Keine Theaterwissenschaft mehr in Leipzig?

22. Januar 2014. Die Universität Leipzig hat bekanntgegeben, dass sie 24 Stellen einsparen will – fünf davon in der Theaterwissenschaft. Das meldet das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer.

Die Theaterwissenschaften sollen dem "Kreuzer" zufolge auf drei Professoren und zwei weitere Mitarbeiter verzichten, so dass nur eine Professur über bleibt. Noch schlimmer sehe es bei der Klassischen Archäologie aus, wo die einzige Professur und alle Mitarbeiter gestrichen werden sollten. Bei der Physikalischen Chemie solle ein ganzer Lehrstuhl mit einer Professorenstelle und drei Mitarbeitern verschwinden.

"Bei den Archäologen und Theaterwissenschaftlern stehen just die Stelleninhaber kurz vor der Verrentung, deren Stellen gestrichen werden", gibt der "Kreuzer" als Hintergrund an.

Einer Vereinbarung mit dem Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zufolge muss die Uni Leipzig bis 2015 jährlich 24 Stellen streichen, obwohl die Studierendenzahlen kontinuierlich steigen. Bereits in den letzten Jahren hätte die Universität kürzen müssen, schreibt der "Kreuzer". "So sind etwa das Bauingenieurwesen oder die Komparatistik an der Uni Leipzig geschlossen worden oder befinden sich im Prozess der Schließung." Auch die Zukunft der Pharmazie sei nach wie vor unklar.

Günther Heeg, geschäftsführender Direktor des Leipziger Instituts für Theaterwissenschaft, wies gegenüber nachtkritik.de darauf hin, das Rektorat habe diesen Schritt "überfallartig bekannt gegeben". Die vorgesehenen Stellenkürzungen liefen auf eine Schließung des Instituts hinaus. Im Vorfeld habe es kein Gespräch des Rektorats mit den Betroffenen gegeben. Es seien auch keine Gründe für diesen Entschluss genannt worden, die Kriterien für die Entscheidung wurden zudem nicht offengelegt.

"Das unbegründete Vorgehen des Rektorats nach dem Zufallsprinzip trifft ein Institut, das nach den allseits anerkannten Bewertungskriterien wie Drittmitteleinwerbung und internationale Vernetzung hervorragend aufgestellt ist", so Heeg. Man werde, betonte er, die drohende Schließung nicht kampflos hinnehmen.

Inzwischen äußern mehrere Institutionen ihren Protest. So schreibt das Schauspiel Leipzig: "Ein Land, das sich selbst amputiert, ohne dass der betroffene Bereich krank ist, muss sich fragen, ob es sich nicht längst selbst auf einem höchst ungesunden Weg befindet. Leipzigs jahrhundertealte, stolze Theatertradition ist auch künftig ohne eine kontinuierliche öffentliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht denkbar. Die gegenwärtige finanzielle Situation lässt sich nicht durch ein Weniger an Geistesleben beilegen, sondern braucht – im Gegenteil – neues Denken." Und das Leipziger Lofft sekundiert: "Als das freie Theater in Leipzig ist das LOFFT angewiesen auf ein universitäres Theaterwissenschaftsinstitut, das aktuelle Theaterentwicklungen reflektiert und historisch verortet, das auch Chronist von Tendenzen dieser Stadt ist und sie in Beziehung zu nationalen und internationalen Entwicklungen setzt."

(Kreuzer / sd / dip)

