Dada lebt

17. Dezember 2023. Nach ihrem erfolgreichen Ernst-Jandl-Abend "humanistää!" haben Claudia Bauer und Peer Baierlein sich nun einen Dada-Klassiker vorgenommen und machen auf der Grundlage von Kurt Schwitters' "Ursonate" reinstes, prallstes Musiktheater.

Von Georg Kasch

"Ursonate" © Eike Walkenhorst

17. Dezember 2023. Wenn gefühlt jeder zweite krank ist, will man von der Bühne nicht auch noch angeniest werden. Es sei denn, dieses Niesen ist derart kunstvoll choreografiert wie hier: ein Zwitschern und Sirren, ein Tröten und Flirren, dazu zappeln die Schauspieler:innen-Glieder und flattern Papierschnitzel durch die Luft, als wären‘s weiße Blütenblätter. Sie tragen hinreißend schräg sitzende graue Anzüge und schauen uns aus ihren reichlich wimpernbetuschten, aufgerissenen Augen mit Kampfbereitschaft und Angstlust an. Und dann geht es schon wieder los: "Rakete rinnzekte" und "fümmsböwötää" und "Rrnnf". Herrlich!

Natürlich konnte man ahnen, dass Claudia Bauer, Peer Baierlein und Kurt Schwitters' "Ursonate" eine gute Kombination ergeben würden. Schließlich haben Regisseurin und Komponist in "humanistää!" schon Ernst Jandls konkrete Poesie zu einem Bühnenereignis aus Rhythmus, Melodie, Sprechgesang und (Alb-)Traumchoreografie gemacht. Allerdings ist Schwitters der weitaus härtere Brocken. Sein Dada-Gedicht "Ursonate", geschrieben 1922 bis 1932, nutzt zwar die tradierte klassische Form, zeigt aber, dass im Ersten Weltkrieg neben der politischen Ordnung auch der Glaube an Sinn und Verstand zerbröselte. Was vom hohen Ton blieb, war völlige Bedeutungslosigkeit.

Auflösung der Sinnzusammenhänge

Wobei: So ganz stimmt das nicht. Denn wir, das in Sinnproduktion geschulte Publikum, hören im Deutschen Theater ja doch etwas, ein "See you", ein "Danke", ein "Icke" (in Berlin geht das als Selbstbezeichnung durch). Allein: Das steht so nicht im Text (den man hier in all seiner Schönheit und Notation nachlesen kann). "Icke" erweist sich als "Eke". Dennoch kann man, wenn Mareike Beykirch mit diesem Wort einen Wutausbruch bekommt, den Dirigenten mit ihren Noten bewirft, den Vorhang runter- und den Fußboden aufreißt, das natürlich als Kommentar auf Egoprobleme lesen. Wie eine Satire auf toxische Männlichkeit wirkt, als Anita Vulesica in einer Unterhose, aus der ein armseliges Würstchen lugt, sich breitbeinig in den Vordergrund krächzt und klingt wie Charles Chaplins "Der große Diktator".

Dieser Chor hebt erst die Notenständer, dann die Welt aus den Angeln: Moritz Kienemann, Lenz Moretti, Vanessa Loibl, Mathilda Switala, Janek Maudrich; hinten: Anita Vulesica © Eike Walkenhorst

Nur: Am Text liegt’s nicht. Wie sich die Sinnzusammenhänge allmählich auflösen, demonstriert Schwitters' Erzählung "Franz Müllers Drahtfrühling" zu Beginn: Ein Mann steht herum, und weil einige (darunter, sehr komisch, der Kunstkritiker Dr. Feuerharke nebst Gattin) nach dem Sinn und Zweck fragen, endet das in einer Massenhysterie und Revolution. So weit kommen die Schauspieler:innen aber gar nicht. Denn schon bald zerbröseln ihnen die Worte, schnarren nur noch Silben und Buchstaben.

