Roadtrip ins historische Vakuum

29. Oktober 2023. An Heiner Müllers euro-zentristischem Blick auf gescheiterte Revolutionen kann man sich heute kritisch reiben. Oder ihn neu entdecken, wie Regisseur Jan-Christoph Gockel es nun tut: mit einer Gegenrede von Elemawusi Agbédjidji und einer Formensprache, die das Machtgefüge freilegt und schaudern lässt.

Von Gabi Hift

"Der Auftrag/Psyche17" von Heiner Müller und Elemawusi Agbédjidji, inszeniert von Jan-Christoph Gockel am Deutschen Theater Berlin © Armin Smailovic

29. Oktober 2023. Nacht und Nebel, irgendwo im Niemandsland, die Scheinwerfer eines Jeeps reichen keinen Meter weit, schemenhafte Gestalten, auf Gazefetzen flackern Bilder und Slogans, eine dreckige französische Fahne, "A DIEU LA FRANCE", "La France tue au Niger" (Frankreich tötet im Niger), CNSP, aus scheppernden Lautsprechern kommt eine verzerrte Marseillaise, immer wieder Fetzen von "The End" von den Doors. Eine Stimme liest: "Ich schreibe diesen Brief von meinem Totenbett. Ich teile Ihnen mit, dass wir den Auftrag zurückgeben müssen." Jan-Christoph Gockels anarchische Bühnenwelt versetzt einen vom ersten Moment an in einen Zustand völliger Orientierungslosigkeit. Es herrscht eine diffuse Atmosphäre der Angst, der Bedrohung und der Lust auf ungeahnte Abenteuer. Das ist das Herz der Finsternis.

Heiner Müllers "Erinnerung an eine Revolution", so der Untertitel von "Der Auftrag", ist eine Parabel auf gescheiterte Revolutionszyklen aller Art, drei Männer ziehen berauscht von revolutionären Ideen in den Kampf und wollen Unterdrückten die Freiheit bringen. Und dann zieht es ihnen den Boden unter den Füßen weg und sie fallen ins Nichts, in ein absurdes historisches Vakuum.

Urgewaltiges Müller-Universum

Drei Männer in einem Jeep, irgendwo in der Nacht, heute, in Afrika, nach einem Putsch in Mali oder Burkina Faso oder Niger; oder 1799 auf Jamaika, der Sklaveninsel "Schande der Antillen". Am Steuer sitzt Debuisson, ein selbstgefälliger Glatzkopf, rosiges Babyface, Anzug und Cowboyhut, zum Revolutionär gewandelter Sohn eines Plantagenbesitzers (Julia Gräfner). Neben ihm Sasportas, ehemaliger Sklave, mit Bart und roter Militärmütze (Komi Mizrajim Togbonou) und auf dem Hintersitz Galloudec, ein Bauer, unbedarfter Allerweltskerl im karierten Hemd (Florian Köhler). Die drei spielen ein Roadmovie, ganz en passant wischt Gockel das Diktum vom Tisch, Heiner Müller könne man nur mit seiner eigenen typischen Diktion sprechen: kalt und trocken. Den Auftrag hat er selbst auf Band gesprochen und all seine Fans haben seine Stimme im Ohr. Aber Müller hat sich geirrt: Seine Sprache sträubt sich kaum gegen die Zumutungen der Natürlichkeit und bleibt dabei doch eine Urgewalt voll Tragik, Komik und Trauer.

Unterwegs im Vakuum: Der ehemalige Sklave Sasportas (Komi Mizrajim Togbonou) und Plantagenbesitzer Debuisson (Julia Gräfner) in "Der Auftrag/Psyche17" © Armin Smailovic

Dieselben Schauspielerinnen haben den "Auftrag" in einer anderen Fassung schon 2016 in Graz gespielt. Hier in Berlin kommt nun aber eine neue Ebene dazu: die Skullies. Das sind grausig komische weiße Maskenwesen, Skelette mit langen, schlenkernden Spinnenfingern und riesigen Schädeln, aus deren Mündern braune Zahnstummel ragen. Es sind Geschöpfe des Künstlers Claude Bwendua von der Australischen Puppentheaterkompanie Snuff Puppets) und ihr Auftritt in diesem Kontext ist ein Geniestreich. Alle mächtigen weißen Figuren sind Skullies, grinsende Tote, die nicht wissen, dass sie längst gestorben sind. Sie tänzeln über die Bühne, reißen die schwarzen Augenlöcher in den Ku-Klux-Klanköpfen auf, haben leidenschaftlichen Sex, trippeln mit Rollatoren, und wagen im Wüstensand auch mal einen Handstand.