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Kommentare  
Leipziger Theaterwissenschaft: welche Einzigartigkeit hat sie?
Theaterwissenschaftler aus Leipzig braucht die Welt wirklich nicht dringend, aber physikalische Chemiker und Pharmazeuten vielleicht doch wohl, deshalb ganz schließen die TW und die Stellen zurückführen wohin sie ursprünglich hingehörten und wirklich Sinn machen an die Theaterhochschule - ah pardon, die gibts ja auch nicht mehr, ja wohin denn nun damit, es muss sich doch ein Plätzchen finden. Im Ernst 4 Professuren für ein absolutes Nebenfach ist ein absurder Luxus, in Berlin an der HU hat man da ganz rigoros den ganzen TW-Bereich gestrichen - und keiner hat`s gemerkt. Welche Einmaligkeit zeichnet die Leipziger TW aus? Wäre das bekannt dann könnte man diskutieren, protestieren blockieren sich aufregen - aber so. Pech gehabt.
Theaterwissenschaft Leipzig: Geisteswissenschaft vernachlässigt
Pech gehabt??? Lieber Einer, das ist doch nicht wirklich Ihr Ernst! Hier geht es um die zunehmende Vernachlässigung der Geisteswissenschaften, und Sie tun das ab wie eine Banalität? Vielleicht denken Sie lieber einmal darüber nach, was es in der Konsequenz bedeutet, wenn immer mehr Institute dieser Art geschlossen werden. Ich bin zutiefst empört!
Leipziger Theaterwissenschaft: sind das Humanities oder kann das weg?
@1+2:
Statt Geisteswissenschaften würde ich lieber Humanwissenschaften (Humanities) oder Wissenschaft vom Menschen sagen.
Auf der einen Seite wird über die Verrohung der Gesellschaft geklagt, die nicht mehr schreiben, keinen gelesenen Text mehr verstehen, sich nicht mehr in Andere einfühlen und divergierende Meinungen aushalten kann, andererseits werden genau die Disziplinen abgebaut, die solche Fähigkeiten kultivieren. Und sei es nur, um die Erinnerung, dass es solche Kompetenzen mal gegeben hat, aufrecht zu erhalten.
Offenbar sind die Wirtschaftsprüfer jetzt völlig in ihrem Denksystem gefangen. Herzlich Willkommen zurück im Neandertal.
Leipziger TW: nicht besonders hervorgetreten
Dererlei Streichungen sind natürlich eine unschöne Sache und beeinträchtigen ungemein das Bildungsangebot. Allerdings muss man auch sagen, daß die Leipziger TW nur bedingt überragend in Erscheinung getreten ist in den letzten Jahren. Und wer in Leipzig in eine Theatertheoretisch-wissenschaftliche Richtung gehen möchte ist wahrscheinlich besser mit der Dramaturgie der HMT bedient (@1)
Man hat auch schon von diversen bösen Zungen gehört, daß die Leipziger TWler die sind, welche es in anderen besagten Studiengang nicht geschafft haben.

Das ist jetzt nur eine auf die Stadt bezogene Meinung. Andererseits ist diese Art von Umgang mit einem Institut und seiner Leitung ein Absolutes Unding - Verwaltungstechnisch, als auch bildungspolitisch gesehn. Und das haben die Herrschaften um Herrn Heeg, und er natürlich auch, nicht verdient.
Leipziger TW: unverzichtbar???
zu guttenberg: wer klagt über die Verrohung der Gesellschaft? und wie hat die blühende Theaterwissenschaft dem bisher widerstanden und wie wird nun die Verrohung fortschreiten, wenn es drei Professuren weniger gibt. Sie haben aber auch nicht richtig gelesen, ich schreibe die TW gehört IN LEIPZIG an die Hochschule für Musik und Theater. Als sie jedoch zusätzlich noch in Leipzig an der Universität entsprechend dem westdeutschen TW-Verständnis als universitäres Glasperlenspiel eingerichtet wurde, da war sie auf das bürgerliche Maß und Muster zurückgefallen oder empor gehoben, ganz wie Sie wollen, aber auf jedem Fall in diesem Moment entbehrlich, denn wodurch zeichnete sie sich denn jetzt gegenüber anderen TW-Bereichen an anderen Universitäten aus? Und übrigens: Schreiben sollte man schon bis zur 7. Klasse etwa gelernt haben – und dafür gibt es in Deutschland ein ganz brauchbares Schulsystem. Wenn das im Argen liegt, dann hat nun wirklich nichts mit den sich schon längst aus einem nachvollziehbaren und verständlichen Diskurs verabschiedet habenden Kunst- und Kulturwissenschaften zu tun. (Und nichts von "Wissenschaft vom Menschen" gefaselt bitte, oder haben sie die Stomatologie und ähnlich nützliche Lehren und Wissenschaften im Sinn). Zuguterletzt erklärt ja auch Prof. Heeg die Unverzichtbarkeit des TW-Instituts mit den zwei Kriterien die rein bürokratischen Charakters bzw. betriebswirtschaftlicher Natur sind : Drittmitteleinwerbung und internationale Vernetzung. Ich dachte immer Universitäten seien Orte der Lehre und Forschung und die Leistungen auf diesen beiden Feldern seien das Kriterium für die Güte eines Professors, eines Instituts, einer Universität. Verstehen Sie warum ich sage: Pech gehabt.
Leipzig TW: Die Intelligenz kastriert sich
@5: ja, das verstehe ich schon. Ich war auch entsetzt über die Argumentation von Prof. Heeg, wollte ihm aber nicht in den Rücken fallen. Bertolt Brecht hat zu dieser Form von vorauseilenden Rückgratverkrümmung mal eine berühmte Inszenierung gemacht: Der Hofmeister. Die Intelligenz kastriert sich, um Brosamen von der Tafel der Entscheidungsträger bittend. Was soll sie auch anderes machen? Verhungern? Zum Dank erhält sie den Gnadenstoß.
Aber ich bin zuversichtlich, dass auch die "Wirtschaftsprüfer" ihr 1789 erleben werden.
Leipziger Theaterwissenschaft: Gleichmachergesellschaft
Lieber Einer,

