Weltall Erde Mensch - Deutsches Theater Berlin
Griff nach den Sternen?
17. September 2023. Mit "Weltall Erde Mensch" startet das Deutsche Theater Berlin in die Saison und die neue Ära. Das angekündigte SF-Theaterspektakel von Alexander Eisenach und Ensemble will Großes, wälzt sozialistische und feministische Ideengeschichte. Viel Kultur-Prominenz auf dem Vorplatz – und viele Opferschicksale auf der Bühne.
Von Christine Wahl
17. September 2023. Das ist doch mal ein selbstbewusster Intendanzstart: "Weltall Erde Mensch" steht auf dem Programm im Deutschen Theater Berlin, an dem Iris Laufenberg ihre Arbeit als neue Hausherrin aufgenommen hat. Mit anderen Worten: Alles steht auf dem Programm. Und der Erste, der hier in neue Universen aufbrechen soll, ist der Urheber dieses als Science Fiction gelabelten Abends, Alexander Eisenach. Der hatte bis dato regelmäßig an der Nachbar-Bühne inszeniert, dem fünfhundert Meter entfernten Berliner Ensemble. Und wer im Vorfeld von der Intendantin wissen wollte, warum sie ihren Neustart ausgerechnet mit einer Position bestreitet, die dem ortsansässigen Theaterpublikum bereits bestens bekannt ist, bekam ein schlagfertiges "Ich glaube ja nicht, dass Ihr die wirklich kennt!" zur Antwort.
Präperformative Aufbruchstimmung also am Premierenabend: Das Kulturprominenz-Aufkommen auf dem DT-Vorplatz ist so hoch wie die Reise- und Utopiemetaphern-Dichte auf dem Programmzettel, wo das "Raumschiff Theater … utopische Schubkräfte aus Geschichte und Gegenwart" bündelt, "die unsere Zeit so dringend benötigt".
Futuristischer Kommunismus
Der erste Bühnen-Trip führt dann allerdings geradewegs in die Zukunft, ans Ende des dritten Jahrtausends – und in eine Art futuristischen Kommunismus, der sich erstaunlicherweise nicht zu schade ist, erst mal ein altes Kernritual aus seiner real existierenden historischen Schwundstufe zu reenacten: die Jugendweihe, das staatsdoktrinäre DDR-Äquivalent zur Konfirmation. In schwarzweißen Outfits zu großwelligen Kurzhaarfrisuren, die einen gediegenen Outer-Space-Look mit Anleihen bei den Roaring Twenties verbinden, stehen die Akteurinnen und Akteure an der Rampe und recken jenen Wälzer in die Höhe, dem die Inszenierung ihren Namen verdankt: "Weltall Erde Mensch". Wer in der DDR irgendwann zwischen 1954 und 1974 vierzehn Jahre alt wurde, bekam diesen marxistisch-leninistischen Universumserklärungssammelband bei den Jugendweihefeierlichkeiten tatsächlich überreicht.
Nachdem das geklärt wäre, kann es dann richtig losgehen – und zwar mit "Erde", dem ersten Kapitel des dreiteiligen, knapp vierstündigen Abends. Und mit einer Szene, in der sich der Kommunismus tatsächlich mal kurz von einer wirklich lustigen Seite zeigt. Da sitzen Felix Goeser und Florian Köhler, ein "altes" und ein neues DT-Ensemblemitglied, in einem stilechten Kulissen-Remake des "Café Moskau", live gefilmt und großformatig übertragen auf einen davor platzierten Gaze-Vorhang, und Goeser bekommt sein bass erstauntes Gesicht nicht mehr unter Kontrolle.
Er kann beim besten Willen nicht glauben, was der historisch bewanderte Kollege ihm da gerade weismachen will: Sollte es tatsächlich wahr sein, dass die Menschheit sich in finsteren Vorzeiten dem üblen Joch privaten Eigentums unterworfen hat? Mussten die primitiven Vorfahren allen Ernstes unter der tonnenschweren Last individueller Güter leiden, statt sich, wie es doch Usus ist, mit einem Fingerschnipsen dasjenige Objekt aus dem kollektiven Besitztumspool herbeizuleihen, das sie gerade brauchen?