Im Dada-Gedächtniszimmer

Schon sind wir mitten in den vier Sätzen der "Ursonate", die hier den schönen Zusatz "[Wir spielen, bis uns der Tod abholt]" trägt. Stimmt: Acht Ausnahme-Spieler:innen in Höchstform tänzeln über die Bühne, in absurden Turm-, Topf- und Lockenfrisuren, zunächst in weißen Kleidern, die wirken, als sei Kostümbildnerin Vanessa Rust der Tüll explodiert. Apropos Bühne: Der riesige Zylinder, den wir zunächst sehen, entpuppt sich als Halbrund, in dem Patricia Talacko ebenso Platz für einen Lametta-Flur geschaffen hat wie für ein Dada-Gedächtniszimmer und Projektionen (etwa von Schwitters Taktangaben, Satzbezeichnungen oder Großaufnahmen).

Ursonate4 c Eike WalkenhorstWie es durch ihre Glieder zuckt! Moritz Kienemann, Mathilda Switala, Janek Maudrich, Mareike Beykirch, Vanessa Loibl © Eike Walkenhorst

Hier jagt die verrückte Truppe also mal durchs Innen (da bleibt ihnen Kameramann Dorian Sorg auf den Fersen), mal baut sie sich draußen auf wie zum Chorkonzert: vor sich der Notenständer, im Graben Dirigent Yannick Wittmann mit präzisen Einsätzen. Sie gurren und schnarren, keckern und prusten die Laute hervor, und das wird immer dann hypnotisch, wenn sich die Rhythmen im Graben mit denen auf der Bühne reiben. Oder wenn Harmonien aufblühen, durchaus auch fiese, etwa beim vergifteten Marsch. Oder wenn man mal meint, einem Requiem beizuwohnen, dann wieder einer Arie. Dazu weben Maria Schneider und Lih Qun Wong an Schlagwerk, Vibraphon und Cello am Sound quer durch den musikalischen Gemüsegarten, wobei das Minimalistische dominiert und auch sehr schön klingt.

Reines Musiktheater

Natürlich denkt man, kaum rattert und zuckt diese Truppe los, an Herbert Fritsch, schließlich hat er mit "Murmel Murmel" und seinen Nachfolgearbeiten dem (Neo-)Dada den Weg auf die große Bühne geebnet. Und doch sind diese zappelnden Figuren Kunstmenschen aus sehr eigenem Recht. Auch, weil man sie im Konkreten der Erzählung kennenlernt und ihren hinreißenden Kapriolen bis in die kleinsten Manierismen folgt: Moritz Kienemann verheddert sich wie ein kaputter Roboter in Bewegungsdetails, Janek Maudrich schlottern die Schlangenbeine, Mathilda Switala staunt rätselhaft, Jens Koch schüttelt enthemmt die Hüften, Lenz Moretti zermalmt die Laute ganzkörperlich, Vanessa Loibl singt ein großes Popsolo (eigentlich schön, dass man mal keinen banalen Text dazu hören muss).

Am Ende ist von Dada alles Historische, Vergilbte, Fußnotenhafte abgefallen und zu reinstem, prallsten (Musik-)Theater geworden, hemmungslos, hochkomisch, staunen machend. Eingangs zitieren die Spielenden Schwitters' "PIN": "Language is only a medium to feel. Do you understand that?" Jetzt ja.

Ursonate [Wir spielen, bis uns der Tod abholt]
eine dadaistische Sprechoper von Kurt Schwitters
Regie: Claudia Bauer, Komposition: Peer Baierlein, Bühne Patricia Talacko, Kostüme Vanessa Rust, Video: Jan Isaak Voges, Licht: Cornelia Gloth, Dramaturgie: Daniel Richter.
Mit: Mareike Beykirch, Moritz Kienemann, Jens Koch, Vanessa Loibl, Janek Maudrich, Lenz Moretti, Mathilda Switala, Anita Vulesica, Yannick Wittmann, Maria Schneider, Lih Qun Wong, Dorian Sorg.
Premiere am 16. Dezember 2023
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

www.deutschestheater.de

 

Kritikenrundschau

"Das ist sehr fein gebaut", findet Michael Laages im Deutschlandfunk Kultur (16.12.2023), musikalisch "manchmal ein bisschen langweilig, weil Baierlein immer Wiederholungen einbaut, die aber dem Spiel, der Wahrnehmung im Publikum enorm helfen." Die Popshow im Graben sei durchaus angemessen. "Wer mit offenen Sinnen da reingeht und sich einlässt auf einen Text, der kein Text ist", der sei gut aufgehoben.