Ja ja, an der HU hat man die TW auch gestrichen, die konnten aber argumentieren, dass ja die FU noch ein Institut hat. Nun macht die TW der FU aber etwas völlig anderes. Sie hat einen anderen Theaterbegriff und eine ziemlich leidige aber Drittmittelstarke E. Fischer-Lichte als Kopf. Die Leipziger sind anders aufgestellt und vermitteln einen viel breiteren Theaterbegriff, der vor allem auch bei der Art und Weise des Denkens ansetzt. Klar, man kann sie schließen. Verloren gehen dabei nur einige Außenseiter, in einer Gleichmachergesellschaft vielleicht nicht so schlimm, in einer pluralen Gesellschaft schon. Jedes Forschungsrichtung hat ihren Sinn und Zweck, weil sie dazu beiträgt, unsere Gesellschaft am Laufen zu halten und die Absolventen der TW arbeiten heute beim Fernsehen, im Theater, an der Uni und sonst wo und können sich trotz allem auf eine gute Ausbildung berufen, genauso wie sie sich darauf berufen können, in interessante Forschungsgebiete eingeführt worden zu sein.

In diesem Sinne lieber Guttenberg ist ein wirtschaftliche Argumentation wahrscheinlich die einzig mögliche, um einer offensichtlich wirtschaftlichen Entscheidung etwas entgegen zu setzen.

