Presseschau vom 5. Dezember 2016 – Die Welt und die TAZ kritisieren Berliner Sophiensaele für Zensur einer Inszenierung
Der hat N**** gesagt!
Der hat N**** gesagt!
5. Dezember 2016. Die Leitung der Berliner Sophiensaele hat die Inszenierung "Leopardenmorde" der freien Gruppe K.U.R.S.K. nach der ersten Vorstellung aus dem Programm des an ihrem Haus gastierenden Festivals "Freischwimmer" gestrichen. Der Grund: An dem Abend fiel mehrmals der rassistische Ausdruck "Neger".
Das sagt man nicht
Thema der Arbeit ist die Vergangenheit des Großvaters von K.U.R.S.K.-Mitglied Timo Krstin. Krstin liest an einer Stelle Passagen aus dessen autobiografischem Romanversuch vor, in denen mehrmals das N***-Wort fällt. Laut Christoph David Piorkowski von der tageszeitung (5.12.2016) sei die Gruppe vonseiten der Sophiensaele-Leitung dazu angehalten worden, das Wort nicht zu benutzen.
"Die Theatergruppe K.U.R.S.K. hielt das für Verrat am eigenen Konzept und wurde von den Sophienaele zeitweilig aus dem Festival ausgeschlossen. Trotz der dezidiert antirassistischen Agenda des Stücks sieht sich die Gruppe nun mit dem mindestens impliziten Vorwurf des Rassismus belegt."
In einem ausführlichen Artikel wägt Piorkowski die Berechtigung des Eingreifens der Sophiensaele ab. Wichtig für ihn ist, dass es sich um ein antifaschistisches Theaterstück handelt. Die Rahmung bewirke gerade das Gegenteil einer Aktualisierung rassistischer Strukturen.
Reformelite
"So sich People of color trotzdem damit unwohl fühlen, muss man deren Einwände ernst nehmen. Sowohl die Arbeit von K.U.R.S.K. als auch die Argumentation dieses Artikels geschehen ausgehend von einer weißen, also privilegierten Sprecherposition."
Jedoch: "Man wird das Gefühl nicht los, dass die Bereinigung der Sprache hier als Distinktionstechnik einer Reformelite fungiert, die sich selbst einen rassismusfreien Status jenseits der weißen Norm attestiert. Der Schokokuss fürs gute Gewissen. Von der identitätspolitischen Trutzburg aber geht ein kulturarroganter Klassismus aus, der am Ende den Rechten in die Hände spielt."
Bereits zuvor skandalisierte Alan Posener in der Welt (21.11.2016) den Fall: "Hier wird im Kleinen vorgeführt, was passiert, wenn verbiesterte Ideologen die Produktionsmittel der Kultur in die Hände bekommen."
(tageszeitung / Die Welt / miwo)
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