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Iris Laufenberg wird Intendantin am Deutschen Theater Berlin
Profilierte Theaterfrau
6. November 2020. Iris Laufenberg löst Ulrich Khuon zur Spielzeit 2023/24 als Intendantin am Deutschen Theater Berlin ab. Das gab soeben die Berliner Senatsverwaltung für Kultur bekannt. Damit übernimmt am DT Berlin zum ersten Mal eine Frau die Intendanz.
Iris Laufenberg ist seit 2015 Geschäftsführende Intendantin des Schauspielhauses Graz. Ihr ursprünglich bis 2020 befristeter Vertrag wurde dort im November 2017 um weitere drei Jahre bis Sommer 2023 verlängert. Als Partnertheater der Berliner Autorentheatertage kooperiert das Grazer Schauspielhaus seit 2019 mit dem Deutschen Theater.
In Berlin ist Laufenberg als Leiterin des Theatertreffens bekannt. Einen Schwerpunkt legte sie während ihrer Zeit beim Theatertreffen 2002 bis 2011 auf die Förderung junger Dramatiker*innen, unter anderem beim Stückemarkt. In Graz begründete sie das internationale Dramatiker*innenfestival, das der grenzübergreifenden, inhaltlichen Verständigung von Theaterschaffenden und jungen Talenten gewidmet ist. Gemeinsam mit dem DRAMA FORUM der Ausbildungsstätte uniT und unterstützt vom Deutschen Literaturfonds e.V. findet es jährlich statt.
Iris Laufenberg studierte Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen. Als Mitglied der künstlerischen Leitung und Schauspieldramaturgie arbeitete sie von 1991 bis 1997 am Schauspiel Bonn. 1997 wechselte sie als Mitglied der künstlerischen Leitung und Schauspieldramaturgin ans Bremer Theater. Von 2012 bis 2015 war sie als Schauspieldirektorin am Konzert Theater Bern tätig. Dort engagierte sie sich für internationale und interdisziplinäre Produktionen und legte einen Schwerpunkt auf neue europäische Dramatik. Einladungen führten sie mit dem Konzert Theater Bern zu den Mülheimer Theatertagen (2013 und 2014), dem Heidelberger Stückemarkt und den Berliner Autorentheatertagen (beide 2013).
Auszeichnungen und Einladungen erhielt unter Iris Laufenbergs Intendanz auch das Schauspielhaus Graz. Zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen wurde es 2016 mit "lupus in fabula" von Henriette Dushe, 2019 mit "Erinnya" von Clemens J. Setz und 2020 mit "jedermann (stirbt)" von Ferdinand Schmalz. Bei den Mülheimer Theatertagen vertreten war das Schauspielhaus Graz 2020 mit der Uraufführung von Caren Jeß' "Bookpink". Einen Nestroy-Theaterpreis als "Bester Nachwuchs "erhielt 2016 die von Iris Laufenberg nach Graz geholte Schauspielerin Julia Gräfner für die Darstellung des Caliban in William Shakespeares "Der Sturm" (Regie: Stephan Rottkamp).
Iris Laufenberg ist seit Oktober 2017 im Board of Directors der ETC (European Theatre Convention) tätig und wurde im November 2019 einstimmig zur Vizepräsidentin des Vorstands gewählt.
"Mit eindrucksvollen Theatererfolgen und deren Einladung zu internationalen Festivals sowie jährlicher Vertretung beim Nestroy-Preis hat sich Iris Laufenberg einen Namen gemacht und deshalb blicken wir auf diesen Karrieresprung natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge", schreibt der Geschäftsführer der Bühnen Graz, Bernhard Rinner, zur Intendanzberufung. "Das Schauspielhaus verliert mit seiner Intendantin eine profilierte Theaterfachfrau, die unsere Stadt in ihrer Vielfalt versteht und diese mit interdisziplinärem Denken und der Verbindung von Klassischem und Innovativem stets geprägt und gefordert hat. Wiederum kann aber auch Graz stolz sein, sich neuerlich als Kaderschmiede für das internationale Theater bewiesen zu haben."
Um eine reibungslose Übergabe zu garantieren, verlängert der amtierende Intendant Ulrich Khuon seinen Vertrag um ein Jahr bis 2023, heißt es in der Pressemitteilung der Kultursenatsverwaltung.
(Senatsverwaltung für Kultur und Europa / Schauspielhaus Graz / eph)
Mehr dazu: Kommentar von Georg Kasch zur Ernennung von Iris Laufenberg plus Presseschau.
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Das sind doch schon fast zwei verschiedene Sportarten.
Beschaulich, geschützt, mit Talent, ja, in Graz.
Aber das ist nicht das Haifischbecken Berlin.
Toi, toi, toi ....
Und übrigens, nur noch mal zu Erklärung bei etwaigen Befürchtungen: "Quote" heißt nicht, schlechtere Bewerber*innen zu bevorzugen, sondern bei GLEICHER Qualifikation zur "Quote" zu greifen.
wen denn? Vielleicht sind es ja gerade der Werdegang und die Qualifikationen, die die Wahl auf Frau Laufenberg haben fallen lassen!?
