auf der Übersicht-Seite heute hingewiesen haben.
Die Redaktion/dip)
Offener Brief von J. Lux: Theater wie Fernsehen
von poseners blogeintrag bleibt erschreckenderweise nur eine handkesche weltfremdheit, oder steinsche, oder stadelmaiersche. diese leute haben keinen kontakt zu nichts und niemandem. die gehen ins theater und es ist für sie wie fernsehen, sie sind ganz allein und die grölenden nachbarn in den sitzen daneben amüsieren sich mit einem anderen sender. stadelmaier sitzt nicht im theater wenn er im theater sitzt, der sitzt vor seiner eigenen glotze. und posener jetzt auch.
Offener Brief von J. Lux: klassisch linke Zeitungen
@ L E: Natürlich lese ich grundsätzlich auch lieber "normale" oder "klassisch linke" Tageszeitungen. Da muss man sich dann nämlich nicht ständig fragen, warum einer wie Posener (ehemals KPD) jetzt plötzlich in einer "klassisch rechten" Tageszeitung schreibt. Ansonsten - ich bezog mich allein auf die Argumentation Poseners bzw. Lux'. Die Inszenierung von Perceval, um die es hier paradoxerweise eigentlich mal gehen sollte, habe ich (noch) gar nicht gesehen.
Offener Brief von J. Lux: das muß doch erlaubt sein
Wieso braucht alles immer Ettikette? Linke Zeitung .. vertrauen Sie doch mal Ihrer Urteilskraft, I S, erst gings doch schon ganz gut, dann kam L E und findet Poseners wirklich sehr redliche und kluge Verteidigung seiner Polemik "wie fernsehen". Schon fallen Sie um. Angst? Schade. @ LE Was heißt denn das, vor der eigenen Glotze? Das muß doch erlaubt sein, daß einer mehr erwartet von einer Auseinandersetzung mit einem Stoff, als er bekommt. Stimmt doch, daß man heutzutage meist extrem unterversogt aus dem Theater kommt.
Offener Brief von J. Lux: Hinweis auf Maron & Broder
@ L E
Poseners Blogeintrag ist keineswegs weltfremd. Weltfremd ist vielleicht Wulffs Sonntagspredigt in der er alle umarmt und hinterher nur ein Gott schütze Deutschland übrig bleibt. Was man Posener aber vorwerfen kann, dass er seine Auffassung von Religion mit in eine Theateraufführung nimmt und hinterher, wenn er seine Vorurteile bestätigt sieht, auch noch Heine in seine Argumentation mit reinzieht und das dann Aufklärung nennt. Das ist im höchsten Maße unehrlich. Er sollte klar sagen, worum es ihm geht und nicht Shakespeare vorschieben. In seinem Blog wiederholt er nur seine Vorurteile, mehr nicht.
Hierzu vielleicht auch ganz interessant und diskussionswürdig der Artikel von Monika Maron im heutigen Tagesspiegel: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ und da offene Briefe jetzt in Mode sind, gibt es auch gleich noch einen von Henryk M. Broder dazu an Christian Wulff: „Gehören wir Ungläubigen auch dazu?“ Das frage ich mich manchmal auch ganz ungläubig. Nicht das ich mich grundsätzlich und ohne Zweifel dem anschließen möchte, ich habe halt auch so meinen Kopf und stolpere schon allein über die Zeilen Broders, der Ostdeutschen nach 20 Jahren immer noch „Den Mangel an demokratischer Praxis und ein Defizit in der Kunst der Selbstkritik“ attestiert und für den Religionskritik immer nur ein Ziel verfolgt und da ist er dann wieder ganz bei Alan Posener. Vergelt`s Gott oder wer auch immer.
@ I S
Was sind bitte klassisch linke, normale und klassisch rechte Tageszeitungen, ich denke die sind alle unabhängig oder etwa nicht? Meiner Meinung nach ist das keine Frage von links oder rechts, sondern von einem bestimmten Klientel. Auch Zeitungen müssen mit den Wölfen heulen. Natürlich kann man Zeitungen in ein bestimmtes Spektrum einordnen, ich würde da aber schon lange nicht mehr von klassisch links oder rechts sprechen.
Offener Brief von J. Lux: Unterversorgungsfragen
Nachtrag:
und wenn Paula B. unterversorgt aus dem Theater kommt, sollte sie sich vieleicht fragen, ob es an der Versorgung vorher veileicht schon hapert.