Auch studieren die Leute nicht TW, die irgendwo anders nicht genommen wurden. Das mag für einige Erstsemester zustimmen, die das als Überbrückung nutzen, oder naturgemäß mit 19 Jahren einfach noch nicht wissen, was auf sie zukommt. Das gros hingegen weiß genau, was es da studiert!
Leipziger Theaterwissenschaft: gehe mit
@ Guttenberg: Die Intelligenz kastriert sich? Haben Sie schonmal drüber nachgedacht, dass Intelligenz nichts mit (männlicher) Potenz zu tun hat? Davon abgesehen, gehe ich mit Ihrer Kritik an der Ökonomisierung der Hochschulbildung mit.
Leipziger Theaterwissenschaft: Angstreaktion
ich gehörte zu denen, die sich mit ihrem Studienabschluss wegen der Abwicklung des TW-Institutes beeilen mussten. (...). So wie es in der industrie von statten ging, setzt es sich in der Forschung und Bildung nach dem langfristigen Kohl-Prinzig fort.
Seit ca. 2000 restauriert die zu tiefst bürgerliche Schicht ihre Auffassung von Gesellschaft als Angstreaktion auf die Krise. Aber damit wird alles unterwandert, was in den 1970er bis 1990er Jahren an Demokratischem und demokratisch Emanzipiertem geschaffen wurde.
Es wird immer gruseliger, weil das Denken und somit das Handeln verbreitet immer enger und kurzsichtiger wird. Sehr traurig für selbständig und unabhängig denkende Menschen!
Leipziger Theaterwissenchaft: Flurschaden
Die Debatte hier zeugt von einer gespenstischen Naivität. Da wollen Bürokraten in Leipzig ohne Angabe von inhaltlichen Gründen und ohne Kenntnis des Flurschadens, den sie anrichten, ein angesehenes Institut schließen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten durch kluge und streitbare Beiträge zum Theater, seiner Geschichte, Theorie und Analyse, durch wichtige Konferenzen und viele öffentliche Veranstaltungen hervorgetan hat. Offensichtlich hat weder "Einer", noch "Guttenberg", noch theArter irgendetwas davon gelesen, gehört oder gesehen. Aber Häme ausgießen. Das ist billig und dummdreist. Es ist nämlich keine Auszeichnung, wenn man nicht weiß, welche Bücher Heeg im Hauptberuf geschrieben hat. Und es zeugt von typisch deutscher Politikenthaltsamkeit, wenn man den Wissenschaftler, der politisch denkt und argumentiert, um sein Institut zu erhalten, dafür beschimpft. Drittmittel einwerben mag für Provinzkommentatoren wie Sie drei irgendwie anrüchtig erscheinen, aber es geht dabei schlicht und einfach darum, Nachwuchswissenschaftlern eine Möglichkeit zum Forschen zu verschaffen - und in Leipzig daneben um ziemlich wichtige Forschungsfragen.
Statt billige, von Ahnung ungetrübte Häme auszuschütten sollten alle, die sich für das Theater und seine Theorie interessieren, jetzt den Leipziger Theaterwissenschaftlern in ihrem Kampf gegen die neoliberalen Streichbürokraten den Rücken stärken. Hier steht nicht nur ein Institut zur Debatte, sondern hier geht es ganz allgemein darum, ob es unsere Gesellschaft hinnehmen will, dass man dort streicht, wo es um die Zukunft dieser Gesellschaft geht: Bei Wissenschaft und Bildung. Und ganz konkret geht es darum, dass wir auf Dauer nur eine lebendige Theaterlandschaft erhalten können, wenn ihr eine kritische, informierte und mit Kenntnissen ausgestattete Öffentlichkeit gegenübersteht. Diese Öffentlichkeit braucht die Theaterwissenschaft.
Leipziger Theaterwissenschaf: Liebe
@ Guttenberg: Und noch eine Sache: Wie kann ich Ihre Argumentationslinie in Bezug auf die "Verrohung der Gesellschaft" (3.) verstehen? Meinen Sie denn, dass es "die Geisteswissenschaften" sind, welche dagegen helfen würden? Ich würde eher sagen: Es helfen nur Menschen, wo Menschen sind. Sprich: Liebe.
Leipziger Theaterwissenschaft: universitär, nicht praktisch
Natürlich kenne ich Heegs (wesentlich vor seiner Leipziger Zeit geschrieben!) und Baumbachs Arbeiten z.B. - aber was in Teufels Namen hat das mit einer überproportionalen Ausweitung einer von vornherein falschen, weil universitären und nicht theaterpraktisch ausgerichteten Richtungsänderung der TW in Leipzig zu tun. Gehen Sie doch bitte auf Argumente ein und ballern Sie nicht beleidigend in der Gegend rum
Theaterwissenschaft Leipzig: Naivität
@ 10:
Sehr geehrter Herr Stillner, sie inszenieren sich als Menschenfreund ("es geht dabei schlicht und einfach darum, Nachwuchswissenschaftlern eine Möglichkeit zum Forschen zu verschaffen.") und spielen im gleichen Satz den Wadenbeißer, der seine Mitmenschen "Schnauze halten" ankläfft: "Drittmittel einwerben mag für Provinzkommentatoren wie Sie drei irgendwie anrüchig erscheinen."

