Der schwarze Mönch - Thalia Theater Hamburg
Das Gespenst der Kunstfreiheit
23. Januar 2022. Ist es Wahn? Ist es Selbstüberschätzung? Ist es pures Genie? Anton Tschechows Novelle "Der schwarze Mönch" erzählt von einem Wissenschaftler, der über das Mittelmaß seiner Umgebung hinauswachsen will. Kirill Serebrennikow, Russlands derzeit unbequemster Regisseur, macht auf seiner ersten Auslandsreise seit Jahren daraus einen Abend über einen Künstler. Ein opernhaft opulentes Fest der Sinne.
Von Georg Kasch
23. Januar 2022. Wer hat Recht: Andrej Kowrin, dem im Wahn der Schwarze Mönch erscheint, ihm Genie attestiert und der daran glauben will, selbst wenn der Mönch deutlich sagt: "Ich existiere in deiner Vorstellung"? Der Frau und Schwiegervater beschimpft, weil sie ihn so lange kurieren, bis der Wahn, aber auch aller Esprit aus ihm gewichen sind? Oder Tanja, die der spießigen Enge ihres Vaterhauses entfliehen möchte, deshalb Kowrin heiratet und erst an seiner Seite merkt, dass es dort nicht besser ist? Oder ihr Vater Pessozkij, der sich einzig für seinen Garten interessiert und dabei vollkommen die Bedürfnisse und Eigenschaften seiner Mitmenschen übersieht?
Man weiß es nach der Lektüre von Anton Tschechows 1893 geschriebener Novelle "Der schwarze Mönch" nicht. Was eine der großen Stärken des Textes ist, der die romantische Geisterfigur zum Anlass nimmt, sich Gedanken über Begabung und (Selbst-)Überschätzung, Beschränkung und Freiheit, Mittelmaß und Herdentrieb zu machen. Man weiß es auch nach den knapp drei pausenlosen Stunden von Kirill Serebrennikows Inszenierung am Hamburger Thalia Theater nicht genau. Dass der Regisseur, der zu den Endproben Russland überraschend verlassen durfte, aus dem Wissenschaftler Kowrin einen Künstler macht, legt aber eine Spur. Implizit steht an diesem Abend auch Serebrennikows Position als unbequemer Theaterschaffender in Russland zur Disposition.
Vier mal hintereinander erzählt Serebrennikow die Handlung aus wechselnden Perspektiven: der Pessozkijs, Tanjas, Kowrins und des Mönchs. Ein Rondo mit opernhafter Üppigkeit aus Schauspieler:innen, Sängern, Tänzern.
Gartenpflege und Haustyrannei
Von Üppigkeit ist aber erst mal nichts zu sehen. Auf der Bühne stehen drei Lattenkonstruktionen, die sich zunächst als Gewächshäuser, später als Festzelt, dann, umgestürzt, als Sinnbild des geistigen Aufruhrs lesen lassen. Hier präsentiert zunächst Pessozkij seine Perspektive. Bernd Grawert bellt und brummt die jähen Umschwünge vom zärtlichen Vater und Freund zum Haustyrann, als wäre er gerade einer Castorf-Inszenierung entsprungen.
Dass sich die Szene erst mit Atmosphäre füllt, wenn Musik erklingt, hat beim Naturpraktiker schon seine Richtigkeit: Bei den Sonnenaufgängen etwa, die den gesamten Theatersaal kurz in orangerotes Licht tauchen, singt ein vierstimmiges Männerensemble Harmonien irgendwo zwischen orthodoxer und zeitgenössischer Sakralmusik. Dazu gibt's Jazz von Klavier und Saxofon und Variationen von Gaetano Bragas "Serenata", in der ein Mädchen von jenseitigen Stimmen in den Tod begleitet wird und das Tschechow motivisch zum Auslöser für Kowrins Visionen macht. Vom Mönch noch keine Spur: Man erfährt von Kowrins Zerrüttung, erlebt, wie Mirco Kreibich ausfällig wird und mit seinen Beleidigungen mit zu Pessozkijs Tod beiträgt. Warum, bleibt ein Rätsel.
Verstrubbelter Künstler-Held
Im zweiten Teil erzählt die gealterte Tanja die Geschichte, betont völlig andere Details. Müde trägt Gabriela Maria Schmeide das am Standmikrofon vor, als hätte sie alles schon zu oft gesagt, während Viktoria Miroschnichenko, eben noch die einzige Tanja, jetzt als Erinnerung dient: So jung waren wir mal!
Zunehmend wild gehen die Sprachen Deutsch, Russisch und Englisch durcheinander, im Kowrin-Teil auch dessen Darsteller: Da kämpfen neben Kreibich auch Odin Biron und Philipp Avdeev um die Deutungshoheit des Charakters, jazzen einander hoch im Lebensrausch.
