Im Fadenkreuz der wunden Sehnsucht

von Simone Kaempf

Berlin, 20. Oktober 2010. Mit einem Türknallen tritt die blutverfärbte Penthesilea der Anja Schneider noch einmal auf die Bühne, stellt sich zwischen die Oberpriesterin und den Griechenführer Odysseus, beide ergebnislos um die Schuld an den Gräueltaten streitend, und schleudert jenen zarten Schlussmonolog heraus, der den Irrtum so hart benennt: "So war es ein Versehen, Küsse, Bisse. Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt. Kann schon das Eine für das andere greifen."

Versehen und Schicksal, Lust und Rohheit verschmelzen in Felicitas Bruckers Inszenierung am Berliner Maxim Gorki Theater in der Tat zu einer diffusen Anziehungskraft. In ihrer "Penthesilea" steht eine Paarwerdung im Vordergrund, eines Paares freilich, das sich an der Kriegsfront finden muss. Anfangs werden Soldatenplaketten aus einem Plastikbeutel auf die Bühne geworfen. Man robbt in einem Video-projizierten Fadenkreuz über die Bühne, und Achill entdeckt Penthesilea zum ersten Mal an der Spitze ihres Amazonenheeres, das sich in den Krieg um Troja einmischt.

Liebesbad im Plastikbottich

Das Kriegsthema ist omnipräsent. Der Bühnenkasten in Sperrholzästhetik bleibt als Ort dennoch recht harmlos verspielt. Die hintere Wand fährt mal rampenartig hoch. Im symbolischen Kampf rutschen die Körper an ihr ab und bleiben leblos liegen. Wenn von Gewalt auch viel die Rede ist: Atmosphärisch befindet man sich auf einem ganz anders angesiedelten, viel harmloseren Terrain.

Penthesilea und Prothoe treten auf als beste Freundinnen, Typ Schulhof, die miteinander raufen und alle Geheimnisse teilen. Achill und sein kleines Gefolge repräsentieren eher eine Jungsgang, die durch Verrohung gekennzeichnet ist. Das Überzarte und exotisch Brutale hat Brucker nicht in einer Person vereint, sondern auf die Geschlechterwelten verteilt. Das antagonistische Prinzip wiederholt sich in Bilddetails, wenn Penthesilea und Achill in einem Plastikbottich als Liebesbad zusammenkommen und das Wasser in der nächsten Szene rot wie Blut gefärbt ist.

Karikatur des pädagogisch-autoritären Machtsystems

Was aber soll man davon halten, dass Prothoe mit komischen Verzweiflungsfusstritten bei den beiden anklopft? Oder dass die Oberpriesterin als ballettrattenhafte Aufseherin mit den Frauen Tanzschritte einübt? Eine der Szenen, die den Eindruck der Unstimmigkeit dieses Abends verstärkt. Was immer die Rechnung war: mehr als eine Karikatur des pädagogisch-autoritären Machtsystems ist nicht das Ergebnis.

Im Hauruck hat Regisseurin Brucker das Pathos des Stücks aufgebrochen. Das Ergebnis ist eine heruntergestrippte Liebesgeschichte, in der es am Ende zu einem blutigen Eklat kommt, so wie das Stück es vorsieht. Mit Anja Schneider und Michael Klammer als Penthesilea und Achill spielen zwei Protagonisten, die glanzvoll eine wunde Sehnsucht ausstrahlen. Zu Furien werden sie sich nicht entwickeln, warum sollten sie auch. Ahnungsvoll schauen sie immer wieder weit nach Vorne, als liege das Unheil dort sichtbar in der Ferne. Episch lehrbuchhaft wird in chorischen Szenen von ihrem Zusammentreffen auf dem Schlachtfeld erzählt. Dazwischen aber fehlt es einfach an einer Not, die sie treibt. Und an einem schlüssigen Zugriff, das Stück in seinen Wendungen, Täuschungen und Gefühlsgewittern glaubhaft zu machen.

 

Penthesilea
von Heinrich von Kleist
Regie: Felicitas Brucker, Bühne: Kathrin Frosch, Kostüme: Sara Schwartz, Musik: Jörg Follert, Video: Stefan Bischoff, Dramaturgie: Jan Kauenhowen, Carmen Wolfram.
Mit: Anja Schneider, Julischka Eichel, Ninja Stangenberg, Nele Rosetz, Michael Klammer, Wilhelm Eilers, Christian Kuchenbuch, Albrecht Abraham Schuch.

www.gorki.de


Mehr zu Felicitas Brucker finden Sie in unserem nachtkritik-Lexikon.


Kritikenrundschau

"Am Ende, nach zweieinviertel Stunden, ist man so schlau als wie zuvor und so ratlos wie der Ochs vorm Berg", schreibt Jürgen Otten in der Frankfurter Rundschau (22.10.2010). Felicitas Brucker interessiere sich in erster Linie für die Ordnungsmuster auf beiden Seiten und dafür, "wie es dem dieser Ordnung abtrünnigen Menschen, hier Penthesilea, dort Achilles, in einem so restriktiven System ergeht. Damit ist eine für das Stück elementare Komponente von Beginn an ausgeblendet: die Beziehung zwischen Gesellschaft und Wahnsinn." Aber kein Wahnsinn waltet, sondern nur soziale und in Ansätzen psychologische Chiffren gesetzt werden, "da sind auch die im Text virulenten Konflikte zwischen den einzelnen (Gedanken-) Welten abgeschliffen." Es fehle schlicht die Fallhöhe, die "Penthesilea" so abseitig, so reizvoll macht, so spektakulär. "Und letztlich auch: so existenziell." Felicitas Brucker scheue diese Dimension, "vielleicht auch, weil sie ihr nicht über den Weg traut". Sie übersehe aber, dass sie genau damit in die ganz gemeine Kleist-Falle tappe.