Ihre Begründung: Wir hätten die Bücher von Heeg nicht gelesen. Das stimmt. Wer hat nicht irgendein Buch von irgendjemandem nicht gelesen.
Ein Gespräch - und ein Blog ist ein Salon - dient aber auch dazu, sich zu informieren. D.h. im Unterschied zu Wissenschaft in ein Gespräch auch einzutreten, wenn man sich nicht vollumfänglich informiert hat, sondern diese Information erst erlangen möchte.

Im übrigen könnte der Eine oder die Andere - mit Verlaub - auch ihre Argumentation "naiv" finden, Theater würde sterben, wenn sein Publikum nicht Theaterwissenschaft studiert hätte.
Als ob Theater von Theaterwissenschaftlern für Theaterwissenschaftler gemacht würde.
Ich habe nichts gegen Naivität. Nur sollten die Elche nicht aufeinander eindreschen.

Liebe Inga,
die "Kastration" ist wohl metaphorisch zu verstehen. Läuffer, die sehr sensible Hauptfigur des Hofmeisters, ist er Symbolträger. Nr. 7 leuchtet mir ein: In so heiklen Dingen muss man die Sprache sprechen, die von den Angreifern verstanden wird. Die dialektische Gefahr ist nur, dass man, wenn man das zu gewohnheitsmäßig tut, irgendwann selbst dran glaubt. Und das wäre für die Theaterwissenschaft eine großer Verlust. Ihr Sinn ist nicht die Einwerbung von Drittmitteln, Symposions-Tourismus, Publikationismus und Starkult.
Im übrigen gebe ich zu: ja, ich habe einen naiven Blick auf die Welt. Ich bin der "Arme Mann im Tockenburg", ich bin das Kind aus "Des Kaisers neuen Kleidern".
Theaterwissenschaft Leipzig: Chance lassen
Lasst uns doch bitte die Chance zu studieren, was wir wollen!
Theaterwissenschaft Leipzig: Autonomie des Denkens
"Ich möchte hier einmal festhalten, dass das geisteswissenschaftliche Klischee beileibe keine Kränkung ist, denn die wirklich wichtige Ausbildung im Denken, um die es in Institutionen wie dieser hier geht, betrifft gar nicht die Fähigkeit zu denken, sondern die Entscheidung für das, worüber es sich nachzudenken lohnt (...) Ich glaube, das geisteswissenschaftliche Mantra 'das Denken zu lernen', läuft im Grunde darauf hinaus, dass ich ein bisschen Arroganz ablege, ein bisschen 'kritisches Bewusstsein' für mich und meine Gewissheit entwickle..."
Ein großer Verdienst neben durchaus richtungsweisenden Publikationen und dem ganz und gar nicht unnützen sondern fruchtbaren "Symposions-Tourismus" in der TW Leipzig ist genau das, was in dem kurzen Zitat von Wallace beschrieben wird. Im Laufe des Studiums hat man ja immer wieder die Möglichkeit auch anderen Fächern zeitweise beizuwohnen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Autonomie des Denkenden nirgends soviel/so klug gefördert wurde. Und auf unabhängig Denkende, und seien es "nur" die paar TWler können wir nicht verzichten.
@Guttenberg: das die TW universitär und NICHT vornehmlich theaterpraktisch zeichnet sie aus! Das ist wirklich wichtig für diese Art von Lehre! Das sind zwei sehr unterschiedliche Disziplinen und es mag auch Menschen geben, die davon ausgehen, dass ein Dramaturgie-Ausbildung nicht der richtige Weg für sie sein mag um sich mit Theater(/Philosophie/Geschichte) zu beschäftigen. Ich selber bin im Theater tätig und ich kann sagen, dass das TW Studium dafür richtungsweisend war und die Arbeit enorm belebt und bereichert!
Theaterwissenschaft Leipzig: Zustimmung
@ Guttenberg: Eben, auch ich würde Nr. 7 zustimmen. Denn die Frage ist ja, trotz aller notwendiger wirtschaftlicher Argumente, immer noch die, wofür die Theaterwissenschaft eigentlich forscht. Für sich selbst (Drittmittel, Symposien, Publikations- und Wissenschaftsstars) oder für den Weg in eine andere Gesellschaft - als Beispiel siehe das Modell der Freien Internationalen Universität von Beuys: Bildung als Gemeingut, im Sinne von "Wir alle können Experten werden", auch ohne Fachbegriffe und Wissenschaftsjargon.
Theaterwissenschaft Leipzig: reich und frei
AUßERDEM geht es nicht bei solchen Kürzungen um die Kultur als solches? Um ihre Bedeutung und Wahrnehmung in einer Gesellschaft? Ich finde es ein starkes Stück von einer Universitätsdirektorin, eine Volluniversität mit kritischen Studenten offiziell zu wünschen und unterstützen - und gleichzeitig die kleinen Institute an denen kritisches Denken noch vermittelt wird (Mit 300 StudentInnen im Hörsaal ist das sonst kaum möglich) wegzurationalisieren. Es geht hier nicht nur darum, dass wir Theaterwissenschaftler ein Recht und ein Interesse an unserem Studiengang haben, sondern das eine Stadt wie Leipzig, und eine Gesellschaft wie die unsere, nicht vergessen sollte, das Kultur ein kostbares (in anderen Ländern und Systemen umkämpftes) Gut ist. Reich genug um es uns zu leisten und FREI genug um es zu nutzen sind wir doch alle mal.
