zeit zu lieben zeit zu sterben – Antú Romero Nunes inszeniert am Maxim Gorki Theater Fritz Katers Ostjugend-Erinnerungstriptychon
"Mann, das Leben ist doch kein Film!"
von Sophie Diesselhorst
Berlin, 9. März 2012. "Erinnern ist Arbeit", dieser Satz von Einar Schleef steht prominent im Programmheft. Naja, kann aber auch Spaß machen, scheint Antú Romero Nunes den großen Leidenden mit seiner Inszenierung von Fritz Katers Ostjugend-Erinnerungstriptychon "zeit zu lieben zeit zu sterben" aufmuntern zu wollen.
Wenn der Spaß zwei Stunden andauern soll, dann hilft ein grooviger Grundsound, der dafür sorgt, dass die Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt. Also thront gleich ab Beginn des Abends die Band mary & the redCat auf einer erhöhten Bühne hinter den an der Rampe sich scharenden schwarz-weiß gekleideten Schauspielern, die den Text des ersten Teils "eine jugend/chor" abwechselnd und gemeinsam sprechen.
Wir sind live!
Im diesem ersten Teil fetzt ein Ich-Erzähler noch einmal durch seine Frühjugend und hinterlässt einen Kondensstreifen of consciousness, dessen roter Faden die Frauen sind, mit denen er (nicht) gefickt hat. Vor neuen Bekanntschaften kann dieser Stürmer und Dränger sich nicht retten. Dementsprechend funky geht das Sprech-Musical voran, synkopisch unterbrochen von kurzen musikalischen Aufwallungen mit mary & the redCat und ihrer glasklar intonierenden Frontsängerin Lisa Marie Neumann, die das Signal verstärken: wir sind live und direkt dabei auf der rasenden Reise durch die Synapsen des namenlosen Frauenhelden, dem es völlig egal sein kann, in welchem Land er lebt, solange es weitergeht. Und das tut es.
Nicht mehr ganz so mittendrin sind wir im zweiten Teil des Stücks, das eine Spätjugend in einen "alten film" verpackt; der elegische 17-jährige Protagonist Peter (Peter Jordan) weiß nicht so recht, was mit sich und der Welt und den Frauen anzufangen. Er dreht sich im Kreis, genauso wie die Bühne, auf deren Rand er in seiner blauen Trainingsjacke cool entlang schlenkert, stets eine imaginäre Zigarette rauchend. "Life is hard", diese Feststellung zieht sich durch bis zum Unhappy End; denn eine Aktivierung seines freien Willens wird ihm nicht gegönnt.
Abhanden gekommener Glaube
Bei Nunes ist das von Anfang an klar. Doch es bedeutet nicht, dass die Erinnerungs-Arbeit aufhört, Spaß zu machen. Ganz im Gegenteil, die Band spielt weiter und die Pointen sitzen. "Mann, das Leben ist doch kein Film", wird Peter einmal auf seine Schicksalsergebenheit gestoßen – und kontert, zum Publikum: "Weiß ich doch, sagte ich." Kein Konter hat er dagegen auf die Forderung der Elterngeneration parat: "Ihr müsst das wieder gutmachen was wir versaut haben, verstehst du". Was versaut? Wann? scheint er da zu denken, aber klar, siehe oben: Life is hard, das erklärt ja so einiges. Aber nichts genaues eben.
Noch harder wird Life im dritten Teil, der aus der verbitterten Erinnerung eines Namenlosen an eine Zeit besteht, als er noch an die Liebe glaubte. Und daran, wie dieser Glaube ihm abhanden kam. Da hört sogar die Musik auf zu spielen, nur Lisa Marie Neumann bleibt noch übrig und begleitet die Erzählung eines einzelnen (Robert Kuchenbuch) mit leisem, sich irgendwann verlierenden Gesang. "Es war ein Irrtum", sagt sie zu ihm, und damit endet die Erinnerung. Die im Übergang vom zweiten zum dritten Teil von allen gemeinsam bis zur Erschöpfung skandierte Mahnung "Halt dich an deiner Liebe fest" hilft hier nichts.