Dass sie mit ihrem Ausscheren aus den Mustern, die nur Sieg oder Niederlage kennen, chancenlos seien, sieht man das Bild der großen Schräge von Anfang an, so Katrin Bettina Müller in der taz Berlin Kultur (22.10.2010). "In diesem mächtigen symbolischen Apparat ist Kleists Sprache (...) nicht mehr selbst die verstörende Macht, das Instrument des Aufbegehrens, der Funke, an dem sich die Fantasie entzündet; sie ist nicht mehr der Keim, aus dem eine barbarische Mythologie wächst." Warum Kleist, ein preußischer Dichter und junger Offizier, vor mehr als zweihundert Jahren seine Zuflucht in der Antike nahm, beschäftige diese Inszenierung nicht. "Das ist erstaunlich an einem Theater, das auf das Fortleben der Geschichte in der Gegenwart sonst so großen Wert legt." Davon abzusehen, funktioniere aber auch als Befreiung. "Die Dramen Kleists können sich wie gewaltige Gebirgsmassive vor Leser und Zuschauer türmen, romantisch in jedem Sinne, voller erschreckender Abgründe", das nahe heranzuholen, gelinge dieser Inszenierung. "Das hat etwas sehr Sympathisches, freilich um den Preis, dass auch das Wilde und Grenzüberschreitende der Dichtung wie ein zwischen den Festungsmauern gezähmter Fluss wirkt."

"Es hilft auch nicht viel, dass zwischen den kahlen Furnierholzschachtwänden ein großes, rundes Fadenkreuz projiziert wird", findet Dirk Pilz in der Berliner Zeitung (22.10.2010), denn das "ist nur die Chimäre einer diffusen Bedrohung, die nirgends kenntlich und also auch nie gefährlich wird". Meroe sei sinnfreierweise stumm (und Ninja Stangenberg zu Augenaufreißern und Händewacklern verurteilt); Achill (Michael Klammer) platterweise ein "Hellas" an den Hals tätowiert; Odysseus (Wilhelm Eilers) schüttet sich Wasser über den Kopf, "lauter inszenatorische Notlösungen, um zu kaschieren, dass dieser Zweistundenabend eine leere Mitte umkreist". "Schon möglich, dass Brucker damit näher am gegenwärtigen Gefühlshaushalt ist. Vielleicht stimmt es auch, dass wir heute zu Leidenschaftsaufwallungen a la Penthesilea nicht mehr fähig sind (...) Wer aber mit hohen Tönen, mit Pathos und Göttern nichts anzufangen weiß, braucht es auch nicht zu inszenieren."

So achselzuckend nüchtern, so harmlos, so irgendwie hausmeisterhaft Anja Schneider am Ende Kleists superberühmte Worte "Küsse, Bisse" spricht, "könnte man glatt auf die Idee kommen: War eh alles nur ein Spiel, eh nur ein Missverständnis", so Andreas Schäfer im Tagesspiegel (22.10.2010). Was da eigentlich für ein Krieg sei, in dem man sich aufreibt, nach welchen Regeln die Amazonen nehmen und abstoßen, und inwiefern der Liebesrausch Penthesileas, von dem unablässig die Rede ist, sogar ein Produkt der Gesellschaft sein soll, wie es die Regisseurin im Programmheft-Interview andeutete, "all das bleibt einem schleierhaft. Man versteht bei den Formationsübungen kaum, worum es geht." Fazit: "Ein paar Schritte näher ans verführerisch saugende innere Dunkel sollte man sich schon trauen, wenn man Penthesilea auf die Bühne bringt."

"Felicitas Brucker stellt ihre Schauspieler vor allem zu immer neuen, langen Sprech-Arrangements zusammen, und Kleists hochfahrend symbolische, sich verschachtelt auftürmende Sprache blüht bei einigen Schauspielern zuweilen durchaus auf", so Hartmut Krug auf Deutschlandfunk Kultur vom Tage (21.10.2010). Kampf sei hier vor allem sprachliche Behauptung, und so sind die inneren Suchbewegungen und Selbstverständigungsversuche von Achilles und Penthesilea das Thema dieser Inszenierung. "Insgesamt ist dies eine eher leichtgewichtige, oft elegante, auch spielerische, aber nie den Schrecken und das Entsetzen, das im Verfehlen zweier Liebender liegt, zeigende Inszenierung." Wie allerdings Michael Klammer und vor allem Anja Schneider ihr Suchen spielen, das besitze sinnliche, anrührende Kraft.

 

Kommentare  
Penthesilea am Gorki: Christa Wolf lesen!
Schade, Frau Kaempf, da konnte man so unendlich viel mehr sehen als eine kleine Schulhofrauferei. Vielleicht doch mal Christa Wolf lesen und und dann nochmal hingehen.
Penthesilea am Gorki: Nach-Kritik
Lieben bis es weh tut - Die Penthesilea von Kleist muss sich am Gorki-Theater in der Regie von Felicitas Brucker schmerzhaft emanzipieren