Ewiges Ende der Revolution

Diese grausig makabre Armee der Herrschenden bildet zusammen mit den naturalistischen Menschenwesen, einem zerfledderten Engel der Verzweiflung mit blutbesudelten Flügeln (Evamaria Salcher) und einem von Michael Pietsch geführten fahrenden Marionettentheater, in dem Büchners "Dantons Tod" aufgeführt wird, ein magisches Universum, über dem sich nach und nach der Nebel lichtet und ein unglaublich schöner Sternenhimmel aufgeht.

Blutbesudelter Engel der Geschichte © Armin Smailovic

Dann kommt die Nachricht, dass Napoleon die Macht übernommen hat und die Revolution beendet ist. Der Auftrag, mit dem die drei gekommen sind, existiert nicht mehr. Die Welt wird wieder, was sie war: eine Heimat für Herren und Sklaven. Sasportas und Gallodec wollen als Einzelkämpfer weitermachen und werden hingerichtet, Debuisson wirft sich seiner ersten Liebe, dem Verrat, in die Arme. Julia Gräfner spielt diesen berühmten Schlussmonolog grandios, lächerlich und hingebungsvoll, kalt und leidenschaftlich, hässlich und schön, so dass man in sich die Möglichkeit spürt, dass man selbst zu so einem Dubuisson werden könnte und erschaudert.

Gegenrede im Fahrstuhl

Nach der Pause kommt eine Gegenrede des Autors Elemawusi Agbédjidji. Die Prämisse ist klug und einleuchtend: Ihn ärgert, dass die Sklaven, die befreit werden sollen, bei Heiner Müller überhaupt keine Stimme haben. Sie sind bloße Objekte, an denen die Revolutionäre ihre Utopie durchexerzieren und exemplarisch scheitern. Und auch heute noch, so die These, kommen scharenweise Exporteure des Guten nach Afrika und wollen den armen Unterdrückten Freiheit und Demokratie beibringen und dann geht es ihnen doch nur um die Ausbeutung der Bodenschätze. "Wir kommen von oben, aus der nördlichen Hemisphäre, und wir haben so viele Dinge, die wir Ihnen geben wollen: unsere Demokratie, eine Kalaschnikow um 'Die Reise nach Jerusalem' zu spielen, die Arroganz unserer Künste, Werkzeuge, um die Bäume am Amazonas zu Fall zu bringen, unserer Kooperation, unsere Beamten..."

Agbédjidji benutzt für diesen Auftritt den Fahrstuhl, der im Mittelteil von Heiner Müllers "Auftrag" Ort eines surrealen Traums ist: Ein Mann soll in die Chefetage hinauffahren, aber er kommt nie an, stattdessen spuckt ihn der Fahrstuhl auf einer leeren Straße in Peru aus. Dieser selbe Fahrstuhl bricht nun im zweiten Teil irgendwo in Afrika auf freiem Feld aus der Erde. Und mit ihm will diesmal eine Frau nach oben, Isabelle Redfern. Sie hat ihre Brille verloren und ist völlig verwirrt. Nacheinander steigen nun die Figuren aus dem Auftrag zu und wollen ihr ihre Brille – ihre jeweilige Perspektive – buchstäblich aufs Auge drücken.