"Das Chorensemble ist großartig einstudiert und hält die Spannung im aggressiven, militanten, wütenden wie im pathetischen, verzagten, knurrigen Gestus. Claudia Bauer glückt eine hinreißende Balance zwischen den heterogenen ästhetischen Elementen, die von komischen gruppendynamischen Ritualen bis zur närrischen Demontage männlicher Verhaltensmuster reichen", schreibt Irene Bazinger von der FAZ (18.12.2023). "Elegant wie gescheit gibt Claudia Bauer dem Chaos eine überzeugende Form und der Form den schönsten Unfug. Ihre kunstvoll gelungene Regie-Collage ist so abstrakt frei wie konkret beredt."

"Man spürt es in den tief liegenden Schichten des Nervensystems. Ausdruck und Moment finden zusammen, als würden mit einem unhörbaren Knacksen die Gelenke der Zeit einrasten. Gerade auch durch die Wiederholungen und die Freuden des Drills. Da! Wir fliegen! Kurze Schauer durchrieseln den Zuschauer. Das sind die Wonnen des Gelingens", beschreibt Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (17.12.2023) sein Erleben.

"Ob sich Kurt Schwitters, Vetreter einer Kunst, die das nutzloseste aller Dinge auf der Welt sein soll, für diesen Hintersinn begeistert hätte?", fragt Barbara Behrendt im RBB (18.12.2023). "Sicher doch. Denn vor dem Sinn steht die lautmalerische Sinnlichkeit." Bauers Inszenierung glänze und funkele als dadaistisches Sprachfest. "Ungeheuer komisch."

"Die ganze Anstrengung dieses Theaterabends, und es ist eine gewaltige, beruht darin, Sinn zu stiften, wo zuvor keiner zu erkennen war. Claudia Bauer und ihr Ensemble zähmen Schwitters, sie machen ihn konsumierbar. Das schallende Lachen des Publikums zeugt auch ein wenig von der Dankbarkeit, nicht mit Bedeutungslosigkeit konfrontiert zu werden", schreibt Michael Wolf in nd.DerTag (18.12.2023). "Anderes gesagt: Mit Dada oder mit 'Merz' hat das, was auf der großen Bühne des Deutschen Theaters stattfindet, nicht mehr viel zu tun. Das ist intellektuell enttäuschend, doch wird man mit großem Quatsch entschädigt."

"Vermutlich um der Weihnachtsbesinnlichkeit zu entgehen", rette sich das Deutsche Theater mit Claudia Bauers "ziemlich hinreißender Inszenierung" in den "höheren Quatsch und eine vorzeitige Silvesterpremiere", mutmaßt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (19.12.2023). "Tiefsinn und anstrengende Behauptungen von Avantgarde und Dekonstruktion sind nicht zu befürchten", berichtet der Kritiker. "Worte sind an diesem Abend zum Spielen da, nicht zum Rechthaben."

Claudia Bauers Inszenierung setze die Schauspieler, von denen viel neu am DT seien, häufig als Chor ein, schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (19.12.2023). "Man lernt sie mit diesem Stück als ein erstaunlich gut singendes Ensemble kennen und bewundert zugleich die Perfektion ihrer Sprachakrobatik", so die Kritikerin. "Sie feuern die Zeilen der Ursonate teils in einer Geschwindigkeit ab, die Lippen, Zunge und Kehle viel Ungewohntes abverlangt. Nicht zuletzt ein Staunen über diese Leistung macht den Reiz des Abends aus."