Erst vor kurzem hat das aufbruch-Gefängnistheater auf der Museumsinsel Kleists Penthesilea als Chordrama inszeniert, in dem der Einzelne nichts ist ohne die Geborgenheit in der Tradition und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Ein Kampf zwischen den Geschlechtern, Klassen und Rassen bis zum bitteren Ende. Heute stehen sich unweit am Festungsgraben in Mitte die beiden unvereinbaren Pole wieder gegenüber. Felicitas Brucker hat auch Christa Wolfs Nachwort zu Kleists „Penthesilea“ gelesen. Sie biegt aber die beiden Enden des Magneten zusammen bis es schmerzt.
Auf einer sperrhölzernen Bühne mit schiefer Ebene, die sich zwischen einer Schlucht hebt und senkt, stehen zu Beginn Männer wie Frauen an der Rampe und beschreiben den Zusammenprall der Heere der Amazonen und Griechen. Dazu gibt es pathetische Musik von Bach. Anschließend rennen alle auf der schiefen Ebene nach oben und rutschen wieder ab. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach an diesem Abend, der vergebliche Versuch den Konventionen der Gruppe zu entfliehen. Als Zeichen des Krieges hängen sich alle Erkennungsmarken um und zerstreuen sich. Die Griechen werden von ihrem Stimmungsmacher Odysseus (Wilhelm Eilers) angestachelt, die Frauen haben ihre Zuchtmeisterin in Reithosen. Die Oberpriesterin (Nele Rosetz) trainiert ihre Amazonen wie eine Gruppe Cheerleader, immer wieder werden die Verse und Choreographien des Amazonenbrauchtums einstudiert.
Felicitas Brucker stellt die beiden Kontrahenten Penthesilea und Achill als Ausbrechende aus ihren Systemen aus Tradition und Gruppenzwang dar. Immer wieder will Penthesilea, selbstbewusst aber auch zweifelnd dargestellt von Anja Schneider, der Selbstdisziplinierung „Fasse dich“ entfliehen, bis sie mit Achill, sportlich forsch Michael Kammer, zusammenstößt. Prothoe (Julischka Eichel) überredet den siegreichen Achill sich Penthesilea zum Schein zu ergeben. Er geht darauf ein, da sein Interesse für sie erwacht ist. Die plötzliche Liebe, lässt die beiden wie junge Hunde raufend die schräge Ebene erklimmen, verkeilt ineinander, ein Paar das sich von allen Zwängen zu befreien scheint. Popmusik und Videoeinblendungen von Stefan Bischoff verstärken dieses unbändige Gefühl.
Nach der Pause baden Penthesilea und Achill in einem großen Wasserbehälter aus Plastik und leben ihre frisch gewonnene Liebe aus. Prothoe sitzt sichtlich gequält neben diesem Glück. Es bleibt aber Ziel Penthesileas Achill als Beute zum Rosenfest zu führen, sie erzählt ihm die Geschichte der Entstehung des Amazonenstaats, mit seiner Tradition, der sie verpflichtet ist und das Achill ihr von den Göttern vorbestimmt ist. Dieser will sie aber das sie mit ihm zieht, als seine Königin. Eine Lösung ist nicht in Sicht, das Paar wird wieder von den Griechen und Amazonen getrennt, der Krieg und die Pflicht stehen wieder zwischen ihnen. Die Griechen fallen in das Lager der Amazonen ein, rauben und vergewaltigen.
Achill will aber Penthesilea, er sucht erneut den Kampf um sich ihr endgültig zu ergeben. Diomedes (Christian Kuchenbuch) und Odysseus können es nicht fassen. Auf Odysseus bohrender Frage ob der ganze Helenenstreit vor der Dardanerburg, gleich einem Morgentraum vergessen sei, ist Achill Troja egal, als wenn es just in einem See versinken würde. Wie ein Besessener schleudert er den Boten gegen die Sperrholzwände, nur auf die Botschaft Penthesileas lauernd. Auch Penthesilea widersetzt sich nun den Amazonen und zieht ihrem Geliebten mit geballter Streitmach von Hunden und Elefanten entgegen. Um sich zu befreien muss sie zerstören, was sie doch liebt. Erst dadurch sind ihr die Augen geöffnet, der blinde Gehorsam zerfällt in freien Willen. Die Sinnlosigkeit der erzwungenen Werte wird offenbar. Hierin unterscheidet sich die Rezeption von Felicitas Brucker von der üblichen, in der Penthesilea die Tat im vollen Wahn verübt.
Die beiden Streitenden/Liebenden steigen aus dem Wasserbehälter nun Blut überströmt und rennen wieder die schiefe Ebene an, schließlich an ihrem Scheitel hängend und ein letztes Mal abrutschend, dann ist Achill tot. Einen Chor bildend berichten alle anderen von dem Kampf. Zum Schluss stehen nur noch die Oberpriesterin und Odysseus am Bühnenrand, die Worte der Priesterin aufteilend, schieben sich die beiden Einpeitscher die Schuld für den Tod Achills gegenseitig zu. Die letzten Worte gehören wieder Penthesilea: „Küsse, Bisse, das reimt sich und wer recht von Herzen liebt, kann das eine für das andre greifen.“ Sie sagt sich los vom Gesetz der Amazonen und gräbt sich tief aus ihrem Herzen ein vernichtendes Gefühl. Aber ein Dolch wird nicht daraus, das Pathos Kleists ist tot, Penthesilea hat sich endgültig emanzipiert.
Penthesilea am Gorki: auf der Zunge zergehen lassen
lieber stefan,

deine beschreibung der inszenierung trieft vor kitsch, und wortwahl und satzbau klingen selbstverliebt, dein letzter satz: "das Pathos Kleists ist tot, Penthesilea hat sich endgültig emanzipiert." lass ich mir daher auf der zunge zergehen.
du kannst dir die aufführung ja gerne noch mal ansehen, ich fand sie ärgerlich und langweilig. das schlussbild war gut, und verführt dazu, sich mit den schwächen des abends auszusöhnen.
doch sie sind meiner meinung nach zu arg. ich gebe frau kaempf in den meisten punkten recht. nur strahlten die beiden protagonisten in meinen augen nicht "glanzvoll eine wunde Sehnsucht aus", sondern eher gar nichts.