Viele historische Brillen

Sasportas plädiert mit Büchners St. Just für den bewaffneten Kampf, Galloudec will sie in die Paranoia seiner Verschwörungstheorien verstricken, aber immer passt ihr die Brille nicht. Und dann weiß sie, wo sie hinwill: in den Weltraum, zum Asteroid "Psyche 17". Dorthin ist tatsächlich am 13. Oktober 2023 eine Raumsonde der Nasa gestartet und das Stück meint, wir stünden vor der nächsten Kolonisierung: der des Weltalls. Die Frau im Fahrstuhl erreicht Psyche als erste und kann mit ihr allein sein – in einem Schlussmoment, der hoffnungsvoll sein will, was sich aber nicht recht erklärt.

Obwohl Kritik an Müllers durch und durch weißem, völlig egozentrischem Blick mehr als gerechtfertigt wäre, kommt der Text von Elemawusi Agbédjidji mit seiner eher kabarettistischen Haltung, seinen Kalauern und seiner augenzwinkernden Romantik gegen das Sprachmonster Müller einfach nicht an. Dazu hätte Jan-Christoph Gockel schon im ersten Teil mehr Einfallschneisen für eine kritische Haltung an Müllers genialischer, vitalistischer Großmannssucht schlagen müssen.

Neues Leuchten

Aber Gockel hat im Gegenteil sehr geschickt die grausig sexistischen Stellen gestrichen, die einem als Frau heute den Müllertext beim Lesen völlig vergällen können, und hat ihn dann, sanft gesäubert, auf neue Weise derart zum Leuchten gebracht, dass der zweite Teil, trotz guter Grundidee, nur wie eine unterhaltsame Fußnote wirkt.

In den Autor Heiner Müller kann man sich nun allerdings frisch verlieben, Dank einer großartigen Truppe, Gockels genialem Formenmix und einem Ganzen, über dem tatsächlich die Sterne mit ihren Rätseln aufgehen.

Der Auftrag / Psyche 17
von Heiner Müller und Elemawusi Agbédjidji, aus dem Französischen von Annette Bühler-Dietrich
Regie: Jan-Christoph Gockel, Bühne Julia Kurzweg, Kostüme: Sophie du Vinage, Musik und Hörspiel: Matthias Grübel, Puppenbau: Michael Pietsch, Maskenbau: Claude Bwendua, Design und Herstellung Weltraumkostüm der Frau im Fahrstuhl: Adeju Thompson, Licht: Cornelia Gloth, Dramaturgie: Karla Mäder.
Mit: Julia Gräfner, Raphael Muff, Florian Köhler, Komi Mizrajim Togbonou, Micael Pietsch, Evamaria Salcher, Isabelle Redfern. 
Premiere am 28. Oktober 2023
Dauer: 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause

www.deutschestheater.de

Kritikenrundschau

Der Regisseur Jan-Christoph Gockel habe "die düstere Dialektik" von Müllers "Auftrag" – dieses "Meilensteins der Revolutionsliteratur" – zu "erstaunlicher Klarheit verkürzt", schreibt Doris Meierhenrich in der Berliner Zeitung (29.10.23) in einer Doppelkritik mit dem Maxim-Gorki-Theaterabend "Im Menschen muss alles herrlich sein". Man reibe sich die Augen, "wie leicht und mit wenigen, kräftigen Strichen die ungeheuren Zeit- und Perspektivverschiebungen" an diesem "großen Wochenende" über die Bühnen gingen. Der togolesische Autor Elemawusi Agbédjidji setze "Müllers postrevolutionären Wendehälsen" in seinem "Auftrag"-Kommentar "Psyche 17" eine "noch konsequenter antirassistische Brille" auf.

Die Welt ist am Ende, und "der große Abgesang geht mit einem inszenatorischen Ideenüberschuss einher, den man lange nicht gesehen hat auf einer Berliner Bühne", so Christine Wahl im Tagesspiegel (30.10.2023). Jan-Christoph Gockel habe mit dem Ensemble auch eine Textarbeit geleistet, die ihresgleichen suche. Isabell Redfern gelinge im zweiten Teil, anders als Müllers Personal, "zumindest zu Momenten von Optimismus. Aber auch das ist wieder nur ein Bruchteil dessen, was an diesem Abend im DT stattfindet".