Zwischen sozialistischer und feministischer Ideengeschichte
Der Dialog stammt aus Stanisław Lems 1955 erschienenem Roman "Gast im Weltraum" – wie anschließend noch viele philosophelnde Einsprengsel dieses Abends, den der Programmzettel als Collage von Eisenach und Ensemble annonciert – inspiriert "von Texten aus der sozialistischen Ideengeschichte und dem Füllhorn philosophiegeschichtlichen Denkens verschiedener Jahrhunderte". Bei Lem bricht eine kommunistische Forschungsgemeinschaft des 32. Jahrhunderts, die längst so lässig zwischen Erde, Jupiter und Venus hin und her jettet wie unsereins zwischen Ost- und Westberlin, erstmals zu einer Expedition in ein anderes Sonnensystem auf. Auch diesen Handlungsstrang übernimmt Eisenach, ändert allerdings die Destination. Statt ins System Proxima Centauri geht's im DT nach Whileaway, zu einem Planeten, der ausschließlich von Frauen bevölkert wird.
Weil wir aber immer noch im Kapitel "Erde" sind und es bis zum zweiten Teil, "Weltall", noch ein höchst reales Theater-Stündchen mitteleuropäischer Zeit dauert, poltert vorher erst mal Janet Evason auf die Bühne, eine optisch irgendwo zwischen Superwoman und Lady in Red angesiedelte Erscheinung, die sich in der Darstellung von Julia Gräfner hyperlakonisch als Gast von Whileaway vorstellt. Auch Janet entstammt einem Science-Fiction-Roman, namentlich Joanna Russ' feministischem Genre-Klassiker "Planet der Frauen" aus den 1970er Jahren, in dem zwar postmodern-munter zwischen Identitäten, Locations und Epochen hin und her geswitcht wird, eine Sache allerdings garantiert konstant bleibt. Ganz gleich, in welchem Zeitalter und Kontext Janet gerade Station macht, um aus ihrer matriarchatsgestählten Emanzipationsselbstverständlichkeit heraus das Leben der Erdenbürgerinnen aufzumischen: Für die Frauen sieht es nachgerade intergalaktisch düster aus.
"Ein hübsches Mädchen wie du braucht sich doch nicht zu emanzipieren" – das ist in etwa so der Zeitgeist, in den Russ ihren wütend gegen Frauenrollenklischees aufbegehrenden Text hinein schrieb. Da ist zum Beispiel Jeannine, die im DT von Anja Schneider angemessen romantiksehnsüchtig-unglücklich auf die Bühne gehibbelt wird: eine sympathisch-naive junge Frau, die sich ausgerechnet den schlaffen Langweiler Cal (Alexej Lochmann) gegriffen hat und ihn leider auch noch heiraten wird, weil es halt von ihr so erwartet wird.
Alles nur Illusionen?
Allerspätestens hier beginnen die Probleme des Abends. Denn seit den Siebzigern sind ja nicht nur ein paar Jahre, sondern mit ihnen Gottseidank auch ein paar Diskurse ins Land gegangen. Nicht, dass gesellschaftlich betrachtet nicht noch ziemlich viel Spielraum nach oben wäre. Aber dahin kommt die Inszenierung leider gar nicht, die Joanna Russ' Dreh zu ihrem macht: Der kommunistische Status quo sei eine Illusion, lautet die Abend-Botschaft, natürlich gebe es Besitzende und Besitzlose, die Trennung verlaufe nur eben zwischen den Geschlechtern statt zwischen den Klassen.
Unter diesem Diktum schaut die Inszenierung nun permanent zurück, quasi durch die Russ-Brille der 1970er Jahre. Und so erleben wir eine Produktion, wie wir schon viele sahen. Sprich: Einen Abend, der mit ästhetisch bewährten Mitteln explizit feministisches Empowerment ausruft. Und zwar, indem er – in Kürze – die die Forderung formuliert, die Jäger- und Eroberer-Perspektive, aus der "Weltall Erde Mensch" verfasst ist, aus der bewahrenden Sammlerinnen-Perspektive neu zu schreiben. Dazu schickt der Abend de facto allerdings ein weibliches Opferschicksal nach dem nächsten auf die Bühne.