"Schwitters ist sinnfrei, aber kein Nonsense: eine höchst schwierige Balance", gibt Rüdiger Schaper im Tagesspiegel (23.12.23) zu bedenken. In Claudia Bauers Inszenierung werde zu Live-Musik "gewalzert, marschiert, geträumt und gekämpft", die Regisseurin dehne und illustriere "das abstrakte Sprachkunstwerk", alle seien "permanent im Panikmodus unterwegs". Die "ganze Aufmachung und Mimik" erinnere "heftig an das Theater des Herbert Fritsch", der "lange schon perfektioniert" habe, was Bauer "jetzt auch zu ihrem Markenzeichen" mache, so der Kritiker. Sein Fazit: "Claudia Bauer will Entertainment. Sie will es vielleicht allzu sehr. Die Wiederholungen der Gruppenexerzitien bekommen etwas Zwanghaftes. Zwischendurch verleitet ihre 'Ursonate' auch immer mal zum Blick auf die Uhr."

Kommentare  
Ursonate, Berlin: Eitles Gemisch
Es ist schon seltsam, wie man selbst Kurt Schwitters und Dada gewissermaßen durch mangelnde Werktreue kaputtkriegen kann. Schwitters bildet mit (Ur-)Lauten musikalische Verläufe ab. Hier werden diese Verläufe ignoriert und stattdessen mit einer mittelmäßigen angejazzten Theatermusik übergossen, die dem Schwitters den Zahn zieht. Dazu kommen Mätzchen (Georg Kasch nennt das oben Kapriolen und Manierismen) der Schauspieler: Heraus kommt ein unglaublich eitles, kunstgewerbliches Gemisch. Die Qualität der Schauspieler kann man an so einem Abend nicht beurteilen, denn solche "Kapriolen" kann auch jeder Schauspielschüler herstellen. Das Publikum gluckste auch noch bei der x-ten Wiederholung, aber das hilft über den hohlen Charakter der Veranstaltung nicht hinweg. Allerdings muss man zugeben, dass der 1. Teil mit dem "Drahtfrühling" noch spannend und unterhaltsam war. Da musste ja auch keine musikalische Grundstruktur zerstört werden.
Ursonate, Berlin: Zu 'O Mat'
Sehr geehrter Herr 'O Mat':
Oooooooooooooooooooooooooooooooo
Bee bee bee bee bee
Ursonate, Berlin: Kunstgewerbe
O Mat kann man nur zustimmen. Selten ein Stück erlebt, dass mit vordergründiger Virtuosität so stark den Applaus herausfordernd einheimscht, erinnerte ein wenig an die gute alter Serie "Väter der Klamotte". Nach 10 Minuten hat man das künstlerische Prinzip des Abends durchschaut, die nachfolgenden Redundanzen lassen sich bestenfalls schlummernd noch ertragen. Dann lieber kein Theater als dieses Kunstgewerbe. Und dann wurde noch nicht mal geklärt, warum man Schwitters mit dieser Theatermusik, die man bestenfalls als Steve Reich für Arme bezeichnen kann, malträtiert wurde.
Ursonate, Berlin: WEEEEEERktreue
Würde die Partitur vin Schwitters "im Originall" aufgeführt könnte man einen Plattenspieler auf die Bühne stellen und Kurt Schwitters eigene Version von 1932 abspielen. Oder sich auf youtube durchzappen. Da tragen meist ältere Herren den Text solistisch auf einer Bühne stehend vor. Dauer zwischen 30 und 35 Minuten.
Die Aufführung gestern versucht etwas anderes. Sie ist Musiktheater. Gutes.
Ursonate, Berlin: @Urlaut
Musiktheater? Gutes? Sorry, aber der Materialstand zeitgenössischen Musiktheaters sieht etwas anders aus als das gestrige Resultat. Das fängt bei der Rhythmik und der Harmonik an.
Ursonate, Berlin: Kunstgewerbe
Claudia Bauer ist beim Kunstgewerbe angelangt. Hat man alles schon besser in Wien, Leipzig, Volksbühne gesehen. Die Schauspieler:innen bleiben Schauspieler:innen und keine Sänger:innen. Musikalisch unausgegoren. Kostüme wie immer. Bühne auch. So weit so langweilig.
Ursonate, Berlin: Nullität
In den Kommentaren wird hier das Kunstgewerbe beschrieben und freigelegt, aber die Kritiker_innen sind aus dem Häuschen. Je weniger Inhalt, je weniger verhandelt wird, desto zufriedener scheinen sie nach Hause zu gehen. Muss frau darin einen Hinweis auf den Zustand des Theaters sehen? Und weiter noch: auf den Zustand der Intellekutellen? Wenn Theater nur noch als selbstgenügende und selbstverliebte Weltflucht dient, dann ist doch etwas faul auf den Bühnen. Vielleicht hat ja auch das lange so erscheckende Wegschauen von den Weltkonflikten, das Verkennen der Lage damit zu tun, dass Theater und Theorien in die Selbstbezüglichkeit sich geflüchtet haben. Ein solcher Abend am Deutschen Theater, am wohl bedeutendesten Theater in Deutschland (Esther Slevogt hat ein Buch darüber geschrieben) ist ein Offenbarungseid der Nullität.
Ursonate, Berlin: Viel verhandelt
Oha... hier geht's ja wieder heiß her.
Also ich hab ja den Verdacht, dass sich hinter O-Mat und Orlando.Sch sich verwandte Seelen gefunden haben. Ein Schelm wer denkt, dass es sich um die gleiche Person handeln könnte.