Eine bildmächtige, in ihren Anspielungen fast überbordende Regie mache Müllers Denkstück zu süffigem Theater, so Eberhard Spreng im DLF Kultur heute (29.10.2023). Fabelwesen geistern herum, so genannte Skullies, "das anarchisches Treiben dieser Kobolde widerlegt jede lebendige Ordnung auf der Bühne". Eine Pause trenne Müllers Auftrag vom Agbédjidjis Kommentar. Heiner Müllers Verlag habe weitergehende Collage der beiden Texte verhindert. "Die zeitgenössische Entgegnung ist dem Sprachmonstrum nicht gewachsen. Die wunderschöne Aufführung feiert den DDR-Klassiker eher, dieses Mal allerdings als fast barocke Revue über eine grotesk scheiternde Mission."

"Wer das Werk nicht kennt, wird es hier kaum kennenlernen", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (31.10.2023). "Denn Jan-Christoph Gockels auch intellektuell äußerst schwache Inszenierung gibt sich zwar empört über Ausbeutung, Kolonialismus, Rassismus, ohne sich freilich auf Heiner Müllers Reflexionen einzulassen, die genau aus diesen Problemfeldern erwuchsen." Zumal Gockel den ersten Teil offenbar aus seiner Grazer Inszenierung 2017 reycelt habe.

Das immer noch "brandaktuelle Müller-Stück" über den Sinn der Revolution, die ihre Kinder frisst, sei an diesem Abend hoffnungslos zugedeckt vom "Sammelsurium der mal pathetischen, mal albernen Bühnenmittel", berichtet Barbara Behrendt auf rbb24 (30.10.2023). "In der Wirkung ist das ungeheuer ermüdend", so die Kritikerin. Dass der Regisseur Heiner Müllers Stück einen neuen Text des Kongolesen Elemawusi Agbédjidji gegenüber stelle, sei allerdings ein "Clou". Dies sei durchaus "erhellend". Allerdings verrühre Jan-Christoph Gockel das Ganze schließlich mit vielen Kitsch- und Trash-Szenen zu einer dreistündigen "zähen Masse".

Die Inszenierung lebe von ihrer "grandiosen, albtraumartigen Bildsprache und einer verdichteten Bühnencollage (Bühne: Julia Kurzweg)", findet Anja Thiele im Freitag (online 31.10.2023). "Die wechselnd ein- und aussteigenden Gestalten führen in 'Psyche 17' slapstickartig das aktuelle postkolonial-paternalistische Sendungsbewusstsein des Westens ad absurdum. Das ist streckenweise erhellend und komisch", schreibt die Kritikerin. Allerdings wirken diese Bilder für sie "im Vergleich zur aufwendigen Inszenierung des Auftrags seltsam platt". Dramaturgisch scheine hier die Luft ausgegangen zu sein. Das sei schade, "denn die Idee, Müllers nach wie vor brandaktuellen Text mit zeitgenössischer afrikanischer Dramatik in Bezug und Dialog zu setzen, überzeugt allemal", findet Thiele.

"Inszenierungsrecycling" konstatiert Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (7.11.2023). "Das wäre nicht weiter schlimm, wenn sich Gockels Müller-Exegese halbwegs auf der Höhe des Textes bewegen oder wenigstens eine schlüssige Auseinandersetzung mit ihm unternehmen würde. Doch davon kann keine Rede sein." Statt das Stück zu befragen, werde gedröhnt und schrill bebildert.

Kommentare  
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Redfern/Otieno?
Der Nachtkritik stimme ich in vielen Punkten zu: Die postkoloniale Müller-Befragung der ersten Hälfte mag zwar manchmal mehr durch Ausstattung und Regieeinfälle als durch Tiefenschärfe glänzen, wäre aber für sich genommen ein durchaus sehenswerter, kurzer Abend.

