Besser als Schule

Berlin, 13. Februar 2021. Die Gefahr einer Covid-19 Ansteckung über Aerosolpartikel in Innenräumen ist im Theater (bei 30 % Platzbelegung und Maskennutzung) um die Hälfte geringer als beim Einkauf mit Maske im Supermarkt. Das ist Ergebnis einer Studie der Technischen Universität Berlin, über die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

Für ihre Berechnung des Infektionsrisikos griffen die Forscher*innen der TU Berlin auf Daten anderer Studien über Atemvolumenströme bei verschiedener Aktivität, Quellstärken sowie auf Daten aus "einschlägigen Normen und Richtlinien zur Belüftung von Innenräumen" zurück und legten "nutzungstypische Aufenthaltszeiten" in den betreffenden Innenräumen zugrunde.

Der Aufenthalt in Theatern, Opern und Museen bei 30 % Auslastung und Maskenbenutzung zählt mit einem Infektionsrisikowert von Rs=0,5 zu den risikoarmen Betätigungen, ähnlich dem Frisörbesuch (Rs=0,6), dem Supermarkteinkauf mit Maske (Rs=1) oder dem Restaurantbesucht bei 25 % Platzausnutzung (Rs=1,1). Zu den risikoreichsten Betätigungen gehören die Arbeit im Mehrpersonenbüro bei 50 % Platzausnutzung ohne Maske (Rs=8,0) oder der Oberschulbesuch (Rs=5,8 bei 50 % Belegung ohne Maske, Rs= 11,5 bei Vollbesetzung ohne Maske). Der Faktor Rs zeigt an, wie viele weitere Personen sich anstecken, sollte sich eine mit Covid-19 infizierte Person im Raum befinden (Rs=1 bedeutet: Eine Person steckt sich an).

"Die Ergebnisse der Forscher wurden bisher noch nicht von anderen Fachkollegen überprüft. Trotzdem könnten sie wegweisend für die Entscheidungen werden, wann welche Einrichtung hierzulande wieder öffnen kann", schreibt das RND.

(rnd.de / tu-berlin.de / chr)


Mehr zu Corona-Ansteckungsstudien im Theaterbereich:

Meldung: Studie zum Risiko einer Ansteckung im Konzertsaal (1/2021)

Recherche: Frischluft-Kur: Wie moderne Lüftungssysteme die Theater infektionssicher machen sollen (7/2020)

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Kommentare  
Corona-Risiko: (un-)vermeidbare Risiken
So gerne ich die Zahlen der Modellrechnung mit Begeisterung aufnehmen würde, leider gibt es für eine Theateröffnung weiterhin große Probleme damit:
1. Die Zahlen berücksichtigen nicht die neuen, mutierten Coronavirus-Varianten, die weit infektiöser sind.
2. Leider kann sich der/die* Zuschauer*in nicht auf den Platz im Theaterraum hin- und wieder wegbeamen, sondern kommt im ÖPNV dorthin, kommt in Gängen, auf dem Weg zum Platz, im Foyer, auf den Toiletten etc. anderen Menschen in schlechter belüfteten, wesentlich kleineren Räumen unvermeidlich sehr viel näher als in der obigen Modellrechnung angenommen oder berücksichtigt werden kann.
3. Das Modell operiert natürlich unter der Annahme, dass der/die* Besucher*in vor oder nach der Vorstellung ohne Gespräch oder irgendeinen Kontakt unmittelbar allein nach Hause geht. Das ist leider komplett unrealistisch. Bei jeder Vorstellung unter Corona-Auflagen im Herbst konnte man beobachten, wie die Leute im Eingangsbereich, auf den Gängen, oder vor den Theatern in Gruppen ohne jeden Sicherheitsabstand oder Maskenschutz zusammenstehen, sich über die Vorstellung austauschen (das ist ja auch ein ganz wesentlicher Aspekt des Theaterbesuches!).
4. Die Modellrechnung der Studie kann selbstverständlich auch keinerlei Aussage dazu treffen, ob sich auch tatsächlich an alle Abstands-, Masken-, Lüft- und Hygieneregeln gehalten wird.
5. 30% Auslastung ist für jedes Theater völlig unrentabel (leider! Und besonders für kleine Theater unter 1.200 Sitzplätzen). Die entstehenden Kosten für eine Vorstellung (Personal- und Sachkosten) sind um ein Vielfaches höher als dadurch erwirtschaftet werden können, um den Theaterbetrieb auch in der Zukunft nach Covid auf Dauer am Laufen halten zu können. (Es ist traurig, dass man diese Gedanken miteinbeziehen muss, aber es nicht zu tun wäre leider völlig unrealistisch. Jede Vorstellung, die nur mit maximal 30% ausgelastet werden darf, gefährdet das finanzielle Überleben des betroffenen Theaters.).
6. Viele Theaterleute werden die Studie als Argument nutzen wollen (Aha! Seht her, die Gefahr sich im Theater anzustecken ist niedriger als beim Supermarktbesuch!). Das ist verständlich. Aber das Problem dabei ist, das hat nie irgendein*e Entscheidungsträger*in, Politiker*in etc. bestritten, alle wussten und wissen um diesen Sachverhalt. Das Problem ist nur: der Supermarkt-, Arbeitsplatz- und Schulbesuch sind leider nicht vermeidbar. So ungern ich es auch sage: der Theater- oder Kinobesuch sind dagegen vermeidbar.
Das Risiko muss, wo auch immer möglich, reduziert werden - in Anbetracht der neuen, weitaus infektiöseren Coronavirus-Mutationsvarianten. Alles andere ist Augenwischerei.

So furchtbar es ist (und es ist furchtbar!!), und so ungerecht es sich auch anfühlt (und es fühlt sich ungerecht an!!), ich befürchte wir müssen uns mit der Realität anfreunden und abfinden, dass diese Spielzeit für die Theater mehr oder weniger gelaufen ist. Live-Theatersuch wird wohl leider, leider erst wieder nach Erreichen der Herdenimmunität durch die Impfung möglich sein. Ich hoffe sehr, dass dies bis zum Beginn der nächsten Spielzeit im Herbst erreicht wird!
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