Ich war in der Premiere als großer Schwitters-Fan und habe es sehr genossen. Das man aus den Kritiken liest, dass in dem Abend nichts verhandelt wird, wie es Stegemann-Leserin fabuliert, da muss ich an die Kalenderweisheit denken, dass Rezipient:innen vor allem wahrnehmen, was sie sehen/lesen wollen. Ein Bias sozusagen. Meine Meinung: Der Abend verhandelt viel, Schwitters ist hochaktuell und ich glaube, da ist sehr viel Meinung und sehr wenig "Ich weiß wovon ich spreche, weil ich die Inszenierung gesehen habe" in Beitrag #7.
Ursonate, Berlin: Schade
am wohl bedeutendesten Theater in Deutschland (Esther Slevogt hat ein Buch darüber geschrieben)

allein diese Schlussfolgerung ist schon fragwürdig....


Ich finde den Abend vor allem schade.
- Schade, dass sich so langweilig wiederholt wird.
- Schade , dass so früh eine Masche aus einer einmal guten Idee wurde.
- Schade, dass so viel Arbeit (denn die ist offenisichtlich) in so wenig gutes Resultat mündet
- Schade , dass sich etwas Musiktheater nennt, das vor allem musikalisch so dürftig bleibt.

(...) und verschlang die kleine fade Made ohne Gnade. Schade!
Ursonate, Berlin: Dada lebt
Leider kann ich nicht glauben, dass Dada lebt und am Samstag habe ich nur gesehen und gehört, dass Dada mausetot ist und keinem Menschen mehr irgend einen Sinn geben kann.
Dada war groß, als er noch Anarchistisch war, ein Aufschrei, eine Empörung, eine Zerstörung aller ungerechten und verzweifelten Seinsformen, ein Protest!
Hier ist alles nur konform, die Kritiker lächeln und schlafen und sind beruhigt, nichts geht weiter, alles wie immer. Nur gesagt wird nichts, GAR NICHTS!
Die neue Intendanz setzt sich leider den Konflikten dieser Welt mit ihren Spielern und Regisseuren/Innen nicht aus. Sie sucht den Mainstream.
Und der ist immer von Gestern.
Eigentlich nur traurig.
Und langweilig.
Auf zu neuen Taten!
Ursonate, Berlin: Eins zu drei
Es fällt auf, daß auf einen psoitiven Kommentar sofort negative Kommentare folgen.
Ist hier ein Neider unterwegs?