sorry, aber "so unendlich viel mehr sehen" kann man immer.
Penthesilea am Gorki: unsägliche Distanz
ja das ist ja alles schön und gut, wenn man weiß, was im buche steht und sich selbst in belesenheit und bildung wiegt und diese vor sich her trägt um aller welt zu zeigen: seht her, ihr dummen, ich hab's gesehen, was ihr nicht verstanden habt!!! brav stefan. gut gelobt. aber ehrlich. nachlesen kann ich viel. der kopf kann sich viel ausdenken und einbilden, gesehen zu haben. wo aber bleibt das erleben??? theater darf und sollte ein solches direktes, initiales erleben herausfordern. das tat dieser abend nicht. leider! ich bin eine bekennende verehrerin der anja schneider. was ich an diesem abend erlebt habe, war leider: eine schauspielerin, die mir zeigt, dass sich ganz offensichtlich ihr zugriff auf diese rolle nicht mit dem der regie deckte, denn da war eine unsägliche distanz zur penthesilea, ein krampfhaft behaupteter nahezu schamhafter sexus, antrainierte gebärden in denen a.s. nicht zu hause war, eine untiefe albernheit, die die größe dieses stoffes fad und banal werden ließ. da bleib ich doch lieber zu hause und lese christa wolf
schade
Penthesilea am Gorki Theater: mal wieder wirklich im Theater
Gut, meine Einschätzung ist erst mal eine sehr persönliche, ich habe mich natürlich schon mehrfach mit Kleists Penthesilea auseinandergesetzt. Das will ich hier aber gar nicht raushängen lassen. Die Worte die ich benutzte, werden in der Inszenierung aber genau so gebraucht, das ist Kleists Sprache. Ich neige ja auch eher nicht zu überschwänglichem Lob. Hier ist aber in erster Linie der Mut von Felicitas Brucker und ihrem Ensemble zu bewundern, das so sehr persönliche Schicksalsdrama von Kleist mal von seiner Kruste befreit zu haben und nicht in diesen totalen Leidenskontext zu stellen. Wenn vielleicht einige Szenen etwas bemüht wirken, ich will hier aber gar nicht von meiner Einschätzung abweichen, deutet das eben auf die Schwierigkeit hin, Kleist zu erden. Bruckers Lesart ist ja nicht neu, man ist aber bisher immer da gelandet, wo keiner wirklich erklären kann, warum dieser Ausbruch zum Schluss stattfindet. Das ist eben vor allem Kleists Verzweifelung über persönliches Erleben, sehr überhöht dargestellt, groß und pathetisch.
Liebe Gabi, wenn Sie schreiben, Sie wollen etwas Initialisierendes erleben, so gehen Sie sicher mit einer etwas überzogenen Forderung in dieses Stück. Es ist aber alles drin, was Sie sehen wollen. Liebe, Schmerz, Verzweifelung aber auch Erlösung, Kitsch sehe ich da nicht, wie Herr Göpfert im Kulturradio. Er ist auch jemand der in Anbetracht seiner Erfahrung mit einem fertigen Kleistbild in die Aufführung geht und schon vorher weiß, dass das kleine Gorki-Theater sich verheben wird. Das ist ignorant. Ich kenne keine Inszenierung, die es bisher geschafft hat, eine wirklich eigene Interpretation zu zeigen, ohne irgendwann ins Schlingern zu kommen, von der sehr kraftvollen Aufführung des aufbruch-Theaters mal abgesehen. Aber ich will mich gar nicht aufregen, ich war gestern einfach mal wieder wirklich im Theater und das ist schon viel wert.
Penthesilea am Gorki Theater: eigene Sichtweisen
@ Stefan:
Schön, dass Sie „mal wieder wirklich im Theater“ waren. Das klingt, als hätten Sie seit Äonen keine Bühne mehr besucht und als habe eine neue Ära in Ihrer Freizeitgestaltung begonnen. Im Kommentar 2. lese ich den Satz: „Dieser will sie aber das sie mit ihm zieht, als seine Königin.“ An dieser und einigen anderen Stellen scheint Ihre Sprachgewalt eigene Wege zu gehen.
Ich warte erst einmal ab, zumal es schwer ist, Percevals Inszenierung mit der Schüttler in der Hauptrolle zu überbieten. Ein Stück verliert nicht seinen Wert, wenn man es sich erst nach einem Monat ansieht. Sie aber lassen keine wichtige Premiere aus, als wollten Sie zu den Ersten gehören, die darüber informiert sind. Warum immer die Premiere? Wegen der Sie umgebenden Theaterprominenz?
Bevor Sie sich aufregen: in der Regel schätze ich Ihre Kritiken. Sie haben wenigstens Ihre eigene Sichtweise.
Penthesilea am Gorki Theater: Plastikbottich?
Warum baden die denn im Plastikbottich? Wie kommt man denn auf so eine Idee? Etwa, weil Kleist zunächst Henriette Vogel und dann sich selbst am Kleinen Wannsee erschossen hat? Nee, oder? Das klingt eher nach Kindertheater. Oder nach einem Abklatsch auf Alexander Scheers Plastikwannenbad in Castorfs "Meine Schneekönigin".
Penthesilea am Gorki: ewiges im Kreis rennen
Vielen Dank, Flohbär, meinen Text habe ich leicht gekürzt und einige Sätze umgestellt, da er erst nicht in ein Posting passte, da ist mir der kleine Fehler unterlaufen, ich habe das selbst schon gemerkt, aber egal, da hat man eben etwas mehr um sich dran aufzuhängen. Was die Inszenierung von Perceval betrifft, so ist das eine, die zum Schluss ins Schlingern kommt. Wird die eigentlich noch gespielt? Das war bevor ich mit der Aufzeichnung meiner Eindrücke begonnen habe. Ich kann mich nur noch an ein ewiges im Kreis rennen erinnern, auch so ein Zeichen für Sinnlosigkeit bezogen auf die Kleistsche Sichtweise. Die Kritiken damals waren auch nicht berauschend, oder? Vielleicht sehe ich mir die Inszenierung noch mal an, wenn sie noch läuft. Ich muss gar nicht immer bei der Premiere dabei sein, das ergibt sich meistens so. Wenn ich mich nicht gleich aufraffe, wird es dann irgendwann nichts mehr. Prominenz ist mir egal, eigentlich mag ich Premieren gar nicht, in der zweiten oder dritten Aufführung ist meist ein viel interessierteres Publikum, das merkt man auch am Beifall. Kritiker klatschen oder Buhen ja eigentlich nie.
Penthesilea am Gorki Theater: jenseits von Ratio
zugegeben. "initialisierendes erleben" ist sicherlich ein zu pathetischer begriff für meinen anspruch, den ich jedoch keinesfalls für eine überzogene forderung halte. in der praxis hat er sich glücklicher weise oft genug eingelöst.
es gibt auf dem theater eben immer zeichen, die sich intuitiv, sinnlich übersetzen lassen und direkte, unverstellte den worttext unmittelbar bereichernde wirkung haben. nonverbal. jenseits von ratio. und es gibt zeichen, die ich als solche erkenne und die mir sagen wollen: hier bin ich und ich habe ganz gewiss große bedeutung. und dann darf ich grübeln, was es denn bedeuten soll... oder die bedeutung ist total offensichtlich, die wirkung stellt sich aber nicht ein. die zeichen, die frau brucker sich ausgedacht hat, haben mich keinesfalls überzeugt, berührt oder erreicht. sie waren bemüht und ungelenk. trotzdem dankeschön, dass sie mich auf den mutigen zugriff im versuch, den kleistschen pathos aufzubrechen, hinweisen. ich denke darüber nach.
spontan bleibt mir nur: dieses stück beinhaltet liebe, schmerz, verzweiflung. zerissenheit. kampf um autorität, autonomität. das darf wohl auch weiterhin inhalt bleiben. auch ohne pathos. und mein eindruck war: die beiden hauptdarsteller kennen keinen schmerz. oder machen einen großen bogen um die bearbeitung solcherlei gefühle. da wurden dinge gesagt und behauptet von denen die worte reden. gelebt haben sie nicht. das mache ich jedoch in erster linie der regie zum vorwurf. nicht das schlingern, nicht das scheitern, sondern das: behaupten ohne wirklich zu wagen.
Penthesilea in Berlin: grauenhaft
GANZ GANZ GRAUENHAFT!!!
Penthesilea in Berlin: eine ganz normal unschuldige Liebe
@ gabi
Kann ich gut nachvollziehen, es geht mir ja oft genug auch so. Musik und Video zur Verstärkung der Aussage sind immer eher Glücksgriffe. Mal klappt es, mal nicht. Ich habe mir die hier auch ausgeblendet, sie stören eigentlich nicht. Was die Sprache betrifft, ist da alles drin was Kleist ausmacht und für die Inszenierung notwendig ist. Das komplette Stück kann man eh nicht aufführen. Was den Ausdruck der Gefühle betrifft, hat das Gezeigte bei mir etwas ausgelöst, ich kann auch nicht sagen warum, es ist einfach so und das ist eben das persönliche Empfinden. Schade das das nicht mehr so sehen. Man kann die Szenen im Bottich für kindischen Kitsch halten, Felicitas Brucker geht es eben auch um eine Darstellung einer ganz normalen unschuldigen Liebe, nur eben unter schwierigen Vorzeichen. Alles fällt in diesem Moment von den beiden ab und trotzdem weiß man sie machen sich etwas vor. Die Tragik ist da schon mit drin. Ich hätte übrigens die Pause weggelassen, das reißt eine unnütz raus. Da aber danach eigentlich kaum einer gegangen ist, bin ich der Meinung, dass es so schlimm nicht gewesen sein kann.
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 1
[Teil 1]