Offener Brief von J. Lux: Frage
Also Posener schreibt seine Meinung (ob wir seine Meinung mögen oder nicht) und Lux sperrt ihn aus! Wer ist dümmer?
Offener Brief von J. Lux: zu undeutlich
@ Paula B. (und Stefan): Nein, keine Angst. Wovor denn? Ich sagte ja gerade "klassisch" links bzw. rechts. Ob man das heute noch so scharf trennen kann, das wäre dann die nächste Frage. Aber in der Tendenz zähle ich mich eher nicht zum Klientel der "Welt". Punkt.

Ich möchte hier jetzt auch nicht weiterdiskutieren, bevor ich die Inszenierung nicht gesehen habe. Erst dann wäre zu beurteilen, ob man den religiösen Diskurs da überhaupt anschließen kann. Wichtig ist meines Erachtens generell, zwischen dem Begriff des Islam und dem des Islamismus klar zu trennen. Diesbezüglich ist mir auch Poseners Position zu undeutlich.
Offener Brief von J. Lux: natürlich kann man unterscheiden
@IS:
Natürlich kann man Zeitungen wegen ihrer politischen Ausrichtung voneinander unterscheiden, auch wenn Soap-Fan Stefan anderer Meinung ist.
"taz" und "Freitag" sind immer noch linke Zeitungen, die "Frankfurter Rundschau" ist eher linksliberal und Poseners Wirkungsstätte "Welt" ist konservativ. Ach ja, die "Junge Freiheit" ist schon ziemlich rechts außen. Und im "Bayernkurier kommt die Linke nicht sonderlich gut weg.
Linke Leser werden wohl kaum die "Welt" abonnieren, sondern bestenfalls einige Artikel im Internet lesen. Auf Poseners Rezension und Selbstrechtfertigung stieß ich allein wegen des Hinweises in Nachtkritik.
Offener Brief von J. Lux: Zerwürfnisse im linken Lager
@ Flohbär
Über die Junge Freiheit oder den Bayernkurier müssen wir hier ja wirklich nicht reden, das geht schon eher in die Richtig Völkischer Beobachter. Aber ansonsten greift das klassische Modell eben nicht mehr. Zwischen junger Welt und der taz liegen Welten. Selbst ND und junge Welt sind sich nicht grün. Es gibt kaum größere Zerwürfnisse als im sogenannten linken Lager. Wenn Sie wirklich linke Ansichten teilen, ist das Spektrum so groß, das Sie lange nach dem richtigen suchen können. Gut, FAZ und Welt sprechen eher das konservative Lager an, sind sie deswegen rechts oder sind sie wertkonservativ und liberal? Man weiß ja angeblich gar nicht mehr was konservativ eigentlich ist. Wo würden Sie denn die SZ oder meinetwegen den Tagesspiegel verorten? Die Berliner Zeitung spricht eher den Ossi an, der Tagesspiegel die Wessis. Das steckt tief drin und ist nicht mit links oder rechts zu erklären. Gerade die Springerpresse deckt mit Bild, Morgenpost und Welt ein großes Spektrum ab. Meinungsmache haben Sie in fast allen Blättern, das wollte ich damit sagen. Links und rechts, wenn das wirklich so einfach wäre. BILD Dir deine Meinung, aber lieber nicht nur mit Zeitung lesen. Ach und zur Soap, wenn das ganze nicht wirklich teilweise solche kuriosen Züge angenommen hätte, wäre ich sicher nicht auf die Idee gekommen, mich darüber lustig zu machen. Wie sehe denn Ihr geschätzter Vorschlag fürs Schauspielhaus aus?
Aber jetzt schweifen ich schon wieder ab. Mich würde eher interessieren, warum sich Posener hinter Shakespeare versteckt und Wulff über Religion faselt, als wäre die das Selbstverständlichste von der Welt. Als Staatsoberhaupt und Politiker, auch wenn er in der CDU ist, ist es seine verdammte Pflicht, zu WISSEN wo es lang geht und sich nicht in seinen Glauben an Gott zu ergeben. In der Kunst ist das sicher etwas anderes, wenn da ein Künstler seine Weltsicht in ein Stück packt, kann man das kritisieren aber nicht verdammen, indem man sagt Shakespeare war aber Katholik und nicht Buddhist und dann noch den Islam völlig unangebracht da mit reinmengt, nur weil der Übersetzer Türke ist und vielleicht mal gesagt hat das er Moslem sei. Posener ist der Meinung, das es nie eine Integration des Islam in Deutschland geben wird und das begründet er noch mit seiner Shakespearebiografie und dabei spielt es überhaupt keine Rolle ob er links oder rechts oder sonst was ist. Er ist seinerseits eher Atheist und kritisiert sicher zu recht die Religion im Allgemeinen, aber den Islam im Besonderen und ist sich nicht zu fein, dazu das Christentum zu Hilfe zu nehmen. Das meine ich mit unehrlich. Genau wie Broder den Ossi zum Vergleich braucht, um auf das undemokratische in der Islamischen Welt hin zu weisen. Na danke, geht’s auch noch anders?