Jetzt stehen die Lattenhäuser Kopf, drehen sich die Tänzer wie Derwische, sehen alle wie schwarze Mönche aus. Die Gespräche mit dem "Gespenst" (die ja eigentlich Selbstgespräche sind) rücken in den Vordergrund, die Realität, die wir ja schon ausführlich kennen, wird nur noch zitathaft angedeutet. Tanjas und Pessozkijs Versuche, Kowrin gesunden zu lassen, wirken plötzlich nicht mehr wie Fürsorge, sondern wie ein Gefängnis, wenn sie Kreibich in Anzug und Krawatte stecken und ihm das Strubbelhaar zum Scheitel kämmen. Entsprechend verzweifelt ist Kowrin über diese Heilung, die für ihn eine Vertreibung aus dem Paradies bedeutet: "Ich hatte Halluzinationen, aber wen störte das?"
"Ich hatte Halluzinationen, aber wen stört das?"
Die Frage nach dem Warum zieht sich durch alle Perspektiven: Warum tue ich mir den Garten an, wenn es keine Nachfolge gibt? Warum werde ich mit diesem Mann nicht glücklich? Warum habt ihr mir die Heilung angetan? Sie berührt die nach dem Sinn des Lebens. Und bleibt natürlich unbeantwortet. Stattdessen öffnet Serebrennikow im Mönchs-Teil noch einmal alle Theaterschleusen: Die Tänzer wirbeln, die herrlichen Sängerstimmen leuchten, Traum und Wirklichkeit vermischen sich in einem ununterscheidbaren Taumel, während auf den vier Holzmonden im Bühnenhimmel Projektionen des aufgesplitteten Kowrin leuchten. Es ist ein Fest. Es ist das Chaos. Es ist die Freiheit.
Am Ende sind alle Perspektiven erzählt, hat keine die Deutungshoheit errungen. Allenfalls die des Mönchs, der womöglich die Kunst selbst symbolisiert, die uns begleitet, uns verführt, uns tröstet, wenn alles zerbricht. Die uns größer, erhabener, geistreicher fühlen lässt, auch wenn wir nur Mittelmaß sind. Die vielleicht ein Wahn ist. Aber wen störte das?
Der schwarze Mönch
von Kirill Serebrennikow nach Anton Tschechow
Uraufführung
Regie und Bühne: Kirill Serebrennikow, Co-Regie und Choreografie: Evgeny Kulagin, Ivan Estegneev, Mitarbeit Bühne: Olga Pavluk, Kostüme: Tatyana Dolmatowskaya, Musik: Jēkabs Nīmanis, Musikalische Leitung: Ekaterina Antonenko, Uschi Krosch, Musikalisches Arragement "Serenade": Andrei Poliakov, Musikalische Einstudierung: Uschi Krosch, Licht: Sergej Kuchar, Video: Alan Mandelshtamm, Dramaturgie: Joachim Lux.
Mit: Mirco Kreibich, Filipp Avdeev, Odin Biron, Bernd Grawert, Viktoria Miroschnichenko,
Gabriela Maria Schmeide, Gurgen Tsaturyan, Tillmann Becker, Genadijus Bergorulko, Viktor Braun, Chris Jäger, Tim Czerwonatis, Pavel Gogadze, Benjamin Boresch, Friedo Henken,
Alexander Tremmel, Samuel Franco, Daniel Vliek.
Premiere am 22. Januar 2022
Dauer: 2 Stunden 45 Minuten, keine Pause
www.thalia-theater.de
Kritikenrundschau
Der "von einem starken internationalen Ensemble" getragene Abend biete in seinen vier Teilen "viel Tanz und Musik, als seien sie zugleich Sätze einer kosmischen Sinfonie", schreibt Stefan Grund in der Welt (23.1.2022). Serebrennikow untersucht "auf Basis eigener Erfahrungen die Frage nach der Freiheit, der künstlerischen Freiheit, die zugleich mit Tschechow die Frage stellt, wie zu leben sei: Was ist normal? Wie wird Identität konstruiert? Bedeutet die Normalität immer auch Langeweile, Konformität? Was bedeutet es, einzigartig zu sein und gegen das Bürgerliche zu revoltieren? Was heißt Freiheit? Welchen Preis zahlt der Größenwahn?"
"Serebrennikov erzählt mit vielen Mitteln: Der Sonnenaufgang wird von einem großartigen Chor gesungen. Auch die Tänzer und Spieler dieses multinationalen Ensembles sind furios, und die von dem Regisseur selbst gestaltete Bühne nimmt die Geschichte ebenfalls auf", berichtet Katja Weise im NDR (23.1.2022). "Das Publikum hielt es am Ende nicht auf den Sitzen: Jubel und Beifall für das Ensemble und Kirill Serebrennikov. Ein Abend, der die Freiheit der Kunst feiert – und sich die Freiheit nimmt, auch Antworten schuldig zu bleiben. Ein Glück."