Statt eigener Erzählungen gibt's lauter Geschichten, die leidend im wortreich angeprangerten männlichen Paradigma verbleiben. Die Schauspielerin Sarah Franke liefert dazu im letzten Kapitel, "Mensch", eine Erklärung: Jägergeschichten seien einfach spannender als Sammlerinnen-Stories, die rezipierende Welt wolle Helden statt Bewahrerinnen, deshalb hätten Letztere keine Chance. Das ist nun wiederum genau die Behauptung, die man in diesem Kontext wirklich gern mal hinterfragt gesehen hätte auf der Bühne.
Nun soll man ja bekanntlich nicht umstandslos von sich auf andere schließen, schon gar nicht in der Kunstbetrachtung. Aber ein paar Indizien für Verfassung der Co-Rezipientinnen und -rezipienten sind schon in Anschlag zu bringen. Zum Beispiel, dass nicht alle nach der Pause wieder erschienen sind. Und dass aus dem rundweg freundlichen, aber nicht überschwänglichen Applaus auch ein Quäntchen Selbstbezüglichkeit herauszuhören war: Eigenbeifall, weil der lange Trip geschafft ist.
Weltall Erde Mensch
von Alexander Eisenach und Ensemble
Uraufführung
Regie: Alexander Eisenach, Bühne: Daniel Wollenzin, Kostüme: Claudia Irro, Musik: Sven Michelson, Niklas Kraft, Live-Video: Oliver Rossol, Dramaturgie: Karla Mäder, Johann Otten.
Mit: Julischka Eichel, Sarah Franke, Felix Goeser, Julia Gräfner, Lorena Handschin, Manuel Harder, Florian Köhler, Alexej Lochmann, Peter René Lüdicke, Anja Schneider, Caner Sunar.
Premiere am 16. September 2023
Dauer: 3 Stunden 50 Minuten, eine Pause
www.deutschestheater.de
Kritikenrundschau
"So sehr dem Kritiker Mut, Wille und Anspruch des neuen DT-Teams gefallen wollen", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (17.9.2023), "im Laufe der vier Stunden, die 'Weltall Erde Mensch' dauert, beschleichen ihn Zweifel, ob er reif für diese neue Dramaturgie des Beutels ist." Statt "Entwicklung" herrsche "erzählerische Willkür", der Abend sei eine "groß angelegte, überschießende, manchmal präpotent verplemperte Albernheit". Das Ensemble allerdings zeige sich "bei bester Laune und (mit) turnerischem Schwung", so Seidler.
"Für die Zukunft des DT ist 'Weltall Erde Mensch' jedenfalls kein gutes Omen", seufzt Rüdiger Schaper im Tagesspiegel (17.9.2023). "Eisenachs Raumträumer tollen völlig abgekoppelt von der Kontrollstation auf ihrem Abenteuerspielplatz herum." Der Abend erinnere an einen "Rücksturz zur Volksbühne – in einer Version für geschichtsvergessene Erdlinge". Konsterniert fällt demtentsprechend das Fazit des Kritikers aus: "Um Himmelswillen, wie kommt ein solches Konstrukt ans Licht? Hat niemand bemerkt bei den Proben, dass sich diese Expedition dramaturgisch verballert?"
"Zwischen handwerklich gut gemachtem Slapstick und Klamauk werden immer wieder philosophische Diskurse angerissen, die es verdient hätten, weiter ausgelotet zu werden", findet Fabian Wallmeier auf rbb24 (18.9.2023). Diese allerdings verschwänden "im Vielzuviel des ausufernden Abends". Die Inszenierung leide unter einer "geschwätzige(n) Fahrigkeit" und dass Intendantin Iris Laufenberg "ausgerechnet" diesen Regisseur die neue Spielzeit eröffnen lässt, bleibe "nach diesem Abend unverständlich", meint der Kritiker.
"Als Eröffnungsinszenierung an einem der größten und traditionsreichsten Theater des Landes ist diese verunglückte Lautsprecherei ein bemerkenswerter Missgriff", schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (19.9.2023). Die wenigen eindrücklichen, von Erfahrungen statt von Kalauern gespeisten Szenen wie Lorena Handschins starker Monolog über die Zumutungen einer frauenverachtenden Realität gingen im selbstverliebten Gewitzel der Inszenierung unter.