Ich kann die Kritik zu Felicitas Bruckers Penthesilea nicht im Geringsten nachvollziehen.

Ich fand die Inszenierung konzeptionell glasklar und atmosphärisch sehr, sehr dicht, beinahe möchte man sagen 'berührend'. Die Haupteinsicht, die die Inszenierung - ja bereits das Programmheft - transportiert, ist die, dass es bei "Penthesilea" nicht prímär um eine Darstellung des Geschlechterkampfs geht (wie es in dem von Ortrud Gutjahr herausgegebenen Band zu Kimmigs Thalia-Inszenierung suggeriert wird), sondern in der Tat über das Identitäts- und Liebesbegehren (beides fällt bei Kleist im Grunde zusammen) von individuellen Subjekten in Systemen, die diese Subjekte funktionalisieren und instrumentalisieren...

Aber ich merke, dieses Vokabular wird viel zu technisch.... Ich war zuerst etwas enttäuscht wegen des hart geschnittenen Schlussparts: Penthesileas großer Monolog, in dem sie sich psychologisch selbst tötet, fehlt bis auf die ersten Zeilen ("Denn jetzt steig ich in meinen Busen nieder, / Gleich einem Schacht, und grabe [...] mir ein vernichtendes Gefühl hervor"; auch fehlen die sentenzhaften, ja nachgerade chorisch-deutenden Schlussverse:

Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte!
Die abgestorbne Eiche steht im Sturm,
Doch die gesunde stürzt er schmetternd nieder,
Weil er in ihre Krone greifen kann.

Da gehen sicherlich poetische Potenziale des Texts verloren, was ich im ersten Augenblick bedauert habe. Ein, zwei Stunden nach dem Schlussapplaus habe ich das aber schon anders gesehen. [Fortsetzung folgt…]
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 1a
Teil 2:
Denn die Reue, das tiefe Schuldgefühl, in dem es in Penthesileas Selbstmordmonolog geht, hat in dieser Inszenierung keinen Platz. Das Gefühl der Reue würde die Ordnung, aus der Penthesilea ausgebrochen ist, restituieren. Auch wäre es eine Rückkehr eines Subjekts, das sich zuvor im Wahnsinn selbst "extern" war.

Penthesilea ist aber in dieser Inszenierung nicht wahnsinnig, mänadenhaft, besessen. Die Denkfigur, die Brucker, so wie ich sie verstehe, vorschlägt, ist leicht dahergesagt, aber nicht ganz leicht zu denken, wenn man sie wirklich, von seinem ganz persönlichen Lebensstandort aus, verstehen will.