In knapp anderthalb Stunden spielt das Ensemble, das zumeist aus Grazer Stammkräften der neuen Intendantin Iris Laufenberg besteht, den Müller-Klassiker nicht einfach nach, sondern beballert ihn mit weiteren Fremdtexten wie Georg Büchners „Dantons Tod“, ironisiert ihn durch betont lächerliche Sprechweisen und findet zu seinem Geschichtspessismismus auch den passenden Soundtrack mit dem leitmotivisch verwendeten The Doors-Klassiker „This is the end“.

Herausragend in dieser ersten Hälfte sind die Skullies-Masken und Ganzkörperkostüme von Claude Bwendua: das Trio der scheiternden Revolutionäre (Julia Gräfner, Florian Köhler und der schon erwähnte Togbonou) kurvt in einem klapprigen alten Auto über die Bühne und wird von den morbiden, zähnefletschenden Gestalten sowie Evamaria Salcher als The Doors-singendem Engel umkreist.

Doch nach der Pause muss Gockel noch das sowohl inhaltlich als auch gedanklich dünne Auftragswerk „Psyche 17“ von Agbédjidji abarbeiten. Der Autor nahm den berühmten Traum-Monolog des Manns im Fahrstuhl als Ausgangspunkt und lässt eine Frau namens Mercy auf die Müller-Revolutionäre und einen Kometen treffen. Dieser Teil des Doppel-Abends ist jedoch nicht mehr als ein fader Nachklapp mit kleinen Comedy-Einlagen: so muss Isabelle Redfern auf der Suche nach ihrer Brille minutenlang die erste Reihe abklappern und darf sich über all die schlecht geputzten Gläser mokieren. Bis auf einen mit Szenen-Applaus belohnten Rap, bei dem auch die Skullies noch mal ihren Auftritt haben, plätschert der zweite Teil belanglos vor sich hin.

Fragezeichen wirft schließlich auch noch die Applausordnung am Schluss auf: Gockel holt nicht nur Raphael Muff auf die Bühne, der bei den nächsten Vorstellungen für Gockels Stamm-Puppenbauer und -spieler Michael Pietsch einspringen wird, während beide schon in München die nächste Premiere „Der Sturm/Das Dämmern der Welt“ vorbereiten, in der sie William Shakespeare mit Werner Herzog kurzschließen wollen. Überraschend bittet er auch Mercy Dorcas Otieno auf die Bühne, die Iris Laufenberg bei ihrer Eröffnungs-PK im Juni an besonders prominenter Stelle quasi als ihre Lieblingsschülerin vorstellte. Otieno war nicht nur am Auftakt-Wochenende im September mit dem #metoo-Monolog Prima Facie zu erleben, sondern sollte auch die Frau im Fahrstuhl an diesem Doppelabend spielen. Agbédjidji hat den Text ganz auf sie zugeschnitten, spielt sogar mit der Bedeutung ihres Vornamens Mercy.

Doch wenige Tage vor der Premiere wurde ohne weitere Begründung bekannt gegeben, dass bis auf weiteres Isabelle Redfern die Rolle von Mercy Dorcas Otieno übernimmt. Auch Redfern ist in Berlin keine Unbekannte: sie war von 2019 – 2022 im Ensemble der Schaubühne, ist dort noch in einigen Inszenierungen wie „Orlando“ und der Neufassung der „Rückkehr nach Reims“ zu sehen, in der vergangenen Spielzeit entwickelte sie im 3. Stock der Volksbühne als Spielerin und Co-Regisseurin die Tschechow-Überschreibung „Sistas“ mit, die nach ihren Erfolgen (u.a. tt-Shortlist) demnächst erstmals auf der großen Bühne am Rosa Luxemburg-Platz zu sehen sein wird. Souverän meistert Redfern die flachen Passagen dieses Texts als Einspringerin. Welche Hintergründe diese kurzfristige Umbesetzung notwendig machten, bleibt ungeklärt.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2023/10/29/der-auftrag-psyche-17-deutsches-theater-berlin-kritik/
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Anna Seghers
Hallo, Frau Hift! Warum erwähnen Sie nicht, dass Heiner Müllers "DER AUFTRAG" grundsätzlich auf einer Erzählung von Anna Seghers aus ihrer karibischen Trilogie basiert: DAS LICHT AUF DEM GALGEN, die dritte Erzählung. Und was würden Sie ihr diesbezüglich anheften. Wie wurde die Erzählung dieser Schriftstellerin damals wahrgenommen und wie würden Sie es jetzt wahrnehmen? (...)
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Umbesetzung
Lieber Konrad Kögler,

