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Regisseur und Theatertheoretiker Augusto Boal gestorben

Eine andere Welt ist möglich

Rio de Janeiro, 4. Mai 2009. Wie unter anderem der österreichische Standard mit Bezug auf APA auf seiner Homepage meldet, ist der brasilianische Regisseur und Theatertheoretiker Augusto Boal, der an Leukämie erkrankt war, vorgestern im Alter von 78 Jahren in Rio de Janeiro gestorben.

 

Geboren wurde der Begründer des Theaters der Unterdrückten am 16. März 1931. Er studierte in den USA und war danach von 1956 bis 1970 Mitglied des Arena-Theaters in Sao Paulo. In dieser Zeit war er einer der wichtigsten Theater-Revolutionäre Lateinamerikas, wobei er insbesondere auf das politische Potential des Theaters abhob und sich dafür einsetzte, es für alle zugänglich machen. Den Zuschauer erklärte er dabei selbst zum Akteur, der die Gesellschaft aktiv mitgestalten sollte.

Von 1971 bis 1986 lebte er, durch die Militärdiktatur gezwungen, in Argentinien und Europa im Exil. Nach seiner Rückkehr gründete er in Rio de Janeiro das "Zentrum des Theaters der Unterdrückten", war in den Neunziger Jahren dort Stadtverordneter und nutzte seine Methode u.a. zur Entwicklung von Gesetzesvorlagen.

Im März diesen Jahres war Boal von der UNESCO, die ihn bereits 1994 mit der Pablo-Picasso-Medaille ehrte, noch mit dem Titel "Weltbotschafter des Jahres" ausgezeichnet worden und hatte zum Welttheatertag (27. März 2009) einen Text über die Theatralität unserer Alltagswelt im Allgemeinen wie der Finanzkrise im Besonderen verfasst, den wir hier, sofern er einige Kernaspekte der Boal'schen Theorie formuliert, noch einmal (nach einer Übersetzung, die das Internationale Theaterinstitut auf seiner Homepage bereitstellte) in Auszügen zitieren:

"Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst werden, sind die Beziehungen der Menschen theatralisch strukturiert (...). Alles, was wir auf der Bühne tun, tun wir auch im Leben: wir bestehen aus Theater. (...)

Wenn wir hinter den Schein schauen, sehen wir Unterdrücker und Unterdrückte, in jeder Gesellschaft, in jedem Volk, jeder Klasse und Kaste; wir sehen eine ungerechte, grausame Welt. Wir müssen eine andere erfinden, denn wir wissen, eine andere Welt ist möglich. An uns liegt es, eine solche Welt mit eigenen Händen zu bauen und auf die Bühne zu gehen: auf die Bühne des Theaters wie auf die Bühne des Lebens.

Seht es euch an, das Spektakel, das jetzt beginnt, und wenn ihr nach Hause kommt, dann spielt mit euren Freunden eure eigenen Stücke. Seht, was ihr noch nie sehen konntet: was ins Auge springt. Theater ist nicht nur Ereignis, es ist eine Lebensform!

Akteure sind wir alle. Ein Bürger ist nicht, wer bloß in der Gesellschaft lebt. Ein Bürger ist, wer sie ändert!"

(Standard / ITI / ape)

Hier die Botschaft von Augusto Boal zum Welttheatertag am 27. März 2009 in voller Länge. In der Frankfurter Rundschau (6.5.2009) schreibt der chilenische Dramatiker Ariel Dorfman ("Der Tod und das Mädchen") in einem anrührenden Nachruf über seine Erinnerungen an Augusto Boal. Ein weiterer Nachruf von Peter B. Schumann auf Deutschlandradio Kultur.

 

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