Damit wäre also die Erinnerung leichthändig nach Kater durchdekliniert: drei Fälle, drei Stimmungen. Virtuos, also so, dass es nie nach Arbeit aussah, haben sich die allesamt tollen Schauspieler durch die Ebenen gerenkt, zwischen denen jeder Übergang gestimmt hat. Von allem, was mit Meta- anfängt, blieben sie verschont. Freundlich und ideenreich hat Nunes den Figuren zu ihrer jeweiligen Selbststilisierung verholfen und sie darin erstarren lassen.
zeit zu lieben zeit zu sterben
von Fritz Kater
Regie: Antú Romero Nunes, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Karoline Bierner/Thomas Maché, Musik: Johannes Hofmann und marie & the redCat, Dramaturgie: Carmen Wolfram.
Mit: Hilke Altefrohne, Julischka Eichel, Peter Jordan, Johann Jürgens, Matti Krause, Robert Kuchenbuch, Andreas Leupold, Aenne Schwarz, marie & the redCat: Lisa Marie Neumann, Sebastian Rotard, Johann Seifert, Wolfgang Morenz, Florian Donaubauer.
www.gorki.de
"Man bekommt wundersam mitreißend, lässig die Geschichte einer Jugend präsentiert, die in der DDR spielt und doch überall stattfinden könnte," schreibt Nicole Golombek in den Stuttgarter Nachrichten (24.12.2015). Der "mutige Regisseur Antú Romero Nunes" scheut aus ihrer Sicht kein Pathos. "Er zeigt Menschen, deren Sehnsucht nach Freiheit, nach Leben heftig und mitreißend ist".Der Kritikerin läuft es "heiß und kalt läuft es einem über den Rücken angesichts nassforscher Fummelgeschichten, die pubertär unverfroren oder, wie von dem jungen Ensemblemitglied Christian Czeremnych, betont ruppig erzählt werden". "Ein Abend, der bei aller Tragik stark macht und glücklich."
Das Stück nutzt die Folie der DDR aus Sicht von Adrienne Braun in der Stuttgarter Zeitung (24.12.2015) nur, "um ein Adoleszenzdrama zu erzählen, das sich vor allem auf die Kämpfe und Nöte vor und beim Koitus beschränken. Mag das System sie gängeln, die Politik ihre Zukunftspläne zunichte machen, diese jungen Leute beschäftigt doch nur eines: Sex." So schwanke das Stück ständig zwischen existenziellen Fragen und völliger Banalität.
"Pointiert und poetisch ist dieser kaum jemals wirklich szenische, fast immer erzählende Text - Antú Romero Nunes wandelt ihn um in eine Art gesprochenes Rock-Konzert", berichtet Michael Laages im Deutschlandradio Fazit (9.3.2012). "Wie schon in früheren Inszenierungen" drifte Nunes immer mal wieder ab in übermäßig verspielte Albernheiten; "dann ist der Abend nicht weit weg von einer Art Ost-Comic." Aber die fundamentale Grundidee funktioniere – "den alten deutschen Osten, mehr und mehr schrumpfend zum Thema im Geschichtsunterricht, zu betrachten mit dem fremden Blick der Generation von Lady Gaga."
Ein "epochales Ost-Stück" nennt Christine Wahl im Tagesspiegel (11.3.2012) "zeit zu lieben zeit zu sterben" von Fritz Kater, das in der Uraufführung auch noch "einer der legendärsten Petras-Abende überhaupt" wurde. Um diese "Hypothek" zu bewältigen, suche der junge Regisseur Nunes gar nicht die DDR-Geschichte, sondern vielmehr "das Universelle hinter dem Konkreten – und landet beim Popkonzert." Katers "Romantizismen", die sein Alter Ego Armin Petras "in aller Regel konsequent gegen den Sentimentalitätsstrich bürstet", würden bei Nunes nicht gekontert, er habe "wenig Scheu vor dieser Pathosspur". Den zweiten Teil absolviere er allerdings "mit einer durchgängigen Comic-Ästhetik". "So schnurrt der Abend virtuos, handwerklich perfekt und frei von übergeordneten Ebenen ab (...)."
Nunes gehe nicht nur mit der nötigen Unverschämtheit, sondern "mit mindestens ebenso viel Liebe (und mit einer traumhaften Theatermittelsicherheit)" an das "lebendige Material", schwärmt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (12.3.2012). "Das ist keine Verklärung von DDR-Geschichte, sondern eine Vorführung und Bedienung von Verklärungssehnsüchten." Mit furchtlosem, lustvollem Wenn-schon-denn-schon spiele das Ensemble. "Es ist ein Spiel vom Festhaltenwollen und Loslassenmüssen − und als solches für jeden tröstlich, der schon einmal im Leben etwas verpasst hat. Also: auf keinen Fall verpassen."