da schon den ganzen Monat alle Vorstellungen von Prima Facie krankheitsbedingt ausgefallen sind, läge ein Grund für die Umbesetzung zumindest Nahe.
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Kopfschütteln
Was habe ich nur gesehen, was Frau Hift nicht gesehen hat? Eine hilflose Effektbude, stundenlang dreht sich die Bühne - allein man weiß nicht warum, stundenlang werden Popsongs ausgesungen - "ein Stern, der Deinen Namen trägt" des Großkünstlers DJ Ötzi, weil es um einen Stern geht? Wirklich??? Das ist alles an Hilflosigkeit nicht zu überbieten. Einzig Julia Gärtner meistert die Müllersche Sprache in einem grandiosen Alleingang kurz vor der Pause. Der Rest ist unbeholfene Bebilderung. Und natürlich jubelt der woke Zuschauerraum.
Und dann passiert das beachtlichste des Abends: der Maskenbauer Claude Bwendua ist sichtlich vom Jubel überwältigt, tanzt, jubelt mit, vollführt einen klatschenden Handstand - und die Schauspielkolleg*innen des DT? Die sind darüber not amused und strafen den Feiernden mit verächtlichen Blicken. Soviel Überschwang darf es in einer deutschen Applausordnung nicht geben! Ob der Mann nun aus Afrika kommt oder nicht. Man möchte sich bei so viel Verlogenheit nur an die Stirn schlagen!
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Auf der Sitzkante
ad Meiner Hüller: Gerade beim letzten Absatz lese ich so viel Projektionsleistung heraus, dass Freud ob dieses Kommentars wahrscheinlich noch einen weiteren Band hätte rausgeben können.
Dass Frau Gräfner zur Gärtnerin wurde, da frag ich mich auch, was ich da rauslesen soll.

Ich war am gestrigen Premierenabend überrascht, da mir aufgefallen ist, wie lange ich nicht mehr in so einem "aufregenden" Theaterabend gewesen bin. Ich kann noch nicht genau sagen warum, aber irgendwie hatte die Vorstellung mich dreiviertel der Zeit auf der Sitzkante. Und zum Staunen bin ich auch nicht zu wenig gekommen. Dass in unserer Besuchergruppe im Anschluss leidenschaftlich gestritten wurde, ob man Team "Auftrag" oder Team "Psyche 17" war ist m.M.n. dem Abend auch als Qualität anzurechnen.
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Viel Fragwürdiges
Lieber Bruder Leichtfuß! Dass Gräfner mit der Autokorrektur schnell zu Gärtner wird, wissen Sie selbst. Ich gratuliere, dass um Sie herum viel Beeindruckstes saß. Bei mir saß viel Fragwürdiges. Und damit ist die Haltung gemeint. Ich verstehe die Beschreibung der Hilflosigkeit leider sehr. Und freue mich, dass es Ihnen anders ging.
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Die Toten
In meinen wahrheitsgemäßen „Totengesprächen“, also Unterhaltungen im Hades, tragen die Toten nackte Schädel mit leeren Augenhöhlen.
Gez.
Lukian von Samosata
Der Auftrag/Psyche 17, Berlin: Brimborium
ad Meiner Hüller: Ich bin da ganz bei Ihnen. Endlich mal wieder H. Müller auf einer Berliner Bühne und dann eine Inszenierung, die vieles auffährt, aber den Text nicht einmal versenkt, sondern nur verflacht. Ein Brimborium an Bühnentechnik und Regieideen, aber leider keine Darsteller:innen, die miteinander(!) spielen, weisen an diesem Abend schon sehr früh darauf hin, dass das Produktionsteam, dem Text nicht traut. RegieStadtTheater, das Staunen machen soll und doch nur langweilt.
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