Unendlicher Spaß - In den Berliner Sophiensaelen bringt Thorsten Lensing den epochalen Roman von David Foster Wallace auf viereinhalb Stunden
Es möge berühren
von Gabi Hift
Berlin, 22. Februar 2018. "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace war einmal der Beginn einer neuen Zeit, eine Hoffnung auf Erlösung. Die, die damals so empfunden haben, betreten die Sophiensaele heute vorsichtig, wie eine Kirche. Denn die Theaterfamilie, die Thorsten Lensing um sich geschart hat, könnte die richtige sein, um diese Hoffnung wiederzubeleben.
DFW hat damals das Ende der Ironie proklamiert, er wollte eine neue Aufrichtigkeit finden, die Sprache sollte wie eine ausgestreckte Hand sein. Und das von dem brillantesten, bis dahin zynischsten Stilisten der Postmoderne. Das Offenlegen der Dinge, für die man sich schämt, war nur ein erster Schritt, DFW wollte weiterforschen, mit seinem Schreiben herausfinden, wie wir in der Gegenwart ein sinnvolles Leben führen können. "Unendlicher Spaß" ist ein Monstrum, mit allen Wassern der Postmoderne gewaschen, sehr lustig, aber da ist auch dieser neue Ton: ein Zeigen der Wunden, der Hässlichkeit, der Einsamkeit. "Infinite Jest", so der englische Originaltitel, hat drei Handlungsstränge. Einer davon, eine wüste Science Fiction Geschichte, typisches Jungszeugs aus den Neunzigern, ist im Stück gestrichen – eine gute Entscheidung.
Aneinanderreihung von Nummern
Strang 1 spielt in der Enfield Tennis Akademie, Protagonist ist Wallaces (und Hamlets) Alter Ego Hal Incandenza, gespielt von Ursina Lardi. Hal ist in der ersten Szene 18 Jahre alt, erleidet beim Aufnahmegespräch für die Uni einen Nervenzusammenbruch und verliert die Sprache. Danach springt die Handlung sieben Jahre zurück und läuft dann vorwärts, bis man wieder bei der ersten Szene anlangt. Hals Vater James, ein experimenteller Filmregisseur (Sebastian Blomberg) bringt sich um, als Hal 13 ist und erscheint später als Geist. Der älteste Bruder Orin (Devid Striesow) ist ein sexsüchtiger Footballstar, Mario (André Jung), der mittlere, ist körperlich schwer entstellt und der einzige glückliche Mensch in der Familie. Der zweite Strang spielt in einer Drogenentzugsklinik. Don Gately (Heiko Pinkowski), ein ehemaliger Einbrecher und Demerolsüchtiger, ist der Betreuer. Hier erleben wir die Sitzungen einer AA Gruppe mit.
Das Stück ist eine Aneinanderreihung von Nummern – genau wie das Buch. Viele davon sind unglaublich lustig (Warnung: sobald Orin sich in einem aufblasbaren Whirlpool räkelt und Sebastian Blomberg merkwürdig am Rand herumstakst, dürfen Sie auf keinen Fall was im Mund haben, denn Sie werden binnen Sekunden so heftig lachen müssen, dass sie entweder dran ersticken oder es der Person vor Ihnen in den Kragen spucken würden!). Devid Striesow und Sebastian Blomberg haben einen Spielstil perfektioniert, bei dem sie Clowns mit abstrusen rührenden schrecklichen Marotten aus einem ganz authentisch wirkenden Kern wuchern lassen und damit fast unendlichen Spaß bereiten können. Blomberg ist Spezialist für sensationelle Blödigkeit und brachialen Slapstick, Striesow für kindliche Eitelkeit und schreckliche Grausamkeit. André Jungs Mario ist so liebenswert und von solcher Zartheit, dass man seufzt vor Freude (Die Figur ist ein naher Verwandter des wunderbaren Hundes aus "Karamasow", der für alle Zeit im Theaterhimmel weiterlebt).
Das Als Ob-Problem der neuen Aufrichtigkeit
Aber kann die Aufführung an das Erlösungsversprechen anknüpfen, das das Buch einmal bedeutet hat? Für das Theater wäre die "Neue Aufrichtigkeit" eine gewagte Sache, und Thorsten Lensing arbeitet mit seiner Theaterfamilie schon lange an so einem Projekt. Ein großes Problem ist hier allerdings die Besetzung von Hal Incandenza mit Ursina Lardi. Das Obercoole, Angeberische, Getriebene eines männlichen Teenagers kann sie nur von außen spielen. Sie macht es sehr gut, aber neben Striesow und Blomberg, aus denen diese eitlen, angstgebeutelten Angeberjungs "in echt" herausleuchten, wirkt ihre Darstellung notwendig künstlich. In Hals schwarzer Verzweiflung müssten die Zuschauer aber ihre eigene wiedererkennen – und das funktioniert nicht.