Kerstin Holm berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (24.1.2022, €), dass Kirill Serebrennikow, um das Vertrauen jener Leute nicht zu enttäuschen, die ihm "bei der Beschaffung der Reisepapiere geholfen" hatten, am Tag nach der Premiere "umgehend nach Moskau" zurückgekehrt sei, um sich "bei den Behörden zu melden". In Hamburg habe Serebrennikow, beginnt Holm ihre Beschreibung des Abends, "einen hierzulande weithin unbekannten Text" erarbeitet, "der über die Träume von Freiheit und den Wahn der Inspiration eine sehr persönliche, auch von Kommunikationsnöten gezeichnete, spirituelle Krankengeschichte erzählt". Serebrennikow bringe die Geschichte in eine Rondoform, rücke "aber auch nach dem Rashomon-Prinzip die Figuren abwechselnd ins Zentrum". Der Abend steigere sich von "großer Bodennähe" spiralförmig zu einem "sehr körperlichen, bildmächtigen, parareligiösen Gesangs- und Tanzspektakel". "Die Derwische tanzen, während die menschliche Natur zerbricht." Das nach "den Hygienebestimmungen voll besetzte Haus" jubelte lange im Stehen.
Dieser Abend sei ein "Theaterwunder" schreibt Annette Stiekele im Hamburger Abendblatt (23.1.22). "Überbordend, leidenschaftlich, expressiv, düster" und "voller grandioser Bilder und hingebungsvollem Spiel" - so lobt die Rezensentin. Der Kniff, die Erzählung vier Mal aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, sei klug umgesetzt und schöpfe jedes Mal aufs Neue die Theatermittel voll aus. "Auf der Bühne herrscht ständig Bewegung, erklingt Musik, überwältigen kosmische und nebulöse Visualisierungen." Große Tableaus stünden neben großer Zartheit und Intimität. Ein Theaterereignis dieser "Wucht, Bedeutung und Größe" sei selten.
Das Stück ende mit optimistischen Imperativen - "Sei ein Genie! Freue dich! Tritt hervor aus der Herde und sei glücklich!". "Die Kraft des Regisseurs, ungebrochen aus der staatlichen Disziplinierung hervorgegangen zu sein, wird ins Jubilierende vergrößert", beschreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (24.1.22). Diese "Feier individualistischer Glücksperspektive" könne auch befremdlich wirken - aber sei nur einer der vier Perspektiven, die die Inszenierung einnimmt. "Herb, aber gerecht" und mit "analytischem Blick die Eitelkeiten der Männer" sezierend, liefere hier die Perspektive der älteren Tanja "den einzig wirklich modernen Kommentar zu Tschechows Genie-Erzählung vom egozentrischen Mann - der sich in der nächsten Wiederholung aber wieder bizarr spreizen darf." Es bliebe dabei "im Dunklen, ob die selbstverliebte Wildheit der drei Genies der Rechtfertigung ihrer Lebensunfähigkeit dient oder eine Kritik an ihrer Eigensucht" sei - und dem Rezensten bleibt die Frage, ob das die Botschaften sind, die es gerade braucht.
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(...)
Vielleicht sollte Mann mal damit aufhören Serebrennikov bedingungslos zu feiern.
#lessingtage2022 #lessingtage #kirillserebrennikov #tschechow #derschwarzemönch #thaliatheater
(Anm. Redaktion. Zwei Passagen mit persönlichen Anwürfen wurden aus diesem Kommentar entfernt.)
Vielleicht sollte Frau mal ihre besondere Einstellung zum männlichen Geschlecht überdenken und der Kunst, der Kreativität, der Genialität der involvierten Künstlerinnen und Künstler - vom Autor Tschechow über die Bearbeitung und Regie von Herrn Serebrennikov bis zu den hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern, Sängerinnen und Sängern, Tänzerinnen und Tänzern und allen Bühnenarbeiterinnen und Bühnenarbeitern - mehr Aufmerksamkeit und Würdigung zukommen lassen und besser hinschauen, bevor sie abgedroschene, feministische Formeln als Kritik anbietet (Machotheater, weiße Männer, Frauen in der Opferrolle, etc.). Dieser Kommentar bemüht sich gar nicht erst um ein Verständnis dieser vielschichtigen künstlerischen Arbeit, sondern baut auf einer negativen Voreinschätzung auf, die verurteilt statt genau hinzuschauen. Die Frauen mögen hier tatsächlich Opfer der männlichen Ansprüche sein, die Männer sind es allerdings genauso. Und für beide Geschlechter gilt die Suche und die Sehnsucht nach Freiheit und Erfüllung. Hier ist der Mensch als solcher im Zentrum der Betrachtung, egal ob Mann oder Frau. Im übrigen hätte die Autorin eigentlich auch die Diversen mit einbeziehen sollen, die kommen hier in der Tat gar nicht zum Zuge!