Theaterwissenschaft Leipzig: welche Kultur?
Kultur nutzen, und reich genug - und die Fragwürdigkeit einer Kultur,
die im Verdacht steht im Niedergang zu sein, und immer mehr Platz macht und machen muss einer Welt der Technik und der Wissenschaft:
Fortschritt in der Zivilisation und wirtschaftliche Erfolge -
von welcher Kultur reden wir? Reden wir von einer Kultur des Niedergangs, Übergangs, oder neuen Aufstiegs?
Theaterwissenschaft Leipzig: freundlicher Ton
All diese kulturell und geistig so hochstehenden und erweckten Jünger und Verteidiger der leipziger Theaterwissenschaft sind weder fähig noch willens, ihren Ansichten widersprechende kleine Texte einzuordnen, zu bewerten und mit Gelassenheit argumentativ zu widerlegen - sie sind also dialogunwillig. Da aber der Dialog eines der zentralen Ereignisse des Theaters - noch immer - ist, scheint etwas mit der geistigen Sendung der TW nicht geklappt zu haben. Sie leiden an Selbstüberschätzung, was ja verständlich ist, aber doch nun nicht in Intoleranz umschlagen muss. Warum musste an der Uni Leipzig unbedingt ein TW-Institut gegründet werden, das müsste zuerst einmal geklärt werden; zweitens worin liegen wirklich die Unterschiede der Ausbildung an der HMT und der Uni und drittens braucht es wirklich vier Professuren - das sind die Fragen. Und die können durchaus freundlichen Tons beantwortet werden, oder aber in ihrer Berechtigung bestritten, aber zur Kennnis genommen werden sollten sie schon.
Leipziger Theaterwissenschaft: unfassbar
@Einer
Auch wenn Ihre Fragen bereits mehrfach in den anderen Beiträgen beantwortet und auch erläutert wurden, hier gerne nochmals:
1. Warum muss in Leipzig ein TW-Institut gegründet werden? Die Frage lässt sich bei jedem Studiengang stellen. Ich würde sie gerne umdrehen: warum nicht gerade in Leipzig? In einer Stadt, die seit Jahren über ein enorm großes kulturelles Angebot verfügt? Einer Stadt, die immer für ihren kulturellen Austausch, für Musik, Philosophie und Theater bekannt war? Eine Stadt, in der es - im Verhältnis zu ihrer Größe - eine enorm große und vielfältige Theaterlandschaft gibt? Und nicht zuletzt in einer Stadt, die immer bekannt war für ihren Fokus auf die geisteswissenschaftlichen Studiengänge? Warum sollte es in einer solchen Stadt nicht einen Studiengang geben dürfen, der sich auf einer wissenschaftlichen Weise, konkreter noch auf einer historischen, anthropologischen, intermedialen sowie auf einer kritisch reflektierenden Weise mit ebendiesen Feldern auseinandersetzt? Warum darf es das nicht, wenn der Nährboden mehr als geschaffen dafür ist?
Das leitet direkt über zu ihrer zweiten Frage: Die Ausbildung an der HMT ist - wie es der Name schon sagt - eine Ausbildungssstätte. Dort werden konkret Schauspieler, Dramturgen, Regisseure etc. für ihr Berufsfeld ausgebildet, in dem sie später konkret arbeiten werden. Theaterwissenschaft aber bedeutet - auch wie der Name 'Wissenschaft' schon sagt - neben Ausbildung auch Forschung. Gerade dieser Forschungszweig, die Möglichkeit einer verstärkt wissenschaftlich-theoretischen Auseinandersetzung (die immer auch eine kritische Reflektion der Praxis einschließt!) unterscheidet diese beiden Studiengänge enorm. Damit möche ich nicht sagen, dass das eine wichtiger ist, als das andere, beides sind hochqualifizierte Studiengänge und für beide sollte Platz sein!
Zuletzt zu der dritten Frage: warum 4 Professuren? Durch die vier Professuren ist ein enorm vielfältiges Lehrangebot gewährleistet: unterschiedliche Schwerpunkte, unterschiedliche Pespektiven und unterschiedliche methodische Herangehensweisen, die gerade in ihrer Verbindung das Theater als kulturelle und gesellschaftliche Praxis deckenfächend beleuchten! Und dabei werden ganz nebenbei Forschungsschwerpunkte angeboten, die es deutschlandweit nur hier gibt. Ein Gegenargument für diese Vielfältigkeit würde dementsprechend auch gegen die Perpektive eines jeden vielfältigen Studiums sprechen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Argumentation mehr als erschreckend wäre...
Ganz nebenbei stellt sich aber im Moment auch nicht die Frage, warum das Institut für TW vier Professoren braucht. Das ist momentan nicht der Punkt. Es geht im Moment nicht darum, eine oder zwei Professoren-/Mitarbeiterstellen zu kürzen, sondern darum, das gesamte Institut (unbegründet!) zu schließen! Und damit ein Insitut, das nach den allgemeinen Bewertungkriterien hervorragend aufgestellt ist, enorm gefragt ist und letztlich alles andere als ein Orchideenfach darstellt. Das ist der zentrale Punkt, um den es gerade geht. Und genau der ist unfassbar.