Jasna Fritzi Bauer wiederum berührt als Drogensüchtige, die ein totes Baby mit sich herumschleppt. "Madame Psychosis", die andere von ihr gespielte Figur, ist eine Radiomoderatorin auf Entzug, die einen Gesichtsschleier trägt, weil sie entstellt ist oder sich so fühlt. Leider funktioniert das auf der Bühne nur bedingt, spürt man keine Verbindung zu ihr: Die "guten alten echten Gefühle" sieht man nun mal hauptsächlich im Gesicht, in den Augen.
Mehr Erschöpfung!
Am ernsthaftesten ist im Buch der Don Gately-Strang. Don wird bei dem Versuch einen seiner Insassen zu beschützen, angeschossen und weigert sich, Schmerzmittel zu nehmen um seinen Entzug nicht zu gefährden. Unter entsetzlichen Qualen denkt er sein Leben noch einmal durch. Heiko Pinkowski spielt das ganz geradlinig, was dem Buch völlig angemessen ist. Es berührt auch, aber die Verzweiflung überträgt sich doch nicht ganz, vielleicht, weil seine Agonie einfach nicht lang genug dauert.
Überhaupt ist die Aufführung zu kurz. Gerade mal in der letzten der viereinhalb Stunden beginnt man sich zu langweilen, aber nur ein bisschen, während das Buch eine furchtbare Qual ist, weil die rasenden Gedankenschleifen nie enden, die Verzweiflung immer wieder anbrandet – genau wie in einem selbst. Man kann sich zuerst drüber lustig machen, dann kommt das Gefühl der Ausweglosigkeit. Und der Gedanke, dass ohne die Hoffnung auf eine Änderung so ein Leben nicht auszuhalten ist, jedenfalls nicht ohne Drogen. Das Mitleid mit den Figuren endet, ein furchtbares Selbstmitleid setzt ein, das der erste Schritt zur Veränderung sein kann, sein muss.
Diesen Effekt kennt man aus den Castorfschen Endlos-Dostojewskis und aus Vinges Zwölfstündern, wo sich ähnlich pubertäre Figuren in Verzweiflung völlig verausgaben und es gerade die Erschöpfung ist, in der Schauspieler und Zuschauer einander am Ende ganz nah sind und nicht mehr allein. Der Mut zu solchen zehn oder zwölf Stunden hätte dem "Unendlichen Spaß" wahrscheinlich gut getan. Aber auch so blitzt die Hoffnung auf eine neue Aufrichtigkeit und eine neue Form jenseits der Postmoderne immer wieder auf. Und den Spaß gibt's sowieso.
Unendlicher Spaß
von David Foster Wallace in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach
Spielfassung von Thorsten Lensing unter Mitarbeit von Thierry Mousset und Dirk Pilz
Regie: Thorsten Lensing, Mitarbeit Regie: Benjamin Eggers, Bühne: Gordian Blumenthal, Ramun Capaul, Kostüme: Anette Guther, Dramaturgie: Thierry Mousset.
Mit: Jasna Fritzi Bauer, Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi, Heiko Pinkowski, Devid Striesow.
Dauer: 4 Stunden 20 Minuten, eine Pause
www.sophiensaele.de
Offenlegung: Dirk Pilz, einer der Redakteure von nachtkritik.de, hat bei "Unendlicher Spaß" an der Textfassung mitgearbeitet.
Zum Weiterlesen ein Interview mit Hal-Darstellerin Ursina Lardi: "Eine Idee kann Schärfe haben, Tiefe bekommt sie durch das Spiel"
"Ein kluger, tiefer, aber auch sehr lustiger Theaterabend in den Sophiensälen", schwärmt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (online am 23.2.2018) und macht als Grundmotiv "die Verzweiflung, zu rufen und nicht gehört zu werden, etwas zu sagen und nicht verstanden zu werden, zu 'konnektieren'" aus. Die Monologe und Dialoge würden "wie im Buch ohne Rücksicht auf irgendeine Chronologie montiert und spielerisch ausdifferenziert, ein bisschen fühlt es sich an wie ein Ritual, eine Textanrufung". Es gehe immer auch darum, "sich an die Grenzen des Spiels heranzutasten, in Gefilde, wo sich das gespaltene Wesen von Figur und Spieler wiederbegegnet und so vielleicht einen Weg aufzeigt, auf dem Konnektionen doch möglich sind". Das sei "hohe Theaterkunst", wenn auch "vielleicht manchmal auch einen Tick zu weihevoll und bedeutungsbetont für das kichernde Hilfeschreien von 'Unendlicher Spaß'".