Offener Brief von J. Lux: Medienbetrachtung
@Stefan:
Die Junge Welt kenne ich leider nicht. Ansonsten sind mir alle Zeitungen geläufig, auch die konservativ-liberale FAZ, die gelegentlich im Sumpf der Mediokrität steckenbleibt, aber ein recht gutes Feuilleton betreibt, in dem immerhin der Sozialist Dietmar Dath eine Zeitlang schreiben durfte. Sicherlich, die Grenzen sind fließend, deshalb habe ich auch nicht den Tagesspiegel und die Berliner Zeitung erwähnt, die in der politischen Mitte angesiedelt sind und deren Autoren sich selten weit aus dem Fenster lehnen.
Nun, die Berliner Zeitung hat auch ein recht gutes Feuilleton, wo z.B. Dr. Pilz sich nach Kräften bemüht und, abgesehen von seinem unterirdischen Schopenhauer-Artikel, recht Lesenswertes zustande bringt und an besseren Tagen sogar eine gewisse Tiefenschärfe erreicht. Die Information ist mir neu, dass Westler den Tagesspiegel und Ostler die Berliner Zeitung lesen – dieses Phänomen scheint, sofern es statistisch belegt ist, aus einer juvenilen regressiven Anhänglichkeit zu resultieren, die weiter zur erforschen meine Kräfte übersteigen würde.
Das linke Lager kämpft natürlich um seine Stammleser und versucht sich deshalb von politisch ähnlichen Blättern abzugrenzen. Im ND gab es ja früher schon interne Debatten um eine partielle Loslösung von der Partei „Die Linke“. Man braucht sich nur anzusehen, wer da in der heutigen Ausgabe schreibt: Sarah Wagenknecht und der Ex-DDR-Linke Hans-Dieter Schütt, der auch bei Peymanns Autobiographie mitmischte. Gewiss, einige Leute sind aus Altersgründen ausrangiert, wie der Lyrik-Experte KD Schönewerk, andere wie Tom Mustroph schreiben dort, nicht weil das ihre ideologische Heimat ist, sondern weil sie eine probate Plattform zum Schreiben haben. Wenn es eine Zeitung mit ausgeprägter Ost-Leserschaft gibt, dann das ND. Nun, immerhin habe ich wegen eines ND-Redakteurs über 5 Jahre etliche Pressekarten fürs Berliner OFF-Theater und „mittelgroße“ Häuser bekommen, ich will mich also nicht beschweren.
Beim Hamburger Schauspielhaus möchte ich mich nicht einmischen, da ich überhaupt kein Kenner oder Insider der Hamburger Szene bin. Ich schreibe nur über das, worin ich mich auskenne, und das ist die Berliner Theaterszene. Ich habe ein Alter erreicht, in dem es mir zu anstrengend ist, so weit zu reisen, nur um mir ein Stück anzusehen. Dennoch kann es sein, dass ich nächste Woche ins Karlsruher oder Basler Theater gehe.
Sie reißen ja etliche Themen an, Stefan. Mit Wulffs Rede kann ich nicht sehr viel anfangen, denn nach seiner Sichtweise bin ich nicht Westeuropäer, sondern Christ. Leider habe ich im Jahr 1994 zum letzten Mal eine Kirche betreten, und das war nicht ganz freiwillig, da es sich um eine Hochzeit handelte und ich einen damaligen Freund nicht verdrießen wollte.
Posener halte ich für eine relativ unwichtige Existenz, er rückte auf Nachtkritik nur wegen der abenteuerlichen, absurden Reaktion von Lux so stark in den Fokus. Ihre Worten über Posener kann ich im Großen und Ganzen beipflichten.
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