Internationale Solidarität mit Autorentheaterprojekt

Wien, 29. März 2017. Das Autorentheaterprojekt Wiener Wortstaetten ist gemäß dem Gutachten der Wiener Theaterjury 2017 aus der Konzeptförderung für den Zeitraum 2018 bis 2021 gefallen. Die Streichung der Konzeptförderung (die im Gutachten für den Turnus 2014 bis 2017 noch mit 150.000 Euro pro Jahr angesetzt wurde) gefährde das Autorentheaterprojekt "existenziell", schreiben die Initiatoren Hans Escher und Bernhard Studlar auf der Website der Wiener Wortstaetten.

"Kahlschlag an der österreichischen Gegenwartsdramatik"

In einem Offenen Brief an den Wiener Stadtrat für Kultur, Wissenschaft und Sport, Andreas Mailath-Pokorny, solidarisieren sich zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland mit den Wiener Wortstaetten. In dem Brief heißt es: "Dieses in mehrerlei Hinsicht einzigartige Projekt, das sich in den letzten Jahren besonders durch die Unterstützung von AutorInnen nichtdeutscher Muttersprache, sowie innovative dramatische Projekte hervortat, mit einem Schlag zu beenden, bedeutet einen unersetzlichen Verlust für die zeitgenössische österreichische Dramatik und die mit ihr verbundene Theaterszene."

Im Autorenlabor der Wiener Wortstaetten wurde unter anderem die Ehrenmord-Komödie Habe die Ehre des syrisch-kurdischen Autors Ibrahim Amir entwickelt und herausgebracht; die Uraufführung des Stückes durch Hans Escher gewann 2013 den Nestroy-Preis. Autor*innen wie Julya Rabinowich, Ewald Palmetshofer oder Dimitré Dinev arbeiteten an den Wiener Wortstaetten.

"Wir ersuchen Sie daher, diesen Kahlschlag an der neuen österreichischen Gegenwartsdramatik noch einmal zu überdenken und hoffen auf eine Fortsetzung dieses so eminent wichtigen Autorentheaterprojekts“, so der Offene Brief, dem sich zahlreiche Autor*innen, darunter die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Verlagsverantwortliche und Theaterschaffende wie der Intendant des Münchner Residenztheaters Martin Kus̆ej und die Leiterin des Berliner Theatertreffens Yvonne Büdenhölzer anschließen.

Die Stadt gibt keine Begründung für Ablehnungen

Das Büro des Wiener Stadtrats für Kultur, Wissenschaft und Sport möchte sich auf Nachfrage von nachtkritik.de nicht zu den Begründungen im Förderentscheid äußern: "Ablehnungen der Konzeptjury werden seitens der Stadt grundsätzlich nicht öffentlich kommentiert. Denn die Argumente der Jury könnten auch Bewertungen der persönlichen Fähigkeiten und Qualitäten der AntragsstellerInnen beinhalten und im negativen Falle als Diskreditierung der Person verstanden werden. Aus diesem Grund wird seitens der Kulturabteilung von einer offiziellen Begründung der Ablehnung abgesehen. FörderwerberInnen sind aber eingeladen, in persönlichen Gesprächen mit der Abteilung diese zu erfahren."

Auf Nachfrage, ob der Stadtrat in Erwägung ziehe, angesichts der jetzt anhebenden Proteste den Förderentscheid zu korrigieren, antwortet das Büro des Stadtrats: "Es handelt sich um Empfehlungen eines ExpertInnengremiums. Wenn man solche will, sollte man deren Empfehlungen auch folgen. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei der Konzeptförderung zwar um ein wesentliches, nicht aber um das einzige Förderinstrument der Kulturabteilung handelt."

(wiener-wortstaetten.at / www.wien.gv.at / Büro des Wiener Stadtrates für Kultur und Wissenschaft / chr)

In einer Pressemitteilung (31.3.2017) wenden sich Hans Escher und Bernhard Studlar von den Wiener Wortstaetten nochmals gegen die Förderentscheidung der Wiener Theaterjury und heben in dreizehn Punkten die Verdienste der Wortstätten als "Theaterlabor, Stückentwicklungseinrichtung, Produktions- und Koproduktionsstätte, (....) mit besonderem Schwerpunkt auf Interkulturalität" hervor.

Der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens ruft in einer Pressemitteilung (31.3.2017) zur Unterstützung der Petition der Wiener Wortstaetten auf: "Da wir als Stückemarkt des Berliner Theatertreffens die Arbeit der Worstaetten sehr schätzen und vor allem im Hinblick auf die Autor*innenförderung und Nachwuchsdramatik für absolut notwendig erachten, sind wir über diese Entscheidung (der Wiener Theaterjury, Anm. chr) sehr erschüttert."