Zum Glück sind ja bald Neuwahlen. Aber mit den Fehlern von Lederer wird Berlin bis 2028 leben müssen. Welch (trübe) Aussichten...
Auch muss sich hier einE IntendantIn nicht mit unterschiedlichsten Tarifverträgen und großen Kollektiven (Chor, Orchester) herumschlagen und kann sich in den meisten Fällen stärker auf die künstlerische Arbeit konzentrieren. Zudem: Ein gutes künstlerisches Programm in der Peripherie zu machen, bedarf sicher größerem Geschick als mit viel Geld in den Metropolen, in denen sowieso jeder arbeiten will. Provinz ist Kunst! Frau Laufenberg hat in Graz tolle Arbeit gemacht und das ist vermutlich schwieriger als in Hamburg.
Dass Laufenberg sich alles härter erarbeiten musste, qualifiziert sie bestimmt nicht minder.
Festgehalten werden kann, dass mit ihrem Amtsantritt von den sechs (nach meiner Definition) wichtigsten Häuser Berlins 50% von Frauen geleitet werden werden. Das Haus mit dem größten Etat ebenfalls von einer Frau. Es war ein langer Weg, und es möge bei einer diversen Mischung bleiben.
Nun: Bei diesen 6 Häusern sind zwar 50% Frauen und 33% mit Wurzeln außerhalb deutscher Bundesländer, aber wo sind die Ostdeutschen? Die finden nicht statt. Die Berliner Theater sind in ihren Spitzen noch homogener und westlastiger als der diesbezüglich rückständige Bereich der deutschen Hochschulleitungen und Bundesgerichte. Wo bleibt das Engagement der sonst Engagierten?
Es ist keineswegs ein schwer zu leitendes Haus, wenn man einmal von diesem typischen Berliner Anspruch absieht, besser sein zu wollen oder zu müssen, als die Theater in der sog. Provinz. Es ist klein, einspartig, hat einen bombastischen Etat und kluge Mitarbeiter*innen.
Natürlich hätte eine Team-Berufung dem Haus besser gestanden, aber die Politik ist noch immer konservativ und weiss zu wenig, wie Theater tatsächlich funktionieren.
Was störend an diesem ganzen Vorgang ist, ist die herrschaftliche Geste, mit der die Intendanz von der Berliner Kulturpolitik ohne Beteiligung der Stakeholder vergeben wird. Das Theater gehört den Menschen der Community, also Berlins, es gehört den Zuschauer*innen und den Mitarbeiter*innen. Niemand davon wird in den undurchsichtigen und intransparenten Vorgang der Auswahl einbezogen. Hier ist die PDS keineswegs besser als die CDU oder irgendeine andere konservative Partei, die auf pyramidalen Strukturen beruhen und jede Innovation verweigern.
Das Theater wird nach Corona keine Chance mehr in unserer Gesellschaft haben, wenn nicht die Anbindung an die Menschen gelingt, die es betreiben, die es besuchen und die es bezahlen. Die Politik, die sich hier majestätisch geriert, ist nichts weiter als ein Stellvertreter, sie sollte die Menschen einbeziehen und sie nicht ständig zu domestizieren versuchen, mit der Anordnung und Besetzung von Positionen von oben herab.
Insofern unterscheidet sich diese Wahl nicht von der Polleschs, Reeses oder anderer Berliner Intendant*innen: Sie alle sind nicht demokratisch in ihre Positionen gehoben worden und deshalb auch nicht legitimiert. Ihr Mandat ist deshalb immer mit einem Ballast verbunden, den abzuarbeiten viel Kraft kostet und eine hohe Abhängigkeit von der Politik schafft, die selbst keine demokratische Legitimation besitzt, Intendanten einzusetzen, zu verlängern oder in die Konzeption der Häuser beliebig einzugreifen.
Deshalb wäre vorzuschlagen, dass in jede der so diskreten Auswahlgremien zukünftig je zwei Vertreter der Mitarbeiter*innen/Ensemble, der Besucher*innen und der wichtigen gesellschaftlichen Gruppen der Stadt mit einbezogen werden. Alles andere hat keine Zukunft mehr. Und, wenn Berlin hier nicht zügig eine Vorbildrolle für das Theaterland einnimmt, wird es auch in den anderen Bundesländern nicht zu einer echten Partizipation kommen.
Ich glaube übrigens bei aller nachgewiesenen Kompetenz von Iris Laufenberg nicht daran, dass sie das Gegenwartstheater stärkt oder in der Vergangenheit gestärkt hat. Das junge Gegenwartstheater vielleicht. Das wäre möglich. Aber das Gegenwartstheater ist nicht nur jung. Und es ist auch keine Garantie dafür, dass mehr junge Menschen ins Theater gehen oder zu TheaterfreundInnen werden.