Ich erachte Ihre Fragen hiermit als ausreichend beantwortet.
Leipziger Theaterwissenschaft: faktisch abgewickelt
Also der Reihe nach, Herr Einer:
- "Warum musste an der Uni Leipzig unbedingt ein TW-Institut gegründet werden, das müsste zuerst einmal geklärt werden;"

Die Theaterwissenschaft gehörte in den vergangenen Jahrzehnten zu den Fachdisziplinen, von denen besonders viele fächerübergreifende Impulse ausgingen, weshalb an vielen Universitäten eine große Zahl neuer Professuren auf diesem Gebiet eingerichtet wurden. Der Theaterbetrieb hat sich rapide verändert, so dass ganz allgemein das "Meisterschüler"-Prinzip, das noch an Theater-Hochschulen wie der Leipziger gepflegt wird, als überholt erscheinen muss, zumindest, wenn es um den Nachwuchs für den Bereich der Dramaturgie, der Kulturvermittlung und der Reflexion geht. Die Theaterhochschule in Leipzig hat daraus ja selbst schon die Konsequenzen gezogen mit dem Beschluß, Carl Hegemanns Stelle nach seiner Pensionierung nicht neuerlich mit einem Professor für Dramaturgie zu besetzen.

"zweitens worin liegen wirklich die Unterschiede der Ausbildung an der HMT und der Uni"

Ganz einfach: Die HMT schreibt sich wie alle entsprechenden Hochschulen "Ausbildung" auf die Fahnen. Sie ist am bestehenden Betrieb ausgerichtet. Dagegen geht es in der Uni um "Bildung", d.h. um die Vermittlung von Fähigkeiten, die über den bestehenden Betrieb mit seinen Einschränkungen hinaus auch auf ein Theater vorbereiten, "das wir heute noch nicht kennen" (Heiner Goebbels).