Mit freundlichen Grüßen - Christiane Bauer
Bei der gestrigen zweiten "Mönch"-Vorstellung am Thalia erlebte das Publikum eine neue Variante der Corona-Absagen. Intendant und Produktionsdramaturg Joachim Lux überbrückte im Marcel Reif/Günther Jauch-Champions League-Stil eine Stunde mit Berichten über die zahlreichen Hindernisse der Produktion, über die Hintergründe des Tschechow-Stoffs, diverse Fahrten zum Flughafen und Schrebergärten, gab Freigetränke aus, immer wieder mit dem Blick zum Handy, ob das PCR-Testergebnis eines zentralen Schauspielers des Abends endlich vorliegt.
Nach einer Stunde gab es die Gewissheit, dass die Vorstellungen in dieser Woche ausfallen müssen. Gute Besserung an den Schauspieler und vielen Dank an das benachbarte Schauspielhaus für die schnelle, unbürokratische Hilfe bei Plan B für diesen Theaterabend.
Wenn ich es richtig verstanden habe, war die von Karl Lauterbach und Co. diskutierte PCR-Knappheit ein Grund für die Hängepartie. Düstere Aussichten und zusätzliche Hürden für die Theater außer in Felix Vienna mit seinem vorbildlichen Gurgeltest-System.
Einen ersten tollen Moment hat „Der schwarze Mönch“, wenn sich Mirco Kreibich in eine typische Mirco Kreibich-Szene hineinsteigert: er teilt sich die Rolle von Andrej Kowrin, einem sensiblen Künstler-Genie, das in den Wahnsinn driftet, mit den beiden russischen Kollegen Odin Biron und Philipp Avdeev. Mit einer quecksilbrigen Energieleistung fiebert Kreibich so nervös über die Bühne, wie man ihn seit seiner waghalsigen „Baal“-Aktion in den Kammerspielen des Deutschen Theaters kennt.
Serebrennikows Inszenierung kommt erst im vierten und letzten Akt zu sich. Erst dann setzt er seine Stärke ein: das Sprechtheater wird mit tänzerischen Elementen verknüpft. Die beiden bewährten Choreographen Evgeny Kulagin und Ivan Estegeneev übernehmen wie schon in früheren Arbeiten die Co-Regie. Im finalen Akt wirbeln die Mönche als „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“-Alter ego des Künstler-Genies Kowrin über die Bühne und dem Delirium entgegen.
Diese eindrucksvollen Szenen sprengen die übliche Stadttheater-Ästhetik, aber sie allein machen den Abend noch nicht bemerkenswert. Deswegen ist es konsequent, dass die Theatertreffen-Jury „Der schwarze Mönch“ zwar diskutierte, aber letztlich doch nicht in die 10er-Auswahl einlud.
Das Bemerkenswerteste an der Inszenierung ist, dass sie trotz aller Widrigkeiten stattfinden konnte. Auch der Regisseur Kirill Serebrennikow, der nach langem Hausarrest erst im Januar 2022 erstmals wieder aus Russland ausreisen durfte, war überraschend bei der gestrigen Vorstellung wieder dabei. Arm in Arm mit dem Dramaturgen und Intendanten Lux schwenkte er Plakate für Frieden und Freiheit und setzte mit seinem Ensemble ein politisches Statement gegen Putins Autokratie.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2022/03/07/der-schwarze-moench-thalia-theater-hamburg-kritik/
Zur Anpassungsforderung, die an Andrej gestellt wird, gehört auch die, eine heterosexuelle Ehe einzugehen. Die Forderung, etwas sein zu müssen, treibt Andrej in die Hysterie. In diesem narrativen, künstlerischen und dramaturgischen Kontext stehen die beiden Frauenfiguren. Die junge Tatjana kommt nicht an Andrej heran, weil sie vom Vater zum "Dienen, dienen" erzogen wurde. Die alte Tatjana wurde als Ehefrau für eine Lebenslüge benutzt und versteht zu spät, was passiert ist.
Der Umstand, nicht das Frauenbild gezeigt zu bekommen, das die Kritikerin zu sehen wünschte, hat sie blind gemacht. Und leider auch unsensibel. Und intolerant für Diversität. Und im Ergebnis: homophob.