"Obgleich man sich darüber wundert, dass bei einer Adaption des Stoffs dessen philosophische und existentielle Dimension gänzlich ausgeklammert werden soll, fühlt man sich in der ersten Hälfte des Abends noch gut bis sehr gut unterhalten", schreibt Simon Strauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (24.2.2018). "Allerdings befällt einen schon bald das ungute Gefühl, dass hier dem Affen mehr Zucker gegeben wird, als er verdauen kann." Die "permanente spielerische Übersteigerung und Selbstkarikierung" wirke zu perfekt, als dass sie den Abend auf Dauer tragen könnte. Nach der Pause flache das Spiel ab. "Die philosophische Ernsthaftigkeit des Originals, seine abgrundtiefe Verzweiflung über die Frage, ob es noch ein anderes Bewusstsein gibt als das eigene, wird nicht einmal von ferne berührt. Statt Solipsismus geht es um Screwball", so Strauß. "Statt von der Erschöpfung des Ichs erzählt dieser Abend ausschließlich von dessen Ausflüchten in Witz und Ironie. Für die dahinter schlummernde Traurigkeit hat er keinen Sinn."
Einen "dunklen Spaß" sah Patrick Wildermann. Im Berliner Tagesspiegel (online 24.2.12018, 17:07 Uhr) schreibt er: "Angenehm" sei, dass sich Thorsten Lensing "um Konzentration auf zentrale Motive" bemühe. Es gehe "weniger um den großen (kultur)politischen Overkill", als um die "Deformationen der Biografien in dieser postmodernen Wüstenei". Den Kampf mit "den Abhängigkeiten und Beschädigungen", das "Ringen um Sinn und Erlösung" exerziere Lensing in vier "fast rundweg fesselnden" Stunden. Mit einem "phantastischen Ensemble", dessen teils "grell divergente Spielstile sich zu einem Ganzen" fügten. Und nicht zuletzt "mit Gespür für die existenziell verzweifelte Komik der Vorlage".
"Gespielt wird mit einer Offenheit, wie man sie aus Arbeiten des verstorbenen Jürgen Gosch kennt", beschreibt Mounia Meiborg in der Süddeutschen Zeitung (24.2.2018) einen "außergewöhnliche(n) Theaterabend". Zu sehen seien keine "luftdicht verpackten Figurenzeichnungen", sondern "Versuchsanordnungen" von großer Präzision und Virtuosität. Die ersten zwei Stunden seien das Schönste, was man seit Langem im Theater gesehen habe. Nach der Pause aber lasse der Abend stark nach. Der zweite Teil tappe selbst ein bisschen in die Falle allzu simpler Psychologisierung. "Das Existentielle, das im ersten Teil so leicht und komisch daherkommt, kippt ins Betuliche."
"Ja, die Aufführung ist ein Spaß, aber endlich, sie ist eine Revue einzelner Nummern, meist Solo- oder Zweierszenen, dargeboten von den grandiosen Akteuren Devid Striesow, Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi, Jasna Fritzi Bauer und Heiko Pinkowski", schreibt Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung (6.3.2019) nach dem Gastspiel der Produktion beim Augsburger Brecht-Festival. "Alle haben (viel) Theatererfahrung, alles sind Fernsehstars. Und alle pflegen ihre Marotten, was ihnen Lensing offenbar in der weisen Erkenntnis zugestand, dass man diese Supertiere ohnehin nur mit einer fundierten Idee domestizieren könnte."
Kritikenrundschau zum Gastspiel beim Berliner Theatertreffen 2019
"Eine Leistung ist es auf jeden Fall schon, in vier Stunden Theater so viel und so verständlich, so berührend und oft so komisch aus diesem labyrinthischen Roman auf die Bühne zu stellen", schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (6.5.2019). "Allein, es bleibt ein Bild von grotesken Einzelschicksalen, das sich nicht verbindet zu einem Panorama einer Gesellschaft, die sich mit ihrer Ideologie von Stärke und Leistungsbereitschaft in Heuchelei, Krankheit und Wahnsinn hineintreibt."
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Allerdings muß man wohl fairerweise zugestehen, daß die Produktionsbedingungen einigermaßen unerhört sind: viele Jahre der Vorbereitung, beste Darsteller, die lange miteinander arbeiten und proben. Beste Zutaten, mit denen man aber trotzdem einen argen Brei kochen könnte. Passiert aber nicht.
