Medienschau: Berliner Zeitung – Ulrich Khuon zur Initiative Weltoffenheit
Das Aber vor dem Ja
Das Aber vor dem Ja
13. Dezember 2023. Die Berliner Zeitung spricht mit dem Intendanten Ulrich Khuon über die wegen ihrer BDS-Nähe umstrittene Initiative GG 5.3 Weltoffenheit. Ihr hatte Khuon 2020 das Deutsche Theater Berlin zur Verfügung gestellt. Wie positioniert er sich heute dazu?
"Mir kommt es so vor, als ob sich in der Debatte das Aber vor das Ja gesetzt hat", so Khuon im Interview mit Ulrich Seidler und Harry Nutt. "Das Ja, das sagt: 'Ich weiß von den Gräueln der Hamas und missbillige sie aus tiefster Überzeugung', ist verschluckt worden." Die Kriegsgewalt der israelischen Reaktion scheine "den Überfall der Hamas aufgesaugt zu haben wie ein Löschpapier".
Rückblickend auf seine Unterstützung der Initiative Weltoffenheit, die sich 2020 gegen den BDS-Beschluss des deutschen Bundestags wandte, meint Khuon, es sei richtig, dass "eine politische Kraft" alles tun müsse, "um Antisemitismus zu bekämpfen". Allerdings gehe der BDS-Beschluss "noch einen Schritt weiter", worin Khuon die "Freiheit der Kunst beschränkt" sehe, "die in Deutschland nach den Nazi-Erfahrungen eine Errungenschaft ist, die an keiner Ecke infrage gestellt werden darf". Die Politik dürfe "nicht in die Kunstfreiheit reingrätschen" und der Beschluss habe gezeigt, dass es "kein Vertrauen zu den Verantwortlichen" gegeben habe. Der BDS sei "keine homogene Vereinigung, in der man Mitglied wird und sich auf ein Statut festlegt". Vertrauen werde zudem entzogen, wenn die Biografien der Künstlerinnen und Künstler danach abgesucht würden, "wann sie welche Unterschriften geleistet haben".
Gleichwohl habe Khuon sich von einigen Reaktionen aus dem Publikum "falsch verstanden" gefühlt. Er sei "gegen Antisemitismus und kein Freund von Boykotten" und würde mit "niemandem zusammenarbeiten, der mir sagt, dass ich dafür jemand anderen boykottieren müsse". Ziel der Initiative und auch oft seine Aufgabe als Intendant sei es gewesen, Diskursräume offen zu halten. Er habe im Theater die Erfahrung gemacht, dass es darum gehe, sich "persönlich" einzubringen und zu fragen: "Warum gewähre ich Künstlern welche Freiheit? Wo wahre ich Distanz?"
Weiterhin wolle er "für Offenheit" werben: "Worin besteht das Problem, wenn ich sage, dass ich den BDS-Beschluss für wenig hilfreich halte? Lasst uns darüber streiten!" Es werde künftig darauf ankommen, so Khuon, "die Freiheit, auch deren Zumutungen, auszuhalten". Das allerdings gelinge nur "wenn wir in unseren Haltungen erkennbar bleiben. Und wenn wir bereit sind, nicht in ihnen zu erstarren."
(Berliner Zeitung / jeb)
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