"Extrem verschnarcht" findet Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (19.9.2023) Eisenachs Auftakt-Inszenierung, der sich "mit altbacken-dürftigem Wortgeklingel über den Geschlechterkampf, Feminismus, Sexualität, Besitzverhältnisse, die Unendlichkeit des Kosmos und diverse gescheiterte Utopien" begnüge – frei assoziiert und beliebig zur konfusen Collage montiert.
"Wie war’s also im Weltraum? Öde, Genossen", findet auch Michael Wolf in der taz (19.9.20223). Die Inszenierung trete zwar mit großem Ehrgeiz an, die Volksbühnenästhetik mit einer Stückentwicklung, Science-Fiction mit den Einschränkungen der Bühne und Ideengeschichte mit Albernheit zu versöhnen. Dabei lasse sie jedoch nicht wirklich etwas Neues entstehen, richte sich vielmehr in der Wiederholung ein.
"Ein Fehlgriff", findet auch Erik Zielke im nd (18.9.2023). Eisenach glaube daran, mit Buntheit auf der Bühne, ein bisschen Live-Video und jeder Menge Blödelei das Publikum bei der Stange halten zu können. "Geboten wird hier vor allem eine provinzielle Volksbühnen-Imitation auf niedrigem Niveau."
"Das Ganze ist ein Fest der Sinnlichkeit: hier wird getanzt und gespielt, deklamiert, geschrien, geflüstert; die Emotionen fliegen hoch und runter, es wird viel gelacht und zumindest einer Zuschauerin war danach zum Weinen zumute", berichtet hingegen ein begeisterter Leander F. Badura im Freitag (18.9.2023). Das Deutsche Theater reaktiviere hier ein utopisches Denken, das in Zeiten des sich zu Tode siegenden Kapitalismus verloren geglaubt schien.
"Ein unterirdischer Theaterabend: vermurkst, unernst, selbstgefällig. Eine unerträgliche Kombination", schreibt Jakob Hayer in der Welt (20.9.2023). Das wäre unerfreulich, aber nicht weiter schlimm, würde es sich nicht um den mit Spannung erwarteten Auftakt der Intendanz von Iris Laufenberg handeln, von dem man sich eine programmatische Setzung erwarten darf. "Was Regisseur Alexander Eisenach auf die Bühne bringt, ist ein künstlerischer Komplettausfall, kaum mehr aufgebauschtes Schauspielschulentheater. Alles ist hier Kulisse, weil unlebendig: die Sprache, das Spiel, das Thema."
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Wir befinden uns offensichtlich in einer utopischen, gerechteren Gesellschaft, die kopfschüttelnd auf frühere Entwicklungsstufen der Menschheit zurückblickt, zu denen die Gegenwart ausdrücklich gehört. Der real existierende DDR-Sozialismus, während dessen letzten Zügen Alexander Eisenach als Kind in Ost-Berlin aufgewachsen ist, ist nur noch andeutungsweise im Bühnenbild von Daniel Wollenzin präsent, z.B. mit einem Café Moskau-Logo.
Das Konstruktions-Prinzip der Collage ist recht einfach: jeweils eine Person aus dem bunt gemischten Ensemble aus vertrauten und neuen Gesichtern darf aus der Gruppe heraustreten und sich dem DT-Publikum vorstellen. Die Stränge und Motive sind höchstens lose verbunden. Ein wesentliches Motiv ist die matriarchale Gesellschafts-Struktur von Whileaway, wo es nur noch wenige männliche Exemplare gibt.
Zwischen all den Astrogatoren, einem aus der Sci-Fi-Literatur von Stanislaw Lem bis Perry Rhodan bekannten Genre-Begriff, und der angedeuteten Lobotomie an Julischka Eichels Gehirn werden zahlreiche Themen von Geschlechterrollen und Identität bis hin zu Tod und Unsterblichkeit verhandelt. Der Ton wechselt zwischen bedeutungsschwer und spielerisch-albern, der dramaturgische Feinschliff fehlt noch. Das Stück, das Eisenach als „unwahrscheinliche Reise“ gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat, wirkt eher wie eine Aneinanderreihung von Einfällen und Szenen, die im Endproben-Stadium noch aufgestockt statt kondensiert wurden: auf dem Abendzettel stehen noch 3 Stunden, der Applaus setzte erst nach 3 Stunden 50 Minuten ein und lag damit nah an der letzten Wasserstandsmeldung des neuen Presseteams von 4 Stunden.