Penthesilea ist nicht "wahnsinnig", sie ist sich nicht selbst extern. Die Strukturen ihrer Gesellschaft haben den "Wahnsinn" - die Verachtung des Einzelnen in seinem Glücks- und Identitätsbegehren - in solchen Grade fixiert, dass jeder Anspruch auf ein Ich - selbst auf ein Ich, dass sich in Liebe verschenken möchte - entweder unterdrückt wird, oder aber in einer Weise ausbrechen, durchbrechen, durchschlagen muss, dass der (vermeintliche) Wahnsinn des Subjekts, genau betrachtet, nur den "Wahnsinn", das strukturell festgeschriebene (und am Einzelnen vollzogene) Gewaltpotenzial der Gesellschaft (des Amazonenstaats) in greller Weise sichtbar macht.

Und dieses Glücksbegehren Penthesileas (und auch Achills) - Bruckers Inszenierung macht es in einer phasenweise wirklich bewegenden Zartheit (ich entschuldige mich für den 'unwissenschaftlichen' Ausdruck...) deutlich, die in der Tat zu Herzen geht. [Fortsetzung folgt…]
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 2
Teil 2:

Denn die Reue, das tiefe Schuldgefühl, in dem es in Penthesileas Selbstmordmonolog geht, hat in dieser Inszenierung keinen Platz. Das Gefühl der Reue würde die Ordnung, aus der Penthesilea ausgebrochen ist, restituieren. Auch wäre es eine Rückkehr eines Subjekts, das sich zuvor im Wahnsinn selbst "extern" war.

Penthesilea ist aber in dieser Inszenierung nicht wahnsinnig, mänadenhaft, besessen. Die Denkfigur, die Brucker, so wie ich sie verstehe, vorschlägt, ist leicht dahergesagt, aber nicht ganz leicht zu denken, wenn man sie wirklich, von seinem ganz persönlichen Lebensstandort aus, verstehen will.

Penthesilea ist nicht "wahnsinnig", sie ist sich nicht selbst extern. Die Strukturen ihrer Gesellschaft haben den "Wahnsinn" - die Verachtung des Einzelnen in seinem Glücks- und Identitätsbegehren - in solchen Grade fixiert, dass jeder Anspruch auf ein Ich - selbst auf ein Ich, dass sich in Liebe verschenken möchte - entweder unterdrückt wird, oder aber in einer Weise ausbrechen, durchbrechen, durchschlagen muss, dass der (vermeintliche) Wahnsinn des Subjekts, genau betrachtet, nur den "Wahnsinn", das strukturell festgeschriebene (und am Einzelnen vollzogene) Gewaltpotenzial der Gesellschaft (des Amazonenstaats) in greller Weise sichtbar macht.

Und dieses Glücksbegehren Penthesileas (und auch Achills) - Bruckers Inszenierung macht es in einer phasenweise wirklich bewegenden Zartheit (ich entschuldige mich für den 'unwissenschaftlichen' Ausdruck...) deutlich, die in der Tat zu Herzen geht. [Fortsetzung folgt…]
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 3
Teil 3:
Da ist z.B. die Szene mit der Gitarre, die der Bote spielt, während Achill zu verstehen gibt, dass er den ganzen Trojakrieg, die gesamt Operation "Dardanerburg" satt, zum sterben satt ist. Das sind Verse, die einem beim Lesen immer eher skurril erschienen sind. Da sagt nämlich Achill - durchaus entnervt - zu Odysseus (21. Szene):

Wenn die Dardanerburg, Laertiade,
Versänke, du verstehst, so daß ein See,
Ein bläulicher [dieser Detail-Surrealismus Kleists ^^ ^^ - unbeschreiblich...!], an ihre Stelle träte;
Wenn graue Fischer, bei dem Schein des Monds,
Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften;
Wenn im Palast des Priamus ein Hecht
Regiert', ein Ottern- oder Ratzenpaar
Im Bette sich der Helena umarmten:
So wär's für mich gerad soviel, als jetzt.

Durch die Gitarrenmusik - drei, vier simple, in ihrer Schlichtheit aber schöne Akkorde - erhalten die Verse einen melancholischen, beinahe traumverlorenen Ausdruck. Die Musik fokussiert gleichsam das Motiv des bläulichen Sees, der alles überdeckt hat, Stille, das Ende allen Kriegs, zugleich freilich das Ende aller Kultur, ja das Ende der Welt symbolisiert - ein seltsam hypertrophes Bild, dass aber doch nicht nur "krude" ist, sondern einen Grad an Melancholie und Weltschmerz ausdrückt, der für das frühe 19. Jh. außerordentlich ist und durch die skurrile Wendung vom "Ottern- oder Ratzenpaar" eher noch bitterer wird. Genauer müsste man sagen, dass durch dieses Bild die Traurigkeit in Bitterkeit und Verachtung der Kultur (nun der griechischen, die Achill gefangenhält, so wie die Strukturen der Amazonengesellschaft Penthesilea als Subjekt gefangenhalten). "Das ist richtig gut gemacht", dachte ich; "wenn der Typ nur vernünftig spielen und nicht so kläglich klimpern würde". Wie groß aber war meine Überraschung, als die Melodie dann von der Musikanlage übernommen wurde und, zwar dezent, aber doch in brillanter Qualität und Einspielung die folgenden Verse und Gedanken unterlegte.