Fritz Katers Szenenreigen werde hier zum Bilderbogen aus Witzchen, stellt Vasco Boenisch in der Süddeutschen Zeitung (15.3.2012) fest. Und so erschöpfe sich die historische in ironischer Distanz. "Antú Romero Nunes, der talentierte, viel beschäftigte Regisseur, liefert eine Fingerübung ab. 'Wenn du müde bist - halt dich an deiner Liebe fest.' Ja, gemeint ist: deine eigene Liebe. Doch die Selbstverliebtheit ins eigene Handwerk führt hier dazu, dass man statt eines Standpunkts von Nunes nur das Spielbein sieht."
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war die jetzt gut oder schlecht?
vielleicht könnten die ach so intellektuellen kritiker ja vielleicht auch mal ne (meta-)ebene tiefer fabulieren, dass auch normal-sterbliche mitkommen!?
Der Vergleich mit der Literatur des Bewusstseinsstroms bietet sich natürlich an, weil das Stück so ähnlich geschrieben ist, trifft es aber nicht. Es ist handelt sich ja um Vergangenes, kein unmittelbarer Bewusstseinsstrom. Es geht hier um die Art der Erinnerung, die für jeden anders ist. Das ist das phänomenale an Katers Stück, dass in seinen drei Teilen verschiedene Erinnerungsebenen untersucht werden. Im ersten Teil der schnelle unreflektierte Erzählstrom, dann kommen dem Protagonisten die anderen Personen, Schicksale schon näher und er fängt an über sich und sein Leben nachzudenken. Dann gibt es einen Cut und man erlebt einen Gescheiterten, der sich an eine unmögliche Liebe klammert. Inwieweit da jetzt ein Kritik an den unterschiedlichen Systemen vor und nach der Wende enthalten ist, muss man für sich selbst herausfinden. Kater/Petras ist hier das Kunststück gelungen, Erinnerung unmittelbar auf der Bühne erlebbar zu machen. Das ist es auch, was Petras immer wieder mit der Inszenierung von Romanen versucht. Wenn Nunes das Stück jetzt komplett wie einen Shortcut-Film über die Bühne jagt, geht da einiges verloren, was Sophie Diesselhorst mit Meta- bezeichnen würde. Ansonsten funktioniert es natürlich als Theaterstück ganz gut, wenn man diese Art von Genre-Mix am Theater mag.
Zum Vergleich kann man sich die Inszenierung von 2002 in einer DVD-Box mit 4 weiteren am Thalia Theater Hamburg kaufen. Viele der damaligen Darsteller waren gestern im Publikum, es war wie ein Klassentreffen nach 10 Jahren und Peter Jordan stand ja sogar wieder auf der Bühne. Nur wo war Fritzi Haberlandt? Die würde man gerne mal wieder in einer neuen Rolle am Theater sehen.
Komplette Kritik: http://stagescreen.wordpress.com/
Fand ich nämlich auch . Dachte schon ich bin der einzige .
Gruß
Klaus
worum geht's denn? Da bin ich auf Ihre Antwort gespannt.
Mit freundlichen Grüßen, die Kritikerin (die das Stück vor Premierenbesuch gelesen hat).
lieber ironischer Unterton,
(...) Ich habe den Abend gesehen, das Stück gelesen und kann davon nichts in ihrer Beschreibung wiederfinden. Kater schreibt in einer sehr eigenen und sehr poetischen Sprache (...)
(Sehr geehrte Gerda,
unser Gesprächsangebot auf dieser Seite ist nicht ironisch gemeint. Niemand auf nachtkritik.de behauptet von sich, Kunstwerke mit seiner Rezension abschließend zu würdigen. Neue Perspektiven auf Texte und Inszenierungen sind immer willkommen, oft bringen sie uns in unserem eigenen Nachdenken weiter.
Was nicht geht, sind persönliche, ins Denunziatorische lappende Angriffe auf die Schreibenden. Da gilt gleiches Recht für alle (Theaterschaffende, User, Kritiker). Deshalb sehen Sie mir bitte als diensthabendem Redakteur nach, wenn ich Ihre Anwürfe so weit zensiere bis der Teil dasteht, der sich mit Katers Stück, wie Sie es auffassen, beschäftigt.
Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow)
zunächst mal fände ich es super, wenn wir auch hier im Netz wie zivilisierte Menschen miteinander reden/schreiben könnten, ohne uns zur Gesprächseröffnung Unterstellungen an den Kopf zu werfen.