Wie von Arbeiten im Volksbühnen-Stil üblich nimmt man im besten Fall ein paar Fragen aus all den Assoziationsgirlanden mit, einige Zuschauer gingen aber auch schon nach der Pause. Iris Laufenbergs Ziel, zum Start Regie-Teams vorzustellen, mit denen sie lange schon arbeitete, insbesondere in Graz, bringt dem Berliner Publikum diesmal noch wenig Neues: Eisenachs Handschrift ist regelmäßigen Theatergängern bereits aus mehreren, mehr oder minder erfolgreichen Arbeiten an der Volksbühne und dem Berliner Ensemble vertraut.
@1: 1/3 Schwund nach der Pause scheint mir übertrieben, nach meiner Wahrnehmung waren es weniger, der übliche Schwund bei so langen Vorstellungen. Zustimmen muss ich bei den von Ihnen beschriebenen, sehr albernen Szenen zwischen all den Textschnipseln aus Literatur und Philosophie in der zweiten Hälfte. Aus meiner Sicht kein gelungener Start, aber auch kein komplettes Desaster.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2023/09/17/weltall-erde-mensch-theater-kritik/
„Der kommunistische Status quo sei eine Illusion, lautet die Abend-Botschaft, natürlich gebe es Besitzende und Besitzlose, die Trennung verlaufe nur eben zwischen den Geschlechtern statt zwischen den Klassen.“
Was soll das bitte heißen? Liebe Frau Wahl, klären Sie das doch bitte auf.
Also sollen wir uns damit abfinden, dass es entrechtete Menschen gibt, dass Menschen in unwürdigen Verhältnissen verrecken, Hauptsache die Frauenfrage wird geklärt, oder was?
Gehts denn noch?
Über was reden wir, wenn das traditionsreichste Deutsche Theater eine neue Ära beginnt?
Hat auch Spiel stattgefunden? Sind Menschen aufgetreten? Haben sie von ihren Schicksalen etwas emphatisches in den Zuschauerraum gesendet?
Hat irgendwas stattgefunden, was man Theater nennen könnte?
Hört sich leider nicht so an…
danke für Ihren Kommentar und Ihre Fragen, die sich – wenn man die Aussagen, die die Inszenierung trifft, direkt an unserer Lebenswelt resp. dem gesellschaftlichen Status quo messen würde – ja in der Tat aufdrängen.
Im Setting und in der Binnenlogik der Inszenierung stellt sich die Sache meines Erachtens allerdings insofern anders dar, als die Klassenfrage dort bereits als gelöst gilt, da der Abend ja in einem fiktiven künftigen Kommunismus angesiedelt ist. Die „unwürdigen Verhältnisse“, die Sie in die Diskussion bringen, hätte jene Gesellschaft also bereits hinter sich gelassen. Was aber – so nun eben die tragende Behauptung der Produktion – nach wie vor ungelöst (weil von den männlichen Kommunismus-Apologeten im Zweifel noch nicht mal bemerkt worden) sei, sei die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit. Insofern entlarvt der Abend praktisch seinen eigenen bühnenrealexistierenden Kommunismus mit der feministischen Science-Fiction-Autorin Joanna Russ im Gepäck programmatisch als Illusion und definiert die Grenze zwischen Besitzenden und Besitzlosen neu – als Grenze zwischen Männern und Frauen.
In der Eigenlogik der Inszenierung ist das für mich konsistent; wie stichhaltig und wie produktiv die These für reale gegenwärtige Gesellschaftsdiskussionen ist, wäre natürlich tatsächlich eine angeregt zu diskutierende Frage, da bin ich ganz bei Ihnen – genauso übrigens wie hinsichtlich der Überzeugung, dass „Theater nie in Ideologie oder Gutgemeintem aufgehen“ kann.
Mit herzlichen Grüßen, Christine Wahl
Man kreidet einer der drölfzigdrillionen "Hamlet"-Inszenierungen doch nicht an, dass da eine unkreative Namensgebungspolitik verfolgt wird, wenn der Name beibehalten wird, oder?
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier nach Erbsen gesucht wird, hat die Kritik doch irgendwie nichts mit Inhalt oder Form zu tun...