Skandal um die Ku'damm-Bühnen in Berlin
Gekauft und verraten
Berlin, 4. Juli 2007. Die Empörung in der Stadt war groß: Den beiden Boulevard-Bühnen Komödie und Theater am Kufürstendamm drohte Ende des vergangenen Jahres das Aus, weil der Besitzer, die DB Real Estate, eine Tochter der Deutschen Bank, die Mietverträge aufkündigen und die theatergeschichtlich bedeutenden Gebäude abreißen lassen wollte.
Die Komödie wurde in den Jahren 1922-1924 im Auftrag Max Reinhardts von Oskar Kaufmann erbaut, das benachbarte Kurfürstendamm-Theater, ursprünglich ein Gebäude der Berliner Sezession, nahm Reinhardt 1928 dazu und ließ es ebenfalls von Kaufmann umbauen. Im zweiten Weltkrieg wurden beide Gebäude schwer beschädigt, nach Kriegsende aber sofort wieder aufgebaut.
Von 1949 bis 1963 fungierte das Theater am Kurfürstendamm als Spielstätte der Freien Volksbühne, danach wurde es von Hans Wölffer übernommen, der die Bühnen nach der Vertreibung Max Reinhardts schon von 1933 bis 1942 geleitet hatte und auch die Komödie schon längere Zeit wieder betrieb.
Es folgten mehrere Umbauten, und in den 70er Jahren wurden beide Theater in das so genannten Ku'damm-Karree eingebettet, eine Mischung aus früher Shopping-Mall und Passage. 1990 verkaufte das Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Finanzen, das Grundstück an eine Privatperson. 2002 verkaufte diese es an die DB Real Estate, die Ende 2006 in einem Immobilienpaket von 60 Objekten die Gebäude an den Private-Equity-Fonds Fortress veräußerte.
Letzterer verlängerte danach zwar den Vertrag für das Theater am Kurfürstendamm bis Ende Januar 2008 und für die Komödie bis Mitte 2008, ist zu Verhandlungen über die Zukunft der Bühnen aber nicht bereit.
Und nun wurde bekannt – durch eine mündliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Alice Ströver in der heutigen Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses –, dass der Berliner Senat bereits Ende der 90er Jahre alle Sonderrechte, die die Theaterbauten schützen sollten, gegen Bezahlung eines Millionenbetrages löschen ließ. Pikant ist dies vor allem, weil der Theaterdirektor Martin Woelffer und sein Team von Anfang an versucht hatten, die Häuser unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Jetzt bestätigte der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) Zahlungen aus den Jahren 1998 und 2002 im Wert von insgesamt 4 Millionen Euro.
"Ich bin erschüttert und sehr empört über die Nachricht. Das ist ein politischer Skandal. Für Geld geht in dieser Stadt scheinbar alles. Die nun von der Grünen-Politikerin Alice Ströver ans Licht gebrachten Fakten beweisen, dass die Theater vom Senat selbst ursprünglich als schützenswert eingestuft waren, bevor sie gegen mehrere Millionen zum Abriss freigegeben wurden.", schreibt das Theater auf seiner Internetseite.
"Für die kulturelle Identität der Theaterstadt Berlin", heißt es weiter, "ist die Erhaltung der Theater unabdingbar. Ich habe mich lange gefragt, warum die Senatorin für Stadtentwicklung sich nicht für den Erhalt dieser Denkmäler einsetzt. Jetzt weiß ich es. Ich fordere nun den Senat von Berlin auf, das Theater am Kurfürstendamm und die Komödie endlich unter Denkmalschutz zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Theater einen langfristigen, bezahlbaren Mietvertrag bekommen."
(dip / peko)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr meldungen
- Abriss Ku'damm-Bühnen: Skandal
- #1
- Freimut Götsch
meldungen >
- 01. Oktober 2024 Bundesverdienstorden für Lutz Seiler
- 01. Oktober 2024 Neuer Schauspieldirektor ab 2025/26 für Neustrelitz
- 30. September 2024 Erste Tanztriennale: Künstlerische Leitung steht fest
- 29. September 2024 Oberhausener Theaterpreis 2024
- 29. September 2024 Schauspieler Klaus Manchen verstorben
- 28. September 2024 Schauspielerin Maggie Smith gestorben
- 26. September 2024 Nicolas Stemann wird 2027 Intendant in Bochum
- 26. September 2024 Berlin: Bühnenverein protestiert gegen drastische Sparauflagen
neueste kommentare >
-
Einsparungen 3sat Geschätzter Stil
-
Spardiktat Berlin Verklausuliert
-
Spardiktat Berlin Gagen
-
Faust, Frankfurt Video
-
Spardiktat Berlin Intransparente Bosse
-
Spardiktat Berlin Menschen wie Max Reinhardt
-
Augenblick mal Jurybegründung
-
Medienschau Peter Turrini In der DDR
-
Spardiktat Berlin Abreißen
-
Spardiktat Berlin Arbeitsplätze
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau