Spurensuche in afrodeutschem Leben

21. September 2023. Von Nazi-Deutschland und dem KZ Neuengamme bis in die bundesrepublikanischen Protestbewegungen spannt sich das Leben der afrodeutschen Aktivistin Fasia Jansen. Eine BIPoC-Künstler*innengruppe um die Szenografin Elisabeth Gers widmet ihr an der Berliner Volksbühne eine reich collagierte Erinnerung.

Von Esther Slevogt

"Fasia – Das letzte Jahr" an der Volksbühne in Berlin © Volksbühne

21. September 2023. Vielleicht braucht es einen herzzerreißenden Theaterabend wie diesen, um eine exemplarische Biografie wie die von Fasia Jansen in die Umlaufbahn des Mainstreams zu katapultieren: Fasia Jansen, die in den 1960er und 1970er Jahren als Sängerin und Friedensaktivistin bekannt wurde. 1929 in Hamburg als "uneheliche" Tochter eines liberianischen Diplomaten und eines deutschen Dienstmädchens geboren, wuchs sie im Arbeiterviertel Rothenburgsort auf. Als Teenager musste sie Zwangsarbeit in der Küche des KZs Neuengamme leisten. Leid und Elend der jüdischen Häftlinge, das sie hier sah, prägten sie tief.

Nach dem Krieg erlebte sie in der repressiven Bundesrepublik, wie die alten Nazis und ihr Rassismus weiterwirkten und Kommunisten wie der sie stets fördernde Stiefvater wieder verfolgt wurden. Sie war eine frühe starke afrodeutsche Stimme, wurde Mitglied der Friedens- und Protestbewegung und trat auf den Ostermärschen unter anderem mit Joan Baez, Hannes Vader oder Franz-Josef Degenhardt auf. 1997 starb sie viel zu früh, wahrscheinlich an Spätfolgen von "Behandlungen" rassistischer Ärzte in der NS-Zeit.

Konturen des Lebens von Fasia Jansen

Ihr letztes Lebensjahr ist loser Rahmen einer Spurensuche, mit der jetzt eine BIPoC-Künstler*innengruppe um die Szenografin Elisabeth Gers im dritten Stock der Berliner Volksbühne Konturen des Lebens von Fasia Jansen nachzeichnet und damit das Spotlight auf diese wichtige Referenzfigur afrodeutscher Geschichte richtet. Und auf die Schmerzen und Unsicherheiten, die mit dieser Suchbewegung nach den eigenen Wurzeln in der Geschichte, nach den Fragen um ihre Darstellbarkeit für die Macher*innen verbunden sind. Etwa wenn die Frage verhandelt wird, ob all die N-Wörter, denen Fasia Jansen seit ihrer Kindheit immer wieder ausgesetzt war, ausgesprochen werden sollen, um ihre Geschichte zu erzählen. (Die Inszenierung entscheidet sich dagegen). Oder wenn es grundsätzlich um die Schwierigkeiten geht, einen Abend wie diesen überhaupt ins Programm einer weiß dominierten Kulturinstitution zu heben.

Fasia3 VolksbuehneMit Ohr für die vorausgegangene Generation: Denise M'Baye und Jarita Freydank besingen und reflektieren das Leben von Fasia Jansen © Volksbühne

"Wer bist du?" fragt jetzt also ein junges Mädchen (June Shaw) im Kleid mit 1930er Jahre Appeal eine ältere Frau im weißen Hemd (Denise M'Baye), das sie mal wie ein Engel aus dem Totenreich und mal wie eine Fee aussehen lässt, die über die Szene schwebt. Die junge Fasia trifft ihre ältere Version, und die schwierige Antwort auf diese Frage umkreist dieser Abend in immer neuen Ellipsen.

Beide sitzen auf Stufen, die zu einem kleinen Guckkasten führen, wo im Laufe des Abends auch immer wieder kleine Szenen spielen. Einmal singt Denise M'Baye hier Billie Holidays (1937 von Abel Meeropol getexteten und komponierten) Song "Strange Fruit" über die entstellten toten Körper gelynchter Schwarzer an den Magnolienbäumen in den amerikanischen Südstaaten, bevor sie zusammenbricht. Sich gegen die Vernichtungsenergien der Gewaltgeschichte von Rassismus zu behaupten, ist ein Kraftakt, der auch die Nachgeborenen sehr viel kostet.

Volkstanz im Volksbühnen-Foyer

Bei geschlossenem Vorhang dient der Guckkasten als Projektionsfläche für Schwarz-Weiß-Videos mit Szenen aus Fasias Leben, Reflexionen und auch dokumentarischem Material. So erleben wir im Film die achtzehnjährige Mutter (Emma Petzet) in Wehen, die dann erschrickt, wie "Schwarz" ihr Kind ist. Margarita Breitkreitz erzählt von den Defiziten der medizinischen Ausbildung, die nur an weißen Menschen orientiert ist.

Oder wir sehen Filmschnipsel vom Weltfrauenkongress 1985 in Nairobi, bei dem Fasia Jansen auftrat. Auch eine norddeutsche Volkstanzgruppe tritt in Erscheinung und führt den Volkstanz "Maike" auf – erst vor der Volksbühne, dann im Sternenfoyer, wo sie die Bodenmosaiken so gut in die genau gezirkelten Formationen dieses Volkstanzes fügen. In einer Volkstanzgruppe wie dieser aktiv, hatte auf dem Weltjugendtreffen der FDJ (die es bis zum Verbot der KPD 1956 auch im Westen gab) in Ost-Berlin die junge Fasia Jansen einst ihre Lebensfreundin Annemarie kennengelernt, für die sie aus Hamburg nach Oberhausen zog.

Holprig und anregend

An Percussionsinstrumenten sitzt die Musikerin Jarita Freydank, die in afrikanisierendem Kostüm der deutschen Folklore im Video ein afrikanisches Gegenüber gibt. Auch Kleber Nascimentos Anzug hat afrikanische Applikationen, der das Geschehen immer wieder mit der Live-Kamera verfolgt. Der Abend berührt, auch in der ganzen Holprigkeit, mit der er immer wieder die Schwierigkeiten seiner Entstehung thematisiert. Die Fragmente des Lebens von Fasia sind nur bruchstückhaft erfahrbar, und fügen sich nicht ohne weiteres zu einem Ganzen. Diese Arbeit muss man selber machen. Aber dazu zu inspirieren ist schließlich nicht das geringste Verdienst.

 

Fasia – Das letzte Jahr
von Elisabeth Gers
Regie, Bühne und Kostüm: Elisabeth Gers, Musik: Jarita Freydank, Video: Kleber Nascimento.
Mit: Denise M'Baye, June Shaw, Jarita Freydank unds Kleber Nascimento. Im Video: Maryam Abu Khaled, Edmundo Barros Franscisco, Margarita Breitkreiz, Katharina Budde, Nadine Da Cruz Oliveira, Jasmin Eding, Tamara Jankowski, Margit Laue, Katrin Lompscher, Emma Petzet, Ilona Sachs, Asad Schwarz-Msesilamba, June Shaw, Rosa Shaw, Amadou Zehe, Berliner Volkstanzkreis Institut für Tanz, Kultur und Tradition InTakt Berlin.
Premiere am 20. September 2023
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

www.fasia-jansen-stiftung-ev.de
www.volksbuehne.berlin

Kommentare  
Fasia, Berlin: Korrekter Link
Vielen Dank für die Rezension ...

Allerdings: Versucht 'mal diesen link - https://www.volksbuehne.berlin/#/de/repertoire/fasia-das-letzte-jahr oder diesen https://www.volksbuehne.berlin/

Der oben angegebene - mit dem Länderkürzel .de ist ein dead-link.

(Anm. Redaktion: Danke, lieber Koja, der Link ist verbessert.)
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