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Alvis Hermanis: Rückzug vom deutschsprachigen Theater

Falsches Mantra

9. Februar 2013. Der lettische Regisseur Alvis Hermanis wird vorerst nicht mehr außerhalb Lettlands inszenieren, wo er in Riga künstlerischer Leiter des Neuen Theaters ist. Das gab Hermanis der NZZ-Kritikerin Barbara Villiger Heilig zu Protokoll, die ihn in Zürich im Vorfeld seiner "Kaspar Hauser"-Inszenierung am Schauspielhaus getroffen hat - offenbar also erst einmal seine letzte Arbeit für eine deutschsprachige Schauspielbühne.

alvishermanis.theatre.lvAlvis Hermanis  © www.theatre.lvNach all den Erfahrungen im Ausland merke er, zitiert die NZZ Hermanis' Begründung, dass man dort stets an eine Grenze stoße, und zwar der Verständigungsmöglichkeiten bzw. des Verständnisses schlechthin. Denn der kulturelle Kontext, davon habe er sich im Lauf der zehn vergangenen Jahre nun zur Genüge überzeugen können, spiele eine viel größere Rolle als angenommen. "Während die globalisierte Theaterszene ihre Botschaft der universalen Verständlichkeit von unablässig um den Planeten tourenden Bühnendarbietungen wie ein Mantra wiederholt", so Barbara Villiger Heilig, "sagt Hermanis wörtlich: Im Ausland zu arbeiten, sei 'immer eine Art blind date'." Eine universelle, globalisierbare Bühnensprache gebe es nicht. "Eigentlich erstaunt diese Conclusio nicht", so Villiger Heilig. "Aber zu denken gibt sie schon. Der Theaterbetrieb heutzutage lebt vom internationalen Austausch. Doch was genau kriegen wir davon mit? Anders gefragt: Wie viel verpassen wir dabei?"

Im vergangenen August hatte Hermanis scharf die Berufung Frie Leysens zur Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen kritsiert. Es gebe eine "globale Tendenz bei internationalen Theaterfestivals, sich zunehmend vom Theater selbst abzulösen". Diese Tendenz komme letztlich einer "Profanierung des Theaters" gleich.

Trotz anhaltenden Erfolges beim Publikum sei Hermanis immer nachhaltiger irritiert über die Missverständisse zwischen seinem Werk und dessen lokaler Wahrnehmung. "Sie öffnen Gräben, die beträchtlichen denkerischen Aufwand samt künstlerischer Umsetzung verschlucken." Die Konsequenzen, die er nun für sich daraus zieht, betreffen jedoch nur das Sprechtheater. Als Opernregisseur, der er spätestens seit seinem Salzburger Debüt im vergangenen Sommer ebenfalls ist, wird er weiter arbeiten: in diesem Sommer erneut in Salzburg, wie zu lesen ist. Außerdem stehen der NZZ zufolge bereits Operninszenierungen in Berlin, Brüssel und Mailand auf Hermanis' Terminplan.

(NZZ / sle)

 

Kommentare  
Hermanis geht: alles mitgenommen
Genau, nachdem Hermanis zehn Jahre alles mitgenommen hat, was die "globalisierte Theaterszene" zu bieten hatte, fällt er vor einiger Zeit der Königsmacherin Frie Leysen in den Rücken, um dann jetzt den wahren Künstler raushängen zu lassen. 'Think global, act local' oder so eine ähnliche Idee muss wohl dahinter stehen. Das gilt aber nur für das Sprechtheater. Auf die Opern-Regie Gagen möchte er jedoch nicht verzichten. Etwas Inkonsequenz muss wohl sein. Ich finde die Haltung elitär und arrogant.
Hermanis geht: vieles gegeben
Hermanis hat nicht 'alles mitgenommen' sondern auch vieles gegeben... Ein sehr guter Regisseur.
Hermanis geht: zielt auf sich selbst
aussergewöhnliche ausformung von egomanie dieses regisseurs. selbst in seiner kritik zielt hermanis nur auf sich selbst.
Hermanis geht: Gegenteil von elitär
Hast du das interview gelesen?
er findet das theater nur in einem konkreten bezugsrahmen mit sehr verschiedenen adressaten funktioniert.er sagt das nicht überall alles gleich an- bzw. rüberkommt.er möchte verstanden werden.ist das nicht eher das gegenteil von elitär?
Hermanis geht: unkonstruktiv
Ich bin auch nicht der Meinung das Hermanis ein schlechter Regisseur ist. Ganz im Gegenteil. Mir gefällt aber seine Haltung nicht, dass er für sich legitime Entscheidungen trifft, dabei aber jenen, die ihn unterstützt haben, einen Strick draus dreht. Das ist doch unkonstruktiv - auch undankbar gemäß dem Vertrauen, das man in ihn gesetzt hat. Das klingt vielleicht etwas moralisch, aber ich denke, dass man auf dem Theatermarkt ruhig mal wieder die Begriffe Moral und Tugend in den Mund nehmen darf. Es geht ja zu wie im Haifischbecken.
Hermanis geht: frei bleiben
Genau weil es of ein Haifischbecken ist, ist es wichtig, frei zu bleiben und den Mut zu haben, Kritik zu äußern - auch wenn man dann den Hand beißen würde, der gefüttert hat. Moral und Tugend ja, Loyautät auch, aber auch Redefreiheit und die Möglichkeit, weg zu gehen.
Hermanis geht: Abgrenzungs-Business
Warum muss ich denn eine Entscheidung, die ich für mich treffe, nach außen, als eine Entscheidung gegen jemanden oder gegen etwas kommunizieren? Meine Kritik, hat doch mit Einschränkung von Redefreiheit gar nichts zu tun. Da will sich Hermanis doch abgrenzen, um sich anders oder besser zu positionieren. Business as usual! Habe ich kein Bock mehr drauf!
Hermanis geht: stilisiert profaniert
Ich halte Hermanis für einen gnadenlos überschätzten Regisseur.
Das heisst nicht, dass er sich deshalb aus dem deutschsprachigen Theaterraum verabschieden sollte.
Er ist ja hier in bester Gesellschaft.
Die "Profanierung des Theaters" betreibt Herr Hermanis in einer nahezu perfekten Stilisierung in seinen Arbeiten und ich wundere mich, dass das bisher niemanden aufgefallen ist.
Hermanis geht: Kritik konkretisieren
@8:
Oh, das würde mich interessieren, warum Sie die Inszenierungen nicht so dolle finden bzw. was daran?
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