Ich habe mich sehr viel mit der Ursonate beschäftigt und kann sie fast auswendig.
Zum Thema Werktreue: Die Ursonate wird an diesem Abend fast zu 100% so wiedergegeben, wie sie von Kurt Schwitters niedergeschrieben wird.
Setzen Sie sich gerne mit dem Original-Text in die nächste Vorstellung und vergleichen Sie...

Zu Herrn 'O Mats' Kommentar: Der Verfassende dieses Textes muß schon ein sehr sehr gebildeter Mensch sein, wenn er sowohl die Musik so gut beurteilen kann, als auch die schauspielerische Leistung, als auch die Werktreue. Hut ab. Ein auf so vielen Feldern so gebildeter Mensch fordert mir größten Respekt ab. Was Sie alles wissen !

Zum Thema 'Steve Reich für Arme':
Es ist sehr seltsam zu lesen, daß sich sämtliche Kritiken sehr positiv über die musikalische Vielfalt des Abends äußern. Es scheinen dies alles sehr ungebildete Menschen zu sein auf musikalischem Gebiet.

Zum Thema Rhythmik und Harmonik: Da saß wohl jemand mit absolutem Gehör im Publikum, der sämtliche Harmonien bzw. nicht vorhandenen Harmonien sofort erkannt hat. Auch hier: Respekt. Mir ging es anders.....und wie oben bereits erwähnt, vielen Kritiker:innen anscheinend auch.

Zum Thema 'hat man schon alles besser in Wien, Leipzig und der Volksbühne gehört': Tatsächlich ein Zuschauender, der Frau Bauer überall hin nachreist - sogar nach Wien - obwohl er wie bei der 'Ursonate' so schlimme Theaterabende mit ihr erlebt.

Zum Thema ' Je weniger Inhalt, je weniger verhandelt wird...': Ich konnte während des gesamten Abends eine Art Lebensgeschichte von Kurt Schwitters erkennen, angefangen beim 1. Weltkrieg. Schade, daß die Phantasie mancher Menschen nur das (nicht) sieht, was sie (nicht) sehen will. Dies ist wahrscheinlich dem Zeitalter der Handys und sozialen Medien geschuldet, mit denen oft die eigene Phantasie eingeschläfert wird.

Zum Thema:'Schade, dass sich so langweilig wiederholt wird': haben Sie jemals die Original-Fassung gelesen? Es gibt in obiger Kritik einen Link. Machen Sie sich gerne die Mühe - dann werden Sie erkennen, daß die Ursonate von diesen Wiederholungen lebt und durchzogen ist. Und auch hier mein Ratschlag: gerne nochmals mit der Original-Fassung in eine der nächsten Vorstellungen gehen und vergleichen.