Meine Frage an Sie, Johanna, möchte ich aufrecht erhalten. Denn ich finde es in der Tat interessant, Ihre Sichtweise zu erfahren – sowohl auf das Stück als auch und vielleicht vor allem auf den Abend, den Antú Romero Nunes daraus gemacht hat (denn der steht ja im Zentrum meiner Kritik).
Ich möchte nicht verhehlen, dass ich es schwierig fand, über diesen Abend zu schreiben. So überschäumend und in vielem wunderschön ich ihn fand. Aber es kamen mir eben dann auch Bedenken. Die ich versucht habe zu formulieren, mag sein, dass ich dafür nicht die richtigen Worte gefunden habe. Also: Meine Kritik dilettantisch zu finden, ist natürlich Ihre Sache – aber wäre es der Gesamtdiskussion nicht eben dienlicher, wenn Sie, statt mich zu beschimpfen, einfach selbst versuchten, Ihre Sicht der Dinge zu formulieren?
PS: Liebe Gerda, es liegt mir übrigens ganz fern, zu bestreiten, dass das Stück einen sehr eigenen und poetischen Sprachton hat! Es tut mir leid, dass meine Kritik Ihnen das suggeriert.
Auf eine produktivere Fortführung der Diskussion - mit freundlichen Grüßen, Sophie D.
dann sehen sie mir bitte den denunziatorischen Unterton nach, die Frage der Rezensentin nach dem "Worum gehts denn" konnte ich leider nicht anders als ironisch, aus einer angegriffenen Haltung heraus verstehen.
Meine Empörung wächst daraus, dass man einem sehr seriösen und sich an existentiellen Fragen abarbeitenden Theaterabend, der nach Erzählhaltungen, nach Sprache, nach Identität, nach Gesellschaft und letzlich dem "großen Ganzen" greift, auf eine so lapidare Art abhandelt.
Theater ist Arbeit und Theater ist Kunst und egal, wieviel man einem Abend abgewinnt oder nicht, man sollte sich dem angemessen nähern. " Noch harder wird life" sehe ich nicht als adäquate Beschreibung oder Annährung an einen Text, einen jungen Regisseur und sein Ensemble.
Und das Gesprächsangebot dieser Seite verstehe ich auch als eines, über das " Über-das-Theater-sprechen" ins Gespräch zu kommen. Und wenn ich das auf eine Ihnen zu angriffige Weise das geäußert habe, sehen Sie mir das bitte nach und bitte erlauben Sie mir dennoch, eine empfundene Eitelkeit einer Rezension als solche zu benennen. Dankeschön.
es freut mich sehr, dass Sie den abend in vielem überschäumend und wunderschön fanden. (das fand ich nämlich durchweg auch. hatte das glück ,noch karten für die zweite vorstellung zu bekommen. selten hat mich ein stück so beglückt).
leider finde ich, dass Sie das in ihrer Kritik nicht gebührend zum ausdruck bringen.
stattdessen suggerieren sätze, wie der von stefan zitierte oder folgender:"Wenn der Spaß zwei Stunden andauern soll, dann hilft ein grooviger Grundsound, der dafür sorgt, dass die Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt." einen ironischen oder zynischen ansatz.
das finde ich schade.
Überhaupt: Potsdam gehört doch zu Groß-Berlin! Warum also nicht diese Zeitung grundsätzlich als Berliner Blatt behandeln?
worum es geht - gerade das hätte ich ja gern aus Ihrer Kritik erfahren. Ich habe den Abend von Nunes nicht gesehen, ich kann Ihnen da nicht helfen. Aber ich kenne das Stück und die Inszenierung von Fritz Kater. Und ich weiß, dass es im Text um ein bisschen mehr geht als um "drei Fälle, drei Stimmungen", wie Sie es lapidar zusammenfassen. Das Stück handelt von Sehnsüchten, scheiternden Aufbrüchen, von gesellschaftlichem Stillstand, versuchter Liebe, von jungen Menschen und ihren Leidenschaften, es ist ein poetisches, schmerzendes Genarationenstück. Und das einzige Wort, das Sie dafür finden können, heißt "Ostjugend-Erinnerungstriptychon". Mit diesem zusammengesetzten Bürokratenwort kann doch niemand etwas anfangen.
Es ärgert mich schlichtweg, wie unwissend und oberflächlich Sie hier über den Text und die Inszenierung hinweg wischen. Das bin ich vom sonst recht hohen Niveau der Nachtkritik-Schreiber (vor allem in der Hauptstadtberichterstattung) nicht gewohnt.