An zwei Punkten würde ich der nachtkritik widersprechen: 1. Ursina Lardi ist für mich hinreißend gewesen, ich sehe da ganz große Kunst, auch weil was sie macht, viel zerbrechlicher (der Schrei!) ist, als gerade auch bei Sebastian Blomberg und Devid Striesow, die halt auch dem Affen Zucker geben (können). Die beiden finden glücklicherweise das rechte Maß.
2. Der Abend ist nicht zu kurz, zum Glück halt auch nicht zu lang. Mit der Logik, mit der die Kritikerin hier argumentiert, reichen ja auch 8 h Castorf, 12 h Nationaltheater Reinickendorf oder 24 h Mount Olympus nicht aus. Dann bitte tagelang, wochenlang... Nö, die treffen hier eine Entscheidung, arbeiten etwas heraus und bringen es auf die Bühne. Es hätte etwas weniger monologisch, etwas weniger Nummernmäßig sein dürfen... aber herrjeh. Toll, hingehen.
- Kernsatz aus Hälfte zwei: "Warum sollte ich auf Demerol verzichten, wenn das die Nüchternheit ist." Vielleicht erklärt diese Frage aus der Entzugsklinik auch den Charakter der beiden Hälften der Inszenierung. Erst der Rausch, dann die Ernüchterung. Hals Dauerwettbewerb, den man leicht auf's Heute lesen kann kommt dann doch zur Erschöpfung, zum Innehalten, zur Selbstbefragung. Ende der Spaßgesellschaft.
- Die "Portraits vivants" von Mario in der zweiten Hälfte war ein Moment der Stille. Mir blieb unklar, wohin er wies. Formal fällt die Videoprojektion aus dem sonst klug gegossenen Abend heraus. Inwieweit das inhaltlich etwas erzählt, blieb im Dunklen. Ist das Marios Art, zu erzählen; die Stille? Oder hat jemand etwas gesehen, das ich übersah?
Schon in der ersten Hälfte, die mit einem starken Monolog von Jasna Fritzi Bauer als verschleierte Radiomoderation Joelle van Dyne von der „Liga der rüde Verunstalteten und Entstellten“ endet, schleichen sich einige Längen in die Szenen ein, die Lensing gemeinsam mit Thierry Mousset und Dirk Pilz aus dem 1.500 Seiten-Roman herauspräpiert hat, ein. Heiko Pinkowski bringt es bei einem Wutausbruch als Don Gately bei einem Entzugs-Treffen im Ennet House auf den Punkt: diese Aneinanderreihung entgleister Lebensschicksale wird auf die Dauer „egal“.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/03/04/unendlicher-spass-roman-adaption-mit-hochglanz-ensemble-und-laengen/
Egal, wer wie woran leidet: Die Verbindungslosigkeit des Einzelnen ist absolut, der Graben zwischen Selbst- und Fremdbild, Wahrheit und gesellschaftlicher Realität unüberbrückbar. Hier wohnt die Ironie. Oder als Gegenentwurf: das Absurde. Dort verortet der Abend sein erhebliches komisches Potenzial wie seine Weltsicht. Immer wieder findet er bizarre Situationen, etwa Hals bereits angesprochenes wiederwilliges Trauer-Coaching, oder die atemberaubende Szene, in der Sebastian Blomberg als Vogel in Orins Whirlpool stürzt, ein zwerchfellerschütterndes Bild einer komplett alle Grenzen des Vernünftigen überschritten habenden Welt, welche tragischerweise die Grenzen des Ichs zu überwinden nicht in der Lage ist – eine Mauer aus rostigem Blech ist denn auch das einzige Bühnenbildelement auf den sonst leeren Brettern. Striesow und Blomberg – der unter anderem Vater Incandenza gibt und Ex-Pornostar Roy Tony – sind Clowns des Absurden, von der Welt geschriebene Ich-Bilder aufgepumpter Männlichkeit, so grotesk, dass sie wahrhaftiger erscheinen als etwa Lardis eiskalte Hal-Aufspaltung, die auf ihre Weise natürlich unendlich viel Wahrheit verströmt. So ist der Abend trotz einiger Längen im zweiten Teil, mancher Albernheiten und Überflüssigkeiten (Striesows Auftritt als Nachbarsmädchen ist bestenfalls zum Kichern, Jasna Fritzi Bauers Rollen bleiben ein wenig außen vor), irrsinnig – im Wortsinn zu verstehen – unterhaltsam und, ja, spaßig. Und doch gleichzeitig von frostiger Kälte, eine Nummernrevue der Verlorenen, eine Parade der (Selbst-)Isolation, ein Tableau der Sprachlosigkeiten. Also solche Mischung macht er nicht nur dem Roman alle Ehre, sondern proklamiert das Theater als selbstverständlichen Ort einer solchen Bestandsaufnahme.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/03/04/ich-bin-hier-drin/