Ich weiß, daß auf diesen Kommentar sofort wieder 2-3 schlechte Kommentare folgen werden.
Wobei wir wieder am Anfang meines Textes wären.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ursonate, Berlin: Argumente, Baby!
Anstatt über Identitäten zu spekulieren (so blöd bin ich auch nicht, dass ich auch noch als Orlando.sch auftreten müsste), könnte "TeEss" ja mal einfach sagen, was an diesem Abend verhandelt wird und was an Schitters hochaktuell ist. Ich sehe im Beitrag von "Te Ess" überhaupt kein "Ich weiß wovon ich spreche" sondern nur Meinung. Argumente, Baby, Argumente!
Ursonate, Berlin: Geschätzte Exegese
Lieber Peter Ol., unsere Kommentare haben sich überschnitten. Ich bin zwar nicht überzeugt von dem, was Sie zum musikalischen Part sagen und finde auch Ihre Bewertung von negativen Kommentaren als Neid ihrerseits ressentimentgeladen (warum darf es nicht Leute geben, die diesen Abend nicht mögen) aber ich schätze ihre Exegese. Dafür danke.
Ursonate. Berlin: Epigonal
Einst bereitete Herbert Fritsch mit seinen Leuten und Abenden an der Volksbühne wie MURMEL MURMEL oder PFUSCH den Boden für das, was nun am DT epigonal folgt. Nun kann man sagen, dass dies zu allen Zeiten in der Kunst passierte: Große Künstler entwickelten eine Handschrift und nachkommende Künstler kopierten oder zitierten. Hier ist die Abschrift jedoch so eindeutig, dass es ärgerlich wird.
Schade, denn das Vorhaben war so gut.
Ursonate, Berlin: Zitat des Zitats des Zitats
Ich saß auch in der Premiere und war enttäuscht von Claudia Bauer. Es wirkte wie ein Zitat des Zitat des Zitats. Bauer kopiert Fritsch kopiert ihre ehemaligen eigenen Arbeiten. Abgestanden, eine Kunstverrichtung, die sich eitel selbst feiert und aus allen Poren schreit: schaut her, ich bin der Regienabel der Welt und echt geil. Leider nein. Das WAR Frisch vor 10 Jahren. Aber eben wirklich geil und vor allem originär. Bauers DT-Debut ist Kunsthandwerk und wird im Feulliton gelobt, weil daneben am DT nur noch dünnere Inszenierungen zu sehen sind.
Ursonate, Berlin: Fritsch-Theater
Mein Vorstellungserlebnis trifft die Besprechung im Tagesspiegel am besten: Fritsch-Theater hier als Claudia Bauer gelabelt. Das ist richtig peinlich, Frau Bauer und Frau Laufenberg! Aber dann passt es immerhin in die Theatertreffenfrauenquote, wenn statt Herr Fritsch (Mann) dann Frau Fritsch alias Bauer (Frau!) geladen werden kann.
Wo ist die Claudia Bauer der Leipziger Arbeit „89/90“? Seit „humanitä“ immer das selbe. Schade. Sehr schade.
Ursonate, Berlin: Laaangweilig
Sehr geehrte Verfasserinnen und Verfasser der Kommentare,
Es ist Ihr gutes Recht, diesen Abend nachahmend, repetitiv und/oder einfach gar öde zu finden.
Aber in den meisten Kommentaren zu lesen, wie Frau Bauer sich nur noch in ihrer Kunstgewerblichkeit immer wiederholt, außerdem sowieso alles nur bei Herrn Fritsch geklaut hat, das alles ja gar nicht neu und frisch ist und das DT samt seiner Intendantin sowieso peinlich, ist, bei allem Respekt, mindestens genauso unoriginell und langweilig.
Ursonate, Berlin: Nachreisen
Danke an den/die Verfasser:in des vorherigen Kommentars...und das Komischste: Diese Verfasser:innen, von denen Sie sprechen scheinen alle Expert:innen bzgl. Herrn Fritsch und Frau Bauer zu sein und schon zahlreiche Inszenierungen dieser beiden Menschen in ganz Deutschland gesehen zu haben und Ihnen sogar nachgereist zu sein. Denn nur so kann ich mir erklären, daß man es zu einem derartigen Experttum dieser beiden Theaterschaffenden gebracht hat und sie so gut vergleichen kann.
Und dem Verfassenden des Kommentars 'Frischekur' und 'Mona': welche Inszeinierungen von Frau Bauer haben Sie denn seither gesehen und wo waren diese (zum Glück gibt es google)?
Werden Sie Frau Bauer auch weiterhin nachreisen und alle ihre Inszenierungen anschauen, obwohl diese ja gar so langweilig sind - denn nur so können Sie diese untereinander ja vergleichen.
An den Verfasser 'Manuel': Was für ein unglaubliches Gedächtnis Sie doch haben müssen um Inszenierungen von 2012 (Herbert Fritsch) inszenatorisch und musikalisch mit einer Claudia Bauer Inszenierung von 2023 zu vergleichen.
Seltsame Kommentare, wirklich seltsame Kommentare.
Wieviel Wahrheit wohl in diesen steckt ?!
Ursonate, Berlin: Nachfrage
Gab es etwas in meinem Kommentar, das den Kommentaregeln nicht entsprach?