 

 

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Kommentare  
Wiener Wortstaetten: ein Leidensweg
Nach redaktioneller Rücksprache mit den Wiener Wortstaetten geben wir hier die laufende Chronik der Ereignisse, denn nicht nur soll am Jahresende die Förderung der Wortstaetten durch die Stadt Wien aufhören, auch fehlen nun die Eigenmittel für das im April 2017 von der EU zur Förderung ausgewählte Projekt eingereichte Projekt "Fabula Mundi - Beyond Borders".

+ Mitte März 2017 bekommen die Wiener Wortstaetten die Nachricht, dass die Jury der Stadt Wien entschieden hat, die Förderung über den 31. 12. 2017 hinaus nicht zu verlängern.
https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/pdf/jurygutachtung2018-2021.pdf
und
https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/foerderungen/theaterfoerderung.html

+ Die Basisfinanzierung der Wiener Wortstaetten erfolgte seit 2005 im Rahmen der Konzeptförderung.

+ Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur initiieren eine Petition an den Stadtrat Maillath-Pokorny mit der Bitte diese Entscheidung nochmal zu überdenken. Sie wird von mehr als 500 Persönlichkeiten europaweit , darunter Elfriede Jelinek, Martin Kusej, Ullrich Seidl, Jean Balladur unterzeichnet.
http://www.wortstaetten.at/offener-brief/

+ Mitte April erfahren die Wiener Wortstaetten, daß das von Ihnen mitkonzipierte und im Frühjahr 2016 bei der europäischen Kommission eingereichte Projekt "Fabula Mundi - Beyond Borders" von deren Jury für die Jahre 2017 bis 2020 zur Förderung ausgewählt wurde.
http://www.wortstaetten.at/wp-content/uploads/2011/11/1.-ABSTRACT-FABULAMUNDI.pdf
Zu diesem Zeitpunkt fehlen den Wiener Wortstaetten durch den Förderentzug die 50% Eigenmittel.

+ Wenige Tage danach sichert Stadtrat Maillath-Pokorny den Wiener Wortstaetten eine Lösung dieses Problems bis Ende Mai 2017 zu. Gleichzeitig fordert er die Wiener Wortstaetten auf, durch Umstrukturierungen einen Beitrag zur Fortführung zu ermöglichen.

+ Mitte Juni 2017 kommt es zu einem Gespräch mit den höchsten Beamten der Wiener Kulturabteilung. Dabei stellt sich heraus, daß die Finanznotwendigkeiten der Wiener Wiener Wortstaetten für das Projekt Fabula Mundi und die Vorstellungen der Stadt Wien stark divergieren.
Man verständigt sich darauf nach dem Auftakttreffen von Fabula Mundi Ende Juni in Rom einen genauen Finanzplan für die kommenden 4 Jahre zu erstellen und beim Bund um zusätzliche Finanzmittel anzusuchen.

+ Ein erneuerter präziser Finanzplan über die Jahre 2017 bis 2021 wird der Stadt Wien Mitte Juli zugeschickt. Leider gibt es darauf bis heute keine Antwort außer das man sich melden werde.

+ Die Wiener Wortstaetten nehmen im Juli Kontakt zu möglichen Koproduzenten und Unterstützern auf. Ende Juli gibt es ein erstes Ergebnis: die Wortstaetten kündigen ihr Büro in der Schönbrunnerstraße 9. Sie bekommen ab November ein Büro von einer Theaterinstitution zu Verfügung gestellt. Details sollen im Laufe des Septembers bekannt gegeben werden.

+ Die Anfrage an den Bund ist bislang nicht beantwortet worden. Eine Abteilung verweist auf die nächste, bis man nach 5 Stationen wieder bei der ersten angelangt ist. Es scheint so, als wolle niemand Geld für eine Unternehmung wie "Fabula Mundi" aufbringen und als fühle sich niemand zuständig.
Wiener Wortstaetten: Wiener Gepflogenheiten
Klingt ja alles eigentlich typisch nach der guten Kombi MA7 (Kulturabteilung Wien) und Bundeskanzleramt Sektion Kultur - alles beim Alten also, nur seit kurzem noch ein wenig plump-unverhohlener und damit auch von außen sichtbarer. Wo kein Wille, da kein Weg - die Wiener Strategie heißt halt aussitzen, hat bisher immer ganz gut funktioniert - irgendwann haben die ausgebluteten Institutionen dann halt auch keine Mittel mehr, um weiter zu protestieren.

Pfui.
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