"und drittens braucht es wirklich vier Professuren"

Solange die Theaterwissenschaft zu den meistgefragten Studiengängen gehört - und zwar in der ganzen Bundesrepublik - mit Quoten, die im Schnitt bei Zehn bis zwanzig Bewerbern auf einen Studienplatz liegen, solange erscheinen mir vier Professuren in Leipzig nicht sehr viel zu sein. Aber bedenken Sie: Es gibt im deutschsprachigen Bereich insgesamt nur ungefähr 30 Professuren auf diesem Gebiet. Werden in Leipzig 3 Professuren gestrichen, dann heißt das, dass ein Zehntel der Professuren dieses kleinen Orchideenfachs gestrichen werden. Übertragen Sie das mal auf große geisteswissenschaftliche Fächer wie die Germanistik. Da würden dann hunderte Professuren gestrichen.


"- das sind die Fragen. Und die können durchaus freundlichen Tons beantwortet werden, oder aber in ihrer Berechtigung bestritten, aber zur Kennnis genommen werden sollten sie schon."

Es gibt aber noch viele weitere Fragen: Warum trifft der Leipziger Kahlschlag mit dieser Wucht dieses eine, sehr erfolgreiche Institut? Warum jetzt? Mit welchen Gründen? Mit welchen Betroffenen wurde zuvor gesprochen? Was bedeutet dies für längerfristige Projekte und Kooperationen? Was bedeutet es, wenn die einzige Theaterwissenschaft in den neuen Ländern damit faktisch abgewickelt wird? ...
Theaterwissenschaft Leipzig: historischer Abriss
Sehr geehrter Herr Einer,
von Ihren pauschalen Vorwürfen und Unterstellungen gegenüber Theaterwissenschaftlern einmal abgesehen, möchte ich zu Ihrer Frage "Warum musste an der Uni Leipzig unbedingt ein TW-Institut gegründet werden, das müsste zuerst einmal geklärt werden; zweitens worin liegen wirklich die Unterschiede der Ausbildung an der HMT und der Uni und drittens braucht es wirklich vier Professuren" kurz einwerfen: Nach dem Ende der DDR wurde 1992 die Theaterhochschule "Hans Otto", die sowohl die wissenschaftlich-theoretische wie die praktische Ausbildung verbunden hatte, aufgelöst. Grundlage dafür war das Sächsische Hochschulstrukturgesetz. Das Institut für Theaterwissenschaft wurde zur Fortführung der wissenschaftlich-theoretischen Forschung und Lehre innerhalb der Fakultät GKO der Universität Leipzig etabliert, während die Studiengänge Schauspiel und Dramaturgie der Hochschule für Musik angegliedert wurden, die in Hochschule für Musik und Theater umbenannt wurde.
Mit diesem historischen Abriss ist auch schon klar, wo der Unterschied liegt: Ein Schauspieler oder ein Dramaturg sind Praktiker, keine wissenschaftlich-theoretisch und schon gar nicht forschend Tätigen. Theaterwissenschaft studiert, wer etwas über Theater, Tanz, Performance und die verbundenen Künste wissen will. Die Motivationen dafür sind unterschiedlich, ebenso wie die anschliessenden Berufwege in Theater, Film, Fernsehen, Journalismus und der sonstigen Medien- und Kommunikationsbranche. Zur Frage der Anzahl der Professuren hat Herr Stillner bereits alles geschrieben.
Theaterwissenschaft Leipzig: dafür kämpfen!
Jede Schließung einer universitären Einrichtung ist eine Amputation von zukünftigen Denk- und Lernmöglichkeiten. In einem so kleinen Fach ist der Wegfall eines ganzen Instituts eine Katastrophe. Das schon zu DDR Zeiten u.a. durch die hervorragenden theaterhistorischen Forschungen auch im Westen rezipierte Institut muss unbedingt erhalten werden! Dafür muss man kämpfen! Es ist ein Institut, das kurz vor einem Generationenwechsel steht und damit vor neuen neue Impulsen, Studienausrichtungen, Fragestellungen.
Theaterwissenschaft Leipzig: Online-Petition
http://www.change.org/de/Petitionen/tw-in-le-muss-bleiben
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