Nun sagt mir bitte nicht, dass das "Kitsch" sei. Dass Theater darf auch noch rühren, auch nach Brecht, auch nach Beckett - und ich würde noch einen Schritt weitergehen und sagen, es soll das sogar, wenngleich sicherlich nicht bei jedem Stück und in jeder Inszenierung. Spätestens in dieser Szene jedenfalls dachte ich nicht mehr nur "Das ist richtig gut gemacht", sondern "Felicitas, ich liebe dich". ;-) ^^

Denn seit Jahren kämpfe ich um "Penthesilea". Ich habe es inzwischen 8 Mal gelesen, 4 Mal im Theater gesehen und diverse Male (u.a. noch auf der Fahrt nach Berlin) das Hörspiel mit Will Quadflieg und Maria Becker (ein alter Schinken, aber irgendwie immer noch gut) gehört.

Aber gestern hatte ich das Gefühl, dass etwas Besonderes geschieht. Dass ich einen Schritt weiterkomme, wirklich weiterkomme.
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 4
Teil 4 (Schlussteil):
Kurz und gut: Wer immer es irgend einrichten kann, der möge sich die Inszenierung ansehen! Ich bin über 400 km angereist und habe es nicht bereut, vielmehr werde ich im November noch einmal kommen.

Nur ein Tipp: lest das Stück vorher, lest es wirklich durch und lest auch das Programmheft. Ich weiß, ich klinge nun vielleicht altväterlich und moralisierend, aber wenn jemand den Text der "Penthesilea" nicht wirklich gut kennt, und dann das Gefühl hat, dass er eine Inszenierung nicht "versteht" - - über die Vermutung, dass es dann an der Regie läge, werden Kleist-Freunde und Enthusiasten nur müde lächeln... Denn - allein was die bildhafte Verdichtung der Sprache angeht, ist dies wohl eines der komplexesten Dramen der deutschen Literatur.

Fazit: Großartig; 10 von 10 Sternen. Danke für diesen wundervollen Abend!

Andreas (Homberg/Efze bei Kassel).

P.S. Werde ich nun als "Provinzler" gedisst? Um mit Kleist zu kontern: "Das gilt mir gleichviel... ;-)"

All the best!
Penthesilea in Berlin: langweilig, banal
Ganz ehrlich, das Langweiligste und Banalste, was ich je in einem Theater gesehen habe. Weder der Regisseurin, noch den Schauspielerin geht es um irgendetwas (wenige waren immerhin bemüht). Das Geld ist besser in einem guten Wein angelegt.

Beste Grüße
Penthesilea in Berlin: eine Verteidigung, Teil 5
P.S. Was ich noch anfügen wollte: Die Schlussverse des Stücks; das Bild von der gesunden Eiche, die der Sturm niederschmettert "weil er in ihre Krone greifen kann", weil sie (die gesunde Eiche) im gegensatz zur abgestorbenen noch Lebenskraft, Glückserwartungen und -hoffnung genug hat, um vom Schicksal noch 'niedergeschlagen' werden zu können.

Die Verse hätten hier gepasst; es scheint in der Inszenierung jedoch die Deutungsinstanz zu fehlen, die sie sprechen kann. Prothoe ist zu jung, so wie Julischka Eichel - großartig... - die Figur realisiert hat. Gleiches gilt für die (ohnehin psychologisch stark überreizt und sehr labil wirkende) Meroe (Ninja Stangenberg) (eine sehr, sehr interessante Interpretation der Figur; auch sehr gut umgesetzt!). Die Oberpriesterin? Wohl kaum... Als hochrangige Funktionärin des Systems kann sie diese Verse nicht sprechen.

Insofern fehlen diese Verse in dieser Inszierung wohl schon in Ermanglung einer Deutungsinstanz. Prothoe selbst ist für diese Verse hier zu jugendlich. Was aber meiner Meinung nach durchaus noch nicht heißt, dass man hier statt der trojanischen Gefilde einen Schulhof erblicken müsste. - ENDE.
Penthesilea am Gorki Theater: irgendwo brennt Leben
Irgendwo brennt das Leben. Aber ich war mal wieder im Theater und nicht dort.
Penthesilea am Gorki Theater: Dank
Wunderbar, Danke A.K.
Genau das is es.
Penthesilea am Gorki Theater: schade, soviele gute Ideen
Schade, schade; viele gute Ideen: die erste Begegnung der beiden Hauptprotagonisten, sie rückwärts die Bühnenrampe hinauf-, er vorwärts hinabgehend, der erste Blick, leider völlig ohne jede Spannung, ohne den Eros, den es für die weitere Entwicklung braucht (unglaubwürdig, wenn Penthesilea sich in diesem Moment ihren Tod wünscht); die Rampe mit dem unendlichen Auf und Ab des Kriegerischen; aber dann rutschen die Schauspieler, als seien sie auf einer Spielplatzrutsche; das Bild, in dem Penthesilea und Achill noch über den Tod hinaus den nie enden wollenden/könnenden Kampf kämpfen; aber dann hängen sie nebeneinander an der Schräge, ohne jede Beziehung zueinander. Die drei dramaturgischen Ebenen: das eher distanzierte Betrachten eines Krieges (Video); die Erzählung der Beobachtenden; die unmittelbare Begegnung der Beteiligten.
Ein klares Bühnenbild mit verschiedenen Ebenen, die dies unterstützen (könnten)...; der Tank als Liebesbad und Folterraum (Waterboarding).
Aber das Spiel der Schauspieler bleibt ungefüllt, leer, langweilig.
Schauspieler, die Ihr Können nicht zeigen dürfen?? Die ihren Text oftmals nur abspulen, stellenweise gar unverständlich, die den Eindruck vermitteln, eigentlich keine Lust an diesem Spiel zu haben; die viel zu oft nicht miteinander in Beziehung stehen, sondern nebeneinander grundlos vor sich hin spielen, den angebotenen Bühnenraum nicht nutzen und beleben (da hilft dann nur, die Augen zu schließen, denn nur so kann man die sich ständig wiederholenden Frontalproklamationen an der vorderen Bühnenkante überstehen).
Man hat den Eindruck, die Regie ist permanent überfordert, kann sich nicht für eine klare Aussage entscheiden, den Schauspielern keine eigene Entfaltung einräumen (einzige Ausnahme vielleicht die Liebesszene im zweiten Teil).
Schade, schade: so viel Arbeit und so wenig Substanz.
Langweiliges Theater!
Penthesilea am Gorki Theater: auf im November
kurzer Hinweis:

Liebe "Kleist- und speziell "Penthesilea"-Interessierte" !
Es wird zu Kleist im November ein Symposion (Sonntag, 21.11.)
am Hamburger Schauspielhaus geben -sicher auch eine gute Gelegenheit,
sich mit den dann neuesten HH-Entwicklungen vertraut zu machen-;
am Abend zuvor wird die "Penthesilea" in der Regie von Roger Von-
tobel gezeigt werden, der dort ja auch schon das "Käthchen" inszenierte (insofern werden diese Inszenierungen beim Symposion,
wie das Programmheft ankündigt, in einer Art "Zusammenschau" der
beiden Kleist-Dramen eine Rolle spielen).

@ Stefan

Und im Thalia wird es im November sowohl die "Axolotl Roadkill"-
Premiere geben als auch ein Gastspiel des "Helmi" mit "Axel hol den
Rotkohl".
Stefan, Ihre umgesetzte Inszenierungsidee wird in der Vorankündi-
gung des Monatsprogrammes ausdrücklich erwähnt: ... "Hier trägt der
Chor der wütenden Blogger Pappköpfe und wichtigtuerische Groß-
kritiker beschwören die Hochkultur".

Zur Brucker-Inszenierung der "Penthesilea" gibt es zudem noch ein
Interview mit Frau Brucker im "Freitag" der letzten Woche.

Auf nach Hamburg also oder -wie ich- Kaisersaschern (Saale) ...
Penthesilia im Gorki Theater: noch überlegen
@ 22
Danke für den Hinweis. Am 28.11. ist bei mir schon dick im Kalender HH angestrichen. Den Rotkohl habe ich mir aber schon im Ballhaus Ost schmecken lassen. Ob ich noch Lust auf eine weitere Kleistinszenierung habe muss ich mir allerdings noch überlegen.
Penthesilia: demnächst dann in Hamburg
@ 23
Weiß ich, daß Sie seinerzeit ne Freikarte hatten. Schön, daß Sie am 28.11. nach HH
kommen ! Ich versuche, mir das Wochenende 20./21.11. für Kleist frei zu halten:
drücken Sie mir die Daumen !!

Bei meinem Hinweis in § 22 machte ich jedoch den Fehler, vom "Freitag" der ver-
gangenen Woche zu sprechen, dabei handelt es sich allerdings um die aktuelle
Ausgabe: ich hatte schlichtweg verschlafen, daß der "Freitag" offenbar am Donnerstag erscheint.

Wer weiß, was bis dahin in HH vor sich gegangen sein wird ?
Jedenfalls gibt es heute dazu ein weiteres "Schirmer-Interview" in der Taz (Hamburg), das mir
schon ein wenig "lichter" anmutet als das "Spiegel-Interview", sich inhaltlich (bezogen auf den Rücktritt) annährend deckt.
Obschon Herr Schirmer weiterhin vom "Karriereende" spricht, nimmt er andererseits
auch die Begriffe "spielen", "unterrichten", "moderieren" in den Mund; dafür ist diesem sympathischen Theatermann alles Gute zu wünschen !
Möglicherweise gibt es demnächst einen lesenswerten Theaterkritiker mehr !!
Blogger zu mehr Bescheidenheit nötigen?
wäre es nicht möglich die blogger zu nötigen sich etwas zu beschränken.zu beginn von nachtkritik herrschte da noch etwas bescheidenheit.die qualität der kommentare ist selten so hoch das man gleich seitenlange ergüsse lesen will.
Penthesilea, Berlin: indiskutabel
Felicitas Bruckers "Penthesilea" ist eine in jeglicher Hinsicht indiskutable Aufführung. Der Abend ist schauspielerisch wie szenisch eine Katastrophe, es ist kein Konzept und kein schlüssiger Gedanke erkennbar, die Inszenierung findet zu keiner klaren Form, es wird schlampig und disparat gespielt. (...)
Penthesilea, Berlin: eher eine Erleichterung
Ich habe mir als Nachzügler das Stück erst gestern angesehen. Eigentlich sollte man das Drama angesichts der kryptischen Sprache vorher in Ruhe durchlesen, dann wird wohl einiges klarer.
Im Vergleich hat mir die damalige Inszenierung von Perceval in der Schaubühne besser gefallen, sie war wesentlich dynamischer (nicht nur wegen des Laufens im Kreis), im Gorki dagegen wurde das Statische hervorgehoben.
Was hat nicht die Kritik für einen Wirbel um das Planschbecken und die rampenartige Schräge gemacht! Ich habe mir Wunder was vorgestellt! Aber was sah ich? Ein schlichtes Bühnenbild, aufgebauscht von ein paar Redakteuren, die auch noch Assoziationen von Schulhof und Mädchengruppen hatten. Ich bin verblüfft, was so alles während einer Vorstellung durch das kognitive System eines Kritikers jagt.
Aufgefallen ist mir vor allem Anja Schneider, die im Lauf der Jahre dazugelernt und sehr ausdrucksstark gespielt hat. Drumherum wurden nur mimische Standards eingesetzt, die dem Stück nichts hinzufügten. Sicherlich, derartig große, hehre Gefühle sind heute kaum noch denkbar, gerade in Zeiten, wo derb-fortschrittliche Energien des kulturell verbrämten Fernseh-Unwesens alle Emotionen einebnen und Gemütsbewegungen auf Produktbedürfnisse reduziert werden.
Immerhin erreichte die Inszenierung nie die Schmerzgrenze, sie war durchaus erträglich und im Vergleich zu anderen Produktionen sogar eine Erleichterung.
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