Ich habe nach dem Lesen Ihrer Kritik leider keine Ahnung, was Nunes mit seiner Inszenierung zeigen wollte. Hier mal einige Fragen, die ich gern von Ihrem Text beantwortet bekommen hätte:
- Was interessiert den Regisseur am Stoff? (Der Text gewann übrigens 2003 den Mülheimer Dramatikerpreis, aber auch darüber kein Wort von Ihnen)
- Wie gelingt es ihm, die in der DDR verwurzelte Geschichte für uns interessant zu machen? Oder gelingt ihm gerade das nicht? Was haben die Figuren mit uns zu tun?
- Ist sein Zugang genauso spannend, oder vielleicht sogar noch spannender als der des Autors, der ja die Uraufführung inszenierte (die übrigens zum Theatertreffen eingeladen wurde, aber auch darüber: kein Wort in ihrer Kritik)
Ich habe nun lange darüber nachgedacht, aber ich verstehe noch immer nicht, was Sie mit dem Satz „Freundlich und ideenreich hat Nunes den Figuren zu ihrer jeweiligen Selbststilisierung verholfen und sie darin erstarren lassen“ sagen möchten. Und die Zitate, die meine Vorredner ausgewählt haben, zeugen auch nicht unbedingt von großen Gedankengängen: "grooviger Grundsound", "Spannung nie bis zum Nullpunkt abfällt", "noch harder wird life"... Entschuldigen Sie - aber das klingt so assoziativ, so beliebig, als hätten Sie das erstbeste aufgeschrieben, was Ihnen durch die Rübe gerauscht ist.
Ich möchte auf Nachtkritik gern von gut vorbereiteten, klar formulierenden, sich ernsthaft mit Text und Inszenierung beschäftigenden Theaterexperten informiert werden. Sonst kann mir - pardon - auch gleich meine kleine Schwester berichten.
Vielleicht sollten sie tatsächlich stattdessen mit ihrer kleinen schwester reden, das kostet auch nichts, (...)
und nicht versucht, das eigene Ego zu streicheln durch vermeintlich hochintellektuelle rhetorisch-hochtrabende, vom eigentlichen kern-dem Theaterstück jedoch wegdriftende Texte.
mich befähigt dazu gar nichts,und es liegt mir auch fern definitionen abzugeben,ich würde mir nur einfach wünschen, dass kritiken mir begründet lust machen (oder auch nicht) mir theaterstücke (filme, bücher etc) anzugucken;
so wie zb. die rezensionen in Ihrem blog- der gefällt mir sehr gut.
Wenn es denn so einfach wäre ... Ich glaube, jeder Kritiker hat letztlich diesen Anspruch, ein begründetes Urteil abzugeben. Aber schon Ihre Formulierung "Die Inszenierung hat MIR gefallen …" zeigt doch, dass das Ego in jedem Fall mit hineinkommt. Alles andere wäre ja auch unehrlich, denn sonst kommen wir zu scharfrichterlichen und blöden Aussagen wie: "Die Regie ist schlecht, weil der Posa die falschen Hosen trägt."
Eine Kritik will, soll und muss immer vielerlei: Sie will lesbar sein, sie soll einen Theaterabend würdigen, möglichst gerecht natürlich, sie muss aber dazu auch Kontexte aufrufen, um bestimmte ästhetische Vorgänge verständlich zu machen. Da kommt es dann schon mal zu "vermeintlich hochintellektuellen, rhetorisch-hochtrabenden" Gedankengängen, bei denen aber nicht gesagt ist, dass sie vom Kern der Inszenierung wegdriften. Denn das ist es ja gerade, was man immer versucht: zum Kern vorzudringen. Aber wo der Kern ist, das weiß ja im Grunde niemand. Wenn das schon feststünde, könnte man sich die Kritik sparen. Kritik ist das subjektive Umkreisen eines Kernes, dessen Ort sich während des Umkreisens überhaupt erst herstellt. Aber das ist nun schon wieder so ein vermeintlich hochintellektueller Satz …
GRAUENHAFT -meine Erfahrung damit, über die Kritik werde ich mich nicht äussern- ich habe GAR nicht mitgekriegt worum es geht.
Ich denke jetzt, es ist wie die Autorin später sagte: sie wusste nicht richtig, was sie sagen sollte.
Ausländerin bin ich schon, aber ich gleube liegt nicht daran, dass ich NICHTS verstanden habe.