(Liebe*r Ur-Danke, hier ist kein Kommentar von Ihnen angekommen. Schicken Sie ihn noch einmal, bitte? Schöne Grüße aus der Redaktion, sd)
Ursonate, Berlin: Tanz am Abgrund
Der Großteil der Berliner Kritik war von diesem Abend hingerissen. Zurecht! Regisseurin Claudia Bauer und ihr Komponist Peer Baierlein transformieren die lautmalerischen Vorlagen von Kurt Schwitters in ein beschwingtes Theaterfest, bei dem das achtköpfige Ensemble seiner Spielfreude freien Lauf lassen kann. Vanessa Rust hat an weiße Brautkleider erinnerende Tüllröcke und ausladende Turmfrisuren kreiert.

Jeder und jede einzelne von ihnen darf dem Abend seine individuelle Note verpassen: Janek Maudrich beweist ein schier unglaubliches Bewegungstalent und hüpft mit seinem schlaksigen Körper wie ein Gummiball über die Bühne. Moritz Kienemann, der mit dem Dresdner Ensemble 2019 gleich zwei Mal zum Theatertreffen eingeladen war, gibt den sächsischen Wutbürger, der den Aufruhr um den verdächtig Herumstehenden in „Franz Müllers Drahtfrühling“ anzettelt, das an diesem Abend als Prolog zur Ursonate dient. Mareike Beykirchstaucht in einem „Eke“-Wutanfall den Dirigenten Valentin Wittmann zusammen, der im Graben das tolle Mini-Orchester (Maria Schneider, Lih Qun Wong) führt. Jens Koch und Lenz Moretti waren mit ihren so gegensätzlichen Körpern schon in „Edward II. Die Liebe bin ich“ das ungleiche Liebespaar im Zentrum und setzen auch in diesem Oktett markante Gegenpole. Die Combo komplettieren: Anita Vulesica, die während Ihres DT-Festengagements von 2010 bis 2018 eine der besten Komödiantinnen der Berliner Theaterlandschaft war, schmerzlich vermisst wurde und in „Ursonate“ einen ihrer seltenen Bühnenauftritte gibt, da sie sich inzwischen mehr auf das Regiefach konzentiert. Vanessa Loibl überzeugt mit toller Stimme, sie war während des Volksbühnen-Intermezzos von Klaus Dörr in dessen Ensemble zu erleben. Last but not least ist noch Mathilda Switala zu nennen, die krankheitsbedingt nicht singen konnte, sich mit FFP2-Maske durch den Abend kämpfte und Sonderapplaus ihrer Kolleg*innen bekam.

Diesen bunt zusammengewürfelte Cast schweißt Bauer zu einer tollen Formation zusammen. Hinter der Präzision, mit der sie agieren, spielen, singen und tanzen, steckt harte Arbeit, die man diesem sehr unterhaltsamen Abend zum Glück nicht ansieht. Lange gab es im Deutschen Theater nicht so häufig Szenenapplaus. Lange wurde nicht so viel gelacht.

Mit „Ursonate (Bis das der Tod uns abholt)“ gelingt Iris Laufenberg nach holprigem Start und dem Eröffnungs-Flop Weltall Erde Mensch, der heute zum letzten Mal gespielt wird, ein Triumph bei Kritik und Publikum: Diese Inszenierung von Claudia Bauer löst ein, was die neue Intendantin bei ihrer Antritts-PK als ihre Vorstellung von Theater beschrieb: spielfreudiges, komödiantisches Theater, das in krisenhaften Zeiten und trotz aller Absurditäten unbeirrt am Abgrund tanzt.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2024/01/28/ursonate-deutsches-theater-berlin-kritik/
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